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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 01.12.1998
Aktenzeichen: BVerwG 5 C 29.97
Rechtsgebiete: BSHG (F. 1993 und 1994)


Vorschriften:

BSHG (F. 1993 und 1994) § 93
Leitsatz:

§ 93 BSHG (F. 1993 und F. 1994), insbesondere der Grundsatz der Sparsamkeit, steht der Berücksichtigung eines kalkulatorischen Gewinns bei der Pflegesatzvereinbarung nicht entgegen, soweit das vom gewerblichen Einrichtungsträger verlangte Entgelt nicht höher ist als die anderen Einrichtungsträgern vom Sozialhilfeträger für vergleichbare Leistungen zugestandenen Vergütungen.

Urteil des 5. Senats vom 1. Dezember 1998 - BVerwG 5 C 29.97 -

I. VG Hannover vom 02.02.1995 - Az.: VG 3 A 6670/94 - II. OVG Lüneburg vom 23.10.1996 - Az.: OVG 4 L 3268/95 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 5 C 29.97 OVG 4 L 3268/95

Verkündet am 1. Dezember 1998

Müller Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. November 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pietzner, Schmidt, Dr. Rothkegel und Dr. Franke

für Recht erkannt:

Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 1996 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Revisionsverfahren darüber, ob der Beklagte im Rahmen einer Pflegesatzvereinbarung nach § 93 Abs. 2 BSHG für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Juli 1994 einen kalkulatorischen Gewinn der Klägerin (in Höhe von 6 % ihrer Gesamtkosten) als pflegesatzwirksam berücksichtigen muß.

Die Klägerin betreibt eine Einrichtung für psychisch, geistig und mehrfach Behinderte. Die Bewohner der Einrichtung erhalten überwiegend Eingliederungshilfe oder Hilfe zur Pflege (auch) in der Zuständigkeit des Beklagten als des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe. Die Klägerin bot dem Beklagten für den hier streitigen Zeitraum die Vereinbarung eines täglichen Pflegesatzes von 217,21 DM (Platzgeld 208,65 DM) an, der Beklagte war lediglich zur Vereinbarung eines Pflegesatzes von 151,50 DM bereit.

Das Verwaltungsgericht hat der am 29. August 1994 erhobenen Leistungsklage der Klägerin auf Abschluß einer Pflegesatzvereinbarung teilweise - in Höhe von 173,53 DM (Platzgeld 164,97 DM) - stattgegeben und hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten kalkulatorischen Gewinns ausgeführt, ein Wirtschaftsunternehmen, das sich auf einem Markt betätige, der klassischerweise und vom Gesetzgeber gewollt von Einrichtungen mit gemeinnützigen Zielen geprägt sei, habe kein Recht darauf, daß ihm ein kalkulatorischer Gewinn eingeräumt werde. Die hiergegen von der Klägerin eingelegte Berufung hat das Oberverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils zurückgewiesen.

Die Klägerin begehrt mit der vom Senat darauf beschränkt zugelassenen Revision, den Beklagten zu verurteilen, einen kalkulatorischen Gewinn als pflegesatzwirksam zu berücksichtigen.

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.

Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht vertritt gleichfalls den Standpunkt, daß die Berücksichtigung eines kalkulatorischen Gewinns im System der Pflegesätze nach § 93 Abs. 2 BSHG nicht in Betracht komme.

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Die den Gegenstand der Revision bildende Frage der Pflegesatzwirksamkeit eines sogenannten kalkulatorischen Gewinns ist vom Oberverwaltungsgericht nicht in voller Übereinstimmung mit Bundesrecht (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) beurteilt worden. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO); denn es sind noch tatsächliche Feststellungen erforderlich, die das Bundesverwaltungsgericht dem Berufungsgericht vorbehalten muß (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) und ohne die nicht ausgeschlossen werden kann, daß der Beklagte im Rahmen seines Ermessens noch darüber befinden muß, ob und gegebenenfalls inwieweit über die bereits rechtskräftig zuerkannte Pflegesatzhöhe hinaus auch die von der Klägerin geltend gemachte Position eines kalkulatorischen Gewinns berücksichtigt wird. Dies ist dann der Fall, wenn und soweit das von der Klägerin gewünschte Entgelt einschließlich des kalkulatorischen Gewinns nicht höher ist als Entgelte anderer Anbieter für gleiche Leistungen.

Die Berücksichtigungsfähigkeit eines kalkulatorischen Gewinns ist nach § 93 BSHG zu beurteilen. Diese Vorschrift ist während des hier maßgeblichen Zeitraums (1. Januar bis 31. Juli 1994) novelliert worden. Bis zum 30. Juni 1994 galt § 93 BSHG in der Fassung (F. 1993) des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993 FKPG (BGBl I S. 944). Am 1. Juli 1994 trat sodann die durch das Zweite Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993 2. SKWPG (BGBl I S. 2374) geänderte Fassung (F. 1994) in Kraft (Art. 12 Abs. 2 Satz 1 2. SKWPG). Der wesentliche Inhalt der Gesetzesänderung besteht darin, daß das Entgeltsystem durch Einführung des prospektiven Pflegesatzes (§ 93 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 BSHG) unter Abkehr vom Selbstkostendeckungsprinzip umgestellt wurde (vgl. BTDrucks 12/5510 vom 4. September 1993, S. 11: "Abkehr von der bisherigen Abrechnung der Kosten auf der Grundlage von Selbstkostenblättern"). Hiermit verband der Gesetzgeber die Absicht, dem Einrichtungsträger Anreiz zu wirtschaftlichem Handeln und die Möglichkeit zur Erzielung eines Überschusses zu geben (vgl. BTDrucks a.a.O.). Die Regelung, daß nachträgliche Ausgleiche nicht zulässig sind (§ 93 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BSHG), ermöglicht auch eine "Überdeckung" und bedeutet, daß eine Unterschreitung der Selbstkosten gegenüber dem prospektiv berechneten Pflegesatz dem Einrichtungsträger als Überschuß verbleiben soll (vgl. BTDrucks a.a.O.). Die Möglichkeit, einen solchen Gewinn zu erwirtschaften, wird der Klägerin auch vom Beklagten zugestanden. Die Beteiligten streiten aber darüber, ob und gegebenenfalls inwieweit im Rahmen einer Pflegesatzvereinbarung ein in die prospektive Pflegesatzkalkulation eingestellter, fester Gewinn (kalkulatorischer Gewinn) - hier in Höhe von 6 % der kalkulierten Gesamtkosten - zu berücksichtigen beziehungsweise berücksichtigungsfähig ist.

Bis zur Einführung der prospektiven Entgeltberechnung durch § 93 Abs. 3 Satz 1 BSHG (F. 1994) war das Selbstkostendeckungsprinzip (zumindest überwiegend) sozialhilferechtliche Praxis gewesen. Rechtlich möglich waren zwar auch andere Entgeltbemessungen, insbesondere solche, die die Entgelte anderer, vergleichbare Leistungen erbringender Einrichtungen vergleichend in den Blick nahmen, vorausgesetzt, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit waren beachtet; ebenso mag die Vereinbarung eines Festpreissystems mit der Möglichkeit zur Erzielung von Gewinnen und Verlusten bereits unter dem alten Recht zulässig gewesen sein (so Breyer, Wirtschaftliche und rechtliche Anforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten für Pflegesätze in stationären Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe nach § 93 Absatz 2 BSHG und §§ 82 ff. SGB XI, Gutachten im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung Baden-Württemberg <1994>, S. 24). Jedenfalls aber war es dem Sozialhilfeträger vom Gesetz nicht aufgegeben, Einrichtungsträgern auf der Grundlage von Pflegesätzen in jedem Fall die Erzielung von Gewinn zu ermöglichen.

Nach der Gesetzeslage vor dem 1. Juli 1994 mußte die Höhe der Pflegesätze den Grundsätzen der "Wirtschaftlichkeit", "Leistungsfähigkeit" und "Sparsamkeit" (§ 93 Abs. 2 Satz 2 BSHG F. 1993) entsprechen. Diese Begriffe haben bereits durch Art. 26 Nr. 9 des Haushaltsbegleitgesetzes vom 22. Dezember 1983 (BGBl I S. 1532, ber. 1984, 107) Eingang in § 93 BSHG gefunden, als nach § 93 Abs. 2 Satz 3 BSHG damaliger Fassung - F. 1983 - die in § 10 BSHG genannten, ohne Gewinnerzielungsabsicht tätigen Träger der freien Wohlfahrtspflege beim Abschluß von Pflegesatzvereinbarungen Vorrang vor anderen Einrichtungsträgern hatten. Durch die Aufnahme der Gebote der Wirtschaftlichkeit, Leistungsfähigkeit und Sparsamkeit in die gesetzlichen Vorgaben für die Ausgestaltung von Pflegesatzvereinbarungen wollte der Gesetzgeber den Sozialhilfeträgern "mehr als bisher die Möglichkeit (einräumen), auf die Höhe und Ausgestaltung der zu übernehmenden Kosten Einfluß zu nehmen" (BTDrucks 10/335 vom 2. September 1983, S. 103). Damit war folglich eine Entlastung der öffentlichen Haushalte bezweckt.

Vor diesem Hintergrund ist den Begriffen der "Wirtschaftlichkeit", "Leistungsfähigkeit" und "Sparsamkeit" keine Aussage zu dem von der Klägerin behaupteten Recht auf Gewinn zu entnehmen: Der Begriff "Wirtschaftlichkeit" bezeichnet lediglich eine günstige Zweck-Mittel-Relation im Sinne eines angemessenen und ausgewogenen Verhältnisses zwischen den angebotenen Leistungen und den hierfür geforderten Entgelten (vgl. Knopp/Fichtner, BSHG, 7. Auflage 1992, § 93 Rn. 14; Gottschick/Giese, Das Bundessozialhilfegesetz, 9. Auflage 1985, § 93 Rn. 9). Von dem gewerblichen Einrichtungsträger kann keinesfalls verlangt werden, "perspektivisch mit Verlust zu arbeiten" (Münder, in: LPK-BSHG, 5. Auflage 1998, § 93 Rn. 43; vgl. auch das Urteil des Senats vom heutigen Tag in der Parallelsache BVerwG 5 C 17.97 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung bestimmt -). Mit "Leistungsfähigkeit" ist die Möglichkeit gemeint, die der Einrichtung gestellte Aufgabe angesichts der vorhandenen personellen und sächlichen Mittel und ihrer organisatorischen Entfaltungsbedingungen optimal zu erfüllen (vgl. Gottschick/Giese a.a.O.; Knopp/Fichtner a.a.O.). Auch dieser Begriff ist daher aufgaben- und leistungsbezogen zu verstehen. Dabei unterscheidet das Gesetz nicht nach gemeinnützigen und gewerblichen Einrichtungsträgern. Insbesondere läßt sich dem Begriff der "Leistungsfähigkeit" nichts dafür entnehmen, daß die Sozialhilfeträger gewerblichen Trägern mit Rücksicht auf deren Gewinnabhängigkeit und -orientiertheit höhere Entgelte zugestehen müßten als gemeinnützigen Trägern.

Allerdings besagen die Begriffe "Wirtschaftlichkeit" und "Leistungsfähigkeit" auch nicht, daß ein Anbieter, der in seine Pflegesatzkalkulation einen Gewinn einstellt, von Gesetzes wegen vom Abschluß einer Pflegesatzvereinbarung auf der Grundlage des § 93 Abs. 2 BSHG a.F. ausgeschlossen gewesen ist. Was insoweit zu gelten hat, richtet sich vielmehr nach dem Gebot der "Sparsamkeit", das im Gesetz neben den genannten Grundsätzen aufgeführt ist.

Das Gebot der "Sparsamkeit" soll die Anerkennung unnötiger Kosten verhindern und zwingt dazu, unter geeigneten Mitteln nach dem Gesichtspunkt der Kostengünstigkeit auszuwählen (vgl. Gottschick/Giese a.a.O.; Knopp/Fichtner a.a.O.). Das rechtfertigt aber nicht, ein Gewinnziel, das gewerbliche Einrichtungsträger anders als gemeinnützige in die von ihnen geltend gemachten Entgelte einkalkulieren, generell nicht zu berücksichtigen. Der Grundsatz der Sparsamkeit entfaltet keine "Sperrwirkung" gegenüber gewinnorientierten Entgelten gewerblicher Anbieter, sofern gemeinnützige Einrichtungen vergleichbare Leistungen nicht günstiger anbieten. Demnach steht der Grundsatz der Sparsamkeit der Berücksichtigung eines kalkulatorischen Gewinns bei der Pflegesatzvereinbarung nicht entgegen, soweit das vom gewerblichen Einrichtungsträger verlangte Entgelt nicht höher ist als die anderen Einrichtungsträgern vom Sozialhilfeträger für vergleichbare Leistungen zugestandenen Vergütungen.

Damit hat aber selbst ein Einrichtungsträger, der günstigere Entgelte verlangt als andere Einrichtungsträger, nach § 93 BSHG (F. 1993) noch keinen Rechtsanspruch gegen den Sozialhilfeträger auf Annahme eines unter Einbeziehung eines kalkulatorischen Gewinns angebotenen Pflegesatzes. Die Sozialhilfeträger haben auf der Grundlage von § 93 BSHG (F. 1993) vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob eine Pflegesatzvereinbarung getroffen werden soll (vgl. BVerwGE 94, 202 = Buchholz 436.0 § 93 BSHG Nr. 1; siehe zu § 93 Abs. 2 BSHG F. 1983 bereits BTDrucks 10/335, S. 103). Der Einrichtungsträger kann nur verlangen, daß der Sozialhilfeträger über den Abschluß einer Pflegesatzvereinbarung ermessensfehlerfrei entscheidet, sich also insbesondere nicht rechtlich daran gehindert sieht (und damit sein Ermessen unterschreitet), mit ihm einen Pflegesatz zu vereinbaren, der einen kalkulatorischen Gewinn einschließt.

Ein rechtlicher Hinderungsgrund, einem gewerblichen Anbieter einen kalkulatorischen Gewinn einzuräumen, folgt entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht aus § 6 a Abs. 2 Nr. 4 des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes i.d.F. vom 12. November 1987 (Nieders. GVBl 1987, 206) Nds. AG BSHG . Zwar wird danach ein veranschlagter Gewinn nicht berücksichtigt und bleiben landesrechtliche Vorschriften über die Entgelte nach § 93 Abs. 6 Satz 2 BSHG (F. 1994) unberührt. Doch hat der niedersächsische Landesgesetzgeber in § 6 a Abs. 2 Nr. 4 Nds. AG BSHG lediglich geregelt, welche Grundsätze bei der Bestimmung der zu erstattenden Pflegesätze "zu beachten" sind. Hierbei handelt es sich um normative Vorgaben für den Erlaß einer Verordnung, durch die bestimmt wird, in welchem Umfang Kosten für die Inanspruchnahme von gewerblichen, kommunalen und frei-gemeinnützigen Einrichtungen von den Trägern der Sozialhilfe als Pflegesätze zu erstatten sind (§ 6 a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 Nds.AG BSHG). Eine solche Verordnung ist bisher nicht ergangen. Eine landesrechtliche Vorschrift über die Entgelte, die eine Berücksichtigung eines kalkulatorischen Gewinns unmittelbar und generell ausschlösse, gibt es, wie auch das Berufungsgericht in seinem Urteil vom 12. Juni 1991 OVG 4 A 28/88 (NDV 1991, 359 <361 f.>) festgestellt hat, in Niedersachsen daher bisher nicht.

Die Rechtslage hinsichtlich der Pflegesatzwirksamkeit eines kalkulatorischen Gewinns ist auf Grund der Änderung von § 93 BSHG zum 1. Juli 1994 nicht grundlegend anders zu beurteilen. Insbesondere läßt sich dem Begriff "leistungsgerechte Entgelte" in § 93 Abs. 2 Satz 2 BSHG (F. 1994) nicht entnehmen, daß er notwendig einen Gewinn umfaßt. Vielmehr wird mit dem Begriff "leistungsgerecht" zum Ausdruck gebracht, daß die Entgelte nicht mehr kosten-, sondern leistungsbezogen zu bemessen sind, daß für ihre Berechnung also Inhalt, Umfang und Qualität, nicht hingegen die Gestehungskosten der Leistungen der jeweiligen Einrichtung maßgeblich sind (vgl. auch Mergler/Zink, BSHG, Stand: April 1997, § 93 Rn. 49). Selbst wenn infolge der Gesetzesänderung die Entgelte "an marktwirtschaftlichen Regeln ausgerichtet" sein sollten (so Mergler/Zink a.a.O., Rn. 11 d), ist im Gesetz jedoch nicht zum Ausdruck gelangt, daß die Leistungsentgelte dem Einrichtungsträger in jedem Fall Gewinn ermöglichen müßten. Die Berücksichtigungsfähigkeit eines kalkulatorischen Gewinns entscheidet sich vielmehr nach wie vor nach dem Grundsatz der Sparsamkeit. Auch für die Zeit nach Inkrafttreten von § 93 BSHG (F. 1994) gilt, daß der Grundsatz der Sparsamkeit der Berücksichtigung eines kalkulatorischen Gewinns bei der Pflegesatzvereinbarung nicht entgegensteht, soweit das vom gewerblichen Einrichtungsträger verlangte Entgelt nicht höher ist als die anderen Einrichtungsträgern vom Sozialhilfeträger für vergleichbare Leistungen zugestandenen Vergütungen.

Ein weitergehender Anspruch auf Anerkennung eines kalkulatorischen Gewinns folgt ferner nicht aus Rechtsgrundlagen außerhalb des § 93 BSHG.

Er ergibt sich nicht aus Verfassungsrecht. Vor allem auch das bis zum 1. Juli 1994 im Entgeltvereinbarungsrecht des Bundessozialhilfegesetzes angewandte Selbstkostendeckungsprinzip hat vor der Verfassung, insbesondere den grundrechtlichen Gewährleistungen aus Art. 12, 14 und 2 Abs. 1 GG, Bestand. Die Übernahme der Kosten von Sozialhilfe in Einrichtungen ist eine Maßnahme staatlicher Daseinsvorsorge, die dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 GG) Rechnung trägt. Die darauf zurückgehenden Besonderheiten prägen Art und Umfang der Leistungserbringung und die Herausbildung von Leistungsentgelten und lassen dem Gesetzgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit (vgl. auch BVerfGE 68, 193 <220 f.> sowie Beschluß vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 449/82 u.a. - NJW 1986, 772 <774> für den Bereich der Krankenversicherung), deren Rahmen § 93 BSHG (F. 1993 und F. 1994) einhält.

Auch außerhalb des Verfassungsrechts bestehen keine Rechtsvorschriften, wonach gewerbliche Einrichtungsträger weitergehend als im Rahmen des § 93 BSHG die Berücksichtigung eines kalkulatorischen Gewinns verlangen könnten. Insbesondere steht das Selbstkostendeckungsprinzip nicht im Widerspruch zu preisrechtlichen Vorschriften und verleiht das öffentliche Preisrecht der Klägerin auch nach der Aufgabe des Selbstkostendeckungsprinzips ab dem 1. Juli 1994 keinen derartigen Rechtsanspruch. Hier kann offenbleiben, inwiefern Besonderheiten des Sozialhilferechts der Heranziehung preisrechtlicher Grundsätze entgegenstehen. Diese Grundsätze, zu denen die Maßgeblichkeit eines Marktpreises anstelle des Selbstkostenpreises gehören mag (vgl. Trott zu Solz, Die Kostenübernahme- und Pflegesatzvereinbarung in Heimen <1989>, S. 44, 46), lassen sich jedenfalls deshalb nicht auf den sachlichen Geltungsbereich des § 93 Abs. 2 BSHG übertragen, weil soziale Hilfen keine "marktgängigen" Leistungen sind (vgl. auch BGH, Urteil vom 12. November 1991 - KZR 22/90 - NJW 1992, 1237 <1239>). Bei dem Abschluß von Pflegesatzvereinbarungen geht es vielmehr um soziale Hilfstätigkeit der öffentlichen Hand im Zusammenwirken mit den freien Einrichtungsträgern und privaten Leistungserbringern (ähnlich BGH a.a.O.), bei der statt (wie bei Marktpreisen) eines autonomen Leistungsanreizes die Gebote der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit wirken (vgl. dazu Neumann, RsDE 1989, 21 <33 f.>).

Eine (unbedingte) Pflegesatzwirksamkeit von kalkulatorischem Gewinn läßt sich schließlich nicht unter Hinweis darauf begründen, daß im Rahmen des Heimgesetzes einem gewerblichen Heimträger die Möglichkeit zur Erzielung eines Gewinns in vertretbarer Höhe eingeräumt wird (s. z.B. Gössling/Knopp, Heimgesetz, § 2 Rn. 26; Goberg, Heimgesetz, 3. Auflage 1997, § 19). Der Gesetzgeber hatte eine Ankoppelung der Heimbetreiber an § 93 Abs. 2 BSHG wegen der damit verbundenen Einengung ihrer wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit und gewerblichen Entfaltung nicht gewollt (vgl. BTDrucks 11/5120 vom 1. September 1989, S. 24). Die Bildung des Heimentgelts nach den Regeln des Heimgesetzes untersteht dementsprechend anderen Grundsätzen als die Beurteilung eines Heimentgelts nach Maßgabe des § 93 Abs. 2 BSHG für Sozialhilfeempfänger. Auch in diesem Zusammenhang kommt zum Tragen, daß bei der Gewährung von Sozialhilfe in Einrichtungen Faktoren zu berücksichtigen sind, die nicht von den Grundsätzen des Marktes und des freien Wettbewerbs bestimmt werden (s. auch BTDrucks a.a.O.). Daraus folgt, daß für die Berücksichtigung eines kalkulatorischen Gewinns lediglich nach Maßgabe des § 93 Abs. 2 BSHG, also im Rahmen des dem Beklagten zustehenden Ermessens und auch nur unter der Voraussetzung Raum sein kann, daß ein Vergleich des von der Klägerin gewünschten Pflegesatzes mit den Entgelten, die andere Einrichtungsträger für vergleichbare Leistungen berechnen, nicht zu Lasten der Klägerin ausgeht.

Nach alledem verletzt das Berufungsurteil Bundesrecht insoweit, als es nicht beachtet, daß das Entgeltvereinbarungsrecht des § 93 BSHG (F. 1993 und F. 1994) die Berücksichtigung eines kalkulatorischen Gewinns dann nicht ausschließt, wenn das Pflegesatzangebot des betreffenden Einrichtungsträgers ungeachtet des einkalkulierten Gewinns nicht höher ist als die Entgelte anderer zur Bedarfsdeckung verfügbarer Einrichtungsträger.

Für den danach erforderlichen Vergleich ist hier nicht (zunächst) die Schiedsstelle nach § 94 BSHG zuständig gewesen. Ihr ist nach § 93 Abs. 4 Satz 3 BSHG (F. 1994) eine rückwirkende Festsetzung untersagt. Wegen der 6-Wochen-Frist für ihre Anrufung (§ 93 Abs. 3 Satz 2 BSHG <F. 1994>) war ihr aber auch der in die Zeit unmittelbar nach Inkrafttreten des neuen Rechts fallende Abschnitt des hier streitigen Vereinbarungszeitraums, also der Monat Juli 1994, nicht zugänglich. Den erforderlichen Vergleich muß deshalb für den gesamten hier streitigen Zeitraum (1. Januar bis 31. Juli 1994) das Oberverwaltungsgericht anstellen.

Ende der Entscheidung

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