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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.02.2001
Aktenzeichen: BVerwG 6 B 3.01
Rechtsgebiete: VereinsG, StPO


Vorschriften:

VereinsG § 4
StPO § 53
StPO § 97
Leitsätze:

1. Auch nach der Verfügung eines Vereinsverbots sind gemäß § 4 VereinsG Ermittlungen der Verbotsbehörde mit dem Ziel zulässig, Beweismittel für einen etwaigen Anfechtungsprozess zu gewinnen.

2. Das Beschlagnahmeverbot gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 VereinsG i.V.m. § 97 Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 53 Abs. 1 Nr. 2 StPO findet keine Anwendung auf Gegenstände im Gewahrsam eines Vereinsvorstandes, der den Verein zugleich als Rechtsanwalt vertritt.

Beschluss des 6. Senats vom 9. Februar 2001 - BVerwG 6 B 3.01 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 6 B 3.01 OVG 11 K 854/98

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 9. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bardenhewer und die Richter Dr. Gerhardt und Dr. Graulich

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. März 2000 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 200 000 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil des Oberverwaltungsgerichts von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Oberverwaltungsgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die geltend gemachten Beschwerdegründe rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.

1. Die Beschwerde wird zunächst auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gestützt (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen verleihen der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.

a) Die vom Kläger vorgetragene "politische Brisanz" verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

b) Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob "dann, wenn die Geschäftsführung eines Vereins in einem anderen Bundesland liegt als der hauptsächliche Vermögenswert (...), ferner die Mitglieder eines Vereins vornehmlich nicht in dem Land wohnen, das verbieten möchte, gleichwohl mit Rücksicht auf den hauptsächlichen Vermögenswert und eine überwiegende Zahl von Vorstandssitzungen in einem Bundesland nur dieses Bundesland zuständig" ist. Zur Erläuterung verweist der Kläger auf die Vorgeschichte der Verbotsverfügung und stellt im Einzelnen dar, dass sein Tätigkeitsschwerpunkt nicht in Niedersachsen liege. Hingegen legt der Kläger nicht dar, worin die Rechtsfrage liegt, die auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts in einem Revisionsverfahren über den Fall hinaus zu klären ist.

Das Oberverwaltungsgericht ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwGE 80, 299, 301 f.) davon ausgegangen, dass der Bundesminister des Innern nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG für das Verbot nur solcher Vereinigungen zuständig ist, die - abgesehen von den Fällen länderübergreifender Organisation - über das Gebiet eines Bundeslandes hinaus durch nicht ganz unbedeutende Tätigkeiten anhaltend in Erscheinung treten. Es hat ausgeführt, der Tätigkeitsschwerpunkt des Klägers beschränke sich auf Niedersachsen; der formelle Vereinssitz sei nicht wesentlich; entscheidend sei die Verwirklichung des Vereinsziels durch den Betrieb des Heideheims; vereinzelte Aktivitäten außerhalb Niedersachsens und der Umstand, dass die - zudem in ihrer Bedeutung nur untergeordneten - Geschäfte in Hamburg geführt worden seien, bewirkten keine anhaltende länderübergreifende Tätigkeit.

Der Kläger greift mit seiner Beschwerde zwar die Rechtsanwendung des Oberverwaltungsgerichts an, zeigt aber nicht auf, inwiefern der Fall Anlass gibt, den erwähnten Rechtsgrundsatz weiterzuentwickeln. Für die Zuständigkeit der obersten Landesbehörde kommt es, da sich der Kläger nicht auf eine länderübergreifende Organisation beruft, nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VereinsG darauf an, dass sich die erkennbare Tätigkeit auf das Gebiet eines Landes beschränkt. Dem Beschwerdevorbringen lässt sich nicht entnehmen, dass dieser Tatbestand weiterer rechtsgrundsätzlicher Erläuterung bedürfte, nachdem geklärt ist, dass ganz unbedeutende oder vereinzelte Tätigkeiten über das Gebiet eines Bundeslandes hinaus die Zuständigkeit der obersten Landesbehörde nicht berühren. Insbesondere ist es eine Frage des Einzelfalls, welche Bedeutung Art und Umfang der Geschäftsführung eines Vereins in diesem Zusammenhang haben.

c) Die Frage, "ob ersichtlich falsche Behauptungen einer Verbotsbehörde ohne Beleg von Gerichten akzeptiert werden dürfen", hält der Kläger im Zusammenhang mit der Frage für klärungsbedürftig, inwieweit es einer Anhörung vor Erlass der Verbotsverfügung bedurft hätte. Diese Frage bedarf bereits deshalb keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantwortet ist. Nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Es genügt, dass die Behörde unter diesen Gesichtspunkten aufgrund der ihr bekannt gewordenen Tatsachen eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Die diesbezüglichen Erwägungen der Behörde unterliegen gerichtlicher Nachprüfung (vgl. Urteil vom 13. April 1999 - BVerwG 1 A 3.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 30 S. 3 = NVwZ-RR 2000, 70: "Die genannte Befürchtung der Beklagten lässt sich nach den Umständen nicht beanstanden"). Diese Nachprüfung erstreckt sich auf alle von der Behörde für maßgeblich gehaltenen Umstände.

d) Mit der Frage, "ob ein Propagieren der Erhaltung der nordischen Rasse als 'verfassungsfeindlich' zu qualifizieren ist", wirft der Kläger keine klärungsbedürftige Rechtsfrage auf. Er zeigt nicht auf, aus welchen Gründen es geboten sein könnte, dass sich das Revisionsgericht erneut mit den Verbotsgründen des § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG befasst. Insbesondere enthält die Beschwerdebegründung keinen Ansatzpunkt dafür, dass die zur Frage, wann eine Vereinigung sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze (vgl. etwa Urteil vom 13. April 1999, a.a.O. S. 4) weiterer Ausformung bedürften. Der Kläger führt aus, aus welchen Gründen er sich für berechtigt hält, sich für die "Erhaltung der nordischen Rasse" einzusetzen. Soweit er "diese Frage für rechtsrelevant" deshalb hält, weil Rechtssubjekt, von dem alle Gewalt ausgehe, das "deutsche Volk" sei, fehlt jeder revisionsgerichtlich erörterungsfähige Bezug zu den Vorschriften des Grundgesetzes (vgl. insbesondere Art. 3 Abs. 3, Art. 116 GG).

2. Die von der Beschwerde behauptete Divergenz zu Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ist nicht ordnungsgemäß gerügt. Die Rüge genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung des Revisionszulassungsgrundes des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz liegt nur vor, wenn das Oberverwaltungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgerückt ist; dabei müssen sich die Rechtssätze grundsätzlich auf dasselbe Gesetz beziehen. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt in diesem Zusammenhang, dass in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird, dass und inwiefern das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung auf einen in der genannten Weise widersprechenden Rechtssatz gestützt hat. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen nicht (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchhholz 310 § 133 n.F. VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328).

Der Kläger rügt, das erstinstanzliche Urteil verstoße gegen Art. 3 Abs. 3, Art. 5 Abs. 3, Art. 9, Art. 14 sowie Art. 8 GG, und trägt dazu jeweils bestimmte Aspekte vor. Das Beschwerdevorbringen enthält jedoch keine Gegenüberstellung von Rechtssätzen des Bundesverfassungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts, die voneinander abweichen, und erfüllt damit nicht die Anforderungen an eine Divergenzrüge. Soweit der Kläger überhaupt bestimmte Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts benennt (BVerfGE 46, 325, 333 ff.; 49, 220, 225; 51, 150, 156), betreffen diese die Wahrung der Eigentümerrechte in der Zwangsversteigerung und nicht die Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens nach § 3 Abs. 1 Satz 2, §§ 10 ff. VereinsG; die Bezeichnung eines divergierenden Rechtssatzes enthält die Beschwerdebegründung auch insoweit nicht.

3. Die geltend gemachten Verfahrensmängel führen ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

a) Entgegen der Ansicht des Klägers durfte das Oberverwaltungsgericht die bei seinem Bevollmächtigten und bei Frau K. beschlagnahmten Unterlagen verwerten.

aa) Die beschlagnahmten Gegenstände unterlagen, soweit sie vom Oberverwaltungsgericht vermerkt worden sind, keinem Beschlagnahme- und damit auch keinem Verwertungsverbot.

Nach § 4 Abs. 4 Satz 1 VereinsG gilt für die Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweismittel von Bedeutung sein können, u.a. § 97 StPO entsprechend. Die Vorschrift des § 97 StPO, die eine Umgehung von Zeugnisverweigerungsrechten verhindern soll, enthält nur ein Verbot für Beschlagnahmen bei dem zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Zeugen; ist dieser selbst Beschuldigter, steht § 97 StPO einer Beschlagnahme nicht entgegen (vgl. Nack, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 4. Aufl. 1999, § 97 Rn. 8; Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl. 1999, § 97 Rn. 4). Dies bedeutet für die entsprechende Anwendung des § 97 StPO im Sinne von § 4 Abs. 4 Satz 1 VereinsG Folgendes: An die Stelle des Beschuldigten im Sinne von § 97 StPO tritt der Verein. Dieser ist selbst nicht handlungsfähig. Für ihn handeln die zu seiner Vertretung berufenen Organe - i.d.R. der Vorstand -, ggf. besonders bestellte Vertreter. Diese nehmen im Verfahrensrecht die Rechte und Pflichten des Vereins als Partei wahr und können daher nicht Zeugen in Verfahren des Vereins sein (vgl. für das vereinsrechtliche Ermittlungsverfahren Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 8. Aufl. 2001, Rn. 3039). Gegenstände im Gewahrsam eines Vereinsvorstandes sind demnach nicht im Gewahrsam eines Zeugen. § 97 StPO findet auf die Beschlagnahme derartiger Gegenstände keine Anwendung. M.a.W. kommt es für die rechtliche Beurteilung der Beschlagnahme von Gegenständen, die sich im Gewahrsam des Vereinsvorstandes befinden, nicht darauf an, ob diesem generell ein Zeugnisverweigerungsrecht aus beruflichen Gründen (§ 53 StPO) zusteht.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers ist Vorsitzender, Frau K. stellvertretende Vorsitzende des Vorstandes des Klägers. Der Umstand, dass der Vorstandsvorsitzende zugleich als Rechtsanwalt Angelegenheiten des Klägers besorgt, steht nach dem Gesagten der Beschlagnahme von Gegenständen als Beweismaterial bei ihm nicht entgegen.

Aus welchen rechtlichen Gründen die Beschlagnahme bei Frau K. unzulässig gewesen sein könnte, legt die Beschwerde nicht dar. Der Hinweis darauf, es handele sich um Protokolle einer juristischen Person, die lediglich Mitglied des Klägers sei, führt nicht zu einem Beschlagnahme- und Verwertungsverbot.

bb) Der Kläger macht sinngemäß geltend, nach § 4 Abs. 2, 4 Satz 1 VereinsG sei die Beschlagnahme von Gegenständen als Beweismaterial unzulässig, wenn die behördliche Entscheidung, eine Verbotsverfügung zu erlassen, bereits getroffen worden sei. Es kann dahingestellt bleiben, ob der behauptete Verfahrensmangel ein Verwertungsverbot zur Folge hätte. Der beschließende Senat hält nämlich die vom Oberverwaltungsgericht im Beschluss vom 26. Oktober 1999 - OVG 11 O 863/98 - dargelegte Rechtsauffassung für zutreffend, dass Ermittlungen gemäß § 4 VereinsG noch nach dem Vereinsverbot zulässig sind, um weitere Beweismittel in einem etwaigen nachfolgenden Anfechtungsprozess vorlegen zu können. Den Verbotsbehörden sind im Hinblick auf die Besonderheiten der Materie (vgl. BTDrucks 4/430 S. 16) abweichend vom allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht Aufklärungsbefugnisse eingeräumt, die denen der Staatsanwaltschaft ähnlich sind (vgl. Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 4 Rn. 1). Der Schwerpunkt der Ermittlungstätigkeit der Verbotsbehörden wird vor dem Erlass der Verbotsverfügung liegen. Unbeschadet der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO sind die Verbotsbehörden aber auch danach zu weiteren Ermittlungen berechtigt (insoweit ist ihre Stellung derjenigen der Staatsanwaltschaft nach Anklageerhebung und Eröffnung des Hauptverfahrens vergleichbar; vgl. Roxin, Strafverfahrensrecht, 24. Aufl. 1995, S. 50). § 4 VereinsG unterscheidet nicht danach, ob die Ermittlungen auf die (erstmalige) Begründung einer Verbotsverfügung oder auf deren Rechtfertigung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gerichtet sind. Mit der gesetzlichen Zielsetzung einer effektiven Bekämpfung verbotener Vereinigungen wäre es unvereinbar, wenn die Verbotsbehörden Hinweisen auf zusätzliches und evtl. gewichtiges Beweismaterial nur nachgehen könnten, um unter Aufhebung der bereits ergangenen eine erneute Verbotsverfügung zu erlassen. Aus diesem Grunde kommt auch der Erwägung kein entscheidendes Gewicht zu, die Ausdehnung der Ermittlungen nach § 4 VereinsG bis zur Bestandskraft der Verbotsverfügung führe dazu, dass die in dieser Vorschrift genannten Zwangsmittel während des Verwaltungsprozesses eingesetzt werden könnten, obwohl das Prozessrecht ihre Anordnung durch das Gericht nicht vorsehe.

b) Als Verstoß gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens und der Gewährung rechtlichen Gehörs sieht der Kläger an, dass seinem Bevollmächtigten kein Zugang zu den bei ihm beschlagnahmten Akten gewährt worden sei. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, nach den gegebenen Umständen sei eine Akteneinsicht beim Verwaltungsgericht unzumutbar gewesen. Die Rüge ist nicht schlüssig erhoben. Der Kläger hat nach eigenem Vortrag die gegebenen Möglichkeiten, sich das rechtliche Gehör zu verschaffen, nicht ausgeschöpft (vgl. zu dieser Obliegenheit BVerfGE 74, 220, 225 m.w.N.).

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hatte einen Monat Gelegenheit, die gewünschten Akten beim Verwaltungsgericht Hamburg einzusehen. Er hat davon keinen Gebrauch gemacht, sondern sich auf den Standpunkt gestellt, eine Akteneinsicht dort - und nicht in seiner Kanzlei - sei ihm wegen des Umfangs der Akten als auch wegen der ihm fernmündlich mitgeteilten zeitlichen Beschränkungen der Einsichtnahme unzumutbar. Damit hat der Klägerbevollmächtigte die sich aufdrängenden Möglichkeiten, das Angebot rechtlichen Gehörs wahrzunehmen, nicht genutzt. Es hätte ihm oblegen, die - ihm grundsätzlich bekannten und vom Beklagten in dessen ihm übermittelten Schriftsatz vom 21. Dezember 1999 nochmals näher bezeichneten - Akten daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie überhaupt für die Rechtsverteidigung erheblich sein konnten und daher der Durcharbeitung bedurften. Aufgrund dieser Prüfung hätte er sodann mit dem Verwaltungsgericht Hamburg die für die Akteneinsicht erforderlichen Zeiten abstimmen und, sofern sich diese als ungenügend erwiesen hätten, die Verlängerung des Einsichtszeitraums durch das Oberverwaltungsgericht beantragen können. Da sich der Bevollmächtigte diesem oder einem vergleichbaren sachgerechten Vorgehen von vornherein verweigert hat, liegt ein rechtserheblicher Mangel des zur Gewährung des rechtlichen Gehörs vom Oberverwaltungsgericht gewählten Verfahrens nicht vor.

c) Der Kläger sieht eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör darin, dass das Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung Beweismaterial aus der Materialsammlung des Beklagten zugrunde gelegt habe, das ihm nicht zugänglich gemacht worden sei. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (Az. OVG 13 M 855/98) hatte der Beklagte mit Schriftsatz vom 3. März 1998 die Verwaltungsvorgänge einschließlich des Sonderbandes Materialsammlung übersandt, was in dem Schriftsatz auch ausdrücklich erwähnt ist. Der Kläger hatte seitdem Gelegenheit, Einsicht in die Verwaltungsvorgänge zu nehmen. Sowohl der Beklagte wie auch der Kläger haben sich im vorliegenden Verfahren auf ihre Ausführungen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bezogen. Das Oberverwaltungsgericht konnte unter diesen Umständen davon ausgehen, dass sich der Kläger auch vor der ausdrücklichen Beiziehung der Akten zu Az. OVG 13 M 855/98 ihrer Bedeutung für das Verfahren der Hauptsache bewusst war und von sich aus um Akteneinsicht nachsuchen würde, falls er dies zum Zweck der Rechtsverteidigung für erforderlich hielt. Eines entsprechenden ausdrücklichen "Angebots" seitens des Gerichts bedurfte es nicht.

Die in diesem Zusammenhang erhobenen Angriffe gegen die Aussagekraft und Verwertbarkeit des Beweismaterials sind nicht als selbständige Verfahrensrügen zu werten, sondern sollen erkennbar die Notwendigkeit der Erörterung mit dem Kläger unterstreichen. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf die Nichtbeachtung des § 86 Abs. 1 VwGO hinweist, fehlt es an näheren Ausführungen zu einem möglichen Verfahrensverstoß. Der Vortrag, das Oberverwaltungsgericht habe sich zum Zeitpunkt der Beiziehung der Akten in der mündlichen Verhandlung seine Meinung bereits gebildet gehabt, reicht nicht aus. Gleiches gilt für die Behauptung, in der Materialsammlung enthaltene Mitschnitte seien unzutreffend, rechtswidrig erlangt und daher nicht verwertbar oder unzutreffend übertragen worden; sie ist nach dem eigenen Vorbringen des Klägers ohne Kenntnis des Beweismaterials, also "ins Blaue hinein" aufgestellt worden. Beachtliche Verfahrensrügen sind damit nicht erhoben.

d) Die Rüge, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnte Richter hätten am Urteil mitgewirkt, bleibt ohne Erfolg, weil die mit der Beschwerde nicht anfechtbare Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs durch das Oberverwaltungsgericht eine gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 548 ZPO der Überprüfung in einem Revisionsverfahren entzogene unanfechtbare Vorentscheidung darstellt (vgl. z.B. Beschluss vom 3. Februar 1992 - BVerwG 2 B 11.92 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 305 m.w.N.). Eine - namentlich auf die Beachtung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gerichtete - revisionsgerichtliche Überprüfung kann nur ausnahmsweise - etwa in Fällen der Willkür - in Betracht kommen (vgl. Urteil vom 16. April 1997 - BVerwG 6 C 9.95 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 382 S. 184 ff.). Für eine solche Ausnahme zeigt die Beschwerde aber nichts auf.

e) Als Verstoß gegen Art. 19 GG und § 86 Abs. 1 VwGO sieht der Kläger an, dass die bei seinem Bevollmächtigten beschlagnahmten Unterlagen durch das Oberverwaltungsgericht nicht ausgewertet worden seien. Der Sache nach rügt der Kläger, das Oberverwaltungsgericht habe aus den Akten ersichtliche Umstände, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen, übergangen und damit gegen die Verpflichtung verstoßen, seine Überzeugung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu gewinnen (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO; vgl. Beschluss vom 31. Oktober 1994 - BVerwG 9 C 25.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 261; zum sog. Selektionsverbot Dawin, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 108 Rn. 29 sowie - zur sog. Aktenwidrigkeit - Rn. 35, jeweils m.w.N.). Indes genügen die Ausführungen der Beschwerde nicht den Bezeichnungsanforderungen gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Wird gerügt, das Gericht habe bei seiner Überzeugungsbildung gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen oder - wie hier - ihn übergangen, müssen die Aktenteile, aus denen der Verstoß abgeleitet wird, genau bezeichnet werden; ferner ist darzulegen, welche Schlussfolgerungen sich dem Gericht danach aufdrängen mussten (vgl. Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 133 Rn. 48). Daran fehlt es hier.

Der Kläger verweist lediglich pauschal auf die bei seinem Bevollmächtigten beschlagnahmten Akten. Soweit er wegen der Beurteilung seiner "Verfassungswidrigkeit" auf die in den Akten enthaltenen Erörterungen in einem Verfahren vor dem Finanzgericht Hamburg verweist, trägt er zudem keine Tatsachen vor, die für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts erheblich gewesen sein könnten. Das Beschwerdevorbringen genügt aber den Anforderungen auch nicht, soweit in ihm die Durchführung von Veranstaltungen der Nationalistischen Front und der Nationalen Liste im Heideheim in Abrede gestellt wird. Der Kläger setzt sich weder mit den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts (Urteil S. 27 ff.) auseinander, noch stellt er dar, was im Einzelnen sich aus den Akten dazu ergeben hätte und welche Bedeutung diese Ergebnisse für die Überzeugungsbildung des Oberverwaltungsgerichts hätten haben müssen. Der Hinweis auf in den Akten vorhandenes Originalmaterial und der Hinweis, bei seiner Auswertung hätte sich ergeben, dass der Kläger den genannten Organisationen das Heideheim nicht zur Verfügung hat, genügt nicht. Wie bereits dargelegt (oben b), kann sich der Kläger nicht darauf berufen, er habe keine angemessene Gelegenheit zur Akteneinsicht gehabt. Daher besteht kein Anlass, hier von den allgemein geltenden Anforderungen an die Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes abzuweichen.

f) Soweit der Kläger in der Verwertung des Schriftsatzes des Beklagten vom 24. März 2000 durch das Oberverwaltungsgericht einen - nicht näher bezeichneten - Verfahrensverstoß deshalb sieht, weil sich sein Bevollmächtigter zu diesem Schriftsatz nicht habe äußern können, kann offen bleiben, ob ein Verfahrensmangel vorliegt. Es lässt sich nämlich ausschließen, dass das Urteil des Oberverwaltungsgerichts auf einem solchen beruht. Die vom Kläger beanstandeten Feststellungen auf S. 46 des Urteils sind auf anderes Beweismaterial gestützt. Der Schriftsatz vom 24. März 2000 wird nur bestätigend ("vgl. auch") herangezogen.

Die weiteren Ausführungen des Klägers in diesem Zusammenhang betreffen die Rechtsanwendung des Oberverwaltungsgerichts, ohne auf einen Revisionszulassungsgrund zu führen. Dass der Kläger von dem Beweismaterial Nr. 27.3 der Sammlung Kenntnis nehmen und sich dazu äußern konnte, ist bereits ausgeführt worden (oben c).

Im Rahmen der Rüge einer Verletzung der Denkgesetze macht der Kläger geltend, das Oberverwaltungsgericht habe die falsche Behauptung, die Artgemeinschaft-GGG sei rassistisch und völkisch, zwei Büchern entnommen, die von engagierten "Antifaschisten" geschrieben seien und zahlreiche Fehler enthielten, worauf der Kläger hingewiesen hätte, wenn ihm die Beiziehung dieser Bücher bekannt gewesen wäre. Es kann offen bleiben, ob damit ein Verfahrensverstoß ordnungsgemäß gerügt ist. Das Oberverwaltungsgericht hat die erwähnten Fundstellen nämlich nur als weitere Bestätigung der rassistischen und völkischen Ausrichtung der Artgemeinschaft herangezogen, die es vornehmlich anderen Quellen entnommen hat (Urteil S. 18). Daher kann ausgeschlossen werden, dass das, was der Kläger nunmehr vorträgt, auf die Entscheidung von Einfluss gewesen sein könnte.

Soweit sich der Kläger gegen die Verwertung der Veröffentlichung von Thamer, Verführung und Gewalt - Deutschland 1939 - 1945, unter dem Gesichtspunkt verwahrt, das Oberverwaltungsgericht habe sie nicht in das Verfahren eingeführt, wendet sich der Kläger nicht gegen die sachliche Richtigkeit der Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts, mit denen es den Stand der historischen Forschung zu einer bestimmten Frage wiedergibt. Damit ist eine Verfahrensrüge nicht schlüssig erhoben.

g) Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe gegen Denkgesetze verstoßen, genügt nicht den Anforderungen an die ordnungsgemäße Darlegung eines Verfahrensfehlers. Es kann offen bleiben, inwiefern sich das Beschwerdevorbringen überhaupt auf das gerichtliche Verfahren und nicht nur auf die Anwendung des materiellen Rechts bezieht (vgl. dazu Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271). Der Kläger zeigt nämlich keine Schlüsse des Oberverwaltungsgerichts auf, die schlechterdings nicht gezogen werden können und daher mit den Denkgesetzen nicht vereinbar sind (vgl. Beschluss vom 24. Mai 1996 - BVerwG 8 B 98.96 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 270).

Die Frage, inwiefern sich eine Vereinigung Äußerungen ihrer Mitglieder zurechnen lassen muss, hängt weitgehend von rechtlichen Wertungen ab und ist nicht, wie der Kläger augenscheinlich meint, anhand der Denkgesetze zu beantworten. Das Gleiche gilt für die - im Wesentlichen korrespondierende - Frage, welche Verantwortlichkeit den Kläger in Bezug auf die Aktivitäten im Heideheim trafen. Die Ausführungen der Beschwerde in diesem Zusammenhang (Beschwerdebegründung S. 20 ff.) sind auf die Darlegung gerichtet, dass das Oberverwaltungsgericht zulasten des Klägers Umstände herangezogen hat, die nach Ansicht des Klägers nicht zutreffen oder nicht belegt oder ihm nicht zuzurechnen sind. Dabei geht der Kläger auf den jeweiligen gedanklichen Zusammenhang, in den das Oberverwaltungsgericht seine tatsächlichen Feststellungen stellt, nicht ein, sondern betrachtet diese isoliert und folgert daraus Verstöße gegen die Denkgesetze. Auf diese Weise lässt sich der behauptete Revisionszulassungsgrund nicht begründen.

Im Übrigen wendet sich der Kläger mit der Behauptung, es lägen Verstöße gegen Denkgesetze vor, in Wirklichkeit gegen die Tatsachenermittlung und Rechtsanwendung des Oberverwaltungsgerichts. Der Kläger trägt verschiedenartige Angriffe gegen dessen Urteil vor, ohne diese im Einzelnen rechtlich einzuordnen. Insbesondere stellt er jeweils keinen Bezug zum (spezifischen) Rechtsbegriff des "Verstoßes gegen Denkgesetze" her. Er genügt damit seiner Darlegungslast nicht. Einzelheiten des Beschwerdevorbringens sind daher nicht zu erörtern.

4. Von einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 zweiter Halbsatz VwGO ab.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG und berücksichtigt das im vorliegenden Fall erhebliche wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Aufhebung der Verbotsverfügung und der mit ihr verbundenen Einziehung des Vereinsvermögens.

Ende der Entscheidung

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