Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 12.03.1998
Aktenzeichen: BVerwG 4 C 3.97
Rechtsgebiete: VwGO, WEG, BGB


Vorschriften:

VwGO § 42 Abs. 2
VwGO § 134 Abs. 4
WEG § 1 Abs. 2
WEG § 15 Abs. 3
WEG § 43
BGB § 1004
Leitsätze:

Mit der Sprungrevision kann geltend gemacht werden, das Verwaltungsgericht habe die Klagebefugnis zu Unrecht verneint.

Das Sondereigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz schließt öffentlich-rechtliche Nachbarschutzansprüche innerhalb der Gemeinschaft der Miteigentümer desselben Grundstücks aus. Dies gilt auch gegenüber Störungen, die ein nicht zur Eigentümergemeinschaft gehörender Dritter bei der baulichen Nutzung des gemeinschaftlichen Grundstücks verursacht.

Urteil des 4. Senats vom 12. März 1998 - BVerwG 4 C 3.97 -

I. VG Karlsruhe vom 27.01.1997 - Az.: VG 12 K 239/96 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 4 C 3.97 VG 12 K 239/96

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 12März 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gaentzsch und die Richter Prof. Dr. Dr. Berkemann, Hien, Dr. Lemmel und Dr. Rojahn

ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 1997 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich als Wohnungseigentümerin gegen eine Baugenehmigung, die dem nicht zur Wohnungseigentümergemeinschaft gehörenden Beigeladenen für im Teileigentum stehende Räume auf demselben Grundstück erteilt worden ist.

Die Firma "Wohnwert Lange Wohnbau GmbH" war Eigentümerin des 233 qm großen, mit einem mehrgeschossigen Gebäude bebauten Grundstücks Leopoldstraße 6 in Karlsruhe (Flurstück 833). Das Grundstück liegt in der Innenstadt von Karlsruhe im Geltungsbereich eines einfachen Bebauungsplans, der als Art der baulichen Nutzung ein Mischgebiet festsetzt. Mit notarieller Erklärung vom 30. Dezember 1992 teilte die Firma "Wohnwert Lange Wohnbau GmbH" das Eigentum an dem Grundstück gemäß § 8 WEG in Miteigentumsanteile auf, die mit dem Sondereigentum an sieben Wohnungen und mit dem Sondereigentum an dem Teileigentumsrecht an den Räumen im Erd- und im Untergeschoß verbunden wurden. Die Räume im Erdgeschoß sind baurechtlich als Laden genehmigt worden; in der Teilungserklärung und in der Gemeinschaftsordnung hierzu wird allgemein eine gewerbliche Nutzung des Teileigentums erwähnt. Über die Räume im Erd- und im Untergeschoß schloß die Grundstückseigentümerin einen Kaufvertrag mit dem Beigeladenen. Die Klägerin ist Erwerberin einer der Wohnungen.

Unter dem Datum des 31. Oktober 1994 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen eine Baugenehmigung für die "Nutzungsänderung des Ladens in eine Gaststätte". Bereits vor Erteilung der Baugenehmigung hatten die Klägerin sowie mehrere andere Wohnungseigentümer und einige Nachbarn Einwendungen gegen die Zulassung einer Gaststätte erhoben, weil sie befürchten, daß von ihr erheblich größere Störungen ausgehen werden als von einem Laden. Die Klägerin legte Widerspruch ein. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 27. Dezember 1995 wegen fehlender Widerspruchsbefugnis als unzulässig zurückgewiesen.

Die Klägerin erhob Anfechtungsklage. Sie hat geltend gemacht, die genehmigte Gaststätte sei aus planungsrechtlichen Gründen unzulässig, weil auch in Mischgebieten nur Schank- und Speisewirtschaften zulässig seien, die das Wohnen nicht wesentlich störten; derartige Störungen würden aber von der genehmigten Gaststätte ausgehen. Sie - die Klägerin - werde ferner im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unzumutbar beeinträchtigt; insbesondere die Verhältnisse im kleinen Innenhof seien wegen der Gerüche der Küche, der Toilette und der Abfälle unzumutbar. Die Baugenehmigung sei ferner bauordnungsrechtlich rechtswidrig, weil es an ausreichenden Stellplätzen fehle; als Anwohnerin werde sie dadurch beeinträchtigt. Ihre Klage sei auch zulässig. Der gegenteiligen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs Baden- Württemberg sei nicht zu folgen; zumindest habe das Bundesverwaltungsgericht über eine gleichartige Fallgestaltung noch nicht entschieden.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die Klägerin nicht geltend machen könne, daß durch die angefochtene Baugenehmigung eine öffentlich-rechtliche Norm verletzt worden sei, die ihrem Schutz als Wohnungseigentümerin in demselben Anwesen zu dienen bestimmt sei.

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision macht die Klägerin geltend:

Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht die Klagebefugnis der Klägerin verneint. Dies folge bereits aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der die Klagebefugnis eines Wohnungseigentümers gegen eine Baugenehmigung für das Sondereigentum eines anderen Miteigentümers nur dann fehle, wenn er Rechtsschutz im Verfahren nach § 43 WEG erlangen könne. Hier könne die Klägerin jedoch nicht im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorgehen, weil der Beigeladene kein Miteigentümer sei.

Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bedürfe jedoch darüber hinaus einer Überprüfung. Die Klägerin sei gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt; sie habe nämlich ausdrücklich vorgetragen, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Auch ein Rechtsschutzinteresse bestehe. Zwar komme bei Streitigkeiten innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft grundsätzlich das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Betracht. Damit könne jedoch die Zulässigkeit öffentlich-rechtlichen Vorgehens nicht in Frage gestellt werden. Es gehe nämlich um unterschiedliche Ziele: Im einen Falle wende sich der Betroffene gegen eine Beeinträchtigung durch die Baurechtsbehörde, im anderen Fall gegen eine Beeinträchtigung durch den Bauherrn. Deshalb sei die öffentlich-rechtliche Nachbarklage gegenüber der Zivilrechtsklage ein "aliud". Der Grundsatz, daß die Baugenehmigung unbeschadet privater Rechte Dritter ergehe, bedeute, daß öffentlichrechtliche Rechte des Dritten berührt werden könnten. Es sei unbefriedigend, daß zwar der Eigentümer oder Wohnungseigentümer eines Nachbargrundstücks klagebefugt sei, aber ausgerechnet derjenige, der als "Sachnächster" am meisten beeinträchtigt werden könne, nicht solle klagen können. In baurechtlicher Sicht müsse die Eigentumswohnung als selbständiges Teilgrundstück angesehen werden.

Werde die Klägerin auf den Zivilrechtsweg verwiesen, so werde ihr der gesetzliche Richter genommen. Die Beklagte selbst habe vorgetragen, daß die Klägerin nach dem Wohnungseigentumsgesetz keine Handhabe gegen eine Umnnutzung des Ladens habe, weil nach der Gemeinschaftsordnung für die gewerbliche Nutzung eine Zustimmung der übrigen Sondereigentümer nicht vorgesehen sei. Wenn das Vorhaben zivilrechtlich nicht zu verhindern sei, so folge daraus aber nicht seine öffentlich-rechtliche Zulässigkeit. Das bedeute, daß die Klägerin im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterliegen, beim Verwaltungsgericht aber obsiegen könne. Auch wenn die Klägerin zivilrechtlich jedweder Änderung vorab zugestimmt hätte, würde dies nicht zur Folge haben, daß sie nicht gegen die Beklagte vorgehen könne, weil sie mit ihr keine entsprechende Vereinbarung getroffen habe.

Gegen den Beigeladenen könne sie zivilrechtlich nicht vorgehen, weil er ein außerhalb der Miteigentümergemeinschaft stehender Dritter sei. Sie könne nur den Eigentümer des Teileigentums verklagen, aber keinen unmittelbaren Einfluß auf den Beigeladenen nehmen. Die öffentlich-rechtliche Klage sei deshalb der leichtere und einfachere Rechtsweg. Das Verfahren nach § 43 WEG sei auch ungeeignet, weil es nicht zur Aufhebung der Baugenehmigung führen könne. Effektiven Rechtsschutz gegen die Beklagte könne die Klägerin nur durch die öffentlich- rechtliche Nachbarklage erhalten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 1997, die Baugenehmigung der Beklagten vom 31. Oktober 1994 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27. Dezember 1995 aufzuheben, hilfsweise, den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision abzuweisen.

Sie bezieht sich auf das Urteil des Verwaltungsgerichts, ohne eigene Ausführungen zu machen.

II.

1. Die unter Beachtung der Vorschriften des § 134 Abs. 1 und des § 139 VwGO eingelegte Sprungrevision ist zulässig.

Ihr steht auch nicht etwa § 134 Abs. 4 VwGO entgegen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruht auf der Rechtsauffassung, die Klage sei unzulässig, weil die Klägerin nicht im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen könne; durch die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung in ihren Rechten verletzt zu sein: Hiergegen wendet sich die Revision. Sie macht geltend, das angefochtene Urteil verletze § 42 Abs. 2 VwGO. Diese Rüge ist auch im Verfahren der Sprungrevision zulässig, weil das Verbot des § 134 Abs. 4 VwGO, die Sprungrevision auf Mängel des Verfahrens zu stützen; die Prüfung der Klagebefugnis nicht ausschließt (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1978 - BVerwG 4 C 66.77 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 20 - NJW 1979, 1421; Urteil vom 29. Juni 1983 - BVerwG 7 C 102.82 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 13 - NVwZ 1983, 610). Die Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO gehört zwar zum Prozeßrecht, setzt jedoch die Beurteilung materiellrechtlicher Vorfragen voraus. Um diese Fragen, nicht um das Verfahren der Vorinstanz, geht es, wenn die Klagebefugnis zu prüfen ist.

2. Die Revision ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Klägerin kann als Wohnungseigentümerin nicht im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen, durch die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für im Teileigentum desselben Hauses stehende Räume in eigenen Rechten verletzt zu sein. Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung fest, daß das Sondereigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz öffentlich-rechtliche Nachbarschutzansprüche innerhalb der Gemeinschaft der Miteigentümer ein und desselben Grundstücks ausschließt (vgl. Urteil vom 14. Oktober 1988 - BVerwG 4 C 1.86 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 83 - NVwZ 1989, 250). Dies gilt auch gegenüber Störungen, die bei der baulichen Nutzung des gemeinschaftlichen Grundstücks nicht von einem Mitglied der Eigentümergemeinschaft, sondern von einem außenstehenden Dritten verursacht werden. Denn der Ausschluß öffentlich-rechtlicher Schutzansprüche durch das Wohnungseigentumsgesetz ist nicht personen-, sondern grundstücksbezogen.

Maßgeblicher Ausgangspunkt für die Überlegungen des Senats ist, daß das Wohnungseigentum als Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit einem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört (§ 1 Abs. 2 WEG), eine besondere Form des Miteigentums ist. Zwar wird jedem der Miteigentümer das alleinige ("Sonder-")Eigentum an einer bestimmten Wohnung oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen in einem Gebäude eingeräumt; rechtlich bleibt das Sondereigentum jedoch an das Miteigentum gebunden (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Mai 1988 - BVerwG 4 C 20.85 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 79 - NJW 1988, 3279). Unbeschadet der wirtschaftlichen Erstrangigkeit des Sondereigentums steht juristisch das Miteigentum im Vordergrund; das Sondereigentum bildet nur sein Anhängsel (BGH, Beschluß vom 17. Januar 1968 - V ZB 9/67 - BGHZ 49, 250 <251>). Dies verkennt die Revision, wenn sie geltend macht, jede Eigentumswohnung müsse baurechtlich als ein selbständiges Teilgrundstück angesehen werden..

Die Rechtsverhältnisse unter Miteigentümern richten sich grundsätzlich allein nach dem bürgerlichen Recht (vgl. auch BVerwG, Beschluß vom 27. April 1988 - BVerwG 4 B 67.88 Buchholz 406.11 § 19 BauGB Nr. 51 - NJW 1988, 2056). Bei einem nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufgeteilten Grundstück sind die wechselseitigen Rechte der Sondereigentümer und damit auch die Abwehrrechte gegen Störungen auf dem Grundstück durch dieses Gesetz besonders geregelt. Kommt es zu einem Nutzungskonflikt, so gestalten seine Normen die zwischen dem nachteilig betroffenen Wohnungseigentümer und dem Störer bestehende Rechtslage. Etwaige öffentlich-rechtliche Drittschutzansprüche werden durch das Zivilrecht überlagert und verdrängt. Dagegen bleibt das vom öffentlichen Recht gesteuerte Handeln der Baugenehmigungsbehörde ohne Einfluß auf die gegenseitigen Rechte der Beteiligten. Seine Bestätigung findet dies in dem baurechtlichen Grundsatz, daß die behördliche Genehmigung "unbeschadet privater Rechte Dritter" erteilt wird.

Wann und in welchem Umfang materielle Abwehrrechte gegen baurechtlich unzulässige Baumaßnahmen auf dem gemeinschaftlichen Grundstück bestehen, ergibt sich aus § 15 Abs. 3 WEG. Nach dieser Vorschrift kann jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit sich die Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Die Vorschrift setzt voraus, daß die Wohnungseigentümer den Gebrauch des Sondereigentums und des gemeinschaftlichen Eigentums durch Vereinbarung regeln können (§ 15 Abs. 1 WEG). Damit geht auch § 15 Abs. 3 WEG vom Vorrang des privaten Rechts vor dem disponiblen Gesetzesrecht aus. Im Rahmen der gesetzlichen Regelungen bestimmen sich die gegenseitigen Rechte und Pflichten. aus dem Sondereigentum in erster Linie nach den getroffenen Vereinbarungen und Beschlüssen. Soweit keine speziellen vertraglichen Regelungen bestehen, gelten ergänzend auch die Normen des öffentlichen Baurechts, und zwar unabhängig davon, ob sie ihrerseits unmittelbar nachbarschützend sind oder nicht (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 1988 - BVerwG 4 C 1.86 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 83 - NVwZ 1989, 250). Aber auch dann besteht kein selbständiger öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch; vielmehr beruht die Anwendbarkeit des öffentlichen Rechts auch in diesem Fall auf der privatrechtlichen Vorschrift des § 15 Abs. 3 WEG.

Unerheblich ist, ob die geltend gemachte Störung des Wohnungseigentums von einem Mitglied der Eigentümergemeinschaft oder von einem Dritten - hier: dem Käufer des Teileigentums an den Räumen im Erd- und im Kellergeschoß - verursacht wird. Für den Abwehranspruch des Wohnungseigentümers ist nämlich entscheidend, daß das Wohnungseigentumsgesetz den Inhalt des Sondereigentums und damit zugleich auch die auf ihm beruhende Abwehrbefugnis gegenüber allen Beeinträchtigungen bestimmt, die ihren Ursprung auf dem gemeinschaftlichen Grundstück haben. Auch ein Dritter darf das Sondereigentum baulich nur so nutzen, wie es jeweils gemäß § 15 Abs. 1 und 3 WEG ausgestaltet ist; soweit eine Nutzungsart nicht vom Inhalt des Sondereigentums getragen wird, werden die anderen Miteigentümer in ihrem dinglichen Eigentumsrecht verletzt und haben einen dinglichen Abwehranspruch aus § 1004 BGB mit absoluter Wirkung gegen jeden zweckwidrig Nutzenden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1995 - XII ZR 30/93 NJW-RR 1995, 715; OLG München, Urteil vom 25. Februar 1992 - 25 U 3550/91 - NJW-RR 1992, 1492; OLG Karlsruhe, Urteil vom 22. September 1993 - 6 U 49/93 - NJW-RR 1994, 146).

Dagegen kommt es nicht darauf an, ob der Wohnungseigentümer im Verfahren nach § 43 WEG Rechtsschutz erhalten könnte. Als verfahrensrechtliche Spezialvorschrift regelt § 43 WEG nur, daß Streitigkeiten der Wohnungseigentümer untereinander im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit auszutragen sind. Schon für Rechtsstreitigkeiten mit der Baugenehmigungsbehörde enthält § 43 WEG keine Aussage. Erst recht gilt dies für einen Streit mit einem Dritten. Dementsprechend ist in der zivilrechtlichen Rechtsprechung anerkannt, daß der Wohnungseigentümer bei einer unzulässigen störenden Nutzung des Wohnungs- oder Teileigentums eines anderen Miteigentümers etwa durch dessen Mieter nicht auf den im Verfahren des freiwilligen Gerichtsbarkeit durchsetzbaren Anspruchs, aus § 15 Abs. 3 WEG gegen den Miteigentümer beschränkt ist, sondern gemäß § 1004 Abs. 1 BGB auch auf dem ordentlichen Rechtsweg unmittelbar gegen den Mieter vorgehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1995 - XII ZR 30/93 - NJW-RR 1995, 715; BGH, Urteil vom 29. November 1995 - XII ZR 230/94 - NJW 1996, 714; OLG München, Urteil vom 25. Februar 1992 - 25 U 3550/91 - NJW-RR 1992, 1492; OLG Karlsruhe, Urteil vom 22. September 1993 - 6 U 49/93 - NJW- RR 1994, 146). Maßgeblich ist vielmehr, daß das Sondereigentum schon keinen materiellen öffentlich- rechtlichen Abwehranspruch enthält.

Die Rechtsauffassung des Senats führt nicht zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes des Wohnungseigentümers, wie die Revision geltend macht. Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegenüber der Baugenehmigungsbehörde ist zwar mangels eines öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs nicht möglich. Er ist aber auch nicht erforderlich, weil sich der Wohnungseigentümer gegen die Ausnutzung einer nach seiner Ansicht rechtswidrigen Baugenehmigung mit Hilfe der Zivilgerichte zur Wehr setzen kann. Gegen einen anderen Sondereigentümer kann er gemäß § 43 WEG im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorgehen; er kann verlangen, daß dieser eine rechtswidrige Beeinträchtigung seines Sondereigentums durch bauliche Maßnahmen am Teileigentum verhindert. Mit demselben Ziel kann er aber, wie bereits dargelegt, im ordentlichen Rechtsweg auch unmittelbar gegen den Dritten vorgehen.

In beiden Fällen bleibt der Rechtsschutz inhaltlich nicht hinter dem Rechtsschutz zurück, der dem Wohnungseigentümer in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren, wäre es zulässig, gewährt werden könnte. Denn soweit das für den Anspruch aus § 15 Abs. 3 WEG maßgebliche Privatrecht auf das öffentliche Baurecht Bezug nimmt, ist auch dies von den Zivilgerichten anzuwenden. Soweit jedoch das Privatrecht die Anwendung des öffentlichen Rechts ausschließt, könnte es auch vom Verwaltungsgericht nicht innerhalb einer öffentlich- rechtlichen Nachbarklage berücksichtigt werden. Die von der Revision vorgetragene gegenteilige Rechtsauffassung ist unzutreffend. Sollte sich aus der Gemeinschaftsordnung für das Grundstück der Klägerin ergeben, daß im Erdgeschoß des Hauses privatrechtlich jede gewerbliche Nutzung zugelassen ist, so würde dies zwar nicht die Baugenehmigungsbehörde von der Beachtung der für das Grundstück geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entbinden. Es würde aber bedeuten, daß die Miteigentümer auch eine baurechtswidrige Nutzung hinnehmen müßten; denn die privatrechtliche Regelung würde im Verhältnis der Miteigentümer zueinander vorrangig sein und einen öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch ausschließen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Beschluß

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 50 000 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück