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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 16.02.2001
Aktenzeichen: BVerwG 4 BN 55.00
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 140
BauGB § 162 Abs. 1 Satz 1
BauGB § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
BauGB § 165 Abs. 6 Satz 1
BauGB § 169 Abs. 1
BauGB § 180 Abs. 1
BauGB § 180 Abs. 2
Leitsätze:

Neben den in § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB benannten Gründen, aufgrund derer die Durchführung einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme vom Wohl der Allgemeinheit erfordert werden kann, kommt eine Vielzahl weiterer öffentlicher Interessen in Betracht.

Vom Wohl der Allgemeinheit erfordert wird die Durchführung einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme, wenn die Maßnahme durch ein dringendes, im Verhältnis zu entgegenstehenden öffentlichen - wie auch privaten - Interessen überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt ist. Die danach gebotene Bilanzierung, die zur Annahme eines solchermaßen qualifizierten öffentlichen Interesses führt, ist nicht mit planerischer Abwägung gleichzusetzen.

Ob ein erhöhter Bedarf an Wohnstätten im Sinne des § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB besteht, hat die Gemeinde im Wege einer Prognose unter Ausschöpfung aller ihr mit zumutbarem Aufwand zugänglichen Erkenntnisquellen zu ermitteln.

Der Sozialplan, den die Gemeinde gemäß § 180 BauGB zur Bewältigung nachteiliger Auswirkungen einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme zu erstellen hat, ist nicht Teil der Satzung über die förmliche Festlegung des Entwicklungsbereichs gemäß § 165 Abs. 6 Satz 1 BauGB.

Eine Entwicklungssatzung tritt nicht wegen Funktionslosigkeit dadurch außer Kraft, dass sich die mit der Entwicklungsmaßnahme verfolgten Ziele im Nachhinein als unerreichbar erweisen. In diesem Fall ist vielmehr die Satzung gemäß § 169 Abs. 1 in Verbindung mit § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB aufzuheben.

Beschluss des 4. Senats vom 16. Februar 2001 - BVerwG 4 BN 55.00 -

I. VGH Kassel vom 31.05.2000 - Az.: VGH 3 N 1250/99 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 4 BN 55.00 VGH 3 N 1250/99

In der Normenkontrollsache

hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 16. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gaentzsch und die Richter Prof. Dr. Dr. Berkemann und Halama

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 31. Mai 2000 wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsteller zu 1 bis 5 als Gesamtschuldner drei Siebtel sowie die Antragsteller zu 6 bis 9 jeweils ein Siebtel.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 140 000 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Antragsteller wenden sich im Normenkontrollverfahren gegen eine Satzung, mit der die Antragsgegnerin ein bisher überwiegend landwirtschaftlich genutztes Gebiet von etwa 266 ha Größe förmlich als städtebaulichen Entwicklungsbereich festgelegt hat. Das Normenkontrollgericht hat den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Satzung abgelehnt. Mit der Beschwerde erstreben die Antragsteller die vom Normenkontrollgericht abgelehnte Zulassung der Revision.

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.

I. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragsteller beilegen.

1. Die Antragsteller halten folgende Frage für klärungsbedürftig:

"Darf ein Gericht seine Erwägungen, ob eine Maßnahme zum allgemeinen Wohl erforderlich ist, an die Stelle der Erwägungen des Satzungsgebers setzen und die Maßnahme mit Gründen rechtfertigen, auf die der Satzungsgeber die Satzung selbst nicht gestützt hat?"

Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, da sie sich auf der Grundlage des Senatsurteils vom 3. Juli 1998 - BVerwG 4 CN 5.97 - (Buchholz 406.11 § 165 BauGB Nr. 4) außerhalb des von den Antragstellern erstrebten Revisionsverfahrens unschwer beantworten lässt. Nach den Angaben des Normenkontrollgerichts geht es der Antragsgegnerin über die von ihr ausdrücklich benannten Gemeinwohlbelange der Schaffung von Wohnbauland zur Senkung des erhöhten Wohnbedarfs, der frühzeitigen Sicherung der Infrastruktur in ausreichendem Umfang und der Bereitstellung kostengünstigen Baulands für weite Kreise der Bevölkerung hinaus darum, "auf einem erschließungsgünstigen, ökologisch nicht besonders sensiblen Landschaftsraum in ausreichender Flächengröße eine planerische Gesamtmaßnahme zur Abrundung, Integration und Entwicklung des Universitäts- und des Mertonviertels durchzuführen und dabei fachlich abgestützt ein komplexes städtebauliches Zielbündel zu verwirklichen".

Es bedarf nicht eigens der Bestätigung in einem Revisionsverfahren, dass alle für die Gesamtmaßnahme ins Feld geführten öffentlichen Belange geeignet sein können, nach § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB zum Wohl der Allgemeinheit beizutragen, unabhängig davon, ob die Antragsgegnerin sie selbst ausdrücklich als Gemeinwohlbelange im Sinne dieser Vorschrift bezeichnet hat oder nicht (vgl. zur ähnlichen Problematik der Planrechtfertigung in der Fachplanung BVerwG, Urteil vom 24. November 1989 - BVerwG 4 C 41.88 - BVerwGE 84, 123). Grundsätzlich kann sich aus den verschiedensten öffentlichen Belangen ableiten lassen, dass eine Entwicklungsmaßnahme dem Wohl der Allgemeinheit dient. Denn § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB enthält nur eine beispielhafte Aufzählung. Wie der Senat im Urteil vom 3. Juli 1998 dargelegt hat, konkretisiert der Gesetzgeber in dieser Bestimmung lediglich einige der Belange, die die Durchführung einer Entwicklungsmaßnahme rechtfertigen. Er geht generalisierend davon aus, dass die Deckung eines erhöhten Bedarfs an Wohnstätten oder die Verwirklichung eines der übrigen Tatbestände allein oder im Zusammenwirken mit sonstigen Planungszielen geeignet ist, dem Allgemeinwohlerfordernis zu genügen. Mit § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB trägt der Gesetzgeber den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG schon auf dieser Stufe der Planung Rechnung, weil die Enteignung im städtebaulichen Entwicklungsbereich nach § 169 Abs. 3 Satz 1 BauGB ohne Bebauungsplan zulässig ist. Das Grundgesetz unterscheidet in den Sätzen 1 und 3 des Art. 14 Abs. 3 selbst zwischen den "Interessen" und dem "Wohl" der Allgemeinheit. Nicht jedes beliebige, sondern nur ein qualifiziertes öffentliches Interesse entspricht dem Allgemeinwohl. Nicht alles, was im öffentlichen Interesse liegt, weist die von der Verfassung vorausgesetzten Qualifikationsmerkmale auf. Das rührt daher, dass bei Planungsvorhaben, die mit der Entziehung von Eigentum verbunden sind, in aller Regel ganz verschiedene öffentliche Interessen aufeinander treffen. Die verfassungsrechtliche Gemeinwohlformel trägt dieser Erkenntnis mit einem Abwägungsmodell Rechnung. Ob die Enteignung dem Wohl der Allgemeinheit dient, hängt von dem Ergebnis einer spezifisch enteignungsrechtlichen Gesamtabwägung aller Gemeinwohlgesichtspunkte ab (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. März 1987 - 1 BvR 1046/85 - BVerfGE 74, 264 <293/294>). Nur ein im Verhältnis zu entgegenstehenden öffentlichen (und auch privaten) Interessen überwiegendes öffentliches Interesse ist als besonderes und als dringend zu qualifizierendes Interesse geeignet, den Zugriff auf privates Eigentum zu rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. März 1984 - 1 BvL 28/82 - BVerfGE 66, 248 <257>; BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1990 - BVerwG 7 C 5.90 - BVerwGE 87, 241 <252>). Die auf dieser Ebene gebotene Bilanzierung ist nicht mit planerischer Abwägung gleichzusetzen. Ob die öffentlichen Interessen überwiegen, die für das Vorhaben sprechen, unterliegt einer Prüfung nicht lediglich nach Maßgabe der zum Abwägungsgebot entwickelten Grundsätze.

2. Ebenso wenig wie die erste Frage nötigt zu einer Zulassung der Revision die Frage, ob "ein erhöhter Bedarf an preisgünstigem Wohnraum einen Gemeinwohlbelang (darstellt), der geeignet ist, den Erlass einer Entwicklungssatzung und den Eingriff in Art. 14 GG zu rechtfertigen". Alle öffentlichen Interessen sind grundsätzlich geeignet, dem Wohl der Allgemeinheit im Sinne des § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB zu dienen. Ob ihnen allein oder zusammen mit anderen öffentlichen Interessen Gemeinwohlqualität zukommt, hängt davon ab, mit welchem Gewicht sie im Verhältnis zu entgegengesetzten öffentlichen Interessen zu Buche schlagen.

3. Die Antragsteller sehen Klärungsbedarf auch bei folgender Frage:

"Genügt eine Prognose über die mittelfristige Bevölkerungszunahme den an sie rechtlich zu stellenden Anforderungen im Rahmen der Beschlussfassung über die Entwicklungssatzung, ist sie insbesondere in einer der Materie angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden, wenn

a) der Satzungsgeber keine eigenen Daten erstellt und auswertet, sondern sich auf eine fremde Prognose stützt und wenn die Daten dieser fremden Prognose aus dem Jahr 1993 (d.h. drei Jahre vor Beschlussfassung) stammen und/oder wenn der Satzungsgeber beim Satzungsbeschluss selbst erkannt hat, dass die Einwohnerzahlen in den drei Jahren seit Erstellung der Prognose, auf die er sich bezieht, effektiv gesunken sind, er hieraus aber keine Konsequenzen zieht und die erkennbare falsche Prognose ungeprüft übernimmt,

b) der Prognose freie Schätzungen ohne Tatsachenbasis zugrunde gelegt werden?"

Soweit diese Frage überhaupt unabhängig von den Besonderheiten des konkreten Falles einer Klärung zugänglich ist, rechtfertigt sie eine Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil sie keine Erkenntnisse erwarten lässt, die über den bisherigen Stand der Rechtsprechung hinausweisen. Es versteht sich von selbst und bedarf keiner erneuten Bekräftigung, dass eine Prognose nur dann den rechtlichen Anforderungen genügt, wenn sie auf zuverlässigen Fakten und Daten beruht. Wie die Prognosebasis beschaffen sein muss, um ein Wahrscheinlichkeitsurteil über die Entwicklung eines Sachverhalts in überschaubarer Zukunft zu ermöglichen, lässt sich nicht abstrakt umschreiben, sondern nur nach Maßgabe der Sachgesetzlichkeiten beurteilen, von denen die jeweilige Materie geprägt wird. Woher die Fakten und Daten stammen, auf die sich die Prognose gründet, ist unerheblich. Ein Planungsträger kann insoweit auf eigene Ermittlungen verzichten, wenn ihm Erkenntnismaterial aus anderen Quellen zur Verfügung steht. Entscheidend ist, ob die Fakten und Daten, auf die er sich stützt, ausreichen, um die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu rechtfertigen. Auch Daten, die zu einem länger zurückliegenden Zeitpunkt erhoben worden sind, können sich als Prognosebasis eignen, wenn sie nicht durch neueres Material überholt sind. Ob frühere Annahmen durch spätere Untersuchungen bestätigt oder widerlegt werden, ist eine Frage der Einzelfallwürdigung, die einer grundsätzlichen Klärung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zugänglich ist. Schätzungen kommen als taugliche Prognosebasis nur unter der Voraussetzung in Betracht, dass keine besseren Erkenntnismittel zur Verfügung stehen. Soweit sich für die Abschätzung geeignetes Informationsmaterial beschaffen lässt, ist der Planungsträger verpflichtet, die ihm mit zumutbarem Aufwand zugänglichen Quellen auszuschöpfen. Ob diesem Erfordernis genügt ist, bestimmt sich nach den Grundsätzen, die allgemein für die Ermittlung der planungsrelevanten Tatsachen gelten. Maßgeblich dafür, ob der Planungsträger alle berücksichtigungsfähigen Erkenntnismittel genutzt und in einer der Materie angemessenen Weise verwertet hat, sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses. Verläuft die tatsächliche Entwicklung anders als prognostiziert, so ist dies, für sich genommen, kein Beleg, sondern allenfalls ein Indiz für eine unsachgemäß erstellte Prognose.

Die Antragsteller zeigen nicht auf, in welcher Richtung es einer weiteren Vertiefung bedürfen sollte. Sie lassen es vielmehr im Wesentlichen damit bewenden, sich kritisch mit den Vorentscheidungen auseinanderzusetzen. Sie legen zwar ausführlich dar, weshalb sie die Prognose der Antragsgegnerin für fehlerhaft und deren Billigung durch das Normenkontrollgericht für rechtswidrig halten. Selbst wenn es gewichtige Anhaltspunkte dafür gäbe, dass weder die Planungs- noch die Normenkontrollentscheidung den rechtlichen Anforderungen genügen, die sich aus den von ihnen zitierten Senatsurteilen vom 7. Juli 1978 - BVerwG 4 C 79.76 u.a. - (BVerwGE 56, 110), vom 6. Dezember 1985 - BVerwG 4 C 59.82 - (BVerwGE 72, 282) und vom 3. Juli 1998 - BVerwG 4 CN 5.97 - (a.a.O.) ableiten lassen, wäre dies jedoch nicht gleichbedeutend mit dem Nachweis, dass der Rechtssache unter dem von ihnen angesprochenen Blickwinkel der Prognoseproblematik grundsätzliche Bedeutung zukäme. Der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eröffnet die Möglichkeit der Revisionszulassung nicht bereits dann, wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils der Vorinstanz bestehen.

4. Die Frage, ob "eine Gemeinde (unter der ab 1.05.1993 geltenden Fassung des BauGB) verpflichtet (war), im Rahmen der Aufstellung einer Entwicklungssatzung Maßnahmen nach §§ 180, 181 BauGB zu ergreifen, wenn bereits bei Aufstellung der Satzung feststand, dass die Durchführung der Entwicklungssatzung negative Konsequenzen im Sinne von §§ 180, 181 BauGB nach sich zieht und/oder wenn die Gemeinde bei Beschlussfassung über die Entwicklungssatzung selbst davon ausging, dass ein Sozialplan aufgestellt werden muss", verleiht der Rechtssache ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung.

Wie aus der Beschwerdebegründung zu ersehen ist, werten die Antragsteller es als einen Planungsmangel, dass die Antragsgegnerin nicht bereits vor der förmlichen Festlegung des Entwicklungsbereichs einen Sozialplan beschlossen hat. Es bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um klarzustellen, dass sich dem Gesetz ein Rechtssatz, der diese Annahme trägt, nicht entnehmen lässt. Wirkt sich eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme voraussichtlich nachteilig auf die persönlichen Lebensumstände der in dem Gebiet wohnenden oder arbeitenden Menschen aus, so soll die Gemeinde nach § 180 Abs. 1 Satz 1 BauGB Vorstellungen entwickeln und mit den Betroffenen erörtern, wie nachteilige Auswirkungen möglichst vermieden oder gemildert werden können. Das Ergebnis der Erörterungen und Prüfungen sowie die voraussichtlich in Betracht zu ziehenden Maßnahmen der Gemeinde sind nach § 180 Abs. 2 BauGB im Sozialplan schriftlich darzustellen. Zwar enthält das Gesetz keine ausdrücklichen Aussagen zur Rechtsnatur des Sozialplans, doch ist ihm zu entnehmen, dass es sich um ein Instrument handelt, das die in § 180 Abs. 1 Satz 1 BauGB angeführten planerischen Maßnahmen unter näher bezeichneten Voraussetzungen um ein weiteres Element ergänzt. Ein im Rahmen einer Entwicklungsplanung erarbeiteter Sozialplan ist, anders als etwa der landschaftspflegerische Begleitplan, der nach § 8 Abs. 4 BNatSchG in den Fachplan integriert ist, kein Bestandteil der förmlichen Festlegung des Entwicklungsbereichs. Das rechtliche Schicksal der von den Antragstellern bekämpften Entwicklungssatzung hängt nicht von dem Nachweis ab, dass die nach § 180 Abs. 1 Satz 1 BauGB gebotenen Erörterungen und Prüfungen im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bereits abgeschlossen waren. § 140 Nr. 6 BauGB, wonach der Sozialplan schon während der vorbereitenden Untersuchungen zu erarbeiten und fortzuschreiben ist, lässt nicht die Schlüsse zu, die die Antragsteller aus ihm ziehen. Das Verfahren, das in einen Sozialplan im Sinne des § 180 Abs. 2 BauGB einmündet, ist aufzunehmen, sobald sich die in § 180 Abs. 1 Satz 1 BauGB erwähnten nachteiligen Auswirkungen als Möglichkeit abzeichnen. Die sozialen Belange, denen der Gesetzgeber schon in der Phase der vorbereitenden Untersuchungen Rechnung trägt, können im Rahmen der nach § 165 Abs. 3 Satz 2 BauGB gebotenen Abwägungsentscheidung insbesondere dann eine Rolle spielen, wenn die geplante Maßnahme auf eine Umstrukturierung des Gebiets hinausläuft, die mit Umsiedlungen oder ähnlichen Eingriffen verbunden ist. Eine gerechte Abwägung schließt indes nicht von vornherein aus, dass die Gemeinde die insoweit nachteilig berührten Belange hinter andere, die ihr gewichtiger erscheinen, zurückstellt. Der Sinn des Sozialplans ist es, die Wirkungen, die sich aus einem solchen Abwägungsergebnis für die hiervon Betroffenen ergeben, auszugleichen oder zu mildern. Inwieweit in dieser Richtung Handlungsbedarf besteht, lässt sich abschließend regelmäßig erst beurteilen, nachdem die Planungsentscheidung getroffen worden ist. Bis zu diesem Zeitpunkt ist ein zuvor erarbeiteter Entwurf in dem Maße, in dem die Planung sich verfestigt, gegebenenfalls im Sinne des § 140 Nr. 6 BauGB zu konkretisieren und fortzuschreiben.

5. Auch die Frage, ob "die Gemeinde verpflichtet (ist), vor Satzungsbeschluss einem durch die Vorwirkung der Enteignung Betroffenen ein angemessenes Angebot zur Ausgleichung der Folgen der Existenzvernichtung zu unterbreiten, oder die Folgen der Existenzvernichtung vollständig dem nachfolgenden Enteignungsverfahren vorbehalten bleiben (können)", würde dem Senat keine Gelegenheit zu Erörterungen bieten, die über die bisherige Rechtsprechung hinausreichen.

Das Eigentum ist im Rahmen des besonderen Städtebaurechts dem unmittelbaren planerischen Zugriff der Gemeinde keineswegs entzogen. Es gehört wegen seiner verfassungsrechtlichen Fundierung freilich zu den Belangen, auf die in der Abwägung besonders Bedacht zu nehmen ist. Gleichwohl darf es ebenso wie sonstige abwägungserhebliche Belange hinter gewichtigere gegenläufige Belange zurückgestellt werden. Ist im Zeitpunkt der Planungsentscheidung nicht absehbar, ob der Eigentumsentzug durch die Gestellung von Ersatzland ausgeglichen werden kann, die eine Enteignung überflüssig macht, so ist dies kein Planungshindernis. § 169 Abs. 3 Satz 1 BauGB stellt klar, dass sich die Gemeinde erforderlichenfalls auch des Mittels des zwangsweisen Zugriffs bedienen darf. Dies gilt selbst dann, wenn der planungsbedingte Eigentumsentzug zu einer Existenzvernichtung führt. In diesem Falle hat der Planungsträger allerdings in der Abwägung das hohe Gewicht in Rechnung zu stellen, dass einem solchen Eingriff nach der verfassungsrechtlichen Ordnung zukommt. Das Eigentümerinteresse ist in seiner Widerstandsfähigkeit nur dann gemindert, wenn sicher oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass sich die Existenzbedrohung durch Ausgleichsmaßnahmen schon im Vorfeld der Enteignung abwenden lässt. Als hierfür geeignetes Mittel kommt insbesondere die Bereitstellung von Ersatzland im Rahmen eines als flankierende Planungsmaßnahme eingeleiteten Flurbereinigungs- oder sonstigen förmlichen Verfahrens in Betracht (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Dezember 1987 - BVerwG 4 C 32.84 - und vom 28. Januar 1999 - BVerwG 4 A 18.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nrn. 70 und 146). Von einer geringergradigen Betroffenheit, der bereits bei der Abwägung auf der Planungsstufe Rechnung getragen werden darf, kann freilich auch hier nur dann die Rede sein, wenn die Vorkehrungen, die die Gemeinde ergriffen hat, um die Folgen des Eigentumsverlustes auszugleichen, sich bereits soweit verdichtet haben, dass an ihrer praktischen Wirksamkeit nicht mehr zu zweifeln ist. Wann eine solche Gewähr besteht, lässt sich nicht abstrakt, sondern nur unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles beurteilen.

6. Die Frage, ob "eine Entwicklungssatzung gegen Art. 14 Abs. 1 GG (verstößt), wenn die satzungsgebende Gemeinde nicht prüft, ob Gründe des Allgemeinwohls im Sinne von § 165 Abs. 3 Nr. 2 BauGB im Zeitpunkt der Beschlussfassung noch gegeben sind, wenn sich die Gemeinde auf drei Jahre alte Untersuchungen über den Wohnraumbedarf stützt", rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung schon deshalb nicht, weil sie sich auf der Grundlage der vom Normenkontrollgericht getroffenen Feststellungen dem Senat so nicht stellen würde. Dem Normenkontrollurteil liegt die Annahme zugrunde, dass die Entwicklungssatzung der Antragsgegnerin im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt war. Davon wäre in dem erstrebten Revisionsverfahren auszugehen. Das Normenkontrollgericht legt im Rahmen der Aufbereitung des Tatsachenmaterials näher dar, weshalb seiner Einschätzung nicht der Umstand entgegensteht, dass die Wohnstättenprognose maßgeblich auch auf Daten beruht, die aus länger zurückliegenden Jahren stammen. Die Antragsteller machen deutlich, dass sie diese Auffassung nicht teilen. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO lässt es indessen für die Zulassung der Revision nicht genügen, dass zwischen dem Gericht und einem Beteiligten über eine Rechtsfrage Meinungsverschiedenheiten bestehen.

7. Auch mit der Frage, ob "eine Entwicklungssatzung obsolet (wird) wenn am Tage der Entscheidung über ihre Wirksamkeit feststeht, dass die Ziele der Entwicklungssatzung wegen zwischenzeitlich eingetretener Unfinanzierbarkeit der Maßnahme nicht verwirklicht werden können", zeigen die Antragsteller keinen Klärungsbedarf auf. Zu einer Erörterung in dem erstrebten Revisionsverfahren bestünde kein Anlass, da die Fragestellung auf Prämissen beruht, die so nicht zutreffen. Die Antragsteller gehen davon aus, dass der Flächennutzungsplan, der inzwischen nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben der Entwicklungssatzung für den Entwicklungsbereich beschlossen worden ist, eine beträchtliche Bodenwerterhöhung bewirkt habe. Diese Einschätzung wird den einschlägigen Rechtsvorschriften indes nicht gerecht. Nach § 169 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 153 Abs. 1 Satz 1 BauGB werden Werterhöhungen, die lediglich als Folge davon eintreten, dass die Entwicklungsmaßnahme durchgeführt wird, nur insoweit berücksichtigt, als der Betroffene sie durch eigene Aufwendungen zulässigerweise bewirkt hat. Ansonsten sind nach § 153 Abs. 1 Satz 2 BauGB allein Änderungen in den allgemeinen Wertverhältnissen auf dem Grundstücksmarkt berücksichtigungsfähig. Hierfür bietet das Beschwerdevorbringen aber keine Anhaltspunkte.

Im Übrigen käme es auf die von den Antragstellern aufgeworfene Frage auch aus einem weiteren Grunde nicht an. Finanzierungsgesichtspunkte spielen bei der förmlichen Festlegung eines Entwicklungsbereichs insofern eine Rolle, als sie geeignet sein können, die zügige Durchführung der Maßnahme innerhalb eines absehbaren Zeitraums im Sinne des § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB in Frage zu stellen. Erweist sich eine Entwicklungsmaßnahme erst im Nachhinein als nicht finanzierbar, so wird die Gültigkeit der Entwicklungssatzung hierdurch nicht berührt. Die Folge ist vielmehr, dass die Satzung nach § 169 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB aufzuheben ist. Denn als undurchführbar im Sinne dieser Regelung kann sich die Maßnahme nicht nur aus rechtlichen, sondern auch aus finanziellen Gründen erweisen.

II. Soweit die Antragsteller auf der Grundlage des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO den Zulassungsgrund der Divergenz geltend machen, ist die Beschwerde unzulässig, da den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht genügt ist. Eine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nur dann vor, wenn sich die Vorinstanz mit einem abstrakten Rechtssatz in Widerspruch zu der Rechtsauffassung setzt, die eines der in dieser Vorschrift bezeichneten Gerichte vertreten hat.

Die Antragsteller halten dem Normenkontrollgericht vor, entgegen der Senatsentscheidung vom 3. Juli 1998 - BVerwG 4 CN 5.97 - (a.a.O.) nicht ausreichend zwischen den Enteignungszwecken und den Gemeinwohlbelangen im Sinne des § 165 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BauGB differenziert zu haben und überdies entgegen dem Senatsurteil vom 7. Juli 1978 - BVerwG 4 C 79.76 u.a. - (a.a.O.) nicht beachtet zu haben, dass eine Prognose nur dann rechtmäßig ist, wenn sie unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten in einer der Materie angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden ist. Sie machen indes selbst nicht geltend, dass die Vorinstanz in den von ihnen angesprochenen Punkten dem Bundesverwaltungsgericht die Gefolgschaft verweigert habe. Das Normenkontrollurteil würde für eine solche Annahme auch objektiv schon deshalb nichts hergeben, weil sich das Normenkontrollgericht ausweislich der Entscheidungsgründe zur Stützung seiner Auffassung ausdrücklich auf die von den Antragstellern zitierten Senatsentscheidungen beruft. Das Beschwerdevorbringen läuft vor diesem Hintergrund auf nichts anderes als den Vorwurf hinaus, dass die Vorinstanz aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts andere Folgerungen als die Antragsteller gezogen hat. Selbst wenn das Normenkontrollgericht die Senatsurteile vom 7. Juli 1978 und vom 3. Juli 1998 missverstanden hätte, läge hierin keine Divergenz im Rechtssinne. Denn die bloß unrichtige Anwendung eines vom Bundesverwaltungsgericht formulierten Rechtssatzes ist kein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

III. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.

1. Die Antragsteller können einen Verstoß gegen § 86 Abs. 5 oder § 108 Abs. 2 VwGO nicht daraus herleiten, trotz mehrfacher Aufforderungen nicht das Gutachten des IWU-Instituts ausgehändigt bekommen zu haben. Nach ihrer eigenen Darstellung war das Gutachten dem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 10. September 1999 als Anlage n 3 beigefügt. Wie aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils zu ersehen ist, waren "die den Schriftsätzen der Beteiligten beigefügten Anlagen und beigezogenen Unterlagen Gegenstand der mündlichen Verhandlung". Die Antragsteller hatten somit die Möglichkeit, sich im Verhandlungstermin Einsicht in das Gutachten des IWU-Instituts zu verschaffen und nach der Lektüre gegebenenfalls die Anträge zu stellen, die ihnen sachdienlich erschienen. Falls sie die Richtigkeit der im Urteilstatbestand zu diesem Punkt gemachten Angaben anzweifelten, stand es ihnen frei, nach § 119 Abs. 1 VwGO auf eine Berichtigung hinzuwirken. Das Beschwerdeverfahren wegen der Nichtzulassung der Revision ist hierfür nicht der geeignete Ort.

2. Das Normenkontrollurteil weist nicht deshalb die Merkmale einer Überraschungsentscheidung auf, weil das Normenkontrollgericht in der mündlichen Verhandlung nicht darauf hingewiesen hat, dass es bei der Prüfung des "Gemeinwohlbedarfs" auch auf Abwägungsposten ankommen kann, denen die Antragsgegnerin unter diesem Blickwinkel keine Bedeutung beigemessen hat. Die Antragsteller stellen selbst nicht in Abrede, dass die Frage, ob das Wohl der Allgemeinheit die Durchführung der von ihnen bekämpften Entwicklungsmaßnahme erfordert, eines der auch von ihnen ausgiebig behandelten zentralen Themen des Rechtsstreits überhaupt war. Es konnte sie nicht überraschen, dass sich das Normenkontrollgericht in der Begründung des angefochtenen Urteils mit dieser Problematik auseinandersetzte. Wie es die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen im Einzelnen beurteilte, brauchte das Gericht nicht bereits vor der abschließenden Beratung in der mündlichen Verhandlung zu offenbaren und mit den Beteiligten zu erörtern.

3. Die Antragsteller leiten ohne Erfolg einen Aufklärungsmangel daraus her, dass die Vorinstanz keine weiteren Ermittlungen zum Erschließungszustand des Entwicklungsbereichs und zu einzelnen Positionen der Wohnbedarfsprognose angestellt hat. Sie legen weder dar, welches von ihnen zu diesen Problemkreisen gegebenenfalls unter Beweisantritt beigesteuerte Erkenntnismaterial das Normenkontrollgericht dazu hätte veranlassen müssen, den Sachverhalt unter den von ihnen angesprochenen Gesichtspunkten näher zu untersuchen, noch zeigen sie auf, wieso sich der Vorinstanz auch ohne solches Material eine weitere Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen. Der Umfang der gerichtlichen Ermittlungspflicht ist von dem Verständnis her zu bestimmen, das der Tatrichter vom materiellen Recht hat. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist nicht verletzt, wenn das Gericht Ermittlungen unterlässt, auf die es aus seiner materiell-rechtlichen Sicht der Dinge nicht ankommt.

4. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf unzutreffenden Sachverhaltsfeststellungen. Der geltend gemachte Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegt nicht vor. Wie dem Beschwerdevorbringen zu entnehmen ist, ergibt sich der erhöhte Bedarf an Wohnstätten, den die Antragsgegnerin zur Rechtfertigung der Entwicklungsmaßnahme ins Feld führt, vornehmlich aus Schätzungen. Die Antragsteller haben, wie sie darlegen, "die Richtigkeit dieser Schätzungen bestritten". Gleichwohl ist das Normenkontrollgericht der Argumentation der Antragsgegnerin gefolgt. Auch wenn ihm hierbei ein Rechtsfehler unterlaufen wäre, käme dies jedoch nicht der Feststellung gleich, dass die Tatsachengrundlage des angefochtenen Urteils mangelhaft ist. Ein Prognoseschluss lässt sich nicht mit den Mitteln üblicher Sachverhaltsermittlung auf seine Richtigkeit hin überprüfen. Er ist nicht allein deshalb falsch, weil er der Gefahr unterliegt, durch den Gang der Entwicklung widerlegt zu werden. Rechtlich unbedenklich ist er schon dann, wenn er den Anforderungen genügt, die sich aus den Schlüssigkeitskriterien der Rationalität, Plausibilität und Vertretbarkeit ergeben. Die Antragsteller zeigen insoweit keine Mängel auf.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 und § 159 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 3 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Dabei entfallen auf die Antragsteller zu 1 bis 5 60 000 DM sowie auf die übrigen Antragsteller jeweils 20 000 DM.

Ende der Entscheidung

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