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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 29.03.2001
Aktenzeichen: BVerwG 5 C 26.00
Rechtsgebiete: BVFG F. 2000


Vorschriften:

BVFG F. 2000 § 5 Nr. 2 Buchstabe b
1. Die Statusausschlussvorschrift des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG i.d.F. des Art. 6 Nr. 1 HSanG erfasst auch deutsche Volkszugehörige, die ihren Antrag auf Erteilung eines Aufnahmebescheides vor dem In-Kraft-Treten des Haushaltssanierungsgesetzes gestellt haben (wie BVerwGE 99 , 133 [135 ff.]).

2. § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG geht davon aus, dass derjenige, der in den Aussiedlungsgebieten eine Funktion ausgeübt hat, die für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich als bedeutsam galt, den Schutz dieses Systems genoss, für ihn also die für Volksdeutsche sonst bestehende Gefahrenlage nicht fortbestand.

3. Hauptamtlich tätig gewesene Parteifunktionäre der KPdSU sind als das kommunistische Herrschaftssystem tragend nach § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG vom Erwerb des Spätaussiedlerstatus ausgeschlossen (hier: Ausschluss eines hauptberuflichen Parteisekretärs der Parteigrundorganisation einer Sowchose).


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 5 C 26.00 OVG 2 A 1467/98

Verkündet am 29. März 2001

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner, Schmidt, Dr. Franke und Dr. Jannasch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Juni 2000 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Die Kläger begehren ihre Aufnahme als Spätaussiedler.

Der Kläger zu 1 wurde am 7. August 1952 im Gebiet ... in der früheren Sowjetunion als Sohn deutscher Volkszugehöriger geboren. Aus seiner Ehe mit der Klägerin zu 2, einer ukrainischen Volkszugehörigen, entstammen die am 3. Februar 1978, 25. Mai 1980 und 30. Juni 1988 geborenen Söhne, die Kläger zu 3 bis 5. Den unter dem 9. Dezember 1991 gestellten Antrag auf Aufnahme in das Bundesgebiet lehnte das Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 26. Oktober ab, weil der Kläger zu 1 im Aussiedlungsgebiet eine herausgehobene Stellung (seit 1976 Chefingenieur mit 178 Untergebenen, 1982 bis 1985 Sekretär der Parteiorganisation der Sowchose) innegehabt habe, die nicht ohne besondere Bindungen an das politische System im Herkunftsgebiet habe erreicht werden können, und deshalb ein fortdauerndes Kriegsfolgenschicksal bei ihm nicht mehr unterstellt werden könne.

Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 1992, zugestellt an Frau ...) am 25. September 1993 erhobene Klage auf Erteilung eines Aufnahmebescheides an den Kläger zu 1 und Einbeziehung der Kläger zu 2 bis 5 als Ehegatten bzw. Abkömmlinge in diesen hat das Verwaltungsgericht als unzulässig, im Übrigen aber auch als unbegründet abgewiesen: Die vom Kläger zu 1 erreichte berufliche Stellung erfülle den Ausschlusstatbestand des § 5 Nr. 1 Buchstabe d BVFG F. 1993. Die Berufung hat das Oberverwaltungsgericht als unbegründet zurückgewiesen, und zwar im Wesentlichen aus folgenden Gründen:

Die Klage sei als Untätigkeitsklage zulässig. Durch die Zustellung des Widerspruchsbescheides an Frau ... sei die Klagefrist nicht in Lauf gesetzt worden. Denn Frau ... habe keine Vertretungs- oder auch nur Zustellungsvollmacht der Kläger besessen, aufgrund deren der Widerspruchsbescheid an sie hätte zugestellt werden müssen oder auch nur dürfen. Die Kläger hätten auch gegen den Ablehnungsbescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 26. Oktober 1992 rechtzeitig Widerspruch erhoben. Da die dem Bescheid beigefügte Rechtsmittelbelehrung den unrichtigen Zusatz enthalten habe, dass der Widerspruch auch bei einer Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland eingelegt werden könne, habe die Widerspruchsfrist gemäß § 70 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO ein Jahr nach wirksamer Bekanntgabe betragen.

Die Klage sei aber unbegründet. Der Kläger zu 1 habe keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG, in den die Kläger zu 2 bis 5 einbezogen werden könnten. Dem stehe § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG entgegen. Diese Vorschrift sei mangels Überleitungsvorschriften des Haushaltssanierungsgesetzes das nach den materiellrechtlichen Vorschriften des Bundesvertriebenengesetzes zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebende Recht zur Beurteilung des vom Kläger zu 1 geltend gemachten Aufnahmeanspruches. Der Kläger zu 1 könne sich insoweit auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die vom Kläger zu 1 von Dezember 1982 bis August 1985 innegehabte Stellung als hauptberuflicher Sekretär der Parteiorganisation der Sowchose "..." sei eine Funktion i.S. des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG, die den Erwerb der Rechtsstellung als Spätaussiedler ausschließe. Grund für den Ausschluss sei, dass Aufnahmebewerber sich dadurch in einer Weise in dieses System eingefügt und ihm gedient hätten, dass davon auszugehen sei, dass sie jedenfalls gegen die deutsche Minderheit gerichteten Maßnahmen im Aussiedlungsgebiet nicht (mehr) ausgesetzt gewesen seien und deshalb eine Aufnahme als Spätaussiedler nicht geboten sei. Nach der die politischen Verhältnisse im fraglichen Zeitraum regelnden sowjetischen Verfassung habe das kommunistische Herrschaftssystem in der früheren Sowjetunion in der Herrschaft der KPdSU als "führende und lenkende Kraft der sowjetischen Gesellschaft" und "Kern ihres politischen Lebens" bestanden. Demgemäß sei eine Funktion dann als für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich als bedeutsam anzusehen, wenn eine hauptamtliche Tätigkeit als Parteifunktionär ausgeübt worden sei. Denn der Parteiapparat der KPdSU mit den Büros und Sekretariaten als seine entscheidenden Organe hätte zum Kern des kommunistischen Herrschaftssystems der UdSSR gehört. Die hauptamtlichen Parteifuntionäre hätten auf allen Ebenen, und zwar auch auf der untersten, die Aufgabe gehabt, das Machtmonopol der Partei durch politische Propaganda oder die Einflussnahme in alle Bereiche des Staates, z.B. die Wirtschaft, zu sichern.

Der Umstand, dass der Kläger zu 1 die Funktion des Sekretärs der Parteiorganisation seinen Angaben zufolge nicht aus eigenem Entschluss übernommen habe, sondern von der Partei dorthin geschickt worden sei, sei unerheblich. Zum einen sei dies ein typischer Ablauf. Zum anderen stehe zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der Einlassung des Klägers zu 1 in der mündlichen Verhandlung fest, dass der Kläger die Funktion vor allem deshalb nicht habe übernehmen wollen, weil er damit die bisherige Sow-chose, aus der er gestammt habe, habe verlassen müssen. Dass der Kläger sich grundsätzlich gegen die Übernahme jedweden Parteiamtes gewehrt habe und nur gegen seinen ausdrücklichen Willen zur Übernahme eines solchen gezwungen worden sei, sei nicht glaubhaft.

Den Hilfsbeweisanträgen habe der Senat nicht nachzugehen brauchen. Nachdem der Kläger zu 1 in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat persönlich zu den Hintergründen der Übernahme der Tätigkeit eines Parteisekretärs angehört worden sei, habe es der zusätzlichen zeugenschaftlichen Vernehmung der Ehefrau nicht bedurft, da weder vorgetragen noch ersichtlich sei, dass und welche ergänzenden oder weiterführenden Angaben die Ehefrau konkret zu diesem Komplex hätte machen können. Zu der im zweiten Hilfsbeweisantrag aufgeworfenen Frage lägen, soweit es tatsächliche Fragen betreffe, bereits zur Beurteilung des Falles hinreichende gutachterliche Äußerungen vor. Die Kläger hätten nichts dazu vorgetragen, inwieweit diese etwa fehlerhaft sein könnten oder welche Fragen zusätzlich konkret zu klären wären. Es sei auch nicht dargelegt, inwieweit andere zusätzliche Stellungnahmen erforderlich sein könnten.

Gegen dieses Urteil haben die Kläger Revision eingelegt, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgen. Sie rügen Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Funktion des Klägers zu 1 könne in keiner Hinsicht als bedeutsam i.S. des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG angesehen werden. Der Gesetzgeber habe nur die Position ausschließen wollen, die zum Erhalt der Sowjetunion einen Beitrag habe leisten können. Dabei handele es sich um Positionen in den oberen Führungsgremien. Im Übrigen sei die Vorschrift wegen Verstoßes gegen das Vertrauensschutzprinzip verfassungswidrig, so dass das alte Recht anzuwenden sei. Soweit § 5 BVFG die Ansprüche der weiteren Kläger betreffe, sei er verfassungswidrig, weil er eine mit den Art. 6 und 3 GG unvereinbare "Sippenhaftung" normiere.

Der Beklagte, das beigeladene Land Nordrhein-Westfalen und der Oberbundesanwalt verteidigen das angefochtene Urteil. Der Oberbundesanwalt trägt vor: Die von den Klägern vermisste Übergangsregelung sei von Verfassungs wegen nicht geboten. Denn der von den Klägern geltend gemachte Anspruch beziehe sich auf einen hypothetischen, in der Zukunft liegenden Statuserwerb, der bis zu seiner Entstehung dem nicht durch Vertrauensschutzgesichtspunkte beschränkten Zugriff des Gesetzgebers unterliege. Ein Verstoß des § 5 Nr. 2 Buchstabe c BVFG gegen Art. 6 GG sei nicht ersichtlich. Diese Regelung sei durch einleuchtende Sachgründe gerechtfertigt, nämlich durch die vom Gesetzgeber typisierend unterstellte besondere Begünstigung auf Grund einer herausgehobenen Funktion im früheren kommunistischen Herrschaftssystem, die nicht nur dem Funktionsinhaber allein, sondern bei lebensnaher Betrachtung in aller Regel auch seinen nächsten Familienangehörigen zugute gekommen sein dürfte.

II.

Die Revision der Kläger ist unbegründet, so dass sie zurückzuweisen ist (§ 144 Abs. 2 VwGO). Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen sind nicht in einer den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden Weise begründet worden. In der Sache hat das Berufungsgericht ohne Verstoß gegen Bundesrecht entschieden, dass dem Kläger zu 1 kein Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides nach den §§ 26, 27 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1993 (BGBl I S. 829), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Sanierung des Bundeshaushalts (Haushaltssanierungsgesetz - HSanG -) vom 22. Dezember 1999 (BGBl I S. 2534), zusteht, in den die Kläger zu 2 bis 5 als Ehefrau bzw. Abkömmlinge nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG einbezogen werden könnten.

Zutreffend hat das Berufungsgericht die Zulässigkeit der Klage bejaht. Die Widerspruchsfrist betrug aufgrund der unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung ein Jahr (§ 70 Abs. 2, § 58 Abs. 2 VwGO). Zu Recht hat das Berufungsgericht dem Aufnahmebegehren der Klägerin zu 1 die am 1. Januar 2000 in Kraft getretene Regelung des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG i.d.F. des Art. 6 Nr. 1 Buchstabe b HSanG entgegengehalten. Diese Vorschrift gilt in Ermangelung einer gesetzlichen Überleitungsvorschrift auch für noch nicht abgeschlossene Aufnahmeverfahren (vgl. BVerwGE 99, 133 [135 ff.]). Nach § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG erwirbt den Status als Spätaussiedler nach § 4 Abs. 1 oder 2 BVFG nicht, wer in den Aussiedlungsgebieten eine Funktion ausgeübt hat, die für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich als bedeutsam galt oder aufgrund der Umstände des Einzelfalles war. Die Vorschrift knüpft an das fehlende Kriegsfolgenschicksal des Antragstellers an (BTDrucks 14/1523, S. 172; 14/1636, S. 175). § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG macht dies jedoch - ebenso wie seine Vorgängervorschrift § 5 Nr. 1 Buchstabe d BVFG a.F. - nicht an dem Erreichen einer bestimmten beruflichen Stellung und der hiermit verbundenen wirtschaftlichen Privilegierung in der Gesellschaft des Herkunftslandes fest. Das Gesetz billigt damit dem deutschen Volkszugehörigen nach wie vor zu, nach seinen Kräften und Fähigkeiten auch eine herausgehobene berufliche Stellung zu erreichen, und zwar auch innerhalb der Staatsverwaltung, der Armee und der staatlich gelenkten Wirtschaftsverwaltung in der früheren Sowjetunion (vgl. BVerwGE 108, 340 [343 f.] zur Vorgängervorschrift). § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG geht vielmehr davon aus, dass das für deutsche Volkszugehörige sonst (möglicherweise) bestehende Kriegsfolgenschicksal nicht mehr fortbestand, wenn der deutsche Volkszugehörige im Aussiedlungsgebiet eine Funktion ausgeübt hat, die für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich als bedeutsam galt, weil er damit den Schutz dieses Systems genoss.

Nicht verkannt wird, dass auch diese Gruppe deutscher Volkszugehöriger nach dem Ende ihrer Funktionsausübung und insbesondere nach dem Untergang des kommunistischen Herrschaftssystems gegebenenfalls mit Nachteilen wegen ihrer deutschen Volkszugehörigkeit rechnen muss. Das für die Rechtsstellung als Spätaussiedler nach § 4 BVFG maßgebliche Kriegsfolgenschicksal knüpft aber nicht nur an die Benachteiligung als deutscher Volkszugehöriger oder deren Nachwirkungen an, sondern setzt weiter einen örtlichen und zeitlichen Bezug, den ständigen Aufenthalt bzw. Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet seit den in § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BVFG genannten Stichtagen, voraus. Damit stellt § 4 BVFG für die Rechtsstellung als Spätaussiedler mit den sich daraus ergebenden Rechten wesentlich auf eine in den Aussiedlungsgebieten entstandene und fortdauernde Gefahrenlage ab. Fehlt sie, z.B. bei späterer Einreise in das Aussiedlungsgebiet, z.B. zur Heirat, oder ist sie unterbrochen, z.B. bei Aus- und späterer Wiedereinreise, so sind spätere Benachteiligungen aufgrund deutscher Volkszugehörigkeit kein die Rechtsstellung als Spätaussiedler nach § 4 BVFG begründendes Kriegsfolgenschicksal. Entsprechend betrifft auch der Ausschlusstatbestand des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG einen Fall, in dem die ursprünglich für den deutschen Volkszugehörigen bestehende Gefahrenlage entfallen ist. Das Gesetz geht davon aus, dass derjenige, der in den Aussiedlungsgebieten eine Funktion ausgeübt hat, die für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich als bedeutsam galt, den Schutz dieses Systems genoss, für ihn also die für Volksdeutsche sonst bestehende Gefahrenlage nicht fortbestand. Wenn dieser Volksdeutsche dann später doch Benachteiligungen unterliegen sollte, z.B. nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion als Volksdeutscher in einer dann selbständigen Republik der ehemaligen Sowjetunion, so ist doch die ursprüngliche für die Rechtsstellung als Spätaussiedler maßgebliche Gefahrenlage unterbrochen gewesen und vermag eine neu entstehende Gefahrenlage nicht mehr die Rechtsstellung als Spätaussiedler zu begründen.

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich die Frage, welche Funktionen i.S. des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG gewöhnlich als bedeutsam galten, nach den zur Zeit des kommunistischen Herrschaftssystems herrschenden politischen und rechtlichen Auffassungen im Aussiedlungsgebiet beantwortet. Diese waren - wie der Senat bereits zur Vorgängervorschrift hervorgehoben hat (BVerwGE 108, 340 [345 f.]) - in der früheren Sowjetunion geprägt durch die führende Rolle, die der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) in Staat und Gesellschaft zukam. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der sowjetischen Verfassung vom 7. Oktober 1977 bezeichnete die KPdSU als die "führende und lenkende Kraft der sowjetischen Gesellschaft" und den "Kern ihres politischen Systems, der staatlichen und gesellschaftlichen Organisationen". Dem entsprach auch die Verfassungswirklichkeit und die politische Doktrin in der Sowjetunion (vgl. Meissner, in: Handbuch der Sowjetverfassung, redigiert von Martin Fincke, 2. Aufl. 1983, Art. 6 Rn. 8 ff.). Folgerichtig war die KPdSU auch auf allen territorialen Ebenen der Unionsrepubliken (vgl. Art. 79, 145 Sowjetverfassung 1977) bis hinunter zu den Rayons und den ländlichen Ortschaften, Siedlungen, Stadtbezirken und Kleinstädten mit Parteikomitees, Büros und Sekretariaten vertreten, um ihren Führungsanspruch bis auf die unterste staatliche Ebene hinab zur Geltung zu bringen. Zur Durchsetzung ihrer führenden Rolle hatte sich die Partei einen mit hauptamtlich tätigen Funktionären besetzten Apparat geschaffen, der zusammen mit den Parteiorganen das Herzstück des kommunistischen Herrschaftssystems bildete (vgl. Voslensky, Nomenklatura, 3. Aufl. 1987, S. 171 f.). Zu Recht ist deshalb das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass hauptamtlich tätige Parteifunktionäre der KPdSU eine Funktion ausgeübt haben, die in der ehemaligen Sowjetunion für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich als bedeutsam galt i.S. des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG.

Eine solche Funktion hat der Kläger zu 1 nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts fast drei Jahre lang innegehabt. Er war von Dezember 1982 bis August 1985 als hauptberuflicher Sekretär der Parteiorganisation der Sowchose "..." tätig und in dieser Funktion Leiter einer Parteigrundorganisation, dem eine Schlüsselstellung auf der untersten Ebene der KPdSU-Hierarchie zukam. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch eine hauptamtliche Wahrnehmung der Funktionen eines Parteisekretärs auf der untersten Ebene der Parteiorganisation als bedeutsam im Sinne des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG angesehen, da eine dauerhafte Sicherung des Machtanspruchs der KPdSU und die Durchsetzung ihres Einflusses nur durch eine Kontrolle auch der untersten Ebenen von Staat und Gesellschaft möglich war. Dass der Kläger zu 1 im September 1985 seine Tätigkeit als Parteisekretär aufgab und seiner Ausbildung entsprechend wieder auf fachlichem Posten in der Landwirtschaft tätig war, berührt das Eingreifen des Ausschlusstatbestandes des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG nicht. Denn § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG verlangt nur, dass der Ausgeschlossene in den Aussiedlungsgebieten eine entsprechende Funktion "ausgeübt hat", schreibt aber - anders als § 5 Nr. 2 Buchstabe c BVFG - weder eine Mindestdauer vor noch, dass diese Funktionsausübung bis zum Zusammenbruch des kommunistischen Herrschaftssystems angedauert haben muss. Zeitliche Mindestanforderungen an die Dauer der Funktionsausübung ließen sich deshalb allenfalls aus dem Zweck des Ausschlusstatbestandes gewinnen, wenn die Funktionsausübung von so kurzer Dauer war, dass sie die gesetzliche Annahme, das fortwirkende Kriegsfolgenschicksal sei unterbrochen, offensichtlich und eindeutig nicht zu rechtfertigen vermochte. Eine solche möglicherweise unter teleologischen Gesichtspunkten unbedeutende kurzfristige Funktionsausübung wird aber bei einer Dauer von fast drei Jahren bei weitem überschritten.

Auch Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet es, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können (BVerfGE 95, 143 [154 f.]; stRspr). Dabei ist der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers weiter bemessen, wenn Regelungen zur Beseitigung von Kriegsfolgelasten betroffen sind (vgl. BVerfGE 95, 143 [155]). Die Gewährung des Spätaussiedlerstatus ist mit weitreichenden finanziellen und sozialpolitischen Vorteilen verbunden. Wenn sich der Gesetzgeber dafür entschieden hat, diesen Status deutschen Volkszugehörigen vorzuenthalten, die zu den Stützen des kommunistischen Herrschaftssystems gehörten, so ist die hierin liegende Ungleichbehandlung gegenüber der Gruppe der nicht in das kommunistische Herrschaftssystem integrierten deutschen Volkszugehörigen sachlich gerechtfertigt. Denn bei der benachteiligten Gruppe der für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems bedeutsamen Funktionsträger durfte der Gesetzgeber bei typisierender Betrachtungsweise davon ausgehen, dass sie anders als die Mehrzahl der in den Aussiedlungsgebieten lebenden deutschen Volkszugehörigen nicht mehr von den Spätfolgen des Krieges und der damit verbundenen Nachteile betroffen waren, vielmehr das fortwirkende Kriegsfolgenschicksal unterbrochen war.

Nicht zu beanstanden ist schließlich die Entscheidung des Berufungsgerichts, der Anspruch der Kläger zu 2 bis 5 auf Einbeziehung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG scheitere daran, dass dem Kläger zu 1 kein Aufnahmebescheid erteilt werden kann. Die Ausführungen der Revision und des Oberbundesanwalts beim Bundesverwaltungsgericht zur Verfassungsmäßigkeit des § 5 Nr. 2 Buchstabe c BVFG gehen am Streitgegenstand des Verfahrens vorbei, denn die Kläger zu 2 bis 5 haben - auch in der Revisionsinstanz - nur die Einbeziehung in einen dem Kläger zu 1 zu erteilenden Aufnahmebescheid begehrt, nicht aber die Erteilung eines Aufnahmebescheids aus eigenem Recht. Nur dem letzteren Begehren aber stünde § 5 Nr. 2 Buchstabe c BVFG entgegen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2000 - BVerwG 5 B 216.99 - [Beschlussabdruck S. 3 f.]).

Die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen tragen die Kläger (§ 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO).

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 40 000 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1 GKG).



Ende der Entscheidung

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