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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 10.04.2008
Aktenzeichen: BVerwG 5 C 12.07
Rechtsgebiete: BAföG


Vorschriften:

BAföG § 7 Abs. 1 Satz 2
BAföG § 17 Abs. 2 Satz 1
BAföG § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
BAföG § 17 Abs. 3 Satz 2
1. § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG gilt nicht für im Ausland berufsqualifizierende Ausbildungsabschlüsse, die ausländische Ehegatten deutscher Staatsangehöriger vor der Eheschließung im Herkunftsland erworben haben (im Anschluss an Urteil vom 31. Oktober 1996 - BVerwG 5 C 21.95 - BVerwGE 102, 200 ff.).

2. Die Aufnahme eines anderen Studienfaches in Deutschland nach berufsqualifizierendem Ausbildungsabschluss im Ausland ist förderungsrechtlich als andere Ausbildung im Sinne von § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG nach erfolgtem Abbruch zu bewerten.

3. Die in Deutschland geführte Ehe stellt - für sich allein genommen - förderungsrechtlich keinen unabweisbaren Grund im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2 BAföG dar. Soweit die im Ausland abgeschlossene andere Ausbildung einer inländischen gleichwertig ist, ist daher eine Anrechnung von im Ausland verbrachten Studiensemestern gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG vorzunehmen.


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 5 C 12.07

Verkündet am 10. April 2008

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. April 2008 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Franke, Dr. Brunn, Prof. Dr. Berlit und Prof. Dr. Kraft

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 15. Dezember 2006 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht Hamburg zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I

Die am 30. Dezember 1975 in Omsk geborene Klägerin, eine russische Staatsangehörige, ist mit einem deutschen Staatsangehörigen verheiratet. Sie begehrt die Umwandlung der ihr als Bankdarlehen gewährten Förderung ihres in Hamburg aufgenommenen Studiums in eine Förderung durch hälftigen Zuschuss gemäß § 17 Abs. 2 BAföG.

Die Klägerin hat vor ihrer am 24. Juli 1998 erfolgten Eheschließung von September 1993 bis Juni 1998 an der staatlichen Universität Omsk studiert, die ihr am 15. Juni 1998 die Qualifikation "Philologin. Hochschullehrerin" mit einem Diplom verliehen hat. Laut Bescheinigung der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung der Beklagten - Amt für Schule - vom 3. März 1999 entspricht dieses Diplom einer Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an der Oberstufe - Allgemeinbildende Schulen - für das Unterrichtsfach Russisch; eine weitergehende Anerkennung der Ausbildung sei nicht möglich. Um die in Russland erworbene Lehrbefähigung im Sinne einer Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an der Oberstufe - Allgemeinbildende Schulen - zu vervollständigen, bedürfe es noch des Studiums und der Prüfung im Fach Erziehungswissenschaft und in einem zweiten Unterrichtsfach. Daran wäre noch eine zweijährige Vorbereitungszeit mit abschließender Zweiter Staatsprüfung anzuschließen.

Am 17. Mai 2005 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Studienförderung für das Studium "Inter. Stud (Re, Wi, Soz. W)" an der Universität Hamburg. Die Beklagte bewilligte ihr mit Bescheid vom 26. Mai 2005 dem Grunde nach Leistungen gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG für eine Höchstförderungsdauer von sechs Semestern und mit weiterem Bescheid vom 7. Juni 2005 Leistungen in Form eines verzinslichen Bankdarlehens gemäß § 18c BAföG in Höhe von 490 € monatlich für den Zeitraum von Mai 2005 bis März 2006. Daraufhin schloss die Klägerin am 7. Juni 2005 einen formularmäßigen Darlehensvertrag mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Mit ihrem gegen die Bescheide eingelegten Widerspruch machte sie geltend, ihrem Förderungsanspruch werde durch die bewilligten Leistungen nicht genügt. Die in Russland abgeschlossene Ausbildung sei nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG berücksichtigungsfähig, und bei der in Deutschland aufgenommenen anderen Ausbildung liege ein Ausbildungsabbruch bzw. Fachrichtungswechsel aus unabweisbarem Grund vor.

Auf die nach Erfolglosigkeit des Widerspruchs erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide, soweit sie dem entgegenstehen, verurteilt, der Klägerin Förderung gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 BAföG im Wege des Teildarlehens zu bewilligen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Der Klägerin stehe entweder Förderung für eine erste Ausbildung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG zu mit der Konsequenz, dass § 17 Abs. 2 Satz 1 BAföG anzuwenden sei, oder aber Förderung für eine andere Ausbildung gemäß § 7 Abs. 3 BAföG. Auch in diesem Fall richte sich die Förderung der Klägerin nach § 17 Abs. 2 Satz 1 BAföG. § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG sei im Falle der Klägerin nicht anwendbar, da sie die Ausbildung aus unabweisbarem Grund abgebrochen bzw. die Fachrichtung gewechselt habe (vgl. § 17 Abs. 3 Satz 2 BAföG); mit Blick auf den Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) könne sie nicht auf eine Berufsausübung in Russland verwiesen werden, wo ihr Abschluss berufsqualifizierend sei.

Erstausbildung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG nicht entgegen. Zwar habe die Klägerin einen in Russland zur Berufsausübung qualifizierenden Ausbildungsabschluss erlangt, doch sei diese Bestimmung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur auf solche berufsqualifizierende Ausbildungsabschlüsse im Ausland anzuwenden, für die sich der Studierende aufgrund einer freien Wahl zwischen einer Ausbildung in Deutschland und der im Ausland entschlossen habe; nicht bezweckt sei, solche Studierende von der Förderung einer Erstausbildung auszuschließen, welche eine solche freiwillige Entscheidung für eine Ausbildung im Ausland nicht hätten treffen können. An einer Entscheidungsmöglichkeit fehle es auch bei ausländischen Ehegatten deutscher Staatsangehöriger, die ihre Berufsausbildung bereits vor Eheschließung im Heimatland absolviert hätten. Vor der Eheschließung habe die Klägerin keine Möglichkeit zur Ausbildung in Deutschland gehabt, so dass in ihrem Falle nicht von einer freien Wahlmöglichkeit auszugehen sei. Ob das in Russland absolvierte Studium einer Inlandsausbildung förderungsrechtlich gleichzustellen sei, könne dahingestellt bleiben.

Mit ihrer Sprungrevision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 17 Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BAföG. Sie macht geltend, § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG sei mit Blick auf die in Russland berufsqualifizierend abgeschlossene Philologieausbildung anwendbar. Da die Klägerin bei Ergänzung ihres in Russland erworbenen Abschlusses als Lehrerin an Allgemeinbildenden Schulen hätte arbeiten können, liege ein unabweisbarer Grund für den Fachrichtungswechsel bzw. Abbruch nicht vor.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Vertreter des Bundesinteresses bei dem Bundesverwaltungsgericht hat auf seine Beteiligung an dem Verfahren verzichtet.

II

Die Revision ist im Sinne einer Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), indem es für den geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf Ausbildungsförderung im Wege des hälftigen Darlehens (§ 17 Abs. 2 BAföG) mit Blick auf die Anspruchsgrundlage aus § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG (andere Ausbildung) die Ehe der Klägerin mit einem deutschen Staatsangehörigen für sich allein genommen als "unabweisbaren Grund" im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 2 BAföG bewertet und daher nicht geprüft hat, in welchem Umfang - bei Gleichwertigkeit der bereits in Russland abgeschlossenen Ausbildung mit einer entsprechenden Ausbildung in Deutschland - gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG eine Anrechnung vorzunehmen gewesen wäre. Da sich dies auf der Grundlage des vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalts nicht feststellen lässt, ist die Zurückverweisung geboten (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Der Senat sieht keinen Anlass für eine Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht (§ 144 Abs. 5 VwGO).

1. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG wird Ausbildungsförderung für zumindest drei Schul- und Studienjahre einer berufsbildenden Ausbildung im Sinne der §§ 2 und 3 bis zu einem daran anschließenden berufsqualifizierenden Abschluss geleistet. Nach Satz 2 ist berufsqualifizierend ein Ausbildungsabschluss auch dann, wenn er im Ausland erworben wurde und dort zur Berufsausübung befähigt.

Entgegen der Auffassung der Revision braucht die Klägerin sich förderungsrechtlich auf die in Russland abgeschlossene berufsqualifizierende Ausbildung als Hochschullehrerin, deren Abschluss in der Bundesrepublik Deutschland nicht als gleichwertig anerkannt wird (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG), nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG verweisen zu lassen. Die Anwendung dieser Bestimmung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts voraus, dass der Förderungsbewerber, der im Ausland einen dort berufsqualifizierenden Ausbildungsabschluss erworben hat, sich bei offener Möglichkeit einer Ausbildung im Inland für eine Ausbildung im Ausland entschieden hat (vgl. grundlegend Urteil vom 31. Oktober 1996 - BVerwG 5 C 21.95 - BVerwGE 102, 200). Entgegen der Auffassung der Revision sind diese Grundsätze, an denen der erkennende Senat festhält, nicht nur auf Vertriebene anwendbar, welche mit der Aufnahme im Bundesgebiet als Deutsche im Sinne des Grundgesetzes nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 BAföG förderungsberechtigt geworden sind, sondern auch auf ausländische Ehegatten von Deutschen (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 BAföG). Wie der Senat in der genannten Entscheidung dargelegt hat, ist die durch das 15. BAföG-Änderungsgesetz vom 19. Juni 1992 (BGBl I S. 1062) eingeführte Bestimmung des § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG ausweislich der Gesetzesentwurfsbegründung der Bundesregierung (BTDrucks 12/2108, S. 18) in Reaktion auf die - seit dem Urteil vom 30. April 1981 (- BVerwG 5 C 36.79 - BVerwGE 62, 174) - ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfolgt, nach welcher eine im Ausland durchlaufene Ausbildung nur dann als Erstausbildung im Sinne von § 7 Abs. 1 BAföG a.F. beachtlich war, wenn sie zu einer entsprechenden Berufstätigkeit auch im Inland befähigte. Mit der Einfügung des Satzes 2 sollte "eine Ungleichbehandlung zu vergleichbaren Inlandsfällen" vermieden werden, welche darin gesehen wurde, dass sonst "Auszubildende, die sich zunächst für eine im Ausland angebotene Ausbildung entschieden haben, unter Berufung auf eine fehlende oder nicht gleichwertige Anerkennung im Inland bzw. eine fehlende Verwertbarkeit der Berufsqualifikation die Förderung einer weiteren Ausbildung verlangen können, ohne an die einschränkenden Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BAföG gebunden zu sein". Im Hinblick auf diese beschränkte Zielsetzung hat das Bundesverwaltungsgericht § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG im Falle eines Vertriebenen einschränkend dahingehend ausgelegt, dass sie nur diejenigen Auszubildenden betreffe, die sich bei offener Möglichkeit einer Ausbildung im Inland für eine Ausbildung im Ausland entschieden haben (vgl. Urteile vom 31. Oktober 1996 a.a.O. und vom 17. April 1997 - BVerwG 5 C 5.96 - Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 116 = DVBl 1997, 1436). Hingegen sei es nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen, Auszubildende von der Ausbildungsförderung auszuschließen, wenn eine solche freiwillige Entscheidung für eine Ausbildung im Ausland nicht möglich gewesen sei. Diese nur begrenzte Intention des Gesetzgebers, der mit der Einfügung des Satzes 2 in § 7 Abs. 1 BAföG auf eine spezielle Förderungsproblematik reagiert habe, gebiete es, die Bestimmung entsprechend ihrem Maßnahmezweck einschränkend auszulegen.

Diese Erwägungen beanspruchen Geltung nicht nur für Vertriebene, sondern auch für andere Fallkonstellationen, bei denen der Auszubildende keine Wahlmöglichkeit zwischen einer Inlands- oder einer Auslandsausbildung hatte. An einer derartigen offenen Wahlmöglichkeit in diesem Sinne fehlt es bei den in Tz 7.2.22b BAföG-VwV genannten Personengruppen wie etwa Spätaussiedlern und Asylberechtigten und auch bei solchen ausländischen Ehegatten deutscher Staatsangehöriger, die vor der Eheschließung und Übersiedlung in das Bundesgebiet nicht die Möglichkeit hatten, eine Ausbildung in Deutschland zu wählen. Wie auch die aufenthaltsrechtlichen Familiennachzugsbestimmungen (vgl. §§ 27 ff. Aufenthaltsgesetz) zeigen, ist davon auszugehen, dass ausländischen Ehegatten deutscher Staatsangehöriger zur Herstellung bzw. Wahrung der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten ehelichen Lebensgemeinschaft grundsätzlich ein Anspruch auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet zusteht. Sie haben mit den oben genannten Personengruppen gemeinsam, dass ihnen der Verbleib in ihrem bisherigen Heimatland nicht zugemutet wird, so dass der von ihnen im Heimatland erworbene und dort als berufsqualifizierend zu bewertende Ausbildungsabschluss nur dann auch als im Bundesgebiet förderungsrechtlich beachtlicher Ausbildungsabschluss zu werten ist, wenn er hier als zu einer Berufsausübung befähigender, gleichwertiger Abschluss anerkannt wird.

Greift die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG demnach nicht zu Lasten der Klägerin ein, liegt eine berufsqualifizierende abgeschlossene Ausbildung im Sinne des § 7 Abs. 1 BAföG nicht vor. Dies schließt - entgegen der Annahme der Revision - aus, bei der von der Klägerin im Förderungszeitraum betriebenen Ausbildung habe es sich um eine weitere Ausbildung im Sinne des Abs. 2 dieser Bestimmung gehandelt, für welche ausschließlich eine Förderung durch Bankdarlehen vorgesehen ist (§ 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BAföG).

2. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass das in Russland absolvierte Studium förderungsrechtlich ohne Bedeutung wäre. § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG regelt, wovon auch das angefochtene Urteil ausgeht, nur die Gleichstellung in- und ausländischer Abschlüsse; darüber hinausweisende normative Aussagen - etwa dahingehend, dass die Studien- und Ausbildungszeiten im Ausland nicht anzurechnen seien - sind ihr nicht zu entnehmen (vgl. Urteil vom 4. Dezember 1997 - BVerwG 5 C 28.97 - BVerwGE 106, 5 <8>). Dass ein im Ausland erworbener Ausbildungsabschluss, der nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG als gleichwertiger berufsqualifizierender Abschluss anerkannt ist, mangels freier Wahlmöglichkeit für ein Inlandsstudium der Gewährung von Ausbildungsförderung nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG entgegensteht, bedeutet insbesondere nicht, dass auch der durch die Auslandsausbildung erlangte Ausbildungsstand des Auszubildenden und die dort von ihm erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten förderungsrechtlich als nicht existent zu fingieren wären und der Auszubildende in vollem Umfange wie ein Ausbildungsanfänger zu stellen wäre. Die teleologische Reduktion des § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG soll eine vom Gesetzgeber nicht bezweckte Schlechterstellung von Personen mit im Ausland erworbenen berufsqualifizierenden Abschlüssen vermeiden, nicht aber eine sachlich nicht gerechtfertigte Begünstigung dieses Personenkreises im Vergleich zu Ausbildungsanfängern bewirken, die noch keine entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten erworben haben (BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 1997 a.a.O.). Das in Russland absolvierte Studium der Klägerin ist förderungsrechtlich daher nicht ohne Bedeutung, sondern in wertender Betrachtung in den systematischen Zusammenhang der Förderungsansprüche und Beschränkungen einzuordnen, denen auch ein deutscher Förderungsbewerber unterliegt.

Danach stellt sich das in Deutschland aufgenommene Studium als eine "andere Ausbildung" im Sinne des § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG dar. Zwar ist das Studium der Klägerin in Russland von ihr bereits abgeschlossen worden, so dass ein "Abbruch" im Sinne dieser Vorschrift streng genommen nicht mehr möglich ist. Doch steht die mit der Übersiedlung nach Deutschland verbundene Aufgabe der mit dem russischen Philologiestudium verbundenen russischen Berufsperspektive förderungsrechtlich einem Studienabbruch näher als einem - im Zeitpunkt der Übersiedlung noch völlig offenen - Fachrichtungswechsel.

§ 7 Abs. 3 BAföG macht den Anspruch auf Förderung einer "anderen Ausbildung" davon abhängig, dass der Auszubildende die (bisherige) Ausbildung aus wichtigem oder unabweisbarem Grund abgebrochen hat, und beschränkt für Hochschulausbildungen die Förderungsvoraussetzung des wichtigen Grundes auf die Zeit bis zum Beginn des vierten Fachsemesters. Allerdings findet gemäß Absatz 4 für Auszubildende, die die abgebrochene Ausbildung vor dem 1. August 1996 begonnen haben, Absatz 3 Satz 1 in der am 31. Juli 1996 geltenden Fassung Anwendung, welche einen wichtigen Grund für den Ausbildungsabbruch ohne zeitliche Beschränkung auf die ersten drei Fachsemester zuließ. Die Frage, ob die Klägerin danach auf einen "wichtigen" oder einen "unabweisbaren" Grund angewiesen ist, braucht hier nicht vertieft zu werden, denn aus dem von Art. 6 Abs. 1 GG umschlossenen Recht der Eheleute auf freie Wahl des Familienwohnsitzes im Bundesgebiet ergibt sich, dass mit der Eheschließung der Klägerin und der Entscheidung für die Führung der Ehe in Deutschland ein legitimierender unabweisbarer Grund dafür vorlag, auf die durch die Philologieausbildung eröffneten beruflichen Perspektiven in Russland zu verzichten. Insoweit kann auf die vom Verwaltungsgericht genannte, zum Begriff des wichtigen Grundes in § 7 Abs. 3 BAföG F. 1993 ergangene Entscheidung des Senats vom 23. September 1999 - BVerwG 5 C 19.98 - (Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 119) Bezug genommen werden, wonach die Bedeutung des von Art. 6 Abs. 1 GG normierten Schutzes von Ehe und Familie, welche auch die freie Wahl des Familienwohnsitzes umfasst, es ausschließt, daran förderungsrechtliche Sanktionen zu knüpfen. Mit ihrer grundrechtlich geschützten und förderungsrechtlich hinzunehmenden Entscheidung, die Ehe im Bundesgebiet zu führen, bestand für die Klägerin eine Situation, die die Wahl zwischen der Fortsetzung der bisherigen Ausbildung (bzw. ihrer Ausnutzung durch eine Berufstätigkeit in Russland) und ihrem Abbruch oder dem Überwechseln in eine andere Ausbildung nicht zuließ (zum Begriff des unabweisbaren Grundes i.S.d. § 7 Abs. 3 BAföG s.a. Urteil vom 19. Februar 2004 - BVerwG 5 C 6.03 - BVerwGE 120, 149).

3. Damit ist jedoch nicht entschieden, dass die in Deutschland geführte Ehe auch im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2 BAföG als unabweisbarer Grund zu werten ist. Anders als im Zusammenhang mit § 7 Abs. 3 BAföG geht es hier nicht um die Frage, ob die Klägerin förderungsrechtlich auf eine Berufstätigkeit in Russland verwiesen werden kann, sondern allein um die Frage, in welcher Form das in Deutschland aufgenommene Studium zu fördern ist. Während bei einem aus "wichtigem Grund" erfolgten Studienabbruch gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG eine Förderung als Bankdarlehen nach § 18c BAföG vorgesehen ist, soweit für die andere Ausbildung nach § 7 Abs. 3 "die Semesterzahl der hierfür maßgeblichen Förderungshöchstdauer, die um die Fachsemester der vorangegangenen nicht abgeschlossenen Ausbildung zu kürzen ist", überschritten wird, gilt dies gemäß Abs. 3 Satz 2 dieser Bestimmung dann nicht, wenn der Auszubildende die Ausbildung aus "unabweisbarem Grund" abgebrochen hat. Insoweit kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass die Eheschließung mit einem Deutschen und die Begründung des Ehewohnsitzes in Deutschland, die es ausschließen, die Klägerin förderungsrechtlich auf eine Berufstätigkeit in Russland zu verweisen, es deshalb auch geböten, sie von der vorgesehenen förderungsrechtlichen Anrechnung der Fachsemester der vorangegangenen Ausbildung freizustellen. Grundsätzlich sind im Ausland verbrachte Ausbildungszeiten bei einer Inlandsausbildung förderungsrechtlich zu berücksichtigen, wenn die ausländische Ausbildungsstätte den inländischen Ausbildungsstätten nach Zugangsvoraussetzungen, Art und Inhalt der Ausbildung sowie dem vermittelten Ausbildungsabschluss vergleichbar bzw. gleichwertig ist (vgl. Urteile vom 4. Dezember 1997 - BVerwG 5 C 3.96 - BVerwGE 106, 1 <3 f.> und - BVerwG 5 C 28.97 - BVerwGE 106, 5 <10>). Das muss auch hier gelten; Art. 6 Abs. 1 GG steht einer danach ggf. vorzunehmenden Anrechnung nicht entgegen.

Der Klägerin steht danach gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG nur so lange ein Anspruch auf Förderung im Umfang des § 17 Abs. 2 BAföG zu, wie die Semesterzahl der für die andere Ausbildung maßgeblichen Förderungshöchstdauer, die um die Fachsemester der vorangegangenen, nicht abgeschlossenen Ausbildung zu kürzen ist, nicht überschritten wird. Da auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Verwaltungsgerichts ungeklärt ist, wie viele Semester der russischen Philologieausbildung als gleichwertig anzurechnen wären, ist die Sache zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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