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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 05.08.2009
Aktenzeichen: BVerwG 6 A 2.08
Rechtsgebiete: VereinsG


Vorschriften:

VereinsG § 3 Abs. 1
VereinsG § 3 Abs. 2
VereinsG § 3 Abs. 3
1. Eine Teilorganisation eines verbotenen Gesamtvereins wird unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 VereinsG ohne Weiteres von dem Verbot des Gesamtvereins erfasst, ohne dass sie selbst einen Verbotsgrund erfüllen müsste.

2. Ob eine Organisation in dem Sinne Teilorganisation eines verbotenen Vereins ist, dass sich das Verbot nach § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG auf sie erstreckt, hängt von einer Gesamtwürdigung aller Umstände ab, in die neben den Satzungen der betroffenen Organisationen insbesondere ihre personelle Zusammensetzung, ihre Geschichte, ihr Selbstverständnis, ihre Ziele, ihre Tätigkeit und Finanzierung sowie Verflechtungen bei der Willensbildung und Weisungsgebung einzubeziehen sind.


In der Verwaltungsstreitsache

...

hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts

auf die mündliche Verhandlung vom 5. August 2009

durch

den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer und

die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge, Vormeier, Dr. Bier und Dr. Möller

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I

Der Kläger wendet sich gegen ein Vereinsverbot, mit dem das Bundesministerium des Innern ihn als Teilorganisation des Vereins Internationales Studienwerk Collegium Humanum e.V. (im Folgenden: Collegium Humanum), des Klägers in dem mit Urteil vom heutigen Tage entschiedenen Verfahren zum Aktenzeichen BVerwG 6 A 3.08, belegt hat.

Der Kläger wurde am 24./25. Juli 1987 unter der Bezeichnung "Bauernhilfe des WSL-D" als nicht rechtsfähiger Verein mit Sitz in Vlotho gegründet. Der Verein "Weltbund zum Schutze des Lebens - Bundesverband Deutschland e.V." (im Folgenden: WSL-D) bestand bereits seit dem Jahr 1960. Die Zielsetzung des Klägers in seiner damaligen Gestalt bestand nach § 1 seiner Statuten vom 24./25. Juli 1987 in der Förderung des ökologischen Land- und Gartenbaus und der Verwaltung der dem WSL-D mit einer entsprechenden Zweckbindung zugewandten Spenden. Das im Jahr 1963 gegründete und in Vlotho ansässige Collegium Humanum war seit 1972 Mitglied im WSL-D. Ende des Jahres 2000 wurde der WSL-D aufgelöst und ging mit Wirkung zum 1. Januar 2001 in dem Collegium Humanum auf. Am 20. Juni 2004 gab sich der Kläger eine neue Satzung, die auf die Erlangung der Rechtsfähigkeit als eingetragener Verein gerichtet war und die nunmehr in der Fassung vom 23. August 2005 gilt. Die Zielsetzung des Klägers umfasst nach § 2 der Satzung die Förderung des ökologischen Landbaus in Theorie und Praxis sowie die Fortsetzung der Tradition des Weltbundes zum Schutze des Lebens. Der Sitz des Vereins ist nach § 1 der Satzung Söhrewald. Am 1. September 2005 wurde der Kläger in das Vereinsregister des Amtsgerichts Kassel eingetragen und führt seither den Namen "Bauernhilfe e.V.". Langjährige Vorsitzende des Klägers ist Frau Ursula Haverbeck-Wetzel, die seit dem Jahr 1999 auch dem Collegium Humanum vorsteht.

Das Bundesministerium des Innern stellte durch Verfügung vom 18. April 2008 fest, dass sich das Collegium Humanum einschließlich des Klägers als seiner Teilorganisation gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte und nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufe. Das Collegium Humanum einschließlich des Klägers wurde verboten und aufgelöst. Die Bildung von Ersatzorganisationen und die Fortführung bestehender Organisationen als Ersatzorganisationen sowie die Verwendung von Kennzeichen wurden verboten. Das Vermögen der verbotenen Organisationen - insbesondere der im Eigentum des Klägers befindliche Grundbesitz - und näher bezeichnete Sachen und Forderungen Dritter wurden beschlagnahmt und eingezogen. Die sofortige Vollziehung der Verfügung wurde - mit Ausnahme der Einziehung des Vermögens - angeordnet.

Soweit das Vereinsverbot den Kläger betrifft, führte das Bundesministerium des Innern zur Begründung aus, dieser stelle nach seiner Entstehungsgeschichte, den engen Verflechtungen mit dem Collegium Humanum in personeller und finanzieller Hinsicht sowie in Anbetracht des Umstandes, dass er nennenswerte Aktivitäten zur Förderung des ökologischen Landbaus nicht entfalte, im Sinne des § 3 Abs. 3 VereinsG eine nichtgebietliche Teilorganisation des verbotenen Collegium Humanum dar.

Gegen die am 7. Mai 2008 zugestellte Verbotsverfügung hat der Kläger am 26. Mai 2008 Anfechtungsklage erhoben. Gleichzeitig hat er die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 25. August 2008 abgelehnt.

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor: Er sei keine Teilorganisation des Collegium Humanum. Beide Vereine seien rechtlich, organisatorisch und von ihrem Selbstverständnis her völlig selbstständig und verfolgten unterschiedliche Ziele. Im Zusammenhang mit seiner Neuorganisation im Juni 2004 habe er auf der Grundlage des Vereinszieles einer Förderung des ökologischen Landbaus frühere enge Beziehungen zum Collegium Humanum gelöst. Im Gegensatz zu diesem Verein habe er auch in der Zukunft eine Überlebenschance. Die Mehrzahl seiner im Jahr 2004 gewonnenen neuen Mitglieder seien praktische Landwirte, die sich für die Ziele des Collegium Humanum nicht interessierten. Die im Jahr 2004 erworbenen landwirtschaftlichen Flächen habe er einem Landwirt und Mitglied zur ökologischen Bewirtschaftung überlassen. Die Vereinsvorsitzende, auf die sich die Vereinsarbeit seit dem Jahr 2006 fokussiere, sei ohne Weiteres in der Lage, zwischen dieser Tätigkeit und den Aufgaben, die sie für das Collegium Humanum wahrnehme, zu trennen. Unabhängig von der Frage der Teilorganisation seien auch die materiellen Verbotsvoraussetzungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG nicht erfüllt.

Der Kläger beantragt,

die Verfügung des Bundesministeriums des Innern vom 18. April 2008, soweit sie sich gegen ihn richtet, aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Verfügung mit ergänzenden Ausführungen.

II

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Erstreckung des gegenüber dem Collegium Humanum ergangenen Vereinsverbotes auf den Kläger und die in der Verfügung des Bundesministeriums des Innern vom 18. April 2008 enthaltenen weiteren Entscheidungen, die den Kläger betreffen, sind rechtmäßig und verletzen ihn nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1.

Rechtsgrundlage der angefochtenen Verbotsverfügung ist, soweit sie den Kläger betrifft, § 3 Abs. 3 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) - VereinsG - vom 5. August 1964 (BGBl. I S. 593), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3198). Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG erstreckt sich das Verbot eines Vereins (§ 3 Abs. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG), wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, dass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nach § 3 Abs. 3 Satz 2 VereinsG nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

a)

Die Verbotsverfügung leidet nicht an formell-rechtlichen Mängeln.

aa)

Die alleinige Zuständigkeit des Bundesministeriums des Innern für den Erlass der Verbotsverfügung ergibt sich im Hinblick auf den Kläger, ohne dass es einer Bezugnahme auf die Zuständigkeit zum Verbot des Collegium Humanum bedürfte, aus § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG jedenfalls deshalb, weil der Kläger auch für sich genommen in Organisation und Tätigkeit nicht auf ein Bundesland beschränkt ist. Er hat seinen Vereinssitz seit dem Jahr 2005 in Söhrewald in Hessen, während er seine Tätigkeiten vor allem in Vlotho in Nordrhein-Westfalen entfaltet.

bb)

Einer Anhörung des Klägers vor Erlass der Verfügung bedurfte es nicht. Zwar ist nach § 28 Abs. 1 VwVfG vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Jedoch kann nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG von der Anhörung abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vereinsrecht (vgl. etwa: Urteile vom 13. April 1999 - BVerwG 1 A 3.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 30 S. 3 und vom 3. Dezember 2004 - BVerwG 6 A 10.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 S. 77 f.) genügt es, dass die Verbotsbehörde unter diesen Gesichtspunkten auf Grund der ihr bekannt gewordenen Tatsachen eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Dies gilt auch im Hinblick auf die Einbeziehung von Teilorganisationen in eine Verbotsverfügung (Beschluss vom 10. Januar 2003 - BVerwG 6 VR 13.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 38 S. 61).

Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt, denn das Bundesministerium des Innern hat nach der Begründung der Verfügung von einer Anhörung der verbotenen Vereine deshalb abgesehen, weil es die mit einer Anhörung verbundene Unterrichtung der Betroffenen über den bevorstehenden Eingriff vermeiden und ihnen so keine Gelegenheit bieten wollte, ihre Infrastruktur und ihr Vermögen dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Diese Befürchtung war nach den Umständen gerade im Hinblick auf den Kläger berechtigt. Denn die Mitgliederversammlung des Klägers hatte bereits am 27. Januar 2008 ausweislich des Versammlungsprotokolls vor dem Hintergrund öffentlich erhobener Forderungen nach einem Vereinsverbot drei Vereinsmitglieder damit beauftragt, das Vereinseigentum, falls dies sinnvoll sein sollte, selbstständig an eine Privatperson zu übertragen und alle dafür notwendigen Schritte zu unternehmen.

b)

Das Verbot des Klägers erweist sich auch in der Sache als rechtmäßig. Der Kläger stellt eine - nichtgebietliche und rechtsfähige - Teilorganisation des Collegium Humanum im Sinne des § 3 Abs. 3 VereinsG dar. Das Bundesministerium des Innern hat ihn daher zu Recht als solche nach § 3 Abs. 3 Satz 2 VereinsG benannt.

aa)

Die Voraussetzungen einer Teilorganisation nach § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (Urteil vom 11. Oktober 1988 - BVerwG 1 A 14.83 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 12 S. 11 f., Beschlüsse vom 6. Juli 1994 - BVerwG 1 VR 20.93 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 18 S. 16 f. und vom 19. August 1994 - BVerwG 1 VR 9.93 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 19 S. 33, Urteile vom 28. Januar 1997 - BVerwG 1 A 13.93 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 26 S. 99, 105 und vom 27. November 2002 - BVerwG 6 A 1.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 36 S. 48 f., Beschluss vom 10. Januar 2003 a.a.O. S. 62 f., 65, Gerichtsbescheid vom 3. April 2003 - BVerwG 6 A 5.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 39 S. 67 f.). Danach muss eine Identität zwischen dem Verein als Ganzem und seiner Gliederung bestehen. Die Gliederung muss tatsächlich in die Gesamtorganisation eingebunden sein und im Wesentlichen von ihr beherrscht werden. Eine totale organisatorische Eingliederung etwa in dem Sinne, dass ausschließlich Mitglieder oder Sympathisanten der Gesamtorganisation der Teilorganisation angehören dürfen, ist allerdings nicht notwendig. Anhaltspunkte für eine organisatorische Eingliederung können, müssen aber nicht in den Satzungen der betroffenen Organisationen enthalten sein. Aussagekräftigere Indizien können sich aus der personellen Zusammensetzung der Vereinigungen, ihrer Geschichte, ihrem Selbstverständnis und ihren Zielen, ihrer Tätigkeit und Finanzierung sowie aus Verflechtungen bei der Willensbildung und aus Weisungsgegebenheiten ergeben. Es ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen. Dabei können auch Indizien, die für sich genommen als nicht zwingend erscheinen mögen, in ihrer Summe eine Qualifikation als Teilorganisation rechtfertigen.

Stellt eine Vereinigung eine Teilorganisation dar, wird sie auf Grund ihrer Identität mit dem Gesamtverein ohne Weiteres von dessen Verbot erfasst. Sie muss nicht selbst einen Verbotsgrund erfüllen und kann die Verbotsverfügung auch nur mit der Begründung anfechten, keine Teilorganisation zu sein (vgl. Urteil vom 28. Januar 1997 a.a.O. S. 96; Gerichtsbescheid vom 3. April 2003 a.a.O. S. 68).

bb)

Nach dem Gesamtbild, das sich aus den dem erkennenden Senat vorliegenden Hinweistatsachen ergibt, handelt es sich bei dem Kläger um eine Teilorganisation des verbotenen Gesamtvereins Collegium Humanum.

(1)

Die historische Entwicklung des Klägers und sein in objektiven Tatsachen zum Ausdruck kommendes Selbstverständnis weisen deutlich auf seine organisatorische Einbindung in das Collegium Humanum hin.

Der im Jahr 1987 gegründete Kläger erfüllte zunächst eine dienende Funktion für den bis zum Ende des Jahres 2000 existierenden WSL-D. Diese Funktion wurde bereits durch den ursprünglichen Namen des Klägers - "Bauernhilfe des WSL-D" - verdeutlicht und manifestierte sich darüber hinaus in seinen Gründungsstatuten vom 24./25. Juli 1987. Nach § 1 Satz 3 der Statuten bestand die Zielsetzung des Klägers auch in der Verwaltung aller für den ökologischen Land- und Gartenbau zweckgebundenen Spenden des WSL-D. Wie sich § 1 Satz 1 und 2 der Statuten entnehmen lässt, war der Kläger im Zusammenhang mit einem entsprechend gebundenen Vermächtnis an den WSL-D gegründet worden. Nach der in § 4 Satz 1 und 2 der Statuten geregelten Besetzung des Kuratoriums des Klägers bestand dieses mehrheitlich aus Mitgliedern des WSL-D. Der Bundesvorstand des WSL-D hatte diese Regelung ausweislich des Protokolls über seine Sitzung vom 26. August 1987 vorgesehen, weil er "die WSL-Interessen jederzeit gewahrt" wissen wollte. Ferner sicherten die Statuten in § 6 Satz 3, der eine Änderung der Satzung an eine vorhergehende Genehmigung durch den WSL-D band, in § 8 Satz 2, der die Bundesgeschäftsstelle des WSL-D dem Vorsitzenden des Klägers für die Wahrnehmung seiner Aufgaben zur Verfügung stellte, und in § 11, der die Prüfung der Kasse des Klägers in die Kompetenz der Bundeskassenprüfer des WSL-D legte, die organisatorische Bindung des Klägers an und seine Beherrschung durch den WSL-D. Obwohl sich der Kläger im gerichtlichen Verfahren gegen diese Schlussfolgerung gewandt hat, hat er deren Grundlagen im Ergebnis dadurch bestätigt, dass er das Bedürfnis einer Sicherung des Verwendungszwecks der dem WSL-D gespendeten Gelder hervorgehoben hat.

Ergänzend zu dieser satzungsmäßig verankerten Beherrschung des Klägers durch den WSL-D gab es bereits zu Zeiten der Existenz des WSL-D rechtliche Bindungen des Klägers auch an das Collegium Humanum. So sollte nach § 4 Satz 1 der Statuten des Klägers dessen Kuratorium immer ein Vorstandsmitglied des Collegium Humanum angehören. Außerdem sollte gemäß § 12 der Statuten das Vermögen des Klägers bei einer Auflösung des WSL-D oder bei einem Wegfall des bisherigen Zwecks des Klägers an das Collegium Humanum fallen, dem es oblag, die Mittel weiter für den ökologischen Landbau zu verwenden. Diese Bindungen des Klägers an das Collegium Humanum waren im Gegenzug wieder insoweit an den WSL-D rückgekoppelt, als das Collegium Humanum seinerseits Mitglied des WSL-D war, mit dem es zudem gemeinsam die Zeitschrift "Lebensschutz-Informationen LSI - Stimme des Gewissens" (im Folgenden: LSI) herausgab. Diese Zeitschrift nutzte nach § 9 Satz 2 seiner Statuten wiederum der Kläger als Mitteilungsorgan.

Mit seiner Auflösung am Ende des Jahres 2000 wurde der WSL-D in das Collegium Humanum überführt. Das Bestreben des WSL-D und des Collegium Humanum, jenen in diesem Verein aufgehen zu lassen, kam bereits in der Einladung des WSL-D vom 11. Oktober 2000 zu der Mitgliederversammlung am 3. Dezember 2000 zum Ausdruck. Darin heißt es, auf einer erweiterten Vorstandssitzung des WSL-D mit Vorstandsmitgliedern des Collegium Humanum am 23. September 2000 sei beschlossen worden, dass aus organisatorischen Gründen und auch, weil der Name des Weltbundes nicht mehr zutreffe, eine Fusion bzw. Auflösung des WSL-D wünschenswert erscheine. Die Mitgliederversammlung des WSL-D vom 3. Dezember 2000 beschloss ausweislich des darüber gefertigten Protokolls, "den WSL-D zum 31.12.2000 aufzulösen und zum 1.1.2001 in den gemeinnützigen Verein COLLEGIUM HUMANUM zu überführen." Hinsichtlich der Konten des WSL-D bei der Volksbank in Vlotho legte sie fest, dass "lediglich der Name WSL ... in COLLEGIUM HUMANUM als Kontoeigentümer" geändert werden solle.

Durch die Überführung des WSL-D in das Collegium Humanum wurde dieses der Sache nach zum Funktionsnachfolger des WSL-D. Damit wurde aus dem Kläger als einer dem WSL-D eingegliederten und nachgeordneten Organisationseinheit eine solche des Collegium Humanum. Dieser Prozess wurde begünstigt durch die bereits zuvor bestehenden rechtlichen Bindungen zwischen dem Kläger und dem Collegium Humanum. Im Rahmen der letzten Mitgliederversammlung des WSL-D am 3. Dezember 2000 bestand dementsprechend nach dem Protokoll Klarheit darüber, dass es "in Zukunft ... nicht mehr die Bauernhilfe des WSL-D heißen können (wird), da dieser aufgelöst wird, sondern die Bauernhilfe im COLLEGIUM HUMANUM, vormals des WSL."

Diese Eingliederung des Klägers in das Collegium Humanum wurde entgegen seinem Vorbringen im gerichtlichen Verfahren nicht dadurch aufgelöst, dass er am 1. September 2005 in das Vereinsregister eingetragen wurde, hierdurch gemäß § 21 BGB Rechtsfähigkeit erlangte und sich bereits zuvor am 20. Juni 2004 eine neue Satzung gegeben hatte. Wie aus § 3 Abs. 3 Satz 2 VereinsG geschlossen werden kann, ist es für die Qualifikation einer Vereinigung als Teilorganisation eines anderen Verbandes unerheblich, ob die betreffende Organisation eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt oder nicht (vgl. dazu: Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 3 Rn. 32; Wache, in: Erbs/ Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Bd. 4, Stand Mai 2009, V 52, § 3 Rn. 23). Im Falle des Klägers war der Erwerb der Rechtsfähigkeit nach dem aus den objektiven Umständen ersichtlichen Selbstverständnis der Beteiligten gerade nicht auf eine organisatorische Verselbstständigung, sondern im Gegenteil darauf gerichtet, das Collegium Humanum fortan noch wirksamer zu unterstützen, insbesondere dessen Grundvermögen nach Art eines Treuhänders zu übernehmen, um diese Werte für den Fall eines Verbots des Collegium Humanum vor einer Beschlagnahme zu schützen. Im Ergebnis sollte das Collegium Humanum so in die Lage versetzt werden, seine strafgesetzwidrigen und gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen, die der erkennende Senat in seinem Urteil vom heutigen Tage in dem Verfahren zum Aktenzeichen BVerwG 6 A 3.08 dargestellt hat, ohne Furcht vor einem staatlichen Zugriff auf seine wertvollsten finanziellen Ressourcen fortsetzen zu können. Diese Operation hatte zur Voraussetzung, dass der Kläger den Status eines rechtsfähigen Vereins erlangte, da nach der hergebrachten Praxis der Grundbuchämter nicht rechtsfähige Vereine als nicht grundbuchfähig angesehen wurden (vgl. Heinrichs/Ellenberger, in: Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 54 Rn. 8).

Dass dem Kläger die Übernahme einer solchen Treuhandfunktion für das Collegium Humanum zugedacht war, wird bereits daran deutlich, dass die Vorsitzende des Collegium Humanum im Zusammenhang mit der Einladung zu der außerordentlichen Mitgliederversammlung dieses Vereins am 20. Juni 2004, in der die Übertragung der Liegenschaften auf den Kläger beschlossen wurde, darauf hingewiesen hatte, dass "alles verhältnismäßig schnell über die Bühne gehen (muss), um von vornherein eine Möglichkeit der Beschlagnahme des Vereinsvermögens des COLLEGIUM HUMANUM zu verhindern."

Für eine derartige Treuhandfunktion des Klägers spricht ferner der Inhalt des notariellen Grundstücksübertragungsvertrages, den das Collegium Humanum und der Kläger am 31. Januar 2006 abschlossen. In der Präambel des Vertrages heißt es, der Kläger sei bisher mit einer gewissen Selbstständigkeit innerhalb des Collegium Humanum tätig gewesen. Nach § 3 des Vertrages wurden die Grundstücke ohne Vereinbarung einer Gegenleistung übertragen. Nach § 4 Nr. 3 der Vereinbarung behielt sich das Collegium Humanum den Nießbrauch an dem mit seiner Tagungsstätte bebauten Grundstück vor, "um in dem Gebäude weiter seine Schulungsarbeit leisten zu können." In § 9 des Vertrages wurde zu Gunsten des Collegium Humanum ein durch Vormerkung gesichertes Rückerwerbsrecht gegen Zahlung von einem Euro für den Fall der Auflösung oder Insolvenz des Klägers oder der Veräußerung des Grundbesitzes vereinbart.

Schließlich wird die den Rechtsakten zu Grunde liegende Intention deutlich in einem von der Vorsitzenden des Klägers und des Collegium Humanum kurz nach Abschluss des Grundstücksübertragungsvertrages unter dem 2. Februar 2006 abgefassten Schreiben, in dem es heißt: "Da im Augenblick eine Schließung der Tagungsstätte aus politischen Gründen nicht möglich ist, da sie der Bauernhilfe gehört, sollten wir also noch einige Jahre ganz gut über die Runden kommen." Soweit der Kläger im gerichtlichen Verfahren geäußert hat, bei der Übernahme der Grundstücke des Collegium Humanum habe es sich um den ersten Schritt in Richtung auf das Ziel gehandelt, ihn als Nachfolgeorganisation für das an einer Überalterung seiner Mitglieder leidende Collegium Humanum zu etablieren, vermag dies an der Einschätzung seiner Funktion zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung vom 18. April 2008 nichts zu ändern. Die Funktion des Klägers sollte vielmehr jedenfalls noch für einige Jahre darin bestehen, die Tätigkeit des Collegium Humanum zu sichern und zu unterstützen.

(2)

Zwischen den Zielen des Klägers und denjenigen des Collegium Humanum besteht in tatsächlicher Hinsicht eine weitgehende Übereinstimmung. Hierin liegt ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger eine Teilorganisation des Collegium Humanum ist.

Diese Zielübereinstimmung hat ihren Niederschlag in § 2 der geltenden Satzung des Klägers vom 23. August 2005 gefunden, in dem sich der Kläger zu einer Fortsetzung der Tradition des Weltbundes zum Schutze des Lebens verpflichtet. Dies kommt einem Bekenntnis zum Collegium Humanum gleich, da dieses - wie oben dargelegt - schon vor Errichtung der geltenden Satzung des Klägers die Funktionsnachfolge des WSL-D angetreten hatte.

Der Vortrag des Klägers, er habe im Zuge seiner Neuorganisation im Jahr 2004, die auch mit dem Vereinseintritt mehrerer praktischer Landwirte verbunden gewesen sei, die früheren engen Beziehungen zum Collegium Humanum gelöst und sich verstärkt seinem seit jeher bestehenden und auch in § 2 der geltenden Satzung verankerten Vereinsziel der Förderung des ökologischen Landbaus gewidmet, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn es lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger beim Erlass der angefochtenen Verfügung und in überschaubarer Zeit davor durch eine entsprechende Nutzung der von dem Collegium Humanum übertragenen Flächen oder in anderer Hinsicht in einer seine Eigenständigkeit begründenden Weise im Sinne des ökologischen Landbaus tätig gewesen wäre.

Das Finanzamt Kassel-Hofgeismar begründete seine Einspruchsentscheidung vom 15. Januar 2007, mit der es den Widerruf der Gemeinnützigkeit des Klägers im körperschaftssteuerrechtlichen Sinne bestätigte, unter anderem mit der Erwägung, der Kläger habe für die Veranlagungsjahre 2002 bis 2005 nicht erkennbar aufgezeigt, wie eine Förderung der Allgemeinheit auf dem Gebiet des Umweltschutzes erreicht worden sei. Eine eigene Vortrags- und Informationstätigkeit durch Veranstaltungen und Seminare zum ökologischen Landbau habe nicht belegt werden können, eine eigene Tätigkeit des Klägers oder seiner Organe zur Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke sei nicht zu erkennen. Zudem habe der Kläger Mittel für satzungsfremde Zwecke verausgabt, indem er Darlehen in Höhe von insgesamt 25 000 EUR zinslos und ungesichert an das Nichtmitglied Horst Mahler ausgekehrt habe.

Dass der Kläger in der Zeit ab 2006 ins Gewicht fallende Maßnahmen zur Förderung des ökologischen Landbaus ergriffen hätte, ist auch sonst nicht ersichtlich. So ist zwar in dem Protokoll über die Mitgliederversammlung des Klägers vom 3. Dezember 2006 vermerkt, dass beschlossen worden sei, den Saatzuchtbetrieb des Vereinsmitgliedes Karl-Ernst Osthaus in Russland mit 3 000 EUR zu unterstützen. Der Kläger hat jedoch im gerichtlichen Verfahren zu den Einzelheiten dieses Beschlusses und zu dessen Verwirklichung nichts vorgetragen und ihn nicht einmal selbst zur Begründung seiner Eigenständigkeit herangezogen. Die Vorsitzende des Klägers hat jedenfalls in ihrem bereits genannten Brief vom 2. Februar 2006 rein taktische Erwägungen angestellt, indem sie ausführte, für den Erhalt der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit sei es notwendig, "dass wir wenigstens ein oder zwei ökologische landwirtschaftliche Maßnahmen machen müssen. Wie das geht, weiß ich noch nicht." In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat hat sich die Vereinsvorsitzende weiterhin sinngemäß dahin eingelassen, ein von dem Kläger initiierter Gärtnerhof auf den von dem Collegium Humanum übertragenen Flächen sei über die Anfangsphase bisher nicht hinausgelangt. Im Hinblick auf diesen Gärtnerhof hat sie überdies erklärt, in früheren Jahren, auch vor der Gründung des Klägers, habe bereits das Collegium Humanum einen Gärtnerhof zum Zweck der Veranschaulichung damals abgehaltener Seminare mit ökologischer Thematik betrieben. Vor diesem Hintergrund ließe sich selbst für den Fall, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Verbotserlasses bereits in messbarem Umfang ein vergleichbares Projekt betrieben haben sollte, ein bewusstes Anknüpfen an die - frühere - Tätigkeit des Collegium Humanum und damit eine zusätzliche Zielübereinstimmung feststellen.

(3)

Die Eigenschaft des Klägers als Teilorganisation des Collegium Humanum wird weiter durch Verbindungen der beiden Vereine in finanzieller und vermögensmäßiger Hinsicht indiziert.

In diesem Zusammenhang kann zunächst auf die bereits geschilderte Grundstücksübertragung und die damit verbundene Treuhandfunktion des Klägers für das Collegium Humanum verwiesen werden. Daneben gibt es weitere, ähnlich starke Verknüpfungen.

So war in § 12 der Statuten des Klägers vom 24./25. Juli 1987 festgelegt, dass das Vermögen des Klägers bei Auflösung des WSL-D an das Collegium Humanum fallen sollte. In dieser Weise wurde jedoch am Ende des Jahres 2000, als sich der WSL-D auflöste und in dem Collegium Humanum aufging, nicht verfahren. Vielmehr wurde dem weiter bestehenden Kläger sein Vermögen belassen, woraus zu schließen ist, dass dieser Zustand aus der Sicht der Verantwortlichen der beteiligten Vereine einer Übertragung des Vermögens auf das Collegium Humanum gleichkam.

Ferner hat das Collegium Humanum dem Kläger am 30. Januar 2008 einen Betrag von 20 000 EUR als sog. kurzfristiges Darlehen überwiesen. Dass diese Vermögenstransaktion einen anderen Zweck als den des Beiseiteschaffens von Geld zur Vereitelung eines staatlichen Zugriffs gehabt haben könnte, ist auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers im Gerichtsverfahren nicht ersichtlich.

(4)

Die Einbindung des Klägers in das Collegium Humanum ergibt sich auch aus zahlreichen Verflechtungen in personeller Hinsicht.

Die bedeutendste dieser Überschneidungen besteht darin, dass Frau Ursula Haverbeck-Wetzel seit Jahren in Personalunion sowohl Vorsitzende des Collegium Humanum als auch des Klägers ist. Der Kläger hat selbst eingeräumt, dass sich seine Vereinsarbeit jedenfalls seit dem Jahr 2006 stark auf die Vorsitzende beschränkt habe. Hinzu kommt eine weitere Verknüpfung der Vorstände beider Vereine in der Person von Dr. Thomas Meissner, der seit Ende 2005 Schatzmeister des Collegium Humanum und seit 2004 Beisitzer im Vorstand des Klägers ist. Darüber hinaus ist Frau Rosemarie Meissner, die noch als stellvertretende Vorsitzende des Klägers geführt wird, einfaches Mitglied des Collegium Humanum. Schließlich ergibt sich aus einem Vergleich der Mitgliedslisten beider Vereine mit Stand vom 24. Januar 2008, dass über die Hälfte der Mitglieder des Klägers zugleich dem Collegium Humanum angehört.

(5)

Die Integration des Klägers in die Organisation des Collegium Humanum spiegelt sich schließlich in seinem praktischen Vereinsleben wider.

So hat der Kläger zwar formell seinen Sitz in Söhrewald (Hessen). Seine Mitgliederversammlungen hält er jedoch stets in der Tagungsstätte in Vlotho (Nordrhein-Westfalen) ab, die sich - wie bereits dargelegt - seit Anfang des Jahres 2006 formell in seinem Eigentum befindet, wirtschaftlich aber nach wie vor dem Collegium Humanum zugeordnet werden muss. Die Mitgliederversammlungen des Klägers liegen häufig in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu den Mitgliederversammlungen des Collegium Humanum und werden in der Vereinszeitschrift des Collegium Humanum - auch zusammen mit den Mitgliederversammlungen des letztgenannten Vereins - angekündigt. Vielfach nehmen an den Mitgliederversammlungen des Klägers Mitglieder des Collegium Humanum als Gäste teil.

cc)

Die von § 3 Abs. 3 Satz 2 VereinsG geforderte ausdrückliche Benennung als Voraussetzung für die Erstreckung eines Vereinsverbots auf eine nichtgebietliche Teilorganisation mit eigener Rechtspersönlichkeit, wie sie der Kläger darstellt, liegt vor. Das Bundesministerium des Innern hat den Kläger in der Verbotsverfügung vom 18. April 2008 ausdrücklich als in die Verfügung einbezogene derartige Teilorganisation bezeichnet.

2.

Die in der Verfügung vom 18. April 2008 neben dem Vereinsverbot auch mit Bezug auf den Kläger enthaltenen weiteren Entscheidungen (Auflösung des Klägers, Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen, Kennzeichenverbot, Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens) finden ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 2, § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften knüpfen an das ausgesprochene Vereinsverbot an.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 30 000 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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