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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 11.11.2002
Aktenzeichen: BVerwG 4 BN 52.02
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 3 Abs. 2 Satz 4
BauGB § 1 a Abs. 3 Satz 3
§ 3 Abs. 2 Satz 4 BauGB verlangt nicht, dass das Ergebnis der Prüfung der fristgemäß eingegangenen Anregungen zum Entwurf eines Bebauungsplans den Einwendern vor dem Satzungsbeschluss mitgeteilt wird (Ergänzung zu BVerwGE 110, 118 <125>).
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 4 BN 52.02

In der Normenkontrollsache

hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 11. November 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Halama und Gatz

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 8. Juli 2002 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe:

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VWGO gestützte Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Antragsteller beimisst. Die aufgeworfenen Fragen lassen sich anhand des Gesetzeswortlauts und nach dem Sinn und Zweck der einschlägigen Regelungen unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unschwer beantworten, ohne dass es eigens der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

Die Frage, "ob und ggf. wann ein Einwender in einem Bebauungsplanverfahren einen Anspruch auf Mitteilung über die Entscheidung des Gemeinderats über die von ihm erhobenen Einwendungen hat und welche Bedeutung einem Verstoß zukommt", rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Der Antragsteller stellt nicht in Abrede, dass ihm die Entscheidung des Gemeinderats über seine im Aufstellungsverfahren gegen die Planung erhobenen Einwendungen mitgeteilt worden ist. Die Frage, wie es rechtlich zu beurteilen ist, wenn eine solche Mitteilung gänzlich unterbleibt, würde sich mithin in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Für bedenklich hält der Antragsteller die Ansicht des Normenkontrollgerichts, dass es ausreicht, wenn das Ergebnis der vom Gemeinderat vorgenommenen Prüfung, wie hier, dem Bürger, der Einwendungen erhoben hat, erst nach dem Beschluss über den Bebauungsplan als Satzung nach § 10 Abs. 1 BauGB mitgeteilt wird. Dass die Auffassung der Vorinstanz zutrifft, bedarf indes keiner Bestätigung in einem Revisionsverfahren.

Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB sind die Entwürfe der Bauleitpläne mit dem Erläuterungsbericht oder der Begründung auf die Dauer eines Monats öffentlich auszulegen. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind Ort und Dauer dieser Auslegung mindestens eine Woche vorher ortsüblich bekannt zu machen mit dem Hinweis darauf, dass Anregungen während der Auslegungsfrist vorgebracht werden können. Satz 4 bestimmt, dass die fristgemäß vorgebrachten Anregungen zu prüfen sind und das Ergebnis mitzuteilen ist.

Die genannten Vorschriften stehen in einem engen sachlichen Zusammenhang mit dem in § 1 Abs. 6 BauGB normierten Abwägungsgebot. Danach sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Zum notwendigen Abwägungsmaterial gehören alle durch die Planung mehr als geringfügig beeinträchtigten schutzwürdigen Belange. Das in § 3 Abs. 2 BauGB geregelte Beteiligungsverfahren ist geeignet, einen wesentlichen Beitrag zur Ermittlung und zur Aufbereitung der hierfür benötigten Daten und Informationen zu leisten. Es trägt dem Umstand Rechnung, dass die Gemeinde bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials in nicht geringem Umfang auf die Mitwirkung der Betroffenen angewiesen ist. Denn es eröffnet die Möglichkeit, in die planerischen Erwägungen auch Belange einzubeziehen, die dem Planungsträger nicht bekannt waren und sich ihm auch nicht aufdrängen mussten.

Adressat der Anregungen ist im Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans das zum Satzungserlass befugte Gemeindeorgan. Die in § 3 Abs. 2 Satz 4 BauGB vorgeschriebene Prüfung ist geboten, da die vorgebrachten Anregungen ggf. Abwägungsmaterial enthalten, das bei der abschließenden Beschlussfassung von Bedeutung ist. Sie gehört zu den Aufgaben des zur Beschlussfassung berufenen Gemeindeorgans, denn sie steht in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Abwägungsentscheidung. Das zuständige Gemeindeorgan darf den Bebauungsplan nicht als Satzung beschließen, ohne sich ein Urteil über die Abwägungsrelevanz der Anregungen gebildet zu haben. Andernfalls sind Abwägungsdefizite vorprogrammiert. Das Gesetz sagt über den Zeitpunkt der Prüfung nichts aus. Aus dem Zweck der Regelung ergibt sich lediglich, dass die Prüfung der Beschlussfassung nicht nachfolgen darf. Das Ergebnis muss im Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung vorliegen, um in sie eingehen zu können. Das bedeutet aber nicht, dass es eines eigenständigen vorherigen Beschlusses über die Anregungen bedarf (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1999 - BVerwG 4 CN 12.98 - BVerwGE 110, 118 <125>). Die Gemeinde braucht nicht vorab über einen Teil des Abwägungsmaterials zu entscheiden. Für die Abwägung ist nach § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan maßgebend. Folglich genügt es, wenn die Entscheidung über die Anregungen spätestens zusammen mit dem Satzungsbeschluss getroffen wird.

Daraus ergeben sich Konsequenzen für den Zeitraum der in § 3 Abs. 2 Satz 4 BauGB vorgesehenen Mitteilung über das Ergebnis der Prüfung. Das Gesetz enthält sich insoweit näherer zeitlicher Vorgaben. Lässt sich von Rechts wegen nichts dagegen einwenden, die abschließende Entscheidung über Anregungen dem Satzungsbeschluss vorzubehalten, so versteht sich von selbst, dass die Mitteilung noch zu einem späteren Zeitpunkt möglich sein muss. § 3 Abs. 2 Satz 4 BauGB erfüllt insoweit eine ähnliche Funktion wie § 9 Abs. 8 BauGB. In der Begründung, die dem Bebauungsplan beizufügen ist, sind die Ziele, Zwecke und wesentlichen Auswirkungen des Bebauungsplans darzulegen. § 3 Abs. 2 Satz 4 BauGB ergänzt diese Regelung dahin, dass Beteiligte, die Anregungen vorgebracht haben, darüber unterrichtet werden, ob und wie sich die Gemeinde mit ihrem Vorbringen auseinander gesetzt hat. Dagegen ist es nicht der Sinn der Vorschrift, den planerischen Entscheidungsprozess offen zu halten und über § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 BauGB hinaus weitere Mitwirkungsmöglichkeiten zu eröffnen. Das Ergebnis der Prüfung kann auch noch nach In-Kraft-Treten des Bebauungsplans mitgeteilt werden. Das anhängige Verfahren würde dem Senat keine Gelegenheit bieten, zur Frage Stellung zu nehmen, ob der Gemeinde hierbei äußerste zeitliche Grenzen gesetzt sind. Denn nach den Feststellungen des Normenkontrollgerichts wurde der Antragsteller über das Ergebnis der Prüfung seiner Einwendungen innerhalb weniger Wochen nach dem Satzungsbeschluss informiert.

Der Senat hätte auch keinen Anlass, im Rahmen des erstrebten Revisionsverfahrens auf die Frage einzugehen, unter welchen Voraussetzungen die Gemeinde von der Möglichkeit Gebrauch machen darf, im Sinne des § 1 a Abs. 3 Satz 3 BauGB sonstige geeignete Maßnahmen zum Ausgleich auf von ihr bereitgestellten Flächen zu treffen. Der Antragsteller stellt nicht in Abrede, dass im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses Klarheit darüber bestand, durch welche Maßnahmen im Einzelnen die mit der Planung verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft ausgeglichen werden sollen. Er räumt auch ein, dass der Ort der Kompensation feststeht und das hierfür vorgesehene Grundstück Eigentum der Antragsgegnerin ist. Für klärungsbedürftig hält er, ob es in einer solchen Konstellation ausreicht, wenn ein Vertrag, den die Gemeinde zusätzlich zur Sicherung der naturschutzrechtlichen Kompensation mit der unteren Naturschutzbehörde abzuschließen beabsichtigt, im Zeitpunkt der Beschlussfassung erst in Entwurfsform vorliegt.

Der Senat hat sich bereits im Urteil vom 19. September 2002 - BVerwG 4 CN 1.02 - mit der vom Antragsteller angesprochenen Tatbestandsalternative des § 1 a Abs. 3 Satz 3 BauGB auseinandergesetzt und dabei Folgendes herausgearbeitet: § 1 a Abs. 3 Satz 3 BauGB stellt nunmehr klar, dass die Gemeinde bei der Bewältigung der Kompensationsproblematik nicht auf die Mittel der Bauleitplanung und der Vereinbarung beschränkt ist. Der Gesetzgeber stellt sonstige geeignete Maßnahmen, sofern die Gemeinde hierfür Flächen bereitstellt, als gleichwertige dritte Alternative neben die beiden anderen Regelungstypen. Schon aus diesem Nebeneinander ergibt sich, dass eine Gemeinde, die dieses Mittel einsetzt, sich nicht notwendigerweise durch vertragliche Vereinbarungen binden muss. Auf der anderen Seite lässt die gesetzliche Regelung erkennen, dass auch bei Anwendung der dritten Alternative des § 1 Abs. 3 Satz 3 BauGB ein Mindestmaß an rechtlicher Bindung unabdingbar ist. Der Senat hat offen gelassen, ob es insoweit ausreicht, wenn die Flächen, auf denen die Maßnahmen durchgeführt werden sollen, im Eigentum der Gemeinde stehen. Die Anwendungsvoraussetzungen des Gesetzes sind nach seiner Ansicht aber jedenfalls dann erfüllt, wenn sich aus sonstigen Umständen ergibt, dass der Ausgleich sichergestellt ist.

Auf der Grundlage dieser Senatsentscheidung besteht in dem vom Antragsteller erstrebten Revisionsverfahren kein weiterer Klärungsbedarf. Das Normenkontrollgericht sieht es als ausreichend an, "wenn die Ausgleichsmaßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen entweder schon tatsächlich ausgeführt worden sind oder ihre Umsetzung aufgrund der Gesamtumstände jedenfalls gesichert erscheint" (Urteilsabdruck S. 23). Dies entspricht dem rechtlichen Ansatz des Senats. Das Normenkontrollgericht geht davon aus, dass "der Gemeinderat der Antragsgegnerin mit der ausdrücklichen Aufnahme der durchzuführenden Maßnahmen in den Bebauungsplan und seiner Zustimmung zum Abschluss eines damit korrespondierenden Vertrages mit der Unteren Naturschutzbehörde zu erkennen gegeben (hat), dass die Gemeinde bereit ist, diese Maßnahmen tatsächlich auszuführen ..." (Urteilsabdruck S. 24). Ob die hierfür angeführten Tatsachen diese Annahme rechtfertigen, ist eine Frage der Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse, die sich einer revisionsgerichtlichen Klärung entzieht.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 14 Abs. 3 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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