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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 27.03.1998
Aktenzeichen: BVerwG 4 C 11.97
Rechtsgebiete: VwVfG, GKG, GG


Vorschriften:

VwVfG § 43 Abs. 2
GKG § 8 Abs. 1
GG Art. 19 Abs. 4 Satz 1
Leitsatz:

Eine Erledigung "in anderer Weise" im Sinne des § 43 Abs. 2 VwVfG kann vorliegen, wenn alle Beteiligten übereinstimmend einen früheren Verwaltungsakt für obsolet ansehen und davon ausgehen, daß die Sach- und Rechtslage auf dem Boden einer neuen "Geschäftsgrundlage" zu beurteilen ist.

Urteil des 4. Senats vom 27. März 1998 - BVerwG 4 C 11.97 -

I. VG Köln vom 09.01.1996 - Az.: VG 2 K 4031/95 - II. OVG Münster vom 09.05.1997 - Az.: OVG 7 A 1071/96 -


BUNDLSVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 4 C 11.97 OVG 7 A 1071/96

Verkündet am 27. März 1998

Stoffenberger Justizsekretärin z.A. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 1998 durch die Richter Prof. Dr. Dr. Berkemann und Hien, die Richterin Heeren und die Richter Halama und Dr. Rojahn

für Recht erkannt:

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Mai 1997 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks Aachener Straße in Köln-Junkersdorf. Sie klagt als Nachbarin gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung. Die Aachener Straße ist in der Höhe des klägerischen Grundstücks eine Bundesstraße (B 55). Ein Bebauungsplan für die Umgebung des Grundstücks bestand im Zeitpunkt des angegriffenen Berufungsurteils nicht.

Die Beigeladene erhielt unter dem 19. Oktober 1987 einen Vorbescheid. Dieser stellt eine Baugenehmigung zur Bebauung des Grundstücks mit einem Bürogebäude in Aussicht. Unter dem 22. September 1988 erteilte der beklagte Oberstadtdirektor eine entsprechende Baugenehmigung. Genehmigt wurde ein Bauwerk mit zwei Vollgeschossen, einem nicht zum Vollgeschoß ausgebildeten Dachgeschoß sowie zwei Untergeschossen. Das Gelände sollte im Bereich des ersten Untergeschosses abgegraben werden, um die dort vorgesehenen Büroräume mit Tageslicht zu versorgen. Das Gebäude wurde errichtet. Der vorläufige Rechtsschutz, den die Klägerin begehrte, blieb erfolglos. Das Beschwerdegericht führte dazu u.a. aus, es neige zwar dazu, die Baugenehmigung für objektiv rechtswidrig anzusehen, da sich das Gebäude der Beigeladenen nicht in die nähere Umgebung einfüge. Jedoch seien weder das Rücksichtnahmegebot noch die bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften verletzt.

Die Klägerin erhob gegen den Vorbescheid vom 19. Oktober 1987 und gegen die Baugenehmigung vom 22. September 1988 fristgerecht Klage. Das Verwaltungsgericht wies beide Klagen durch Gerichtsbescheid ab. Das Berufungsgericht änderte den Gerichtsbescheid hinsichtlich der Baugenehmigung ab und gab der Klage wegen Verletzung bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts statt. Eine endgültige Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit unterblieb. Das Gericht ließ vielmehr offen, ob daran festgehalten werden könne, daß das Vorhaben der Beigeladenen gegenüber der Klägerin das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletze. Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision wies das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluß vom 26. Oktober 1993 - BVerwG 4 B 103.93 - als unbegründet zurück. Hinsichtlich des Vorbescheids erklärten die Klägerin und der Beklagte den Rechtsstreit auf Anregung des Berufungsgerichts für erledigt. Ausweislich des Einstellungsbeschlusses vom 19. März 1993 hatte das Berufungsgericht ihnen zuvor in der mündlichen Verhandlung erläutert, daß die Gültigkeit des Vorbescheids abgelaufen sei, da der Gegenstand der Baugenehmigung wegen unterschiedlicher Maße nicht mit demjenigen des Vorbescheids übereinstimme.

Die Beigeladene reichte am 22. Dezember 1993 einen neuen Bauantrag ein. Sie hatte inzwischen das abgetragene Gelände wieder aufgefüllt, um die Wandhöhe zum klägerischen Grundstück zu verringern und damit die gebotene Abstandsfläche einzuhalten. Der Beklagte erteilte unter dem 5. Juli 1994 die Baugenehmigung. Hiergegen erhob die Klägerin am 16. Juni 1995 Klage. Außerdem erhob sie zwei weitere - im späteren Verfahren miteinander verbundene - Klagen mit dem Ziel, eine Untersagung der gewerblichen Nutzung und einen Rückbau des Baukörpers zu erreichen.

Das Verwaltungsgericht gab der Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung im vollen Umfang statt. Die Verpflichtungsklage auf Einschreiten gegen das errichtete Gebäude hatte teilweise Erfolg. Das Verwaltungsgericht vertrat die Ansicht, das Vorhaben der Beigeladenen verletze § 34 Abs. 2 BauGB und sei daher planungsrechtlich unzulässig. Der frühere Vorbescheid vom 19. Oktober 1987 stehe nicht entgegen. Vorbescheid und die erneute Baugenehmigung seien nicht hinreichend deckungsgleich. Das Berufungsgericht änderte die erstinstanzlichen Entscheidungen und wies die Klagen ab. In bauplanungsrechtlicher Hinsicht sei die Baugenehmigung wegen des Vorbescheids vom 19. Oktober 1987 nicht in vollem Umfang überprüfbar. Der Vorbescheid sei zwischen den Beteiligten bestandskräftig geworden. Daran habe die übereinstimmende Erledigungserklärung im Vorprozeß nichts geändert. Die vom Berufungsgericht früher - also im ersten Berufungsverfahren - geäußerte Ansicht, der Vorbescheid sei wegen Zeitablaufs erloschen, sei falsch gewesen. Die Bindungswirkung des Vorbescheids entfalle auch nicht wegen fehlender Identität des im Vorbescheid und in der Baugenehmigung geregelten Vorhabens.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision wendet sich die Klägerin vor allem dagegen, daß das Berufungsgericht sich durch den Vorbescheid vom 19. Oktober 1987 gehindert gesehen habe, das angegriffene Vorhaben der Beigeladenen bauplanungsrechtlich zu beurteilen. Ergänzend erhebt die Klägerin Verfahrensrügen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Oberverwaltungsgerichts vom 9. Mai 1997 - 7 A 1071/96 - nach den Schlußanträgen der Klägerin im Berufungsverfahren zu erkennen.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigen das Berufungsurteil und meinen, das Berufungsgericht habe die Bestandskraft des Vorbescheids vom 19. Oktober 1987 zu Recht beachtet.

II.

Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht. Es stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Eine abschließende Sachentscheidung ist dem Revisionsgericht wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen nicht möglich.

1. Das Berufungsgericht hat sich an einer umfassenden Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens durch die Bestandskraft des Vorbescheids vom 19. Oktober 1987 gehindert gesehen. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Der Vorbescheid entfaltete gegenüber der angegriffenen Baugenehmigung im Zeitpunkt vor deren Erteilung keine noch zu beachtende Wirkung. Das folgt im vorliegenden Fall aus § 43 Abs. 2 VwVfG NW, der gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO revisibles Recht darstellt.

a) Nach § 43 Abs. 2 VwVfG bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Er verliert folglich seine Wirksamkeit, wenn eine der in § 43 Abs. 2 VwVfG genannten Voraussetzungen eingetreten ist. So liegt es hier.

Der Beklagte hat allerdings den Vorbescheid weder zurückgenommen noch widerrufen. Dazu bestand aus seiner Sicht auch kein Anlaß. Infolge der seinerzeitigen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nahm er an, der Vorbescheid habe sich durch Zeitablauf erledigt. Dies traf nicht zu, wie das Berufungsgericht in Auslegung des irrevisiblen Landesbauordnungsrechts im angegriffenen Berufungsurteil festgestellt hat. Jedoch hat sich der Vorbescheid "auf andere Weise erledigt". Dazu bedarf es freilich der näheren Auslegung dieser Bestimmung.

§ 43 Abs. 2 VwVfG steht in innerem Zusammenhang mit der in § 35 Satz 1 VwVfG normierten Regelungsfunktion des Verwaltungsakts. Der Verwaltungsakt hat danach eine nach außen gerichtete Regelung eines Einzelfalles zum Inhalt. Indem das Gesetz fordert, daß der Verwaltungsakt auf eine Rechtswirkung "gerichtet" zu sein hat, betont es die Finalität dieses Verwaltungshandelns (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Mai 1987 - BVerwG 7 C 83.84 - BVerwGE 77, 268 <271 ff.>; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl. 1998, § 35 Rn. 85). § 43 Abs. 2 VwVfG erfaßt gewissermaßen spiegelbildlich den Fallbereich, in dem die dem Verwaltungsakt ursprünglich zukommende steuernde Funktion des Verwaltungshandelns nachträglich entfällt. Dies kann - wie die katalogartige Aufzählung des § 43 Abs. 2 VwVfG aufweist - in unterschiedlicher Weise geschehen. Das Gesetz unterscheidet hierbei zwischen einem eher formalisierten Handeln, das willentlich und zumeist einseitig auf die Aufgabe der steuernden Funktion des Verwaltungsakts gerichtet ist, und solchen Rechtslagen, in denen nicht eine einseitige Handlung, sondern die Sach- und Rechtslage selbst zur Beendigung der ehemaligen Rechtswirkung führt. Als Beispiel nennt § 43 Abs. 2 VwVfG den Zeitablauf, ohne damit jedoch andere Fälle auszuschließen. § 43 Abs. 2 letzte Alternative VwVfG formuliert dies im Sinne eines Auffangtatbestandes als Erledigung "in anderer Weise".

Die Steuerungsfunktion des Verwaltungsakts geht auch verloren, wenn die an einem Verwaltungsakt Beteiligten - sei es als Behörde, als Adressat oder als unmittelbar oder nur mittelbar Betroffener - übereinstimmend dem ursprünglichen Verwaltungsakt keinerlei tatsächliche oder rechtliche Bedeutung mehr beimessen. Das setzt keinen Verzichtswillen voraus, sondern nur "konsensuales" Verhalten. Ähnlich dem Verlust der Wirksamkeit durch Zeitablauf, stellen sich die Beteiligten bewußt auf eine neue, veränderte Sachlage ein, die sie ihrem weiteren Verhalten nunmehr zugrunde legen. Sie verändern übereinstimmend gleichsam die "Geschäftsgrundlage". Die Rechtsordnung nimmt dies hin. Sie hält die Beteiligten keineswegs an einem früheren Verwaltungsakt fest, wenn die Beteiligten diesen als "erledigt" ansehen:

b) Die Beteiligten haben im Streitfall den Vorbescheid vom 19. Oktober 1987 übereinstimmend für "erledigt" angesehen und sich seit der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 19. März 1993 in ihrem Verhalten auf den Boden einer neuen "Geschäftsgrundlage" gestellt. Das steht aufgrund der tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts und des im übrigen auch für das Revisionsgericht beurteilungsfähigen unstreitigen Sachverhalts fest.

Die Klägerin und der Beklagte sind aufgrund gerichtlichen Hinweises im seinerzeitigen Berufungsverfahren übereinstimmend davon ausgegangen, daß der Vorbescheid infolge Zeitablaufs seine Gültigkeit verloren habe. Daß sich diese Vorstellung infolge eines Rechtsirrtums des Berufungsgerichts bildete, ist für das tatsächliche Verhalten der Klägerin und des Beklagten unerheblich. Es ist auch ohne Bedeutung, ob die Klägerin und der Beklagte hätten erkennen können, daß die seinerzeit geäußerte Rechtsauffassung des Berufungsgerichts rechtlich bedenklich sein könnte. Auch die durch die Erteilung des Vorbescheides begünstigte Beigeladene hat sich - mag sie auch zunächst den Rechtsirrtum des Berufungsgerichts bekämpft haben - letztlich auf den seinerzeitigen Standpunkt des Berufungsgerichts gestellt. In dem Ende 1993 erneut gestellten Bauantrag wird nicht angegeben - obwohl formularmäßig vorgesehen -, daß bereits ein Vorbescheid vorliege. Diesem Umstand mag man vielleicht kein ausschlaggebendes Gewicht beimessen. Jedoch ist die objektiv erkennbare Verhaltensweise des Beklagten, der Klägerin und - zunächst - auch der Beigeladenen insoweit übereinstimmend, als man gemeinsam annahm, die bauplanungsrechtliche Sach- und Rechtslage müsse unverändert materiell im Hinblick auf § 34 BauGB beurteilt werden. Das ergibt sich nach den vorliegenden Gerichts- und behördlichen Verwaltungsakten aus folgenden Umständen:

Die Klägerin beantragte bei dem Beklagten unter dem 12. Januar 1994 den Rückbau des errichteten Bauwerks der Beigeladenen wegen unzumutbarer Beeinträchtigung. Unter dem 10. März 1994 beantragte sie bei dem Beklagten ferner, gegen die Beigeladene eine Nutzungsuntersagung zu erlassen. Wegen beider Anträge erhob sie am 14. Januar 1994 und am 22, Juni 1994 gegen den Beklagten Untätigkeitsklage. Bereits im Schreiben vom 10. März 1994 wies die anwaltlich vertretene Klägerin gegenüber dem Beklagten darauf hin, daß die Art der baulichen Nutzung sie in ihren Rechten aus § 34 Abs. 2 BauGB verletze. Die am 22. Juni 1994 erhobene Klage rügte diese Verletzung nochmals. In seiner Klageerwiderung widersprach der Beklagte dieser Auffassung, ohne sich hierbei auf den Vorbescheid und dessen Bestandskraft zu beziehen. In ihrer Klage vom 16. Juni 1995, welche dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegt, verwies die Klägerin auf ihr Vorbringen in der bereits unter dem 22. Juni 1994 erhobenen Klage. Die umfangreiche Erwiderung der Beigeladenen verneinte, daß das angegriffene Vorhaben in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht § 34 BauGB verletze. Auf den früheren Vorbescheid wurde dabei nicht Bezug genommen. Der Beklagte sah von weiterem detaillierten Vorbringen ab. Erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 9. Januar 1996 vertrat die anwaltlich vertretene Beigeladene die Auffassung, es sei von der Bestandskraft des Vorbescheids auszugehen, da die vom Berufungsgericht in dessen mündlicher Verhandlung vom 19. März 1993 vertretene Rechtsauffassung unzutreffend sei. Dieser Geschehensablauf zeigt mit Deutlichkeit, daß alle Beteiligten auf der Grundlage des Hinweises des Berufungsgerichts am 19. März 1993 mehr als 2 1/2 Jahre trotz weiterer Streitigkeiten nicht annahmen, die Kernfrage des Streits - nämlich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens - sei durch den früheren Vorbescheid bestandskräftig längst entschieden. Vielmehr war in dieser Zeit die übereinstimmende "Geschäftsgrundlage", daß diese Streitfrage noch der abschließenden gerichtlichen Beurteilung harre. Entsprechend verhielten sich die Beteiligten. In dieser Weise verhielt sich die Klägerin, aber auch die Beigeladene, und zwar auch dann noch, als sie durch das erstinstanzliche Gericht wiederum beigeladen worden war.

c) Die Beigeladene wendet sich gegen diese Beurteilung des insoweit gemeinsamen Verhaltens aller Beteiligten. Sie macht geltend, sie habe auf den Bestand des ihr erteilten Vorbescheids vertrauen dürfen. Sie dürfe letztlich nicht Opfer eines vom Berufungsgericht zu verantwortenden Rechtsirrtums werden

Die Beigeladene weist zutreffend darauf hin, daß jeder an einem Prozeß Beteiligte es hinnehmen muß, wenn sich ein Gericht in der Beurteilung der Rechtslage geirrt hat. Das gilt für die Klägerin, für den Beklagten, aber letztlich auch für die Beigeladene selbst. Die Beigeladene meint, die Klägerin sei im seinerzeitigen Berufungsverfahren trotz des nach § 86 Abs. 3 VwGO gegebenen richterlichen Hinweises nicht gezwungen gewesen, die Erledigungserklärung abzugeben. Sie hätte auf einer Sachentscheidung bestehen müssen. Dem setzt die Klägerin die Ansicht entgegen, sie hätte im Falle der Weigerung eine Klageabweisung wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses gewärtigen müssen. Die Prognose über ein objektiv richtiges Prozeßverhalten mag hier dahinstehen. Sie ist auch im Hinblick auf die Erfordernisse eines effektiven Rechtsschutzes im Sinne des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG - den Klägerin und Beigeladene gleichermaßen beanspruchen dürfen nicht leicht zu stellen. Daß es für die Klägerin prozessual schwierig war, einem richterlichen Hinweis nicht zu folgen, steht außer Frage. Auch der Beklagte folgte dem Hinweis des Berufungsgerichts. Der Beigeladenen durfte damit bewußt werden, daß der Beklagte an dem erteilten Vorbescheid wegen Zeitablaufs nicht mehr festhielt. Sie hat die Ansicht des Beklagten gleichwohl nicht zum Anlaß genommen, die Wirksamkeit des ihr erteilten Vorbescheids mit verwaltungsgerichtlichen Mitteln - etwa einer Feststellungsklage - "einzufordern". Vielmehr hat sie sich - ebenso wie die Klägerin und der Beklagte - letztlich auf den seinerzeitigen Standpunkt des Berufungsgerichts gestellt und damit zusammen mit der Klägerin und dem Beklagten für die weiterhin zu erwartenden Auseinandersetzungen eine neue "Geschäftsgrundlage" geschaffen.

d) Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob und in welcher Hinsicht der Vorbescheid vom 19. Oktober 1987 mit der angegriffenen Baugenehmigung bauplanungsrechtlich übereinstimmt.

2. Das Berufungsurteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als zutreffend. Die bauplanungsrechtliche Rechtslage ist bislang nicht geklärt. Das wird das Berufungsgericht nunmehr nachzuholen haben. Sollte es sich um ein faktisches Baugebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB handeln, so ist ein Nachbarschutz nicht ausgeschlossen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 - BVerwG 4 C 28.91 - BVerwGE 94, 151). Auch für § 34 Abs. 1 BauGB kommt nach der bestehenden Rechtsprechung ein Nachbarschutz in Betracht.

3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten. Die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens werden gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG wegen unrichtiger Sachbehandlung nicht erhoben. Auf den nachfolgenden Beschluß wird verwiesen.

Beschluß

Die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens werden nicht erhoben.

Gründe:

Die für das Revisionsverfahren entstandenen Gerichtskosten bleiben außer Ansatz. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG liegen vor. Bei richtiger Sachbehandlung wären die Kosten dieses Revisionsverfahrens mit der begrenzten Sachprüfung nicht entstanden. Die Behandlung der Streitsache durch das Berufungsgericht - nimmt man beide bisherigen Berufungsverfahren zusammen - hat dazu geführt, daß die Revisionsinstanz von der Klägerin in Anspruch genommen werden mußte, um eine Prüfung der bauplanungsrechtlichen Sach- und Rechtslage zu erreichen. Ein Revisionsverfahren mit einem begrenzten Prüfungsumfang wäre nicht erforderlich geworden, wenn das Berufungsgericht nicht im ersten Streitverfahren - nach eigener Auffassung - einem Rechtsirrtum erlegen gewesen wäre und dessen Auswirkungen im zweiten Streitverfahren jedenfalls beseitigt hätte. So haben weder die Klägerin noch der Beklagte sowie die Beigeladene bislang eine Entscheidung des Berufungsgerichts darüber erreichen können, ob das Vorhaben der Beigeladenen bauplanungsrechtlichen Erfordernissen entspricht.

Beschluß

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisions- und Beschwerdeverfahren auf jeweils 14 000 DM festgesetzt (§ 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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