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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 10.07.2003
Aktenzeichen: BVerwG 5 C 17.02
Rechtsgebiete: BSHG


Vorschriften:

BSHG § 88
BSHG § 92 c
1. Kostenersatzansprüche nach § 92 c BSHG gegen die Erben des vor dem Hilfeempfänger verstorbenen Ehegatten und gegen die Erben des Hilfeempfängers selbst entstehen unabhängig voneinander kraft Gesetzes mit dem Tode des Erblassers.

2. Dem Kostenersatzanspruch gegen die Erben des vorverstorbenen Ehegatten des Hilfeempfängers kann nicht entgegengehalten werden, vorrangig hafteten die Erben des nachverstorbenen Hilfeempfängers, vielmehr haften beide Erben bzw. Erbengruppen nebeneinander in dem jeweils durch § 92 c Abs. 1 Satz 2 BSHG bezeichneten Umfang.


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 5 C 17.02

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts ohne mündliche Verhandlung am 10. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt, Dr. Rothkegel, Dr. Franke und Prof. Dr. Berlit

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. März 2002 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich als Konkursverwalter des Nachlasses des vorverstorbenen Ehemanns einer inzwischen ebenfalls verstorbenen Sozialhilfeempfängerin gegen die Inanspruchnahme des seiner Verwaltung unterliegenden Nachlasses auf Kostenersatz wegen der Ehefrau gewährter Sozialhilfe. Die Beteiligten streiten vor allem um die Frage, ob im Falle des Vorversterbens des Ehegatten des Hilfeempfängers mit dem Tod des Letzteren eine - kumulative - Ersatzpflicht der Erben beider Ehegatten für die bis zum Ableben des erstverstorbenen Ehegatten aufgewendeten Sozialhilfeleistungen entsteht.

Die im Jahre 1910 geborene Frau B. lebte seit August 1992 in einem Pflegeheim in G. Vom 1. August 1993 an übernahm der Beklagte die durch das eigene Einkommen von Frau B. nicht gedeckten Heimkosten im Rahmen der Hilfe zur Pflege. Frau B. war neben ihrem Ehemann, Herrn B., zur Hälfte Miteigentümerin eines Hausgrundstückes in G., das Herr B. bis zu seinem Tode am 16. Dezember 1994 bewohnte.

Nach dem Tod von Herrn B. fiel dessen Eigentumshälfte an dem Hausgrundstück an seinen Sohn aus der Ehe mit Frau B. und an seine vier Kinder aus erster Ehe. Frau B. war nicht als Erbin bedacht; ihr war vermächtnishalber ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht in dem gemeinsamen Haus eingeräumt worden, das allerdings nicht in das Grundbuch eingetragen wurde.

Nach dem Tod von Herrn B. kündigte der Beklagte gegenüber dessen Erben an, man beabsichtige, von ihnen Kostenersatz für die bis zum Tod von Herrn B. seiner Ehefrau gewährten Sozialhilfeleistungen zu verlangen.

Am 26. Mai 1995 verstarb auch Frau B. Ihre Erben sind neben dem Sohn aus der Ehe mit Herrn B. die beiden Töchter aus ihrer ersten Ehe. Mit Beschluss des Amtsgerichts G. vom 12. Februar 1996 wurde über den Nachlass des Herrn B. der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter bestellt. Am 25. September 1996 meldete der Beklagte einen Kostenersatzanspruch nach § 92 c BSHG wegen der Frau B. geleisteten Sozialhilfe zur Konkurstabelle an. Diese Forderung wurde im Prüfungstermin vom 15. November 1997 vom Kläger dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Daraufhin machte der Beklagte mit an den Kläger gerichtetem Bescheid vom 17. Oktober 1997 gegen den Nachlass des verstorbenen Herrn B. einen Kostenersatzanspruch nach § 92 c BSHG in Höhe von 52 044,72 DM geltend. Zur Begründung führte er aus, da der Ehemann der Hilfeempfängerin B. vor dieser verstorben sei, hafteten seine Erben nach § 92 c BSHG für den Sozialhilfeaufwand, der bis zu seinem Tode entstanden sei, abzüglich des zweifachen Grundbetrages aus § 81 Abs. 1 BSHG. Bei einem Sozialhilfeaufwand für die Zeit vom 1. August 1993 bis zum 16. Dezember 1994 in Höhe von 55 042,72 DM und einem Betrag nach § 92 c BSHG in Höhe von 2 998,00 DM ergebe sich der geltend gemachte Betrag.

Mit Bescheiden vom 24. Oktober 1997 machte der Beklagte gegenüber den Erben von Frau B. Kostenersatzansprüche in Höhe von jeweils 2 495,79 DM geltend. Als Ersatzzeitraum legte er dabei die Zeit vom 17. Dezember 1994 bis zum Tode von Frau B. zugrunde.

Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 30. September 1998) gegen den Kostenersatzbescheid vom 17. Oktober 1997 erhobene Anfechtungsklage abgewiesen (Urteil vom 26. November 1999). Der Verwaltungsgerichthof hat die Berufung durch Urteil vom 11. März 2002 zurückgewiesen (veröffentlicht in ZERB 2002, 193 ff.). Zur Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof - unter Bezugnahme auf die Begründung des Verwaltungsgerichts - im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte sei gemäß § 146 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 KO berechtigt gewesen, gegenüber dem Kläger das Bestehen der gegen den Nachlass des Herrn B. geltend gemachten Forderung auf Kostenersatz in Höhe von 52 044,72 DM festzustellen. Rechtsgrundlage für den Kostenersatzsanspruch sei § 92 c Abs. 1 BSHG. Nach dessen Wortlaut sei eine kumulative Haftung der Erben des nach seinem Ehegatten versterbenden Hilfeempfängers und der Erben des vorverstorbenen Ehegatten für die bis zum Tode des Letzteren gewährten Sozialhilfeleistungen ausgeschlossen. § 92 c Abs. 1 Satz 1 BSHG sei mit dem Verwaltungsgericht dahin auszulegen, dass für den Fall, dass der Ehegatte des Hilfeempfängers vor diesem versterbe, nur die Erben des Ersteren kostenersatzpflichtig seien, wobei die Kostenersatzpflicht auf die bis zum Tode des Ehegatten des Hilfeempfängers erbrachten Hilfeleistungen begrenzt sei. Wäre es der Wille des Gesetzgebers gewesen, eine Anspruchskonkurrenz in dem Sinne zu schaffen, dass insoweit jeweils eine selbständige Ersatzpflicht der Erben beider Ehegatten eintrete, so hätte der Gesetzgeber statt des Wortes "oder" in § 92 c Abs. 1 Satz 1 BSHG das Wort "und" gewählt und zudem im zweiten Halbsatz anstelle des Wortes "ist" das Wort "sind" verwendet. Es solle vielmehr allein eine Ersatzpflicht der Erben beider Ehegatten für unterschiedliche Ersatzzeiträume und mit unterschiedlich verlaufenden Erlöschensfristen zum Entstehen kommen. Eine klare Staffelung der Reihenfolge, in der die Erben des Ehegatten und des Hilfebedürftigen selbst zum Kostenersatz verpflichtet seien, entspreche dem Sinn der Regelung, widerspreche ihm jedenfalls nicht. Nach der Entstehungsgeschichte solle § 92 c BSHG sachlich ungerechtfertigte Vorteile der Erben vermeiden, die sich einstellten, wenn zum Nachlass Vermögen zähle, das für den Hilfeempfänger selbst bzw. für dessen Ehegatten aus persönlichen Gründen geschützt gewesen sei. Diesem Zweck laufe eine Auslegung des § 92 c Abs. 1 Satz 1 BSHG, die in Fällen wie dem hier zu entscheidenden nicht zu einer kumulativen Haftung zum Kostenersatz der jeweiligen Erben komme, jedenfalls nicht zuwider. Selbst wenn der Sozialhilfeträger bei einem Verständnis des § 92 c Abs. 1 Satz 1 BSHG als kumulativer Haftungsnorm seine auf § 92 c BSHG gestützten Kostenersatzforderungen leichter und effektiver durchsetzen könnte, rechtfertigte dies keine über den Wortlaut der Bestimmung hinausgehende Auslegung, für die die Gesetzesmaterialien oder die Gesetzessystematik keine Anhaltspunkte enthielten. Nach dem Wortlaut scheide neben einer kumulativen auch eine alternative Haftung der jeweiligen Erben beider zum Kostenersatz für die bis zum Tode des nicht Sozialhilfe beziehenden erstversterbenden Ehegatten entstandenen Sozialhilfeaufwendungen - mit der Folge eines dem Sozialhilfeträger eröffneten Auswahlermessens - aus. Einem Auswahlermessen stehe bereits entgegen, dass die Ersatzpflicht der Erben des vor dem Hilfeempfänger verstorbenen Ehegatten bereits mit dessen Tod eintrete und - auch dann, wenn eine Konkretisierung dieser Ersatzforderung durch Verwaltungsakt noch nicht erfolgt sei - eine Nachlassverbindlichkeit bilde. Die Möglichkeit, dass der Sozialhilfeträger im Einzelfall wegen Dürftigkeit des Nachlasses des erstversterbenden Ehegatten seine Kostenersatzforderungen nicht werde durchsetzen können, zwinge nicht zu einer Auslegung wider den Wortlaut des § 92 c Abs. 1 Satz 1 BSHG.

Der Ehefrau des Herrn B. sei die Hilfe auch rechtmäßig als Zuschuss gewährt worden. Einer mit Blick auf das Miteigentum an dem Hausgrundstück lediglich darlehensweisen Gewährung habe hier § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG entgegengestanden. § 92 c Abs. 2 Satz 2 BSHG stehe dem Kostenersatzanspruch ebenfalls nicht entgegen. Allerdings hafte der Erbe nur mit dem Nachlass und solle nur aus dem Ererbten, nicht aus eigenem Vermögen leisten müssen, so dass eine Haftung nach § 92 c Abs. 2 BSHG "mit dem Nachlass" nur dann möglich sei, wenn und so lange aktives Vermögen aus der Erbschaft vorhanden sei. Ein solches aktives Vermögen sei aber hier vorhanden gewesen. Nach dem eingeholten Wertgutachten habe der Verkehrswert des Hausgrundstückes, das nicht mit Grundpfandrechten belastet gewesen sei, ca. 230 000 DM, der Wert des Nachlasses mithin 115 000 DM betragen; bei der zwischenzeitlich erfolgten Veräußerung sei auch ein Verkaufserlös erzielt worden, der in etwa dem im vorgelegten Wertgutachten bestimmten Wert entspreche. Da mit einer Inanspruchnahme des vertraglich eingeräumten Wohnrechts nicht zu rechnen gewesen sei, sei dieses auch nicht wertbildend ins Gewicht gefallen. Anlass für den Nachlasskonkurs seien im Wesentlichen die Forderungen des Beklagten und verschiedene Pflichtteilsergänzungsansprüche gewesen, die aber zusammen mit der Forderung des Beklagten voraussichtlich nicht so hoch seien, dass sie den Nachlass erschöpfen würden.

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Anfechtungsbegehren weiter. Er rügt eine Verletzung des § 92 c Abs. 1 BSHG, des § 92 c Abs. 2 Satz 2 BSHG sowie der §§ 88, 89 BSHG.

Der Beklagte verteidigt das Berufungsurteil.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II.

Die Revision, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist nicht begründet, so dass sie zurückzuweisen ist (§ 144 Abs. 2 VwGO). Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Kläger nach § 92 c BSHG verpflichtet sei, dem Beklagten die hier im Streit stehenden Kosten der Sozialhilfe zu ersetzen, steht jedenfalls im Ergebnis (§ 144 Abs. 4 VwGO) mit Bundesrecht (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) im Einklang.

Zwischen den Beteiligten steht nicht im Streit, dass dem Kostenersatzanspruch § 92 c Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 BSHG nicht entgegenstehen und auch die Beschränkungen des § 92 c Abs. 1 Satz 2 BHSG von dem Beklagten beachtet worden sind. Die Frau B. gewährten Leistungen sind auch rechtmäßig als Zuschuss bewilligt worden, denn der Beklagte durfte nach § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG die Hilfegewährung nicht von der Verwertung des Hausgrundstückes abhängig machen, so dass entgegen der Rechtsansicht des Klägers eine lediglich darlehensweise Gewährung nach § 89 BSHG nicht rechtmäßig gewesen wäre. Dem Kostenersatzanspruch steht auch § 92 c Abs. 2 Satz 2 BSHG nicht entgegen; nach den nicht mit beachtlichen Revisionsrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts reichte der Wert des Nachlasses des vorverstorbenen Ehegatten hier auch unter Berücksichtigung des im Vermächtniswege eingeräumten Wohnrechtes aus, um die Nachlassverbindlichkeiten einschließlich der Kostenersatzforderung zu decken.

Nach § 92 c Abs. 1 BSHG ist der Erbe des Hilfeempfängers oder seines Ehegatten, falls dieser vor dem Hilfeempfänger stirbt, zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet; nach Satz 2 besteht die Ersatzpflicht nur für die Kosten der Sozialhilfe, die innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden sind und die das Zweifache des Grundbetrages nach § 81 Abs. 1 BSHG übersteigen.

Die Kostenersatzpflicht von Erben knüpft damit an verschiedene Erbfälle an, jedenfalls an den Erbfall nach dem Hilfeempfänger, gegebenenfalls aber auch an den Erbfall nach dessen Ehegatten, nämlich dann, wenn dieser vor dem Hilfeempfänger stirbt. § 92 c BSHG regelt also zwei mögliche Kostenersatzansprüche. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz folgt aus dem Wort "oder" und der Verwendung des Singulars ("ist verpflichtet") keine Beschränkung des Kostenersatzes entweder auf den Erben des Hilfeempfängers oder den Erben des vorverstorbenen Ehegatten dahin, dass die Kostenersatzpflicht des einen Erben die des anderen ausschließt. Vielmehr kommt durch das Wort "oder" und die Verwendung des Singulars ("ist verpflichtet") zum Ausdruck, dass verschiedene Erbfälle verschiedene Kostenersatzpflichten zur Folge haben; ist der Hilfeempfänger gestorben, ist dessen Erbe zum Kostenersatz verpflichtet, ist der Ehegatte des Hilfeempfängers vor diesem gestorben, ist der Erbe des Ehegatten zum Kostenersatz verpflichtet.

Die jeweilige Kostenersatzpflicht knüpft nicht nur an einen bestimmten Erbfall, den des Hilfeempfängers oder den des vorverstorbenen Ehegatten, an, sondern bleibt maßgeblich auf diesen Erbfall auch in Bezug auf Entstehung (§ 92 c Abs. 2 Satz 1 BSHG: Nachlassverbindlichkeit), Umfang (§ 92 c Abs. 1 Satz 2 BSHG: Kosten der Sozialhilfe, die innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden sind; § 92 c Abs. 2 Satz 2 BSHG: Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses), Anspruchshindernisse (§ 92 c Abs. 3 BSHG: Wert des Nachlasses) und Erlöschen (§ 92 c Abs. 4 BSHG: erlischt in 3 Jahren nach dem Tode ...) bezogen. Ob und in welchem Umfang eine Kostenersatzpflicht des Erben des vorverstorbenen Ehegatten (fort)besteht, ist demnach unabhängig davon, ob und in welchem Umfang später (auch) eine Kostenersatzpflicht des Erben des Hilfeempfängers entsteht. § 92 c BSHG enthält keine Regelung, nach der ein kraft Gesetzes entstandener Kostenersatzanspruch wieder (ganz oder teilweise) erlischt oder sich inhaltlich verändert, wenn durch einen weiteren Erbfall kraft Gesetzes ein weiterer Kostenersatzanspruch entsteht, der an denselben Hilfefall, aber einen anderen Erbfall anknüpft. Für den gegen den Kläger gerichteten Kostenersatzanspruch ist daher unerheblich, dass im Zeitpunkt seiner Geltendmachung auch die Hilfeempfängerin selbst bereits verstorben war. Der Umstand, dass vor der Geltendmachung des Kostenersatzanspruchs gegen die Erben ihres vorverstorbenen Ehegatten auch die Hilfeempfängerin selbst verstorben ist, begründet insbesondere auch keine "besondere Härte" i.S. des § 92 c Abs. 3 Nr. 3 BSHG.

Auch Sinn und Zweck der Kostenersatzpflicht der Erben nach § 92 c BSHG sprechen dagegen, dass eine hinzutretende Kostenersatzpflicht des Erben des Hilfeempfängers eine bereits bestehende Kostenersatzpflicht des Erben des vorverstorbenen Ehegatten berührt. Der Sozialhilfeträger soll eine nachträgliche Deckung der angefallenen Sozialhilfeaufwendungen durch Kostenersatz möglichst umfassend, einfach und effektiv gegen die jeweils kostenersatzpflichtigen Erben durchsetzen können. Der zu Lebzeiten bestehende Vermögensverwertungsschutz (§§ 88 f. BSHG) zugunsten des Hilfeempfängers und seines Ehegatten endet mit deren Tod. Deshalb ist, vorausgesetzt der Ehegatte stirbt zuerst, der Erbe des Ehegatten und dann, wenn auch der Hilfeempfänger selbst gestorben ist, auch dessen Erbe kostenersatzpflichtig.

Die Belange der Erben - sei es der Erben des Ehegatten des Hilfeempfängers, sei es der Erben des Hilfeempfängers selbst - nimmt § 92 c BSHG dabei nur insoweit in den Blick, als die Kostenersatzansprüche nach Entstehung oder Umfang begrenzt oder ihre Geltendmachung, etwa nach § 92 c Abs. 3 Nr. 3 BSHG, ausgeschlossen ist. Dafür, dass § 92 c BSHG einen weitergehenden Erben- oder Erbanwartschaftsschutz oder eine Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessenlagen der verschiedenen Erbengruppen bezwecken könnte, gibt die Bestimmung keinen Anhaltspunkt. Mit der Begrenzung der Haftung der jeweiligen Erben auf den Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses hat der Gesetzgeber vielmehr vorgegeben, dass der jeweilige Erbe mit dem Nachlass in vollem Umfange haftet.

Aus der Anknüpfung an den Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses folgt zugleich, dass für Entstehung und Durchsetzung des öffentlich-rechtlichen Kostenersatzanspruches gegen den jeweiligen Erben - vorbehaltlich der in § 92 c Abs. 3 BSHG getroffenen Ausnahmeregelungen - nicht auf eine fiktive Betrachtung abzustellen ist, wie sich ohne den Vermögensschutz des § 88 BSHG der Bestand des Vermögens des Hilfeempfängers selbst und seines Ehegatten entwickelt hätte, in welchem - rechtlichen oder persönlichen - Verhältnis die jeweiligen Erben zu dem Hilfeempfänger bzw. dem "Hilfefall" gestanden haben oder ob die Erben des vor dem Hilfeempfänger verstorbenen Ehegatten und die des nachverstorbenen Hilfeempfängers "gleichmäßig" mit Kostenersatzpflichten belastet sind. Das hieran anknüpfende Vorbringen des Klägers vernachlässigt, dass § 92 c BSHG - wie dargelegt - wegen seines Zweckes, im öffentlichen Interesse eine möglichst umfassende "Refinanzierung" aufgewendeter Sozialhilfekosten sicherzustellen, die Erb(anwart)schaftserwartungen der Erben eines Hilfeempfängers oder dessen nach § 28 Abs. 1 BSHG gleichrangig zum Vermögenseinsatz verpflichteten Ehegatten weder als solche noch - im Wege eines erbfallübergreifenden Belastungsvergleichs - hinsichtlich der möglichen Interessenkonflikte zwischen diesen in den Blick nimmt.

Die durch § 92 c Abs. 1 Satz 2 BSHG dem Umfange nach näher bestimmten Kostenersatzansprüche gegen die Erben - seien es die des Ehegatten oder die des Hilfeempfängers selbst - stehen jeweils selbständig nebeneinander. Der Kläger kann dem gegen ihn begründeten Kostenersatzanspruch daher nicht entgegenhalten, dass ein Kostenersatzanspruch möglicherweise auch gegen die Erben der Hilfeempfängerin selbst besteht. Dies folgt nach Vorstehendem entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts allerdings nicht schon daraus, dass sich der Kostenersatzanspruch gegen die Erben der nach ihrem Ehegatten verstorbenen Hilfeempfängerin von vornherein auf die nach dem Tode ihres Ehegatten entstandenen Aufwendungen und daher auf solche Aufwendungen beschränkte, für welche eine Kostenersatzpflicht der Erben des vorverstorbenen Ehegatten nicht besteht; eine solche zeitlich gestaffelte Haftung in Bezug auf die Zeiträume, auf die sich die Kostenersatzpflicht jeweils bezieht, folgt nicht aus dem Wortlaut des § 92 c Abs. 1 Satz 1 BSHG, namentlich nicht dem Wort "oder". Die vom Berufungsgericht vorgenommene, an den Zeitpunkt des Todes des vor der Hilfeempfängerin verstorbenen Ehegatten anknüpfende Teilung der Zeiträume, in Bezug auf die Kostenersatz zu leisten ist, steht mit § 92 c Abs. 1 und 2 BSHG nicht in Einklang.

Diese Verletzung von Bundesrecht berührt indes die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis (§ 144 Abs. 4 VwGO) nicht, denn da der zuerst entstandene Kostenersatzanspruch gegen die Erben des vorverstorbenen Ehegatten des Hilfeempfängers Einwendungen unter dem Gesichtspunkt des - irgendwann zu erwartenden - Todes des Hilfeempfängers selbst mit der Folge des Hinzutretens einer weiteren kostenersatzpflichtigen Erbengruppe nicht ausgesetzt war, konnte der Beklagte ihn auch nach dem Tod der Hilfeempfängerin unverändert weiterverfolgen. Soweit der Sozialhilfeträger bei der Durchsetzung entstandener Kostenersatzansprüche ein "Wahlrecht" bezüglich der Erbengruppen haben sollte, hätte er nach Sinn und Zweck des § 92 c BSHG dessen Betätigung allein an dem ausschließlich öffentlichen Interesse einer möglichst umfassenden, einfachen und zügigen Durchsetzung des Kostenersatzes auszurichten.

Die von dem Kläger geltend gemachten tatsächlichen Auswirkungen auf die Werthaltigkeit des jeweiligen Erbes rechtfertigen keine andere Beurteilung. Sie sind für das Entstehen und die Geltendmachung des Kostenersatzanspruches schon deswegen unbeachtlich, weil in § 92 c Abs. 1 Satz 2 bis 4, Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 und 4 BSHG abschließend geregelt ist, in welchem Umfange Erb(anwart)schaftsbelange durch den Sozialhilfeträger zu berücksichtigen sind. Nicht Gegenstand dieses Verfahrens und daher nicht weiter zu erörtern ist die Frage möglicher Ausgleichsansprüche zwischen den Erbengruppen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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