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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.03.1999
Aktenzeichen: BVerwG 6 B 121.98
Rechtsgebiete: ZPO, VwGO, KDVG


Vorschriften:

ZPO § 548
VwGO § 155 Abs. 5
VwGO § 166
KDVG § 6
Leitsätze:

1. In Kriegsdienstverweigerersachen unterliegt ein erstinstanzlicher Beschluß, durch den Prozeßkostenhilfe versagt wird und der als Gehörsverstoß dem nachfolgenden Urteil des Verwaltungsgerichts anhaftet, der Überprüfung durch das Revisionsgericht.

2. Prozeßkostenhilfe kann grundsätzlich nicht mit der Begründung verweigert werden, der Kläger müsse auch im Fall seines Obsiegens nach § 155 Abs. 5 VwGO die Verfahrenskosten tragen. Allein damit, daß ein früherer Antrag bestandskräftig abgelehnt worden ist, läßt sich in Kriegsdienstverweigerungsangelegenheiten die Anwendung des § 155 Abs. 5 VwGO nicht rechtfertigen.

3. Ist das erste Anerkennungsverfahren durch eine formelle Entscheidung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 KDVG unanfechtbar abgeschlossen worden, weil der Wehrpflichtige keine der in § 2 Abs. 2 KDVG aufgeführten Unterlagen beigebracht hat, so entfällt im Zweitverfahren die Pflicht zur gesonderten Darlegung neuer Umstände; dagegen erfordert die Nachlässigkeit im Erstverfahren die entsprechend kritische Würdigung im Zweitverfahren, ob das in der Vergangenheit gezeigte Verhalten Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Gewissensentscheidung hervorruft.

Beschluß des 6. Senats vom 8. März 1999 - BVerwG 6 B 121.98 -

I. VG Schleswig vom 21.08.1998 - Az.: VG 7 A 82/98 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 6 B 121.98 (6 PKH 12.98) VG 7 A 82/98

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 8. März 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Niehues und die Richter Albers und Büge

beschlossen:

Dem Kläger wird für das Beschwerdeverfahren Prozeßkostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Sünnenwold aus Berlin beigeordnet.

Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 21. August 1998 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe beruht auf § 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 115, 121 Abs. 1 ZPO.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat Erfolg. Sie führt gemäß § 133 Abs. 6 VwGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht. Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen vor.

1. Die mit der Beschwerde geltend gemacht Gehörsrüge greift durch. Das Verwaltungsgericht hat dadurch den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, daß es ihm in rechtswidriger Weise Prozeßkostenhilfe vorenthalten und ihn damit um die Möglichkeit anwaltlichen Beistandes in der mündlichen Verhandlung gebracht hat.

a) Den Anforderungen an die Bezeichnung des Verfahrensmangels gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hat der Kläger in der Beschwerdebegründung entsprochen. Allerdings erfordert die Rüge, das rechtliche Gehör sei verletzt, regelmäßig die substantiierte Darlegung dessen, was die Prozeßpartei bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (Beschluß vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO Nr. 26 m.w.N.). Eine Ausnahme wird indes für Fälle anerkannt, in denen der Gehörsverstoß nicht einzelne Feststellungen der Vorinstanz betrifft, sondern das Gesamtergebnis des Verfahrens, wie etwa bei der verfahrensfehlerhaften Durchführung einer mündlichen Verhandlung, an der nicht alle Beteiligten teilnehmen konnten. Ein solcher Fall liegt auch vor, wenn der Kläger wie hier durch den Verfahrensfehler daran gehindert wird, sich im Termin anwaltlich vertreten zu lassen (Urteil vom 3. Juli 1992 - BVerwG 8 C 58.90 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 248; Beschluß vom 28. August 1992 - BVerwG 5 B 159.91 - a.a.O. Nr. 252; Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 133 Rn. 41). Die Ausführungen in Abschnitt II 2 der Beschwerdebegründung sind daher nicht deswegen unzureichend, weil es dort an konkreten Darlegungen dazu fehlt, welchen - entscheidungserheblich anderen - Verlauf die mündliche Verhandlung im einzelnen genommen hätte, wenn der Prozeßbevollmächtigte des Klägers zugegen gewesen wäre.

b) Die Gehörsrüge greift auch in der Sache durch. Aufgrund des ablehnenden Prozeßkostenhilfebeschlusses vom 6. August 1998 ist dem Kläger im erstinstanzlichen Verfahren rechtliches Gehör versagt geblieben.

aa) An der Überprüfung dieses Beschlusses im Rahmen des vorliegenden, auf Zulassung der Revision gerichteten Beschwerdeverfahrens ist der Senat nicht deswegen gehindert, weil der Beschluß gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 KDVG unanfechtbar ist. Ein solches Hindernis folgt insbesondere nicht aus der gemäß § 173 VwGO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 548 ZPO. Danach unterliegen der Beurteilung des Revisionsgerichts nicht die dem Endurteil vorausgegangenen unanfechtbaren Entscheidungen. Der Anwendungsbereich jener Vorschrift ist in zweifacher Hinsicht eingeschränkt: Sie erfaßt einmal nicht diejenigen Vorentscheidungen, die zwar nach allgemeinem Prozeßrecht typischerweise anfechtbar sind, wegen eines spezialgesetzlich normierten Rechtsmittelausschlusses aber nicht angegriffen werden können (Urteil vom 5. November 1970 - BVerwG 8 C 73.69 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 8; Urteil vom 5. Dezember 1975 - BVerwG 6 C 129.74 - BVerwGE 50, 36; Urteil vom 16. April 1997 - BVerwG 6 C 9.95 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 382 S. 184). Ein solcher Fall liegt hier vor; denn die erstinstanzliche Versagung von Prozeßkostenhilfe ist generell nach Maßgabe von § 146 Abs. 4 VwGO anfechtbar, hier aber wegen § 19 Abs. 2 Satz 1 KDVG unanfechtbar. Sodann wird durch § 548 ZPO die Rüge von solchen Verfahrensmängeln nicht ausgeschlossen, die als Folgen der beanstandeten Vorentscheidung weiterwirkend der angefochtenen Sachentscheidung anhaften, also insbesondere nicht die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (Urteil vom 17. Februar 1972 - BVerwG 8 C 84.70 - BVerwGE 39, 319, 324; Beschluß vom 21. Februar 1973 - BVerwG 4 CB 68.72 - Buchholz 310 § 173 VwGO Anh. § 548 ZPO Nr. 2; Beschluß vom 16. Februar 1988 - BVerwG 5 B 13.88 - Buchholz 303 § 548 ZPO Nr. 4; Beschluß vom 22. Dezember 1997 - BVerwG 8 B 255.97 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 16; Beschluß vom 3. Februar 1998 - BVerwG 1 B 4.98 - InfAuslR 1998, 219). Auch dieser Gesichtspunkt greift hier ein. Denn die Versagung von Prozeßkostenhilfe durch den unanfechtbaren Beschluß vom 6. August 1998 haftet als Gehörsverstoß dem angefochtenen Urteil an (vgl. in diesem Zusammenhang BSG, Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 R - MDR 1998, 1367).

bb) Der Beschluß des Verwaltungsgerichts vom 6. August 1998 steht nicht im Einklang mit geltendem Recht.

Gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO ist - von den hier gegebenen finanziellen Voraussetzungen abgesehen - Prozeßkostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Indem das Verwaltungsgericht im Prozeßkostenhilfe versagenden Beschluß die Erfolgsaussichten der Klage als offen bezeichnet und auf die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme hingewiesen hat, hat es ersichtlich "hinreichende" Erfolgsaussichten in dem hier maßgeblichen Sinne bejahen wollen. Von einer Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung kann keine Rede sein.

Mutwillig im Sinne von § 114 ZPO handelt derjenige, der davon abweicht, was eine verständige, ausreichend bemittelte Partei in einem gleichliegenden Fall tun würde (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 57. Auflage 1999, § 114 Rn. 107 m.w.N.). Auch ein verständiger, ausreichend bemittelter Wehrpflichtiger hätte anstelle des Klägers das Begehren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer klageweise weiterverfolgt und sich dabei eines Rechtsanwalts bedient. Der Umstand, daß der Kläger sein erstes Anerkennungsverfahren nur nachlässig betrieben hatte, ist nicht geeignet, ihm die Berechtigung dafür abzusprechen, das zweite Anerkennungsverfahren nunmehr ernsthaft, mit dem nötigen Nachdruck und unter Inanspruchnahme der durch das Verfahrensrecht eingeräumten Möglichkeiten zu betreiben.

Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts ist es nicht gerechtfertigt, in einem Fall des § 155 Abs. 5 VwGO stets Prozeßkostenhilfe zu versagen. Die Vorschriften des Prozeßkostenhilferechts und die Regelung in § 155 Abs. 5 VwGO dienen unterschiedlichen Zielen. Während das Prozeßkostenhilferecht die Chancengleichheit wirtschaftlich schwächer gestellter Bevölkerungskreise vor Gericht herstellen will, ermöglicht § 155 Abs. 5 VwGO die Korrektur eines kostenerhöhenden Fehlverhaltens der obsiegenden Partei. Beide Regelungskomplexe haben grundsätzlich nichts miteinander zu tun, auch wenn nicht ausgeschlossen werden mag, daß ein von § 155 Abs. 5 VwGO erfaßtes Verhalten zugleich als mutwillig im Sinne von § 114 ZPO angesehen werden kann. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier indes, wie dargelegt, nicht vor. Allein damit, daß ein früherer Antrag bestandskräftig abgelehnt worden ist, läßt sich überdies in Kriegsdienstverweigerungsangelegenheiten die Anwendung des § 155 Abs. 5 VwGO nicht rechtfertigen.

cc) Aufgrund der rechtswidrigen Vorenthaltung von Prozeßkostenhilfe wurde dem Kläger in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts rechtliches Gehör versagt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfaßt die Befugnis, sich in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertreten zu lassen (Urteil vom 3. Juli 1992 - BVerwG 8 C 58.90 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 248 S. 97 m.w.N.). Dieses Recht ist dem Kläger durch die Ablehnung des Prozeßkostenhilfegesuchs genommen worden. Dagegen kann nicht eingewandt werden, daß der Prozeßbevollmächtigte auch ungeachtet der Verweigerung der Prozeßkostenhilfe am Termin hätte teilnehmen können.

Dem Prozeßbevollmächtigten anzusinnen, auf eigenes Kostenrisiko an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, kann nicht ernsthaft erwogen werden. Auch ist dem Kläger nicht zuzumuten, etwa vorhandenes, jedoch auf die Prozeßkostenhilfe nicht anzurechnendes Schonvermögen einzusetzen (§ 115 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 88 BSHG und VO zu § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG).

dd) Der Kläger hat in bezug auf die Ablehnung seines Prozeßkostenhilfegesuchs alles Zumutbare getan, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Er hat den Beschluß vom 6. August 1998 zum Anlaß genommen, mit Schriftsatz vom 17. August 1998 noch vor dem Termin eine Gegenvorstellung anzubringen, der das Verwaltungsgericht indes ausweislich seines Schreibens vom 19. August 1998 nicht gefolgt ist.

2. Die Abweichungsrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht ist nicht von der in der Beschwerdebegründung zitierten Senatsrechtsprechung abgewichen.

a) Nach dieser Rechtsprechung bezieht sich auch das in §§ 9 ff. KDVG geregelte "eingehendere" Prüfungsverfahren zunächst nur auf die Beurteilung des Anerkennungsbegehrens am Maßstab von § 5 Abs. 1 Nr. 2 und 3 KDVG sowie auf die Umstände, die nach dem Grund für die Zuständigkeit der Ausschüsse und Kammern zu Zweifeln an der geltend gemachten Gewissensentscheidung Anlaß geben; diesen Zweifeln, die der Wehrpflichtige durch sein eigenes gegensätzliches Verhalten selbst begründet hat, muß das Prüfungsgremium zunächst nachgehen. Eine "Vollprüfung" - als zweiter Prüfungsabschnitt - ist erst dann zulässig und geboten, wenn sich die Zweifel anders nicht ausräumen lassen (Urteil vom 3. Dezember 1986 - BVerwG 6 C 50.85 - BVerwGE 75, 201, 206 f.; Urteil vom 21. Juni 1989 - BVerwG 6 C 34.87 - Buchholz 448.6 § 5 KDVG Nr. 3 S. 11).

Einen von diesen Grundsätzen abweichenden Rechtssatz hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil nicht aufgestellt. Im Gegenteil belegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts dazu, daß der Kläger die von ihm gesetzten äußeren Umstände hinsichtlich des nachlässigen Betreibens des Erstverfahrens (keine Vervollständigung der Antragsunterlagen, keine Anfechtung des Ablehnungsbescheides vom 3. Juni 1996) sowie den Zeitpunkt der zweiten Antragsstellung und die damit begründeten Zweifel an der Ernstlichkeit seiner Gewissensentscheidung nicht habe ausräumen können (S. 13 unten/14 oben des Urteilsabdrucks), daß das Verwaltungsgericht sich an der in der Senatsrechtsprechung entwickelten zweistufigen Prüfung orientiert, eine "Vollprüfung" somit erst vorgenommen hat, nachdem sich im ersten Prüfungsabschnitt die Zweifel an der Ernsthaftigkeit der geltend gemachten Gewissensentscheidung nicht ausräumen ließen. Dagegen spricht nicht, daß sich die fragliche Passage erst am Ende der Urteilsgründe findet. Dieser Umstand ist nicht auf einen materiellrechtlich fehlerhaften Maßstab, sondern ersichtlich auf darstellungstechnische Gründe zurückzuführen. Da es im vorliegenden Fall um einen Zweitantrag - nach unanfechtbar abgeschlossenem ersten Anerkennungsverfahren - geht, sah sich das Verwaltungsgericht veranlaßt, die Prüfung, ob neue Umstände geltend gemacht wurden und auch tatsächlich vorlagen, im Zusammenhang darzustellen. Mit diesem Aufbau der Entscheidungsgründe hat das Verwaltungsgericht indes den logischen Vorrang des ersten Prüfungsabschnitts - Nichtausräumbarkeit der Zweifel als Voraussetzung für die "Vollprüfung" - in der Sache nicht in Frage gestellt. Der Gang der Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, wie er aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist (zuerst Beweggründe für die Erst- und die erneute Antragstellung, sodann Unvollständigkeit der Unterlagen und Verzicht auf Klage gegen den Ablehnungsbescheid vom 3. Juni 1996, schließlich sittliche Gründe für die Kriegsdienstverweigerung) bestätigt jene Einschätzung. Angesichts dessen kommt der allgemeinen Fassung des Beweisthemas kein ausschlaggebendes Gewicht zu. Entscheidet ein Einzelrichter, ist eine Zwischenberatung oder ein Hinweis auf den Übergang zur Vollprüfung jedenfalls dann entbehrlich, wenn der Gang der Parteivernehmung - wie hier - eine Struktur erkennen läßt, aus der Einzelrichter (hier: die Einzelrichterin) die Zweistufigkeit des Prüfungsverfahrens mit ihren unterschiedlichen Prüfungsmaßstäben berücksichtigt hat.

b) Mit der Abweichungsrüge wird ferner geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe nicht die "lästige Alternative" des drei Monate länger dauernden Zivildienstes als Indiz für den Nachweis der Glaubwürdigkeit der geltend gemachten Gewissensentscheidung gewürdigt. Der Senat geht davon aus, der Kläger habe damit in einer den formellen Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO noch Rechnung tragenden Weise darlegen wollen, das Verwaltungsgericht habe seiner Entscheidung einen Rechtssatz des Inhalts zugrunde gelegt, daß in einem Zweitantragsfall wie dem vorliegenden der verlängerte Zivildienst als tragendes Indiz für die Glaubhaftigkeit der geltend gemachten Gewissensentscheidung ausscheide, und sich damit in Widerspruch zu anderslautender Senatsrechtsprechung gesetzt. Tatsächlich läßt sich dem angefochtenen Urteil ein derartiger Rechtssatz jedoch nicht entnehmen. Zwar ist das Verwaltungsgericht auf die Bereitschaft des Klägers zum verlängerten Zivildienst in den Entscheidungsgründen nicht eingegangen. Daraus läßt sich jedoch mit Blick auf den Zusammenhang in den Entscheidungsgründen nicht ohne weiteres schließen, das Verwaltungsgericht habe die Rechtserheblichkeit jenes Gesichtspunkts grundsätzlich ausschließen wollen. Vielmehr erscheint ebensogut denkbar, daß das Verwaltungsgericht der Bereitschaft zur Ableistung des verlängerten Zivildienstes in beiden Prüfungsabschnitten kein entscheidendes Gewicht zugunsten des Klägers beizumessen vermocht hat. Hierfür spricht die Eindeutigkeit, mit der das Verwaltungsgericht die Nachlässigkeiten des Klägers herausgestrichen und seine Kriegsdienstverweigerung als bloß verstandesmäßige Entscheidung gewertet hat. Die Beschwerdebegründung rechtfertigt keine weitergehenden Schlüsse.

3. Ein Verfahrensfehler im Zusammenhang mit der Anwendung des § 6 Abs. 1 VwGO ist nicht ersichtlich. Mit Blick auf die obigen Ausführungen zur Abweichungsrüge ist nicht erkennbar, daß die vorliegende Sache besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweist. Ausweislich der Beschwerdebegründung geht der Kläger selbst davon aus, daß sein Fall anhand vorliegender Senatsrechtsprechung entschieden werden kann. Die in Abschnitt II 3 der Beschwerdebegründung genannten Aspekte sind offensichtlich ungeeignet, besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufzuzeigen.

4. Im Hinblick auf den unter 1. festgestellten Verfahrensfehler macht der Senat von seinem in § 133 Abs. 6 VwGO eingeräumten Ermessen Gebrauch, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Eine zugelassene Revision würde voraussichtlich zum gleichen Ergebnis führen. Der Senat sieht davon ab, auf die in Abschnitt II 1 der Beschwerdebegründung weiter geltend gemachte Verfahrensrüge einzugehen. Denn der Kläger erhält durch die Zurückverweisung im erstinstanzlichen Verfahren Gelegenheit, auf die Berücksichtigung derjenigen Umstände hinzuwirken, deren Würdigung im angefochtenen Urteil er vermißt. Hingegen sieht sich der Senat veranlaßt, für das erneute Verfahren vor dem Verwaltungsgericht auf folgendes hinzuweisen:

Da es hier um einen Zweitantrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer geht, erhebt sich die Frage, ob und inwieweit sich die gerichtliche Prüfung des Anerkennungsbegehrens auf die Geltendmachung neuer Umstände erstrecken muß. Die Bereitschaft zur Ableistung des verlängerten Zivildienstes kann - anders als früher in den Übergangsfällen - ein solcher neuer Umstand nicht sein, da bereits das erste Anerkennungsbegehren eine derartige Bereitschaft umfaßte (Urteil vom 6. September 1990 - BVerwG 6 C 4.90 - Buchholz 448.6 § 19 KDVG Nr. 4 S. 3). Im übrigen ist nach der Senatsrechtsprechung in bezug auf die Anforderungen an das Vorbringen im Zweitverfahren danach zu differenzieren, ob das erste Anerkennungsbegehren bereits wegen nicht geltend gemachter oder erst wegen nicht nachgewiesener Gewissensentscheidung abgelehnt worden ist (Urteil vom 3. Februar 1988 - BVerwG 6 C 49.86 - BVerwGE 79, 33, 38). Diese Differenzierung paßt freilich nicht auf den vorliegenden Fall, in welchem das erste Anerkennungsbegehren durch eine formelle Entscheidung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 KDVG unanfechtbar abgeschlossen wurde, nachdem der Kläger keine der in § 2 Abs. 2 KDVG aufgeführten Unterlagen beigebracht hatte. In einem derartigen Fall läßt sich, weil es an jeglicher Darlegung der Beweggründe für die Gewissensentscheidung fehlt, ein materieller Ablehnungsgrund nicht fixieren, der Anknüpfungspunkt für das Vorbringen im Zweitverfahren sein könnte. In einem solchen Fall entfällt damit die Notwendigkeit der Darlegung bestimmter neuer Umstände im Zweitantrag, wenn man von der Selbstverständlichkeit absieht, daß bereits während der Dauer des Erstverfahrens vorhandene Beweggründe im Zeitpunkt der Entscheidung über den Zweitantrag fortdauern und sich darüber hinaus mindestens verfestigt haben müssen.

Dagegen erfordert die Nachlässigkeit des Wehrpflichtigen im Erstverfahren (Nichtbeibringung der Unterlagen, Absehen von der gerichtlichen Anfechtung) im ersten Prüfungsabschnitt eine entsprechend kritische Würdigung, ob das in der Vergangenheit gezeigte Verhalten Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Gewissensentscheidung hervorruft. Ferner ist es auch im Zweitantragsverfahren gerechtfertigt, das Indiz der Inkaufnahme der "lästigen Alternative" des verlängerten Zivildienstes als indiziellen Beweis der Ernsthaftigkeit der erneut geltend gemachten Gewissensentscheidung anzusehen. Dieses Indiz hat hier zwar nicht dasselbe Gewicht wie in den Übergangsfällen, in denen der Zweitantrag erstmals auf die Ableistung des verlängerten Zivildienstes gerichtet war. Hingegen fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten, die es gebieten könnten, den "Normalfall" der erneuten Antragstellung bei unveränderter Rechtslage in bezug auf die Indizwirkung des verlängerten Zivildienstes grundsätzlich anders zu behandeln als den Erstantrag (Urteil vom 3. Dezember 1986 - BVerwG 6 C 50.85 - BVerwGE 75, 201, 207). Daß zuvor die schlüssige Darlegung einer Gewissensentscheidung bejaht worden sein muß (Urteil vom 3. Dezember 1986 - BVerwG 6 C 2.86 - Buchholz 448.6 § 22 KDVG Nr. 2 S. 12 f.; Urteil vom 3. Februar 1988 - BVerwG 6 C 49.86 - BVerwGE 79, 33, 37 f.), sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 1 und 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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