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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 13.12.2001
Aktenzeichen: BVerwG 5 C 26.01
Rechtsgebiete: AÜG, BetrVerfG, EGV, GG, SchwbG F. 1986, SGB IV, SGB VII


Vorschriften:

AÜG § 1
AÜG § 3 Abs. 1
AÜG § 9
AÜG § 10 Abs. 1
AÜG § 11
AÜG § 13 (gültig bis zum 31.3.1997)
AÜG § 14
BetrVerfG § 7 Satz 2 F. 2001
EGV Art. 49
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
SchwbG F. 1986 § 5 Abs. 1
SchwbG F. 1986 § 7 Abs. 1
SchwbG F. 1986 § 9
SchwbG F. 1986 § 11
SGB IV § 28 e Abs. 1 Satz 1
SGB IV § 28 e Abs. 2
SGB VII § 150 Abs. 1 Satz 1
SGB VII § 150 Abs. 3
Die Verpflichtung zur Zahlung der Ausgleichsabgabe nach § 11 SchwbG F. 1986 trifft bei der Arbeitnehmerüberlassung den Verleiher als Vertragsarbeitgeber der Leiharbeitnehmer.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 5 C 26.01

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 13. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner, Schmidt, Dr. Rothkegel und Dr. Franke

ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 1. März 2001 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe:

I.

Die klagende GmbH - eine Zeitarbeitsfirma - wendet sich dagegen, dass die zuständige Hauptfürsorgestelle des Beklagten sie für das Jahr 1998 in Höhe von 23 000 DM zu einer Ausgleichsabgabe nach § 11 SchwbG wegen Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht nach § 5 SchwbG sowie zu Säumniszuschlägen in Höhe von 2 070 DM wegen verspäteter Zahlung der Ausgleichsabgabe 1998 herangezogen hat (Bescheide vom 4. Januar 2000).

Die Klägerin, die gewerbsmäßig Dritten Leiharbeitnehmer (Schlosser, Schweißer und deren Hilfskräfte) zur Arbeitsleistung in deren Betrieb überlässt, hält die Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes über die Ausgleichsabgabe für verfassungswidrig, weil sie in ihrem Betätigungsfeld wegen der dort anzutreffenden Arbeitsanforderungen Schwerbehinderte nicht beschäftigen könne.

Widerspruch und Klage gegen die Bescheide vom 4. Januar 2000 hatten keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Abweisung der Klage im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Festsetzung einer Ausgleichsabgabe verletze die Klägerin nicht in ihren (Grund-)Rechten. Das Bundesverfassungsgericht habe die Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes über die Pflichtplatzquote sowie über die Ausgestaltung und Verwendung der Ausgleichsabgabe als mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt (BVerfGE 57, 139 ff.). Die sich aus der Unterschreitung der Beschäftigungsquote ergebende Abgabepflicht sei verschuldensunabhängig und rechtfertige sich in den Fällen, in denen der Arbeitgeber Schwerbehinderte nicht beschäftigen könne, aus ihrer Ausgleichsfunktion: Die Ausgleichsabgabe solle die Vorteile abschöpfen, die der Arbeitgeber gegenüber den Unternehmern erlange, die Schwerbehinderte beschäftigten. Diese verfassungsgerichtliche Entscheidung sei nicht durch BVerfGE 92, 91 ff. überholt. Die dort für verfassungswidrig erklärten Vorschriften über die Feuerwehrabgabe hätten ihrem Zweck, eine "Gleichheit in der Last" wegen Nichterfüllung der Feuerwehrdienstpflicht herzustellen, nicht mehr erreichen können, weil sich die auszugleichende Naturallast in der Rechtswirklichkeit seit Jahrzehnten für niemanden mehr als reale Belastung aktualisiert habe. Bei der Ausgleichsabgabe für Schwerbehinderte sei gerade die gegenteilige Ausgangssituation gegeben. Zudem habe die Klägerin ihre Behauptung, nach der Struktur der Firma nicht in der Lage zu sein, Schwerbehinderte zu beschäftigen, nicht hinreichend dargetan. So sei es durchaus vorstellbar, dass die nicht aus körperlichen Gebrechen resultierende Schwerbehinderung eines Helfers für die bei der Klägerin beschäftigten Schlosser und Schweißer dessen Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtige. Des Weiteren habe die Klägerin nicht substantiiert dargetan, Schwerbehinderte nicht im Verwaltungsbereich beschäftigen zu können. Auch der Säumniszuschlag sei berechtigt, da die Ausgleichsabgabe gleichzeitig mit der Selbstveranlagungsanzeige nach § 13 Abs. 2 SchwbG, spätestens jedoch zum 31. März in voller Höhe abzuführen sei.

Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Sprungrevision verfolgt die Klägerin ihr Aufhebungsbegehren weiter. Sie trägt vor:

Bei der Qualifizierung der durch Leiharbeitnehmer besetzten Stellen sei auf den Begriff des "funktionalen Arbeitsplatzes" abzustellen. Die Leiharbeitnehmer erbrächten produktive Wirtschaftsleistung zugunsten der Entleihunternehmen und seien deshalb auf einer Stelle der jeweiligen Entleihfirma beschäftigt. Im Unternehmen der Klägerin stünden deshalb nicht mehr als 15 Arbeitsplätze zur Verfügung. Im Übrigen verletze die Regelung des § 11 SchwbG die Grundrechte der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 , Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG. Eine Regelung, die eine Einstellungsverpflichtung auch dann auferlege, wenn diese vom Verpflichteten nicht erfüllt werden könne, sei dem Betroffenen unzumutbar. Die Ausgleichsfunktion der Schwerbehindertenabgabe könne nur im Verhältnis von Arbeitgebern zum Tragen kommen, die potentiell mit der Beschäftigungspflicht in natura belastet sein könnten. Auch liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor, da andere Arbeitgeber die Ausgleichsabgabe durch die Beschäftigung Schwerbehinderter umgehen könnten. In dem vom Verwaltungsgericht herangezogenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts habe dieses nicht zu Fällen Stellung genommen, in denen betriebliche Gegebenheiten eine Beschäftigung von Schwerbehinderten unmöglich machten. Auch die Typisierungsbefugnis ermächtige den Gesetzgeber nicht, Arbeitgeber, die aus betrieblichen Gründen Schwerbehinderte nicht beschäftigen könnten, mit solchen gleichzubehandeln, die Schwerbehinderte beschäftigen könnten, es ohne betriebliche Not aber nicht tun. Die undifferenzierte Regelung verstoße deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Des Weiteren verstießen die betreffenden Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes, soweit sie Arbeitgeber in die Sonderabgabenlast einbezögen, die Schwerbehinderte gar nicht beschäftigen könnten, gegen die Grundsätze der Finanzverfassung und bewirkten somit einen verfassungswidrigen Eingriff in das Grundrecht der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 GG.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Er hält auch die mit der Revision vorgetragene Auffassung der Klägerin, die Beschäftigungspflicht treffe bei Leiharbeitnehmern den entleihenden Arbeitgeber, für unzutreffend. Der Schwerpunkt der Arbeitgeberstellung, vor allem das Arbeitgeberrisiko, liege beim Verleiher, so dass die Arbeitsplätze der Leiharbeitnehmer seinem Betrieb zuzurechnen seien.

Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht hält die Entscheidung des Verwaltungsgerichts für richtig, insbesondere für vereinbar mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaft.

II.

Die Revision der Klägerin, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet, sodass sie zurückzuweisen ist (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das angegriffene Urteil verletzt Bundesrecht nicht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass die Klägerin zur Entrichtung der Ausgleichsabgabe nebst Säumniszuschlag nach § 11 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des Schwerbehindertengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1986 (BGBl I S. 1421, ber. S. 1550) - SchwbG F. 1986 - (vgl. ab 1. Juli 2001 § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) verpflichtet ist, weil sie ihrer Pflicht nach § 5 Abs. 1 SchwbG F. 1986, Schwerbehinderte zu beschäftigen, nicht nachgekommen ist und die geschuldete Ausgleichsabgabe nicht bis zum 31. März 1999 entrichtet hat.

Nach § 5 Abs. 1 SchwbG F. 1986 haben private Arbeitgeber, die über mindestens 16 Arbeitsplätze im Sinne von § 7 Abs. 1 SchwbG F. 1986 verfügen, auf wenigstens 6 vom Hundert der Arbeitsplätze Schwerbehinderte zu beschäftigen. Die Klägerin überließ als gewerbsmäßiger Verleiher Dritten (Entleihern) im Jahre 1998 Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung. Arbeitgeber derartiger Leiharbeitnehmer ist nach dem Willen des Gesetzgebers, der den Verleiher als "Arbeitgeber" und den Entleiher als "Dritten" bezeichnet (s. § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung <Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - AÜG> i.d.F. der Bekanntmachung vom 3. Februar 1995 <BGBl I S. 158>), allein der Verleiher (vgl. BGHSt 31, 32 <35 f.>). Er schließt den Arbeitsvertrag mit dem Leiharbeitnehmer; das Arbeitsverhältnis kommt nur zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Verleiher zustande (vgl. §§ 9, 11 AÜG). Ihn treffen die üblichen Arbeitgeberpflichten (wie etwa die Pflicht zur Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer, zur Zahlung des Lohns, des Gesamtsozialversicherungsbeitrags <§ 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV> und des Beitrags zur gesetzlichen Unfallversicherung <§ 150 Abs. 1 Satz 1 SGB VII>) sowie das Arbeitgeberrisiko (s. § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 AÜG). Die Arbeitnehmerüberlassung i.S. des § 1 Abs. 1 AÜG ist also durch das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher gekennzeichnet (vgl. BAGE 87, 186 <189>; BAG, Urteil vom 25. Oktober 2000 - 7 AZR 487/99 - <NZA 2001, 259, 260>). Nur für den Fall der Unwirksamkeit des Leiharbeitsverhältnisses wegen fehlender Erlaubnis (§ 9 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 AÜG) fingiert § 10 Abs. 1 AÜG aus Gründen des Leiharbeitnehmerschutzes (vgl. die Amtl. Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks VI/2303 S. 13, sowie BGHSt 31, 32 <35> und BGH, Urteil vom 18. Juli 2000 - X ZR 62/98 - <NJW 2000, 3492, 3495>) ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer (zu ähnlichen Ergebnissen führte die Vermutung des § 1 Abs. 2 AÜG i.V.m. dem bis zum 31. März 1997 geltenden § 13 AÜG bei Verstoß gegen das staatliche Arbeitsvermittlungsmonopol; vgl. BAGE 77, 52 <57>; 87, 186 <193>; 91, 200 <204 f.>).

Allerdings führt die Arbeitnehmerüberlassung zu einer tatsächlichen Eingliederung des Leiharbeitnehmers in den Betrieb des Entleihers, der den Leiharbeitnehmer seinen Vorstellungen und Zielen gemäß innerhalb seiner Betriebsorganisation wie einen eigenen Arbeitnehmer zur Förderung seiner Betriebszwecke einsetzt und ihm gegenüber hinsichtlich der konkreten Arbeitsausführung weisungsbefugt ist (vgl. BAGE 61, 7 <21>; 77, 52 <58>; BAG, Urteile vom 6. August 1997 - 7 AZR 663/96 - <EzAÜG § 631 BGB Werkvertrag Nr. 39> und vom 28. Juni 2000 - 7 AZR 45/99 - <BB 2001, 98, 99>). Dadurch kommt es bei einem Leiharbeitsverhältnis zu einer gewissen Aufspaltung der Arbeitgeberfunktionen zwischen dem Verleiher als dem Vertragsarbeitgeber und dem Entleiher als "faktischem Arbeitgeber" (vgl. BAGE 61, 7 <13>; BAG, Beschluss vom 22. März 2000 - 7 ABR 34/98 - <NZA 2000, 1119, 1120>). Dieser Besonderheit und dem daraus folgenden erhöhten Schutzbedürfnis des Leiharbeitnehmers trägt der Gesetzgeber dadurch Rechnung, dass er den Entleiher als faktischen Arbeitgeber neben dem Vertragsarbeitgeber bezüglich der Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften in die Pflicht nimmt (§ 11 Abs. 6 AÜG) und ihn als selbstschuldnerischen Bürgen für die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Beitragspflichten haften lässt (vgl. § 28 e Abs. 2 SGB IV, § 150 Abs. 3 SGB VII). Die schutzwürdigen Belange des Entleihers andererseits berücksichtigt das Gesetz dadurch, dass es ihn als Arbeitgeber i.S. des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen bestimmt, wenn der Leiharbeitnehmer während der Dauer seiner Tätigkeit bei dem Entleiher eine Erfindung oder einen technischen Verbesserungsvorschlag macht (§ 11 Abs. 7 AÜG). Mit Rücksicht auf die tatsächliche Eingliederung des Leiharbeitnehmers im Betrieb des Entleihers schließlich billigt § 14 Abs. 2 Satz 2 und 3 AÜG Leiharbeitnehmern einzelne betriebsverfassungsrechtliche Rechte im Entleiherbetrieb zu (vgl. BAGE 61, 7 <13 f.>).

All dies lässt aber die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers unberührt, dass das entscheidende Gewicht auf den arbeitsvertraglichen Grundlagen zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer liegt und deshalb der Verleiher Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers ist. Deshalb bestimmt § 14 Abs. 1 AÜG, dass Leiharbeitnehmer auch während der Zeit ihrer Arbeitsleistung bei dem Entleiher Angehörige des entsendenden Betriebes des Verleihers bleiben, und versagte ihnen § 14 Abs. 2 Satz 1 AÜG das aktive wie das passive Wahlrecht zu den betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretungen im Entleiherbetrieb. Letzteres hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 28. Juli 2001 zwar insoweit korrigiert, als er Leiharbeitnehmern im Entleiherbetrieb nunmehr das aktive Wahlrecht einräumt, wenn sie dort länger als drei Monate eingesetzt werden (§ 7 Satz 2 BetrVerfG und § 14 Abs. 2 Satz 1 AÜG i.d.F. des Art. 1 Nr. 7 und Art. 2 BetrVerf-Reformgesetz vom 23. Juli 2001 <BGBl I S. 1852>). In der Begründung zu dieser Neuregelung ist aber ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass damit Leiharbeitnehmer lediglich "betriebsverfassungsrechtlich aus der Randbelegschaft an die Stammbelegschaft herangeführt werden" sollen, "ohne sie in rechtlich unzutreffender Weise als Arbeitnehmer des Entleiherbetriebes einzustufen" (Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks 14/5741 S. 28).

Aus den oben genannten Gründen hat der erkennende Senat bereits in seinem nicht veröffentlichten Beschluss vom 1. Februar 1985 - BVerwG 5 B 155.83 - (Beschlussabdruck S. 3 f.) in Übereinstimmung mit der Berufungsentscheidung (OVG Münster, Urteil vom 27. September 1983 - OVG 8 A 2352/82 - <Urteilsabdruck S. 9 ff.>) den Verleiher als Arbeitgeber i.S. der gleich lautenden Vorgängervorschrift des § 5 Abs. 1 SchwbG F. 1986 (§ 4 Abs. 1 SchwbG i.d.F. der Bekanntmachung vom 8. Oktober 1979 <BGBl I S. 1649>) angesehen. Auch daran, was in diesem Beschluss zum zweiten Tatbestandsmerkmal des § 4 Abs. 1 SchwbG F. 1979 gesagt worden ist, hält der erkennende Senat zu § 5 Abs. 1 SchwbG F. 1986 fest: Leiharbeitnehmer sind auf Arbeitsplätzen untergebracht, über die der Verleiher verfügt. Im Einzelnen hat der Senat ausgeführt:

"Nach der Begriffsbestimmung in § 6 Abs. 1 SchwbG (F. 1979 = § 7 Abs. 1 F. 1986; vgl. jetzt § 73 Abs. 1 SGB IX) sind Arbeitsplätze im Sinne dieses Gesetzes 'alle Stellen, auf denen Arbeiter, Angestellte, Beamte, Richter sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden'. Ausschlaggebend ist damit die Tatsache der Beschäftigung, nicht jedoch Art und Ort der Beschäftigung. Für die Frage, welchem Arbeitgeber der Arbeitsplatz zuzurechnen ist, ist allein das Arbeitsverhältnis von Bedeutung. Für die Arbeitnehmerüberlassung, die die Klägerin betreibt, ist nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen, dass die Leiharbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis allein zur Klägerin stehen, nicht aber zu den Entleihern, in deren Betrieb sie ihre Arbeit verrichten. Für den Bereich des Schwerbehindertengesetzes ist der Leiharbeitnehmer daher auf einem Arbeitsplatz des Verleihers (hier der Klägerin) untergebracht. Über diesen Arbeitsplatz verfügt auch allein die Klägerin. Nur sie entscheidet darüber, ob und in welchem Umfang der Leiharbeitnehmer im Betrieb des Entleihers tätig wird. Dass der Leiharbeitnehmer im Rahmen seiner Tätigkeit möglicherweise Aufgaben wahrnimmt, die einem im Betrieb des Entleihers bereits eingerichteten Arbeitsplatz zugeordnet sind, ist für die hier zu entscheidende Frage ohne Bedeutung. Dieser Umstand ändert nichts daran, dass der Leiharbeitnehmer aufgrund seines Arbeitsverhältnisses mit dem Verleiher nur in dessen Weisungsbereich tätig wird."

Das Bundessozialgericht und das Schrifttum haben sich dem angeschlossen (vgl. BSGE 74, 176 <181>; Cramer, SchwbG, 5. Auflage 1998, § 7 Rn. 10; Thieler, SchwbG 1987, § 7 Rn. 8; Neumann/Pahlen, SchwbG, 9. Aufl. 1999, § 7 Rn. 23; Weber, SchwbG <Stand 77. Erg.Lfg. Mai 2000>, § 11 Anm. 2; Gröninger/Thomas, SchwbG <Stand 25. Erg.Lfg. März 2001>, § 7 Rn. 4; Großmann, in: GK-SchwbG, 2. Aufl. 2000, § 7 Rn. 53 f.; Wiegand, SchwbG <Stand 19. Lfg. Januar 2001, § 7 Rn. 9; Dörner, SchwbG, <Stand 15.5.2001>, § 7 Rn. 11). Die von der Klägerin erhobenen Einwände, soweit sie nicht bereits eingangs widerlegt worden sind, rechtfertigen keine andere Beurteilung der Rechtsfrage.

Dass das Ziel des Schwerbehindertengesetzes, Schwerbehinderte dauerhaft in das Arbeits- und Berufsleben einzugliedern, nur erreicht werden könnte, wenn der Begriff des Arbeitsplatzes i.S. des § 7 Abs. 1 SchwbG F. 1986 räumlich-funktional als der Ort der tatsächlichen Verrichtung der Arbeitsleistung ausgelegt würde, trifft nicht zu. Würde der Einsatz von Leiharbeitnehmern nach § 9 SchwbG F. 1986 beim Entleiherbetrieb angerechnet und dort zu einer Ausgleichsabgabepflicht nach § 11 Abs. 1 SchwbG F. 1986 führen, würde beim Verleiherbetrieb jeglicher Anreiz zur Einstellung von schwerbehinderten Leiharbeitnehmern entfallen, obwohl dort die Entscheidung über die Einstellung eines Leiharbeitnehmers fällt und dort rechtlich der Dauerarbeitsplatz geschaffen wird. Ob der Ansicht von Großmann (in: GK-SchwbG, § 7 Rn. 55), der Aufspaltung der Arbeitgeberfunktionen auf mehrere Betriebe sei durch eine (Mehrfach-)Anrechnung schwer behinderter Leiharbeitnehmer bei beiden Betrieben Rechnung zu tragen, gefolgt werden kann, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Keinesfalls führt jedoch dieser Gesichtspunkt dazu, die Klägerin als Vertragsarbeitgeber des Leiharbeitnehmers von der Ausgleichsabgabepflicht des § 11 Abs. 1 SchwbG F. 1986 zu befreien.

Die Schwerbehindertenausgleichsabgabe verstößt auch nicht gegen das Recht der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EGV. Die Dienstleistungsfreiheit garantiert nicht die gleichen Bedingungen in allen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft. Sie schützt lediglich vor unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierungen des Leistungserbringers aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder des Umstands, dass er in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ansässig ist, in dem die Dienstleistung erbracht wird (EuGH, Urteil vom 17. Dezember 1981 - 279/80 - <Sammlung der Rechtsprechung 1981 S. 3305>). Nachdem der Anwendungsbereich des Schwerbehindertengesetzes nach § 1 SchwbG F. 1986 auf Inlandssachverhalte beschränkt ist, bleiben Beschäftigungsverhältnisse, die nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes begründet wurden, außer Betracht und damit Leiharbeitgeber, die ihren Sitz im europäischen Ausland haben, ihre Leiharbeitnehmer aber im Inland verleihen, ausgleichsabgabefrei. Die von der Klägerin bekämpfte Auslegung der §§ 5, 7 und 9 SchwbG F. 1986 führt also allenfalls zu einer sog. Inländerdiskriminierung, die europarechtlich irrelevant ist. Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich. Zum einen gilt die Beschäftigungspflicht für alle Arbeitgeber im Inland ohne Ansehung ihrer Nationalität. Zum anderen gewährleistet Art. 3 Abs. 1 GG keine Gleichbehandlung von deutschen und ausländischen Arbeitsverhältnissen. Insoweit fehlt es bereits an vergleichbaren Sachverhalten.

Schließlich kann auch dem Einwand der Klägerin nicht gefolgt werden, die Schwerbehindertenausgleichsabgabe verstoße gegen Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG. Die von der Klägerin vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken sind bereits vom Bundesverfassungsgericht als nicht durchschlagend zurückgewiesen worden. Es hat die Ausgleichsabgabe als Sonderabgabe auch in allen den Fällen, in denen mit ihrer Entrichtung kein Antriebseffekt für die Einstellung Schwerbehinderter verbunden sein kann, etwa wenn Arbeitgeber Schwerbehinderte nicht einstellen, weil sie ihnen nicht nachgewiesen werden können, allein wegen ihrer Ausgleichsfunktion für gerechtfertigt erklärt: "Insoweit wirkt die Abgabe in einer dem Gleichheitssatz entsprechenden Weise auf Ausgleich der den Arbeitgebern auferlegten Belastungen" (BVerfGE 57, 139 <167 f.>). Das gilt auch für die Fälle, in denen Arbeitgeber Schwerbehinderte nicht aus arbeitsmarktbedingten, sondern aus betrieblichen Gründen nicht einstellen können, weil die von ihnen gewählte Betriebsstruktur keine für Schwerbehinderte geeigneten Arbeitsplätze aufweist. Wären Arbeitgeber in solchen Fällen von der Abgabepflicht befreit, blieben sie von Belastungen verschont, die die Gruppe der Arbeitgeber ansonsten allgemein treffen. Deshalb ist auch hier die Ausgleichsabgabe aus Gründen der Lastengleichheit gerechtfertigt. Keine Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem von der Klägerin angesprochenen Gesichtspunkt zu, dass die Ausgleichsabgabe die Arbeitgeber als Ersatzleistung für eine ihnen primär obliegende Naturalleistungspflicht, nämlich Schwerbehinderte einzustellen, trifft. Denn aus diesem Surrogatscharakter der Ausgleichsabgabe folgt nicht, dass sie dort nicht gefordert werden darf, wo dem konkreten Arbeitgeber die Erfüllung der Primärpflicht unmöglich ist. Die Naturalleistungspflicht ist ihrerseits dadurch gerechtfertigt, dass allein Arbeitgeber über die Möglichkeit verfügen, Schwerbehinderte in Arbeit und Beruf einzugliedern (BVerfGE 57, 139 <170>). Diese objektive Möglichkeit besitzt typischerweise jeder Arbeitgeber. Wenn er sich ihrer durch eine bestimmte Strukturierung seines Betriebs im konkreten Einzelfall begibt, so beruht dies auf seiner freien unternehmerischen Entscheidung und macht ihm die Erfüllung der naturalen Primärpflicht allenfalls subjektiv unmöglich. Darüber darf das Gesetz aus Gründen der Gewährleistung der Belastungsgleichheit für alle Arbeitgeber hinwegsehen. Denn anderenfalls hätte es der einzelne Arbeitgeber in der Hand, sich durch die Wahl einer bestimmten Betriebsstruktur gegenüber anderen Arbeitgebern Vorteile zu verschaffen. Das aber würde der Ausgleichsfunktion der Abgabe widersprechen, die darauf zielt, die Belastungen zwischen denjenigen Arbeitgebern, die der Einstellungspflicht genügen, und denjenigen, die diese Verpflichtung " - aus welchen Gründen auch immer - " nicht erfüllen, auszugleichen (BVerfGE 57, 139 <167>).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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