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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 29.06.2006
Aktenzeichen: BVerwG 5 C 24.05
Rechtsgebiete: SGB VIII


Vorschriften:

SGB VIII § 89d
SGB VIII § 89f
Kommt es für die Gewährung von Jugendhilfe auf das Alter einer Person an, entspricht die Aufgabenerfüllung i.S.d. § 89f Abs. 1 SGB VIII den Vorschriften des Gesetzes, wenn der Hilfe leistende Jugendhilfeträger im Zeitpunkt der Hilfegewährung davon ausgehen konnte, dass die an das Alter einer Person anknüpfenden Voraussetzungen der Aufgabenerfüllung (noch) vorlagen, und davon auszugehen ist, dass auch der auf Erstattung in Anspruch genommene Jugendhilfeträger bei der zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung gegebenen Erkenntnislage die Leistung gewährt hätte.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 5 C 24.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 29. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt, Dr. Franke, Dr. Brunn und Prof. Dr. Berlit ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom 6. September 2005 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, welche nicht erstattungsfähig sind.

Gründe:

I

Die Klägerin begehrt von dem beklagten Land die Erstattung von Aufwendungen, welche ihr für die Unterbringung des algerischen Staatsangehörigen K. K. in Einrichtungen der Jugendhilfe entstanden sind, was der Beklagte ablehnt, weil K. K. - entgegen der ursprünglichen Annahme der Klägerin - im Leistungszeitpunkt wohl nicht mehr Jugendlicher gewesen sei.

Der algerische Staatsangehörige K. K. erschien erstmals am 27. November 1997 bei der Ausländerbehörde in Hamburg und gab an, am 5. Januar 1983 in Algerien geboren zu sein und einen Asylantrag stellen zu wollen. Ausweispapiere führte er nicht mit sich. Der Mitarbeiter der Behörde schätzte das Alter von K. K. auf "mindestens 18 Jahre". Am 8. Dezember 1997 meldete K. K. sich bei der Aufnahmeeinrichtung für Asylsuchende in Hamburg und gab an, am 3. Dezember 1997 in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Obwohl er wiederum erklärte, am 5. Januar 1983 geboren zu sein, nahm die Behörde aufgrund einer Schätzung ein Mindestalter von 16 Jahren an, vermerkte als angenommenes Geburtsdatum den 31. Dezember 1980 und wies K. K. mit Verfügung vom 9. Dezember 1997 der Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Horst/Mecklenburg-Vorpommern zu.

K. K. reiste aber nicht nach Mecklenburg-Vorpommern, sondern erschien am 12. Dezember 1997 bei der Aufnahmestelle für Asylbewerber im Gebiet der Klägerin; die Zuweisung an die Aufnahmeeinrichtung in Mecklenburg-Vorpommern erwähnte er nicht. Die Mitarbeiterin der Aufnahmeeinrichtung ging aufgrund der Angaben des K. K. davon aus, dass er tatsächlich am 5. Januar 1983 geboren sei, und brachte ihn deshalb noch am 12. Dezember 1997 zur lnobhutnahme im Rahmen der Jugendhilfe zur Einrichtung "Kinder- und Jugend-Notdienst" im Stadtgebiet der Klägerin. Dort blieb K. K. bis zum 12. Januar 1998. Das Jugendamt der Klägerin übernahm die Kosten dieses Aufenthalts.

Mit Schreiben vom 18. Dezember 1997 beantragte das Jugendamt der Klägerin bei dem Amtsgericht, festzustellen, dass die elterliche Sorge über K. K. ruhe, und das Jugendamt zum Vormund zu bestellen. Diesem Antrag entsprach das Amtsgericht mit Beschluss vom 12. Januar 1998, welcher der Klägerin am 28. Januar 1998 zugestellt wurde. Bei der Anhörung vor dem Amtsgericht am 12. Januar 1998 hatte K. K. wiederum erklärt, am 5. Januar 1983 geboren zu sein. Der Richter ging ausweislich der Niederschrift über diese Anhörung davon aus, dass das äußere Erscheinungsbild von K. K. mit diesem Geburtsdatum übereinstimme.

Mit Bescheid vom 19. Januar 1998 bestimmte das Bundesverwaltungsamt das Landesjugendamt Hessen als den für die Erstattung zuständigen Träger. Inzwischen hatte das Jugendamt der Klägerin K. K. für die Zeit ab 12. Januar 1998 zur Heimerziehung in einem Heim untergebracht. Am 29. Januar 1998 teilte die Ausländerbehörde dem Jugendamt der Klägerin mit, dass K. K. sich bereits in Hamburg als Asylsuchender gemeldet, die Behörde in Hamburg ein Alter von 16 Jahren mit einem angenommenen Geburtsdatum "31.12.1980" geschätzt und den Ausländer der Aufnahmeeinrichtung in Horst/Mecklenburg-Vorpommern zugewiesen habe. Mit Schreiben vom 18. März 1998 wandte sich das Jugendamt der Klägerin an das Landesamt für Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten Mecklenburg-Vorpommern, um eine Übernahme des K. K. durch diese Behörde zu erwirken. Am 13. April 1998 traf K. K. in der Aufnahmeeinrichtung für Asylsuchende in Mecklenburg-Vorpommern ein. Dort kamen die Sachbearbeiter und eine Ärztin des Medizinischen Dienstes am 14. April 1998 zu dem Ergebnis, dass K. K. mit hoher Wahrscheinlichkeit älter als 16 Jahre sei. Bei einer späteren Anhörung vor dem Amtsgericht Hamburg am 15. Juni 1999 gab K. K. an, er sei "tatsächlich" am 5. Januar 1980 in Algerien geboren. Er habe sich zwar vor der Polizei als Minderjähriger ausgegeben. Das sei aber schon länger her.

Der auf Erstattung der entstandenen Jugendhilfeaufwendungen gerichteten Klage hat das Verwaltungsgericht unter Klageabweisung im Übrigen teilweise stattgegeben und den Beklagten verurteilt, der Klägerin die Aufwendungen für die K. K. gewährte Hilfe für die Zeit vom 12. bis 16. Dezember 1997, vom 18. Dezember 1997 bis 11. Januar 1998 sowie vom 28. Januar 1998 bis 23. März 1998 zu erstatten.

Das Berufungsgericht hat der Berufung des Beklagten hinsichtlich der Kosten, die in der Zeit vom 3. Februar bis 23. März 1998 entstanden sind, stattgegeben und sie im Übrigen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Hilfegewährung durch Inobhutnahme habe für die Zeiträume 12. bis 16. Dezember und vom 18. Dezember 1997 bis 11. Januar 1998 den Vorschriften des Achten Buches Sozialgesetzbuch entsprochen. Eine Inobhutnahme entspreche bereits dann - i.S.v. § 89f Abs. 1 SGB VIII - der Vorschrift des § 42 SGB VIII, wenn das Jugendamt eine "dringende Gefahr" i.S.v. § 42 Abs. 3 SGB VIII annehmen durfte, auch wenn eine solche bei nachträglicher objektiver Betrachtung nicht vorgelegen habe. Ein solcher Fall sei hier gegeben. Zwar spreche eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der algerische Staatsangehörige K. K. nicht erst am 5. Januar 1983 geboren sei, wie er bis zum April 1998 durchgängig behauptet habe, sondern bereits am 5. Januar 1980, wie er bei seiner Anhörung vor dem Amtsgericht Hamburg am 15. Juni 1999 eingeräumt habe. Doch habe das Jugendamt der Klägerin bei der Inobhutnahme des K. K. am 12. Dezember 1997 und in der Folgezeit bis zum 11. Januar 1998 davon ausgehen dürfen, dass K. K. das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet habe und deshalb ein Verbleib in der Aufnahmestelle für Asylbewerber in L. nicht in Betracht gekommen sei. Für diese ursprüngliche Annahme des Jugendamts hätten zunächst die Angaben des K. K. zu seinem Geburtsdatum gegenüber den Mitarbeitern der Aufnahmestelle für Asylsuchende und die Einschätzung der zuständigen Mitarbeiter der Aufnahmestelle für Asylsuchende gesprochen, weiterhin die eigene Einschätzung der Mitarbeiter des Jugendamts und die Bekundung des Richters des Amtsgerichts bei der Anhörung am 12. Januar 1998.

Hinsichtlich der anschließenden Jugendhilfe in der Form der Heimerziehung i.S.v. § 34 SGB VIII, die im Berufungsverfahren für den Zeitraum vom 28. Januar bis 23. März 1998 im Streit stehe, sei der Tatbestand des § 89f Abs. 1 SGB VIII nur für die Zeit bis 2. Februar 1998 erfüllt. Das Jugendamt der Klägerin sei nach Eingang der Mitteilung ihrer Ordnungsbehörde, dass K. K. sich bereits in Hamburg als Asylsuchender gemeldet habe, dort als mindestens 16 Jahre alt angesehen und der Aufnahmeeinrichtung in Mecklenburg-Vorpommern zugewiesen worden sei, verpflichtet gewesen, die Unterbringung des K. K. im Rahmen der Heimerziehung unverzüglich zu beenden, wenn es die nunmehr bekannt gewordene Einschätzung des Alters des Hilfeempfängers für zutreffend gehalten habe und kein erzieherischer Bedarf erkennbar gewesen sei.

Mit der Revision erstrebt der Beklagte eine Abweisung der Klage im vollen Umfang. Er rügt eine Verletzung des § 89f SGB VIII.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II

Die Revision des Beklagten, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat keinen Erfolg. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Hilfegewährung in dem strittigen Zeiträumen im Sinne des § 89f SGB VIII den Vorschriften des Achten Buches Sozialgesetzbuch entsprochen hat, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) nicht.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass sich der von der Klägerin gegen den Beklagten aufgrund der Bestimmung des Bundesverwaltungsamts gerichtete Erstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII in der Fassung beurteilt, die diese Regelung durch das Erste Gesetz zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch vom 16. Februar 1993 (BGBl I S. 239) erhalten hat. Die Änderung durch Art. 2 Nr. 9 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) und anderer Gesetze (BGBl I 1998 S. 1188) ist nach § 89h SGB VIII auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Der Hilfeempfänger K. K. war jedenfalls am 27. November 1997 bei der Polizeibehörde erschienen (ohne dass für eine wesentlich frühere Einreise Anhaltspunkte bestanden), und das Landesjugendamt Hessen war von dem Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 19. Januar 1998 und damit vor dem 1. Juli 1998 als erstattungspflichtiger überörtlicher Träger bestimmt worden.

2. Die Klägerin hat auch für die von dem Berufungsgericht bestimmten Zeiträume nach § 89d i.V.m. § 89f SGB VIII einen Anspruch auf Kostenerstattung gegen den Beklagten, weil ihre Aufgabenerfüllung den Vorschriften des Gesetzes entsprach.

Nach § 89f Abs. 1 SGB VIII sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, "soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden." Für die gerichtliche Kontrolle der Gesetzeskonformität aufgewendeter Jugendhilfekosten im Rahmen der Prüfung des Umfangs der Kostenerstattung gemäß § 89f SGB VIII braucht hier nicht die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage entschieden zu werden, ob für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Jugendhilfemaßnahme im Leistungsverhältnis zu dem Personensorgeberechtigen bzw. dem Kind oder Jugendlichen allein darauf abzustellen ist, wie alt eine Person im Zeitpunkt der Hilfegewährung objektiv gewesen ist. Jedenfalls in dem Erstattungsrechtsverhältnis zwischen zwei Trägern der Jugendhilfe entspricht zumindest in Fällen, in denen es für die Hilfegewährung auf das Alter einer Person ankommt, die Aufgabenerfüllung i.S.d. § 89f Abs. 1 SGB VIII den Vorschriften des Gesetzes, wenn der Hilfe leistende Jugendhilfeträger im Zeitpunkt der Hilfegewährung davon ausgehen konnte, dass die an das Alter einer Person anknüpfenden Voraussetzungen der Aufgabenerfüllung (noch) vorlagen, und davon auszugehen ist, dass auch der auf Erstattung in Anspruch genommene Jugendhilfeträger bei der gegebenen Erkenntnislage die Leistung zu gewähren gehabt hätte.

Das Gebot der Gesetzeskonformität der aufgewendeten Kosten verlangt bereits nach seinem Wortlaut nicht, dass die Leistungsgewährung in jeder Hinsicht objektiv rechtmäßig gewesen ist, und ist beschränkt auf die Vorschriften des Achten Buches Sozialgesetzbuch. Gesetzeskonformität i.S.d. § 89f Abs. 1 SGB VIII und objektive Rechtmäßigkeit sind nicht durchweg identisch, auch wenn sich die Anwendungsergebnisse im Wesentlichen überschneiden werden. Nach seinem Sinn und Zweck formt das Gebot der Gesetzeskonformität das allgemeine, aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung für das Erstattungsrechtsverhältnis zwischen Jugendhilfeträgern aus. Es soll sicherstellen, dass der erstattungsberechtigte Jugendhilfeträger nicht in Erwartung einer Erstattungsleistung bei der Leistungsgewährung die durch das Gesetz gezogenen Grenzen überschreitet, und - dem korrespondierend - den erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger davor bewahren, die Aufwendungen für solche Leistungen zu erstatten, die bei ordnungsgemäßer Leistungsgewährung nach Art oder Umfang so nicht hätten erbracht werden müssen. Insoweit ist die Regelung zugleich Ausdruck des kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatzes (s. BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2004 - BVerwG 5 C 63.03 - Buchholz 436.511 § 89d KJHG/SGB VIII Nr. 2). Der Kostenerstattung begehrende Träger hat bei der Leistungsgewährung die rechtlich gebotene Sorgfalt anzuwenden, zu deren Einhaltung er in eigenen Angelegenheiten gehalten ist; der auf Erstattung in Anspruch genommene Jugendhilfeträger kann eine darüber hinausgehende Prüfung der Leistungsvoraussetzungen nicht verlangen und daher eine Erstattung nicht verweigern, wenn auch er selbst die angefallenen Kosten nicht hätte vermeiden können, weil er nach dem im Zeitpunkt der Entscheidung über die Hilfegewährung gegebenen Erkenntnisstand nicht anders gehandelt hätte. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten führt dies nicht dazu, dass "die in § 89f SGB VIII verlangte Rechtmäßigkeit der Aufgabenerfüllung nur noch bei offensichtlichen Verstößen gegen jugendhilferechtliche Vorschriften in Frage gestellt wäre" und bewirkt auch sonst nicht, dass bei der Prüfung der Gesetzeskonformität der gewährten Leistung dem die Hilfe gewährenden Kostenerstattung begehrenden Jugendhilfeträger hinsichtlich der tatbestandlichen Leistungsvoraussetzungen ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum eingeräumt würde (dies ablehnend etwa OVG Münster, Urteil vom 12. September 2002 - 12 A 4352/01 - FEVS 54, 283). Denn auch in Bezug auf die Frage, ob auch der auf Erstattung in Anspruch genommene Jugendhilfeträger auf der Grundlage der im Handlungszeitpunkt vorliegenden Informationen die Leistung gewährt hätte, wird dem handelnden Jugendhilfeträger gerade kein Beurteilungsspielraum oder eine Einschätzungsprärogative eingeräumt.

Dass dem Gebot der Gesetzeskonformität entsprochen ist, wenn der Kostenerstattung begehrende Jugendhilfeträger vernünftigerweise nicht anders als tatsächlich geschehen handeln konnte und dies auch für den auf Erstattung in Anspruch genommenen Jugendhilfeträger gilt, entspricht zudem einer sachgerechten Lastenverteilung bei einem Handeln unter Bedingungen von Ungewissheit. Hängen Tatsache, Art oder Umfang der Leistungsgewährung von dem Alter des Hilfebedürftigen ab und lässt sich dieses nicht ohne Weiteres zweifelsfrei, etwa anhand von unstrittig echten Identitätspapieren, feststellen, besteht aber - wie in Fällen unbegleitet eingereister Kinder und Jugendlicher - bei unterstellter Minderjährigkeit sofortiger Handlungsbedarf, so kann dem für die Leistungsgewährung zuständigen Jugendhilfeträger für die Gesetzeskonformität im Erstattungsrechtsverhältnis nur abverlangt werden, dass er die Entscheidung über die Leistungsgewährung auf der Grundlage der ihm im Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehenden, erreichbaren Informationen mit der ihm objektiv abzuverlangenden, von ihm auch in eigenen Angelegenheiten aufgewendeten Sorgfalt trifft. Weitergehende Anforderungen wären überspannt und durch die berechtigten Schutzinteressen des erstattungspflichtigen Jugendhilfeträgers nicht angezeigt; es liefe zudem einem effektiven Minderjährigenschutz zuwider, weil dann zu besorgen wäre, dass eine nach eigenen Angaben und dem Augenschein minderjährige Person erst dann auch als solche behandelt wird und die danach erforderliche Leistung erhält, wenn nicht nur keine (konkreten) Zweifel an der Minderjährigkeit bestehen, sondern positiv auszuschließen ist, dass die Person tatsächlich nicht minderjährig ist.

Nach diesen Grundsätzen, von denen der Sache nach auch das Berufungsgericht ausgegangen ist, tragen dessen nicht mit beachtlichen Revisionsrügen angegriffene und daher bindende (§ 137 Abs. 2 VwGO) tatsächliche Feststellungen die Bewertung, dass die Klägerin bis zu der Unterrichtung Ende Januar 1998 aufgrund der Angaben des K. K. zu seinem Geburtsdatum, der Einschätzung der zuständigen Mitarbeiter der Aufnahmestelle für Asylsuchende und der Einschätzung der Mitarbeiter ihres Jugendamts davon ausgehen konnte und musste, dass K. K. noch minderjährig und noch nicht 16 Jahre alt war, und dass auch der Beklagte auf dieser Erkenntnisgrundlage nicht anders entschieden hätte; dies gilt insbesondere auch mit Blick auf die Bestätigung der eigenen Alterseinschätzung durch das Amtsgericht. Da die Klägerin keine Revision eingelegt hat, bedarf keiner Prüfung, ob schon die Mitteilung, dass K. K. sich bereits in Hamburg als Asylsuchender gemeldet hatte, dort als mindestens 16 Jahre alt angesehen und der Aufnahmeeinrichtung in Mecklenburg-Vorpommern zugewiesen worden sei, der für das Erstattungsrechtsverhältnis maßgeblichen Gesetzeskonformität einer (vorläufigen) Weitergewährung der Leistungen bis zur hinreichenden Klärung der hierdurch begründeten Zweifel an der Richtigkeit der Alterseinschätzung entgegengestanden hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 7 411,44 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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