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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 13.11.2003
Aktenzeichen: BVerwG 5 C 41.03
Rechtsgebiete: BVFG


Vorschriften:

BVFG (F. 2001) § 6 Abs. 2
1. § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG (F. 2001) erfordert ein durchgängiges positives Bekenntnis zum deutschen Volkstum in dem Zeitraum zwischen dem Eintritt der Erklärungs- bzw. Bekenntnisfähigkeit und dem Verlassen der Aussiedlungsgebiete.

2. Die Fiktion eines Bekenntnisses zum deutschen Volkstum wirkt nicht über die Zeit hinaus, in der ein solches Bekenntnis für den Betreffenden mit Gefahr für Leib und Leben oder schwerwiegenden beruflichen oder wirtschaftlichen Nachteilen verbunden war (wie Urteil vom 13. November 2003 - BVerwG 5 C 14.03 -).


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 5 C 41.03

Verkündet am 13. November 2003

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt, Dr. Rothkegel, Dr. Franke und Prof. Dr. Berlit

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Februar 2003 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I.

Die 1939 in R. (Gebiet Lugansk, Ukraine) geborene Klägerin begehrt die Erteilung eines vertriebenenrechtlichen Aufnahmebescheides. Ihr 1977 verstorbener Vater war russischer Volkszugehöriger, ihre 1994 verstorbene Mutter ebenso wie die Großeltern mütterlicherseits deutsche Volkszugehörige. Die Mutter der Klägerin war wegen des Vorwurfes, während einer kurzzeitigen Besetzung des Ortes R. durch die Wehrmacht den Deutschen als Dolmetscherin gedient zu haben, mit der Klägerin bis zum Jahre 1956 in das Dorf M. (Gebiet Omsk, Sibirien) verbannt und in einem Lager untergebracht worden. Bei der Ausstellung ihres ersten Inlandspasses im Jahre 1955 hatte die Klägerin als Nationalität "russisch" angegeben. Im Jahre 1994 beantragte die Klägerin bei den zuständigen ukrainischen Behörden, den Nationalitäteneintrag in ihrem Pass in "deutsch" zu ändern; mangels Passformularen wurde ihr hierüber nur eine vorläufige Bescheinigung ausgestellt. Der ihr dann im Juli 1995 ausgestellte Pass enthielt wegen einer Änderung der Passvorschriften in der Ukraine keinen Nationalitäteneintrag. Für die Tochter der Klägerin wurde im Jahre 1995 eine neue Geburtsurkunde ausgestellt, die als Nationalität der Klägerin nunmehr "deutsch" ausweist. Den Antrag der Klägerin auf Erteilung eines Aufnahmebescheides vom August 1995 lehnte die Beklagte nach einer Anhörung der Klägerin zu ihren Sprachkenntnissen im Mai 1997 ab, weil diese sich anlässlich der Beantragung des ersten Inlandspasses (im Februar 1955) nicht zum deutschen Volkstum bekannt habe.

Das Verwaltungsgericht hat auf die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage die Beklagte verpflichtet, der Klägerin einen Aufnahmebescheid zu erteilen, und dies damit begründet, dass die Klägerin, die von einer deutschen Volkszugehörigen abstamme und bei der das Bestätigungsmerkmal "Sprache" erfüllt sei, sich im Jahre 1995 wirksam erstmals zum deutschen Volkstum bekannt habe. Der Ausstellung eines ersten Inlandspasses im Jahre 1955 mit dem Eintrag "russisch" liege kein Gegenbekenntnis zur russischen Nationalität zugrunde, weil der Klägerin nach den seinerzeit in der Sowjetunion für Deutsche bestehenden Bedingungen in Verbindung mit ihren besonderen persönlichen Verhältnissen ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum wegen Gefahren für Leib und Leben oder schwerwiegenden beruflichen oder wirtschaftlichen Nachteilen nicht zuzumuten gewesen sei. Angesichts der gegen ihre Mutter erhobenen Vorwürfe sei es der Klägerin zumindest bis zum Ende der allgemeinen Kommandanturüberwachung unzumutbar gewesen, sich ihrerseits zum deutschen Volkstum zu bekennen; ungeachtet dessen, dass ihre deutsche Abstammung den Behörden ohnehin bekannt gewesen sei, hätte ein solches Bekenntnis zu weitergehenden Repressionen führen und auch die Klägerin selbst mit dem gegen die Mutter erhobenen Vorwurf, diese habe "Heimatverrat" begangen, in Verbindung bringen können.

Zur Begründung der Zurückweisung der Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Das Begehren der Klägerin sei nach §§ 26, 27 BVFG i.V.m. § 6 Abs. 2 BVFG i.d.F. des Spätaussiedlerstatusgesetzes zu beurteilen. Die Klägerin erfülle die in § 4 Abs. 1 BVFG genannten Stichtagsvoraussetzungen, stamme von einer deutschen Volkszugehörigen ab, und es sei ihr auch hinreichend das Bestätigungsmerkmal "Sprache" innerfamiliär vermittelt worden. Die Klägerin habe sich auch wirksam im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG zum deutschen Volkstum bekannt, indem sie im Jahre 1994 bei den zuständigen ukrainischen Behörden einen Antrag auf Änderung ihrer im Pass eingetragenen Nationalität in "deutsch" gestellt habe; unerheblich sei, dass die Nationalität dann in dem im Jahre 1995 ausgestellten Pass der Klägerin entsprechend den geänderten Passvorschriften nicht mehr eingetragen werden konnte. Dieser wirksamen Bekenntniserklärung der Klägerin stehe nicht entgegen, dass in ihrem ersten, im Februar 1955 ausgestellten sowjetischen Inlandspass die russische Nationalität eingetragen sei. Der Klägerin sei im Zeitpunkt der Beantragung des ersten Inlandspasses unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG eine Erklärung zur deutschen Nationalität nicht zuzumuten gewesen; sie habe seinerzeit ungeachtet ihrer Rückkehr in die Ukraine noch unter Kommandanturaufsicht gestanden und sei von erheblichen Beschränkungen betroffen gewesen. Liege der Eintragung der russischen Nationalität in dem ersten Inlandspass mithin kein Gegenbekenntnis zugrunde, liege auch nach der Neufassung des Bundesvertriebenengesetzes in der späteren, auf Änderung des Nationalitäteneintrages abzielenden Erklärung gegenüber den Behörden ein wirksames Bekenntnis zum deutschen Volkstum. Die Einfügung des Wortes "nur" in den Gesetzestext der beiden ersten Bekenntnisalternativen durch das Spätaussiedlerstatusgesetz bezwecke allein, die nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestehende Möglichkeit der so genannten "Revidierung des Gegenbekenntnisses" auszuschließen. Die Klägerin sei auch, wie auch anlässlich ihrer Anhörung in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Kiew im März 1997 festgestellt worden sei, in der Lage, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen, wobei die deutschen Sprachkenntnisse zumindest auch auf einer innerfamiliären Vermittlung während der Kinder- und Jugendzeit beruhten.

Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Klagabweisungsbegehren weiter und rügt eine Verletzung des § 6 Abs. 2 BVFG.

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil.

Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.

Der Vertreter des Bundesinteresses hebt hervor, dass der Klägerin bei der Ausstellung des ersten Inlandspasses als Abkömmling aus einer volkstumsverschiedenen Ehe ein Wahlrecht zugestanden habe und selbst bei Anwendung des § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG für die Erteilung eines Aufnahmebescheides zu prüfen gewesen wäre, ob sich nach Wegfall der für die Fiktionswirkung maßgebenden Umstände das (wahre) Bekenntnis zum deutschen Volkstum manifestiert habe.

II.

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Auslegung des § 6 Abs. 2 BVFG durch das Berufungsgericht, auch nach der Einfügung des Wortes "nur" in den jetzigen § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG durch das Gesetz zur Klarstellung des Spätaussiedlerstatus (Spätaussiedlerstatusgesetz - SpStatG) vom 30. August 2001 (BGBl I S. 2266) - BVFG n.F. - könne ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum auch längere Zeit nach Eintritt der Bekenntnisfähigkeit bis zur Ausreise abgegeben werden, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das führt zur Aufhebung der Entscheidung und mangels Entscheidungsreife zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts tragen nicht die Feststellung, dass die Klägerin, die nicht nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehört hat, sich im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG n.F. bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf vergleichbare Weise "nur" zum deutschen Volkstum bekannt hat (1.). § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG n.F., wonach ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum unterstellt wird, wenn es unterblieben ist, weil es mit Gefahren für Leib und Leben oder schwerwiegenden beruflichen oder wirtschaftlichen Nachteilen verbunden war, jedoch aufgrund der Gesamtumstände der Wille unzweifelhaft ist, der deutschen Volksgruppe und keiner anderen anzugehören, führt zu keiner anderen Betrachtung (2.).

1. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass in den Bemühungen der Klägerin in den Jahren 1994/95, den Nationalitäteneintrag in ihrem Pass in "deutsch" zu ändern, ein im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG hinreichendes, weil noch vor der Ausreise erfolgtes Bekenntnis zum deutschen Volkstum gelegen habe, dem der im Jahre 1955 erfolgte Passeintrag nicht entgegenstehe.

1.1 § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG n.F. setzt für die Eigenschaft als deutscher Volkszugehöriger voraus, dass sich der Betreffende nach Erreichen der Bekenntnisfähigkeit bis zur Ausreise "nur" zum deutschen Volkstum bekannt hat.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist mit der Einfügung des Wortes "nur" durch das Spätaussiedlerstatusgesetz nicht allein die Möglichkeit der Revidierung eines so genannten "Gegenbekenntnisses" ausgeschlossen worden. Vielmehr ist die von der Vorinstanz zu Grunde gelegte, auf den Zeitpunkt des Verlassens der Aussiedlungsgebiete als Endzeitpunkt für die Abgabe der Nationalitätenerklärung (bzw. des Bekenntnisses auf andere Weise) bezogene Betrachtungsweise, nach der es ausreichte, dass die Erklärung zum deutschen Volkstum zu einem beliebigen Zeitpunkt bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete abgegeben wurde, durch eine jedenfalls an der Bekenntnisfähigkeit ansetzende zeitraumbezogene Betrachtung abgelöst worden. Ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Ausreise genügt den rechtlichen Anforderungen des § 6 Abs. 2 BVFG n.F. danach nicht (zur Rechtslage nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a.F. vgl. BVerwGE 99, 133 <145 f.>). Bei Personen im bekenntnisfähigen Alter muss vielmehr grundsätzlich für den gesamten Zeitraum zwischen Eintritt der Bekenntnisfähigkeit und Ausreise ein positives Bekenntnis zum deutschen Volkstum im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG n.F. feststellbar sein.

Nach dem Wortlaut der Neufassung des § 6 Abs. 2 BVFG ist ein positives Bekenntnis "nur" zum deutschen Volkstum erforderlich. Durch die Einfügung des Wortes "nur" haben die bereits in der früheren Gesetzesfassung enthaltenen Worte "bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete" eine Bedeutungsänderung dahin erhalten, dass damit nicht mehr der Endzeitpunkt für die Abgabe der Erklärung als rechtlich allein maßgeblich bezeichnet wird. Die Prüfung, ob sich eine Person bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete "nur" zum deutschen Volkstum bekannt hat, erfordert vielmehr eine Einbeziehung des gesamten Zeitraumes vom Eintritt der Bekenntnisfähigkeit bis zur Ausreise. Die für die im Gesetz vorgesehenen Formen des Bekenntnisses - die Nationalitätenerklärung (1. Alternative) und das Bekenntnis auf vergleichbare Weise (2. Alternative) - erforderliche Erklärungs- bzw. Bekenntnisfähigkeit liegt jedenfalls mit Eintritt der Volljährigkeit vor, wobei die Bekenntnisreife auch schon ab Vollendung des 16. Lebensjahres angenommen werden kann und sich die Erklärungsfähigkeit nach dem Recht des Herkunftsstaates richtet (vgl. Urteil vom 29. August 1995 - BVerwG 9 C 391.94 -, BVerwGE 99, 133 <141>). In dem Zeitraum zwischen dem Eintritt der Bekenntnis- bzw. Erklärungsfähigkeit bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete muss mithin - positiv - ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum erfolgt sein und darf - negativ - kein "Gegenbekenntnis" vorliegen; der ausschließliche ("nur") Charakter des Bekenntnisses zum deutschen Volkstum schließt es aber auch aus, in Fällen schicksalhaft unterbliebener deutscher Bewusstseinsbildung und erfolgter rechtlicher Zuordnung zu einem anderen Volkstum die daraus resultierenden Erklärungsakte als rechtsunerheblich anzusehen.

Diese Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte bestätigt (s. BTDrucks 14/6310, S. 6). Die Neufassung des Absatzes 2 sollte ausweislich der Gesetzesentwurfsbegründung zwar auch die Revidierung eines "Gegenbekenntnisses" ausschließen (BTDrucks 14/6310, S. 6), beschränkt sich hierauf indes nicht. Die Gesetzesentwurfsbegründung knüpft vielmehr an die im Regierungsentwurf des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes sowie in dem Ausschussbericht hierzu (BTDrucks 12/3597) bekundeten Intentionen an und führt hierzu aus:

"Dem Ausschussbericht zufolge soll es nicht genügen, wenn das Bekenntnis zum deutschen Volkstum 'kurz vor oder gar nur zum Zwecke der Aussiedlung abgegeben wurde. Die Prägung in der Familie muss vielmehr im Verhalten außerhalb der Familie ihren Ausdruck gefunden und dazu geführt haben, dass sich die Person nach Erreichen der Bekenntnisfähigkeit oder nach der Erklärungsfähigkeit nach dem Recht des Herkunftsgebietes auch zum deutschen Volkstum bekannt hat' (vgl. Drucksache 12/3597 S. 53)" (BTDrucks 14/6310, S. 6; s.a. BTDrucks 14/6573, S. 6).

Die Begründung geht erkennbar von der - nunmehr im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck gekommenen - Vorstellung aus, dass Bekenntnis bzw. Erklärung grundsätzlich bereits bei Erreichen der Bekenntnis- oder Erklärungsfähigkeit abgegeben werden und dann in der Folgezeit nicht mehr geändert worden sind. Dies bestätigen folgende Erwägungen der Gesetzesentwurfsbegründung:

"Als Form des Bekenntnisses kommt dabei regelmäßig die in vielen Aussiedlungsgebieten mögliche amtliche Registrierung zur deutschen Nationalität in Betracht (vgl. Ausschussbericht zum KfbG <Drucksache 12/3597>, S. 53). Im territorialen Bereich der ehemaligen UdSSR ist dies vor allem die Nationalitätenerklärung für die Eintragung in amtliche Dokumente (z.B. erster Inlandspass). Sie muss nunmehr erstmals nach Eintritt der Bekenntnisfähigkeit (vgl. hierzu Urteil des BVerwG vom 31. Januar 1989 - 9 C 78.87 - <Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 59>) bzw. der Erklärungsfähigkeit nach dem insoweit grundsätzlich maßgeblichen innerstaatlichen Recht (vgl. BVerwGE 99, 133, 141) zu Gunsten der deutschen Nationalität erfolgen und in der Folge nicht mehr zu Gunsten einer anderen Nationalität abgeändert worden sein."

Das Erfordernis eines durchgängigen positiven Bekenntnisses wird durch § 6 Abs. 2 Satz 5 letzter Halbsatz BVFG n.F. bestätigt. Nach dieser Regelung wird ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen (nur) unterstellt, wenn "aufgrund der Gesamtumstände der Wille unzweifelhaft ist, der deutschen Volksgruppe und keiner anderen anzugehören". Die dem Begriff des "Willens" immanente subjektive Dimension erfordert, dass die Zugehörigkeit nur und ausschließlich zum deutschen Volkstum auch subjektiv wahrgenommen und gelebt worden ist. Dass hier der positive Wille, ausschließlich der deutschen Volksgruppe ("und keiner anderen ...") anzugehören, vorausgesetzt wird, unterstreicht, dass mit Blick auf das Verhalten in Erklärungssituationen ein ununterbrochenes, durchgängiges Volkstumsbewusstsein verlangt wird, das nur infolge einer Zwangslage keinen außenwirksamen Ausdruck gefunden hat.

Reicht mithin für die Zeit nach Eintritt der Erklärungs- bzw. Bekenntnisfähigkeit das Fehlen eines Gegenbekenntnisses nicht mehr aus, um das Erfordernis eines ausschließlichen ("nur") Bekenntnisses zum deutschen Volkstum bis zum Endzeitpunkt des Verlassens der Aussiedlungsgebiete auszufüllen, schließt dies nach Eintritt der Bekenntnis- oder Erklärungsfähigkeit und Abgabe der nach sowjetischem Recht erforderlichen Erklärungen zur Nationalität die Annahme eines gleichwohl fortbestehenden längeren Zeitraumes eines "bekenntnislosen" Zustandes aus. Ein Bekenntnis "nur" zum deutschen Volkstum kann allein derjenige ablegen, dessen nach außen tretende Erklärungen oder Handlungen von einem entsprechenden (inneren) Volkstumsbewusstsein getragen werden (vgl. Urteil vom 16. Februar 1993 - BVerwG 9 C 25.92 - BVerwGE 92, 70 <73 f.>; Urteil vom 12. November 1996 - BVerwG 9 C 8.96 - BVerwGE 102, 214 <217 ff.>), und der Gesetzgeber setzt voraus, dass sich mit Erreichen des bekenntnisfähigen Alters ein "inneres Bewusstsein", einem bestimmten Volkstum anzugehören, bilden kann und gebildet hat. Dies schließt die rechtliche Möglichkeit aus, dass eine nach ihrem Alter bekenntnisfähige Person über einen längeren Zeitraum ohne jegliches (inneres) Volkstumsbewusstsein sei kann. Die Bekenntnisfähigkeit bestimmt sich dabei grundsätzlich nach dem Alter und der altersentsprechenden intellektuellen Fähigkeit, ein entsprechendes Bewusstsein bilden zu können.

Auch nach der Neufassung des § 6 Abs. 2 BVFG wirkt allerdings ein einmal abgegebenes Bekenntnis zum deutschen Volkstum im Regelfall fort und deckt darum auch Folgezeiträume ab, solange kein Gegenbekenntnis erfolgt. Ein einmal nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf vergleichbare Weise wirksam abgegebenes Bekenntnis zum deutschen Volkstum nach Erreichen der Bekenntnisfähigkeit muss bis zur Ausreise nicht kontinuierlich oder periodisch bekräftigt oder wiederholt werden.

1.2 Nach diesen Grundsätzen, die das Berufungsgericht nicht seiner Prüfung zu Grunde gelegt hat, kann nicht festgestellt werden, dass sich die Klägerin in der Zeit ab Erreichen der Bekenntnisfähigkeit, also ab 1955, fortdauernd "nur" zum deutschen Volkstum bekannt hat. Keiner Entscheidung bedarf dabei, ob der Bewertung des Berufungsgerichts zuzustimmen ist, die Klägerin habe sich jedenfalls durch die im Jahre 1994 eingeleiteten Bemühungen, den Nationalitäteneintrag in ihrem Pass ändern zu lassen, sowie die Änderung der Volkszugehörigkeit in der Geburtsurkunde ihrer Tochter im Jahre 1995 zum deutschen Volkstum bekannt. Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht indes darin, dass allein der Umstand, dass es wegen einer Änderung des Passrechts im Ergebnis nicht zu einer Passausstellung mit dem Nationalitäteneintrag "deutsch" gekommen ist, einem Bekenntnis im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG n.F. nicht entgegensteht (vgl. Urteil vom 12. November 1996 - BVerwG 9 C 8.96 -, BVerwGE 102, 214 <219>). Das Berufungsgericht hat indes - von seinem mit Bundesrecht nicht zu vereinbarendem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine tatsächlichen Feststellungen zu der Frage getroffen, ob sich die Klägerin schon ab Eintritt der Bekenntnisfähigkeit "nur" zum deutschen Volkstum bekannt hat.

2. Das Berufungsgericht durfte von solchen tatsächlichen Feststellungen auch nicht mit Blick auf § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG n.F. absehen, nach dem unter bestimmten Voraussetzungen ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum unterstellt wird.

2.1 Dabei ist nicht der Frage nachzugehen, ob die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts die rechtliche Bewertung tragen, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem der seinerzeit bekenntnisfähigen Klägerin der erste Inlandspass mit dem Nationalitäteneintrag "russisch" ausgestellt worden ist, ein ausdrückliches Bekenntnis der Klägerin zum deutschen Volkstum unterblieben ist, weil es mit Gefahr für Leib und Leben oder schwerwiegenden beruflichen Nachteilen verbunden war; weiterhin kann offen bleiben, welcher Sinn und welche Bedeutung der in dem zweiten Nebensatz des Satzes 5 ("jedoch"-Satz) enthaltenen Voraussetzung zukommt, dass "aufgrund der Gesamtumstände der Wille unzweifelhaft ist, der deutschen Volksgruppe und keiner anderen anzugehören". Denn auf § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG kann sich die Klägerin für den Zeitraum zumindest ab Mitte der 60er Jahre bis Mitte der 90er Jahre jedenfalls deshalb nicht berufen, weil die Fiktion zumindest vor dem Hintergrund der Neufassung des Satzes 1 ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum nur für die Dauer der in Satz 5 Halbsatz 1 ("weil"-Satz) umschriebenen Gefährdungslage ersetzt und für die Fiktion eines Bekenntnisses nach § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG n.F. nicht gilt, dass ein einmal abgegebenes Bekenntnis im Regelfall fortwirkt und darum auch die Folgezeiträume abdeckt, solange kein Gegenbekenntnis erfolgt. Hierzu hat der Senat in seinem Urteil vom 13. November 2003 - BVerwG 5 C 14.03 - ausgeführt:

"Die zeitliche Beschränkung der Fiktionswirkung des § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG n.F. auf die Dauer der Gefährdungslage ergibt sich aus Folgendem:

Ein einmal abgegebenes Bekenntnis zum deutschen Volkstum wirkt im Regelfall fort und deckt darum auch Folgezeiträume ab, solange kein Gegenbekenntnis erfolgt. Für die Fiktion eines Bekenntnisses zum deutschen Volkstum gilt dies dagegen nicht. Durch die Regelung des § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG wird berücksichtigt, dass die Betroffenen aus Gebieten kommen, in denen es zeitweise gefährlich oder mit erheblichen persönlichen Nachteilen verbunden war, sich zum deutschen Volkstum zu bekennen, und dass deshalb bei Vorliegen der im Gesetz genannten Voraussetzungen ein solches Bekenntnis mit Außenwirkung nicht erwartet und nicht verlangt werden kann (BTDrucks 12/3212, S. 24; 12/3597, S. 53). Für eine zeitliche Erstreckung der Bekenntnisfiktion über das Ende der Gefährdungslage hinaus gibt es keine Rechtfertigung. Die durch § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG bewirkte Freistellung vom Erfordernis eines nach außen hervortretenden Bekenntnisverhaltens bei denjenigen, die sich einmal in derartiger Gefahr befunden haben, hätte sonst zur Folge, dass bei ihnen von dem Erfordernis, ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum irgendwann zum Ausdruck zu bringen, überhaupt abgesehen würde, obwohl sich die Betreffenden nach dem Ende der Gefährdungslage in keiner anderen Situation befunden haben als diejenigen, für die keine Gefährdungslage bestanden hat und denen von § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG abverlangt wird, dass sie sich nach Erreichen der Bekenntnisfähigkeit und nicht erst kurz vor ihrer Aussiedlung (vgl. BTDrucks 12/3212, S. 23; 12/3597 S. 53) zum deutschen Volkstum bekannt haben. Berücksichtigt man bei der Auslegung des § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG, dass nach der Neufassung des Satzes 1 dieses Bekenntnis ein alleiniges und ausschließliches gewesen ('nur'), also nach Eintritt der Bekenntnisfähigkeit zu Gunsten der deutschen Nationalität erfolgt sein muss und in der Folge nicht mehr zu Gunsten einer anderen Nationalität abgeändert worden sein darf (s. BTDrucks 14/6310, S. 6), so ergibt sich erst recht die Notwendigkeit, dass auch derjenige, zu dessen Gunsten über das Unterbleiben eines Bekenntnisses zum deutschen Volkstum und sogar über die Ablegung eines Gegenbekenntnisses zu einem anderen Volkstum für die Dauer der Gefährdungslage hinweggesehen wird, alsbald nach deren Ende durch ein nach außen wirkendes Verhalten seinen Willen, nur dem deutschen Volkstum zuzugehören, zum Ausdruck gebracht haben muss. Dies hat die Klägerin aber - unstreitig - nicht getan. Die bloß innerlich gebliebene und erst im Zusammenhang mit der Ausreise auch nach außen manifestierte Identifikation mit dem deutschen Volkstum genügt dem Bekenntniserfordernis des Spätaussiedlerstatusgesetzes nicht."

2.2 Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht beurteilt werden, ob sich die Klägerin nach dem (objektiven) Ende der Gefährdungslage bei der ersten sich ihr zumutbar bietenden Gelegenheit durch ein nach außen hin erkennbares Verhalten im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG n.F. zum deutschen Volkstum bekannt hat. Allein der Umstand, dass die Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts aufgrund familiärer Vermittlung ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen kann, reicht nicht aus. Um ein Bekenntnis "auf andere Weise" auszufüllen, müssen die Indizien für den Willen der Zugehörigkeit zur deutschen Volksgruppe nach Gewicht, Aussagekraft und Nachweisbarkeit der Nationalitätenerklärung entsprechen und in einer Weise - über das unmittelbare familiäre Umfeld hinaus - nach außen hin hervorgetreten sein, die der Nationalitätenerklärung nahe kommt. Bekenntnischarakter kommt für sich allein auch der Konfessionszugehörigkeit der Klägerin nicht zu (BVerwG, Urteil vom 12. November 1996 - BVerwG 9 C 158.95 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 86).

Bei den nunmehr zu treffenden tatsächlichen Feststellungen wird das Berufungsgericht auch zu prüfen haben, ob für die Klägerin in den Jahren vor 1994 nach den passrechtlichen Regelungen und ihrer Anwendung in der Praxis, etwa anlässlich eines Passumtausches oder der Ausstellung eines neuen Passes, die Möglichkeit bestanden hat, auf die Änderung des Nationalitäteneintrages hinzuwirken. Soweit bis zu dem im Jahre 1994 unternommenen Versuch, den Nationalitäteneintrag in "deutsch" ändern zu lassen, keine Gelegenheit bestanden haben sollte, eine entsprechende Nationalitätenerklärung abzugeben (etwa aus Anlass der Eheschließung oder der Geburt der Tochter), wird das Berufungsgericht solchen von der Klägerin nachprüfbar zu bezeichnenden Umständen nachzugehen haben, die einen Willen der Klägerin, der deutschen Volksgruppe und keiner anderen anzugehören, nach außen hin, z.B. in der Lebensführung oder in gesellschaftlichen, sozialen oder kulturellen Aktivitäten, unzweifelhaft haben zu Tage treten lassen.

Ende der Entscheidung

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