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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 19.09.2002
Aktenzeichen: BVerwG 4 C 10.01
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, BauGB


Vorschriften:

VwGO § 167 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 168 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 767
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 6
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 3
Gegenüber der Vollstreckung aus einem rechtskräftigen Verpflichtungsurteil auf Erteilung eines Bauvorbescheides für eine Windenergieanlage kann die Behörde die Vollstreckungsabwehrklage darauf stützen, dass nach Rechtskraft des Urteils durch eine Änderung des Flächennutzungsplans die Voraussetzungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB geschaffen wurden (Fortführung von BVerwGE, 70, 227).
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 4 C 10.01

Verkündet am 19. September 2002

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dr. Berkemann, Halama, Prof. Dr. Rojahn und Dr. Jannasch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Sprungrevision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 7. Juni 2001 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Der Beklagte beantragte beim Kläger, dem Landkreis F., im Juli 1993 die Erteilung eines Bauvorbescheides für die Errichtung einer dritten Windenergieanlage mit einer Nabenhöhe ohne Fundament von 42 m, einem Rotordurchmesser von 41 m und einer Nennleistung von 500 kW auf seinem Flurstück 66 der Flur 1 der Gemarkung Wüppels im Außenbereich der beigeladenen Gemeinde. Der Antrag wurde abgelehnt. Die daraufhin erhobene Klage hatte vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht Erfolg. Der Kläger wurde durch Urteil vom 30. Oktober 1997 - 6 L 6400/95 - (ZUR 1998, 83) verpflichtet, den beantragten Bauvorbescheid zu erteilen: Das Vorhaben sei bevorrechtigt zulässig. Ihm könne nicht entgegengehalten werden, dass es außerhalb der zwei für die Windenergienutzung ausgewiesenen Konzentrationsflächen verwirklicht werden solle. Denn die von der beigeladenen Gemeinde 1994 beschlossene 29. Änderung des Flächennutzungsplanes sei unwirksam. Die Standortwahl sei nicht anhand sachlicher Kriterien, sondern erklärtermaßen aufgrund "politischer Zielvorgaben und langjähriger Planungsaktivitäten" getroffen worden. Außerdem habe die Beigeladene verkannt, dass die Ergebnisse eines vorangegangenen Raumordnungsverfahrens eine planerische Abwägung nicht entbehrlich machten. Die gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wies der Senat mit Beschluss vom 3. Juni 1998 zurück (BVerwG 4 B 6.98).

Der Rat der Beigeladenen beschloss am 16. Dezember 1997 die 53. Änderung des Flächennutzungsplans; in ihr ist nunmehr eine Sonderbaufläche für die Windenergienutzung im Bereich Minsen/ Bassens dargestellt. In einem Rechtsstreit, in dem um die Erteilung eines Bauvorbescheides für die Erhöhung der Stahltürme der beiden bereits genehmigten und errichteten Windenergieanlagen des Beklagten gestritten wurde, setzte sich das Oberverwaltungsgericht mit der Gültigkeit dieser Änderung auseinander. Im Urteil vom 21. Juli 1999 - 1 L 5203/96 - (NVwZ 1999, 1358) führte es hierzu u.a. aus: Auch die 53. Änderung leide an Fehlern im Abwägungsvorgang. Nicht zu beanstanden sei allerdings die Annahme, dass Windenergieparks untereinander 5 km Abstand wahren und an Landschaftsschutzgebiete nicht näher als 500 m heranreichen sollten. Die Beigeladene sei indes zu Unrecht davon ausgegangen, dass mit Windparks ein Mindestabstand von 500 m zu Einzelhöfen, Weihern und verdichteten Siedlungsbereichen einzuhalten sei und Fremdenverkehrsbelange Abstände bis zu 1 200 m rechtfertigten. Die Mängel im Abwägungsvorgang seien jedoch auf das Abwägungsergebnis nicht von Einfluss gewesen.

Als Reaktion auf die vom Beklagten eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen hat der Kläger am 7. September 1998 unter Hinweis auf die 53. Änderung des Flächennutzungsplans Vollstreckungsgegenklage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat die Vollstreckung aus dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 30. Oktober 1997 - 6 L 6400/95 - antragsgemäß für unzulässig erklärt und zur Begründung ausgeführt: Die 53. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen begründe eine materielle Einwendung gegen den titulierten Anspruch des Beklagten auf Erteilung eines Vorbescheides. Der zivilrechtliche Grundsatz, dass eine Vollstreckungsgegenklage nicht auf eine nachträgliche Gesetzesänderung gestützt werden könne, gelte im öffentlichen Recht nicht in dieser Allgemeinheit. Das In-Kraft-Treten einer Veränderungssperre oder eines Bebauungsplans könne einem gerichtlich festgestellten Anspruch als Einwendung entgegengesetzt werden. Für einen nach Rechtskraft eines Verpflichtungsurteils in Kraft getretenen Flächennutzungsplan gelte das Gleiche. Der Flächennutzungsplan sei zwar, anders als der Bebauungsplan, keine Rechtsnorm, er entfalte aber vergleichbare Rechtswirkungen, soweit durch die positive Darstellung von Sonderbauflächen für Windenergieanlagen eine Ausschlusswirkung für das übrige Gemeindegebiet erzeugt werde. Die 53. Änderung des Flächennutzungsplans sei geeignet, die Vollstreckungsvoraussetzungen zu beseitigen. Sie sei wirksam. Dies habe das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht im Urteil vom 21. Juli 1999 festgestellt. Die an dieser Entscheidung geübte Kritik des Beklagten greife nicht durch. Die Ausweisung eines Windparks im Bereich Minsen/Bassens könne nicht als bloße Verhinderungsplanung qualifiziert werden. Die Eignung des Standorts, an dem bereits 34 Windkraftanlagen vorhanden seien, stehe außer Frage. Es sprächen insbesondere in der Küstenregion gute Gründe dafür, zwischen Windparks 5 km Abstand zu wahren. Die vom Beklagten als ebenfalls geeignet angesehenen Standorte "Sophiengroden" und "Wüppelsergroden" lägen teilweise innerhalb dieser 5 km-Zone; außerdem seien sie für die Avifauna von erhöhter Bedeutung. Die Beigeladene habe deutlich gemacht, dass sich außerhalb der nunmehr ausgewiesenen Konzentrationsfläche im Interesse des Landschaftsbildes und einer funktionsgerechten Nutzung der Landschaft der Bestand an Windenergieanlagen nicht über die vorhandenen Anlagen hinaus erhöhen solle. Diese Erwägung beanspruche Geltung auch für das Baugrundstück, das noch naturhaft wirke, diese Eigenschaft aber endgültig verlieren würde, wenn eine weitere Windkraftanlage hinzuträte.

Der Beklagte trägt zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision vor: Zwar sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Veränderungssperre oder ein Bebauungsplan als Satzung einem Verpflichtungsurteil im Wege der Vollstreckungsgegenklage entgegengehalten werden könne. Für einen Flächennutzungsplan könne dies aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit aber nicht gelten. Letztlich werde die Frage der Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils aufgeworfen. Ein einmal rechtskräftig entschiedener Sachverhalt dürfe nur in engen Grenzen wieder zur Disposition gestellt werden. Die Auffassung, dass rechtskräftige Urteile gegenüber Änderungen der Sach- und Rechtslage anpassungsbedürftiger seien als bestandskräftige Baugenehmigungen, sei verfehlt. Das Bundesverwaltungsgericht habe klargestellt, dass ein Flächennutzungsplan keine rechtsnormähnlichen Wirkungen entfalte. Daran ändere auch § 35 Abs. 3 BauGB nichts, der lediglich regele, unter welchen Voraussetzungen ein Vorhaben an dem entgegenstehenden öffentlichen Belang der Darstellung einer Konzentrationsfläche scheitern könne. Die Regelvermutung, die er enthalte, verstärke nicht die Wirkung des Flächennutzungsplans in Richtung einer Rechtsnorm. Eine lediglich veränderte Gewichtung eines öffentlichen Belangs reiche nicht aus, um im Wege der Vollstreckungsgegenklage einem vollstreckbaren Urteil entgegengehalten werden zu können. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts, auf das sich das Verwaltungsgericht im Übrigen berufe, könne nicht überzeugen. Darauf abzustellen, dass zwischen zwei Windparks ein Abstand von 5 km zu wahren sei, grenze an Willkür. Die 53. Änderung des Flächennutzungsplans leide an so gravierenden Abwägungsmängeln, dass sie als unwirksam eingestuft werden müsse. Ohne die der Beigeladenen unterlaufenen Fehler hätten sich zwei weitere Suchräume als potenziell geeignete Windparkstandorte erwiesen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 7. Juni 2001 zu ändern und die Vollstreckungsgegenklage des Klägers abzuweisen.

Der Kläger und die Beigeladene beantragen,

die Sprungrevision zurückzuweisen.

Sie treten dem Vorbringen des Beklagten entgegen.

II.

Die Sprungrevision des Beklagten ist zulässig. Die Voraussetzungen des § 134 VwGO sind gegeben.

Die Sprungrevision ist indes unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Vollstreckung aus dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 30. Oktober 1997 zu Recht für unzulässig erklärt.

Die vom Kläger erhobene Vollstreckungsgegenklage ist zulässig. Sie findet ihre rechtliche Stütze in § 767 ZPO. Diese Vorschrift ist anwendbar. Nach § 767 Abs. 1 ZPO sind Einwendungen, die den durch rechtskräftiges Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, im Wege der Vollstreckungsabwehrklage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen. Nach Absatz 2 sind sie nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen spätestens hätten geltend gemacht werden können, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können. Der Beklagte stellt nicht in Abrede, dass die Voraussetzungen dieser Regelung insofern erfüllt sind, als das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 30. Oktober 1997 rechtskräftig ist und die 53. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen, auf die der Kläger sein Begehren stützt, später beschlossen wurde. Er bezweifelt lediglich, dass die Darstellungen eines Flächennutzungsplans geeignet sein können, als Einwendung im Sinne des § 767 Abs. 1 ZPO gegen einen titulierten Anspruch ins Feld geführt zu werden. Die von ihm insoweit geäußerten grundsätzlichen Bedenken greifen nicht durch.

Das Ziel der in § 767 ZPO geregelten Klage ist, Veränderungen Rechnung zu tragen, die die Vollstreckbarkeit des Titels betreffen. Von daher kommt es maßgeblich darauf an, ob Umstände geltend gemacht werden, die den durch das Urteil festgestellten sachlich-rechtlichen Anspruch als solchen erfassen. Eine Einwendung im Sinne des § 767 ZPO lässt sich auf alle Gründe stützen, die geeignet sind, den rechtskräftig zuerkannten Anspruch nachträglich zu vernichten oder in seiner Durchsetzbarkeit zu hemmen (vgl. BGH, Urteile vom 6. März 1987 - V ZR 19/86 - BGHZ 100, 211 und vom 14. Mai 1992 - VII ZR 204/90 - BGHZ 118, 229). Als einer unter vielen denkbaren Umständen kommt in diesem Zusammenhang auch eine Gesetzesänderung in Betracht, sofern sich aus ihr unmittelbare Rechtsfolgen für den titulierten Anspruch ergeben (vgl. BGH, Urteile vom 21. Dezember 1977 - IV ZR 4/77 - BGHZ 70, 151 und vom 16. Oktober 1995 - II ZR 298/94 - BGHZ 131, 82). Als eine solche Änderung ist es nach der Rechtsprechung des Senats anzusehen, wenn nachträglich ein Bebauungsplan in Kraft tritt, dessen Festsetzungen der Vollstreckung eines Verpflichtungsurteils entgegenstehen. Darf ein Bauvorbescheid, zu dessen Erteilung die Behörde verpflichtet worden ist, auf der Grundlage neuen Ortsrechts nicht mehr ergehen, so ist dies ein Umstand, der als Einwendung im Wege einer Vollstreckungsabwehrklage geltend gemacht werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 1984 - BVerwG 4 C 53.80 - BVerwGE 70, 227). Auch das In-Kraft-Treten einer Veränderungssperre lässt sich dem gerichtlich festgestellten Anspruch gegebenenfalls als Einwendung entgegensetzen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 10. Dezember 1973, NJW 1974, 918).

Neben den Fällen der Änderung einer Rechtsnorm eröffnet entgegen der Ansicht der Revision grundsätzlich auch jede andere Änderung der Sach- oder Rechtslage, die dem titulierten Anspruch nachträglich die rechtliche Grundlage entzieht, den Anwendungsbereich des § 767 ZPO. Insofern ist es ohne Bedeutung, dass der Flächennutzungsplan nicht als Satzung bekannt gemacht wird und auch nach seinem materiellen Gehalt nicht als Rechtsnorm anzusehen ist. (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1984 - BVerwG 4 C 43.81 - BVerwGE 68, 311; Beschluss vom 20. Juli 1990 - BVerwG 4 N 3.88 - Buchholz 406.11 § 5 BauGB Nr. 7). Entscheidend ist allein, welche rechtlichen Folgen der Erlass oder die Änderung eines Flächennutzungsplans für den rechtskräftig zuerkannten Anspruch hat, im vorliegenden Fall also für den auf § 35 BauGB gestützten Zulassungsanspruch des Beklagten.

Nicht durchzudringen vermag der Beklagte mit dem Einwand, ein auf die Verpflichtung zur Erteilung eines Vorbescheides gerichtetes rechtskräftiges Urteil könne in seinen Wirkungen nicht hinter einem bestandskräftigen Vorbescheid zurückstehen. Richtig ist, dass sich ein bestandskräftiger Bauvorbescheid, der die Feststellung enthält, dass das Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig ist, gegenüber nachfolgenden Rechtsänderungen durch das In-Kraft-Treten einer Veränderungssperre oder eines Bebauungsplans durchsetzen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Februar 1984 - BVerwG 4 C 39.82 - BVerwGE 69,1). Im Urteil vom 26. Oktober 1984 - BVerwG 4 C 53.80 - (a.a.O.) hat der Senat jedoch bereits dargelegt, weshalb dem nicht ohne weiteres der Fall gleichgestellt werden kann, dass eine Behörde durch rechtskräftiges Urteil zum Erlass eines Bauvorbescheides verpflichtet worden ist, den Bescheid aber noch nicht erteilt hat. Der gerichtlich festgestellte Anspruch auf Erteilung verleiht, auch hinsichtlich des Vertrauensschutzes, nicht die gleiche Rechtsposition wie ein bereits erlassener Bauvorbescheid. Wie aus § 14 Abs. 3 BauGB zu ersehen ist, schützt erst ein erteilter Bescheid den Bauherrn vor Rechtsänderungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 1978 - BVerwG 4 C 96 und 97.76 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 34; Beschluss vom 23. April 1998 - BVerwG 4 B 40.98 - Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 87). Bis dahin steht der Anspruch auf Erteilung, auch wenn er rechtskräftig tituliert ist, unter dem Vorbehalt, dass sich die Sach- und Rechtslage nicht in rechtlich relevanter Weise ändert. Eine solche Wertung liegt erkennbar auch § 767 ZPO zugrunde.

Dieses Normverständnis begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Erwägungen, die der Beklagte in diesem Zusammenhang unter Rechtsstaatlichkeits- und Rechtssicherheitsgesichtspunkten zur Reichweite der Rechtskraft anstellt, gehen fehl. Der Beklagte geht bei seiner Argumentation davon aus, dass es sich bei § 767 ZPO um einen Fall der Rechtskraftdurchbrechung handelt. Er übersieht hierbei jedoch, dass diese Vorschrift die Rechtskraft der früher ergangenen gerichtlichen Entscheidung unberührt lässt. Das bringt der Gesetzgeber in den Absätzen 2 und 3 des § 767 deutlich zum Ausdruck. Er lässt nur Einwendungen zu, die auf nachträglich entstandenen Gründen beruhen. Ein Eingriff in die Rechtskraft des Urteils ist hiermit nicht verbunden. Vielmehr erschöpft sich die Zielrichtung der Vollstreckungsgegenklage darin, die Vollstreckbarkeit des gerichtlichen Titels zu beseitigen.

Die 53. Änderung des Flächennutzungsplans enthält Darstellungen, die geeignet sind, den auf § 35 BauGB gestützten Zulassungsanspruch des Beklagten zu beseitigen. Nach § 35 Abs. 3 Satz 4 BauGB in der Fassung der Novelle vom 30. Juli 1996 (BGBl I S. 1189) stehen einem Vorhaben nach Abs. 1 Nr. 4 bis 7 öffentliche Belange in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Zu den hiervon erfassten Vorhaben gehört auch die Errichtung von Windenergieanlagen (§ 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB i.d.F. vom 30. Juli 1996). In der seit dem 1. Januar 1998 geltenden Fassung des Baugesetzbuchs hat diese Regelung ihren Platz in § 35 Abs. 3 Satz 3 gefunden. Der Zweck dieser Vorschrift ist es, den Gemeinden für die nunmehr in Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 genannten Vorhaben ein Steuerungsinstrument an die Hand zu geben. Die Regelung orientiert sich an der Rechtsprechung des Senats zu Konzentrationsflächen für den Kiesabbau (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 - BVerwG 4 C 57.84 - BVerwGE 77, 300; Beschluss vom 3. Juni 1998 - BVerwG 4 B 6.98 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 335). Danach ist eine Gemeinde befugt, im Flächennutzungsplan Abgrabungsflächen mit dem Ziel darzustellen, den Abbau am ausgewiesenen Standort zu konzentrieren und im übrigen Außenbereich zu unterbinden. In § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB greift der Gesetzgeber das Konzept, eine positive Ausweisung an einer bestimmten Stelle mit einer Ausschlusswirkung für den übrigen Planungsraum zu kombinieren, ausdrücklich auf (vgl. den Ausschlussbericht, BTDrucks 13/4978 S. 7). Die gesetzgeberische Privilegierungsentscheidung kommt zwar weiterhin, aber nunmehr nach Maßgabe der gemeindlichen Planungsvorstellungen zum Tragen. Die Gemeinde erhält die Gelegenheit, die gesetzlichen Vorgaben des § 35 BauGB zu relativieren und auf die Zulässigkeitsvoraussetzungen Einfluss zu nehmen. Dadurch wird sie in die Lage versetzt, dem in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB aufgeführten öffentlichen Belang ein höheres Gewicht zu verleihen, als ihm aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten zukäme, auf die im Rahmen der sonst nach § 35 Abs. 1 BauGB gebotenen nachvollziehenden Abwägung abzustellen wäre.

Das Darstellungsprivileg des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ist als Umstand, aus dem sich eine rechtsvernichtende Einwendung im Sinne des § 767 Abs. 1 ZPO herleiten lässt, entgegen der Auffassung des Beklagten nicht deshalb ungeeignet, weil es nicht zwangsläufig zur Folge hat, dass die im Flächennutzungsplan bezeichneten Vorhaben außerhalb der für sie vorgesehenen Standorte unzulässig sind. Der Gesetzgeber richtet insoweit kein absolutes Zulassungshindernis auf. Die Ausschlusswirkung tritt "in der Regel" ein. In Ausnahmefällen kommt eine Zulassung auch im sonstigen Außenbereich in Betracht. Auch ein solcher Regeltatbestand kann indes die Anforderungen erfüllen, die an eine rechtsvernichtende Einwendung zu stellen sind. Ob die der positiven Zuweisung an anderer Stelle korrespondierenden Ausschlusswirkungen regelhaft greifen, ist im gerichtlichen Verfahren zu prüfen. Liegt ein Regelfall vor, so ist der Vollstreckungsgegenklage, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, stattzugeben. Steht das Darstellungsprivileg der Vorhabenzulassung oder der Erteilung eines Bauvorbescheides ausnahmsweise nicht als Hindernis im Wege, so ist die Klage dagegen als unbegründet abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat dargelegt, weshalb die Verhältnisse auf dem Baugrundstück und in der Umgebung eine Abweichung von der gesetzlich festgeschriebenen Regel nicht rechtfertigen. Dem tritt die Revision nicht entgegen. Der Beklagte hält dem Verwaltungsgericht vielmehr vor, verkannt zu haben, dass der Flächennutzungsplan der Beigeladenen auch in der Fassung der 53. Änderung an Mängeln leide, die zu seiner Unwirksamkeit führten. Die von ihm geäußerten Gültigkeitsbedenken gehen indes aus revisionsrechtlichen Gründen ins Leere. Der Senat ist an die Feststellungen, die das Verwaltungsgericht zu dem insoweit maßgeblichen Tatsachenkomplex getroffen hat, nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1977 - BVerwG IV C 37.75 - BVerwGE 54, 73). Verfahrensrügen hat der Beklagte nicht erhoben. Sie wären auch unbeachtlich gewesen, da die Sprungrevision nach § 134 Abs. 4 VwGO nicht auf Mängel des Verfahrens gestützt werden kann. Für einen Verstoß gegen materielles Bundesrecht gibt das Revisionsvorbringen ebenfalls nichts her. Das Verwaltungsgericht war sich dessen bewusst, dass die Darstellung einer Sonderbaufläche für Windenergieanlagen nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB gewissen Mindestanforderungen genügen muss, um der Verwirklichung eines Vorhabens an anderer Stelle als öffentlicher Belang entgegengehalten werden zu können. Es ist der Frage nachgegangen, ob die Ausweisung des Standortes Minsen/Bassens die Merkmale einer Verhinderungsplanung aufweist, keinem schlüssigen Konzept entspricht oder sonst, auch was die Gebietsabgrenzung betrifft, auf rechtlich unvertretbaren Erwägungen beruht. Der Beklagte zeigt nicht auf, inwiefern das Verwaltungsgericht gleichwohl bundesrechtliche Vorgaben missachtet haben könnte. Er lässt es damit bewenden, an dem erstinstanzlichen Urteil Kritik zu üben und der Einschätzung des Tatrichters seine eigene Wertung entgegen zu setzen.

Der anhängige Rechtsstreit bietet im Übrigen keinen Anlass, abschließend dazu Stellung zu nehmen, ob die Gemeinde generell in der Lage ist, durch planerische Aktivitäten die Vollstreckbarkeit eines gerichtlichen Titels im Nachhinein zu beseitigen. Es mag gute Gründe für die Annahme geben, dass sie es nicht ohne weiteres in der Hand hat, durch Bauleitplanung nachträglich nach freiem Belieben die Grundlage für eine Einwendung im Sinne des § 767 ZPO zu schaffen. Die Instrumente, die ihr das Baugesetzbuch zur Verfügung stellt, darf sie nicht aus taktischen Gründen, sondern nur nach Maßgabe des Erforderlichkeitsgrundsatzes des § 1 Abs. 3 BauGB sowie unter Beachtung des Abwägungsgebots des § 1 Abs. 6 BauGB zur Sicherung der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung einsetzen. Entschließt sie sich erst nach dem in § 767 Abs. 2 ZPO genannten Zeitpunkt dazu, von ihren planerischen Möglichkeiten Gebrauch zu machen und den Bürger auf diesem Wege unerwartet um die Früchte des Prozesserfolges zu bringen, so steht sie unter besonderem Rechtfertigungszwang.

Dies weiter zu vertiefen, erübrigt sich indes. Denn die Beigeladene muss sich nicht entgegenhalten lassen, sich mit ihrer Flächennutzungsplanung eines Mittels zu bedienen, mit dem der Beklagte nach dem Verlauf des Verwaltungs- und des Gerichtsverfahrens, die dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 30. Oktober 1997 vorausgingen, nicht zu rechnen brauchte. Sie ließ von Anfang an keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie das Vorhaben, das den Gegenstand der Bauvoranfrage bildet, nicht billige. Um es an dem vom Beklagten vorgesehenen Standort zu verhindern, wies sie bereits im Jahre 1994 im Flächennutzungsplan an anderer Stelle Flächen aus, um die Errichtung von Windkraftanlagen dort zu konzentrieren. Dass sie das insoweit von ihr verfolgte Planungsziel seinerzeit nicht erreichte, beruhte darauf, dass die 29. Änderung sich wegen der vom Oberverwaltungsgericht aufgezeigten Mängel im Abwägungsvorgang als unwirksam erwies. Die 53. Änderung des Flächennutzungsplans vom 16. Dezember 1997 war das Ergebnis eines als Reaktion hierauf durchgeführten ergänzenden Verfahrens. Wie aus § 215 a BauGB zu ersehen ist, ermöglicht es der Gesetzgeber bei Satzungen, im Interesse der Planerhaltung Mängel, die das Grundgerüst der Planung unberührt lassen, auf diese Weise zu beheben. Die Regelung ist Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes, der besagt, dass ein wegen eines Defizits im Abwägungsvorgang fehlerhafter Plan durch eine neue fehlerfreie Abwägung und Wiederholung des der Beschlussfassung nachfolgenden Verfahrens in Kraft gesetzt werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. November 1997 - BVerwG 4 NB 48.96 - Buchholz 406.11 § 215 BauGB Nr. 12). Aus der Sicht der Beigeladenen war es zur Wahrung des Konzepts, die Windenergienutzung auf bestimmte Gemeindegebietsteile zu beschränken, plausibel und konsequent, sich des rechtlich unbedenklichen Mittels der Fehlerbereinigung zu bedienen. Diese Vorgehensweise war auch für den Beklagten vorhersehbar.

Erweist sich der Anspruch auf Erteilung eines Bauvorbescheides als nicht durchsetzbar, so bleibt der Beklagte auf die Möglichkeit beschränkt, gegebenenfalls einen Planungsschaden geltend zu machen. Ob er für einen etwaigen Vertrauensschaden eine Entschädigung verlangen kann, ist freilich zweifelhaft, weil § 39 BauGB als Vertrauensgrundlage einen rechtsverbindlichen Bebauungsplan voraussetzt. Ungeklärt ist, ob eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auch dann in Betracht kommt, wenn der Betroffene auf den Fortbestand einer gesetzlichen Nutzungsmöglichkeit vertraut hat. Vom Grundsatz her einschlägig kann dagegen § 42 BauGB sein, der die Entschädigungspflicht allgemein an die Aufhebung oder die Änderung einer zulässigen Nutzung knüpft und im Gegensatz zu § 44 Abs. 1 Nr. 2 BBauG 1960 unabhängig davon eingreifen lässt, ob die aufgehobene oder die geänderte Nutzbarkeit auf einem qualifizierten Bebauungsplan oder unmittelbar auf einer gesetzlichen Vorschrift, wie den §§ 34, 35 BauGB, beruht.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 50 000 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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