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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 14.11.2001
Aktenzeichen: BVerwG 6 B 60.01
Rechtsgebiete: GG, IHKG, GewO


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
IHKG § 1
IHKG § 3 Abs. 4 Satz 2
GewO § 6 Satz 2
Die Zulässigkeit der Pflichtzugehörigkeit zur Industrie- und Handelskammer wird nicht dadurch berührt, dass der Gewerbetreibende als Inhaber einer Apotheke zugleich einer nach Landesrecht bestehenden Apothekerkammer angehören muss. Die Heranziehung eines solchen Apothekers durch die Industrie- und Handelskammer mit dem Grundbeitrag und einem Viertel der Umlage ist nicht zu beanstanden.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 6 B 60.01

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 14. November 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bardenhewer und die Richter Dr. Hahn und Dr. Graulich

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 28. Juni 2001 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 802 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Berufungsurteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem das Berufungsurteil beruhen kann. Wird - wie hier - die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Berufungsurteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist sinngemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt. Diese rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.

Die Beschwerde wird allein auf den Revisionsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Sache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützt. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen verleihen der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.

Der Kläger macht geltend, er werde durch die Mitgliedschaft bei der Beklagten unter Verstoß gegen das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG übermäßig belastet, weil er bereits durch die Apothekerkammer repräsentiert werde, deren Aufgaben mit denjenigen der Beklagten weitgehend deckungsgleich seien. Darüber hinaus verstoße die doppelte Beitragserhebung durch die Beklagte gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Im Hinblick auf die Höhe der Beiträge, welche er an die Beklagte abzuführen habe, werde er im Vergleich zu anderen Freiberuflern benachteiligt, weil sowohl das IHK-Gesetz in der für den Beitragsbescheid maßgeblichen Fassung als auch die konkrete Beitragsordnung der Beklagten von einem übermäßig hohen gewerblichen Anteil an den Gesamtumsätzen einer Apotheke ausgehe.

Mit diesen Ausführungen genügt der Kläger schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Denn es wird keine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufgezeigt. Der Kläger vertritt lediglich von der Auffassung des Berufungsgerichts abweichende Rechtsansichten.

Selbst wenn den Ausführungen des Klägers noch entnommen werden könnte, dass er die Frage aufwerfen will, ob eine Zugehörigkeit in der Industrie- und Handelskammer auch dann angeordnet werden darf, wenn das Mitglied bereits einer Apothekerkammer angehört, könnte diese nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führen.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Pflichtzugehörigkeit zur Industrie- und Handelskammer mit dem Grundgesetz vereinbar ist (Urteil vom 21. Juli 1998 - BVerwG 1 C 32.97 - BVerwGE 107, 169 = GewArch 1998, 410). Es besteht kein Zweifel daran, dass durch eine landesrechtliche Regelung über die Zugehörigkeit zu einer besonderen Berufsorganisation die bundesrechtliche Anordnung der Pflichtzugehörigkeit zur Industrie- und Handelskammer nicht berührt wird, sondern allenfalls eine gleichzeitige Inanspruchnahme durch die Berufsorganisation infrage gestellt werden könnte. Dies ist aber in dem vorliegenden Verfahren, das die Rechtmäßigkeit eines Beitragsbescheids der Industrie- und Handelskammer betrifft, nicht zu klären.

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Apothekerkammer nach den das irrevisible Recht betreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs andere Aufgaben als die Industrie- und Handelskammer hat. Während die Industrie- und Handelskammer nach § 1 IHKG die Aufgabe hat, das Gesamtinteresse der ihr zugehörigen Gewerbetreibenden wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen, obliegt der Apothekerkammer nach den Darlegungen des Berufungsgerichts, die Berufs- und Standesinteressen der Apotheker zu wahren. Die Apothekerkammer ist danach eine reine Berufsorganisation. Eine solche Unterschiedlichkeit der Aufgabenstellung der beiden Kammern erlaubt keine Zweifel an der Zulässigkeit der (Pflicht-)Doppelzugehörigkeit des Inhabers einer Apotheke zu beiden Kammern. Denn der Apotheker übt einen freien Beruf des Gesundheitswesens aus und nimmt zugleich als Inhaber einer Apotheke am wirtschaftlichen Verkehr im Sinne des traditionellen Gewerbebegriffs teil (BVerfGE 5, 25 <30>; ferner BVerfGE 94, 372 <375>), auch wenn der Verkauf von Arzneimitteln gemäß § 6 Satz 2 GewO nur im Rahmen ausdrücklicher Bestimmungen durch die Gewerbeordnung geregelt ist. Die gleichzeitige Zugehörigkeit zu einer Berufsorganisation und zur Industrie- und Handelskammer entspricht demgemäß der Tätigkeit des Inhabers einer Apotheke.

Die in Bezug auf die Beiträge angesprochene Problematik vermag ebenfalls die Zulassung der Grundsatzrevision nicht zu rechtfertigen. Insoweit möchte der Kläger, wie sich aus seinem Schriftsatz vom 17. September 2001 ergibt, geklärt wissen, "ob die differenzierte Behandlung von Beitragspflichten entsprechend § 3 Abs. 4 Satz 2 IHK-Gesetz sachlich durch einen weit überwiegenden Anteil gewerblicher Tätigkeit auf Seiten des Apothekers gerechtfertigt ist, weil dieser - wie das Berufungsgericht gemeint hat - beim Verkauf der zum größten Teil vorgefertigten Arzneimittel mangels intensiver Beratung über Wirkweise und Anwendung auch apothekenpflichtiger Arzneimittel keine für freie Berufe charakteristischen persönlichen Dienstleistungen höherer Art erbringt, oder ob eine Rechtfertigung fehlt, weil Apotheker bei der Abgabe apothekenpflichtiger, insbesondere verschreibungspflichtiger Waren schon kraft Gesetzes intensiv über Wirkweise und Anwendung eines Arzneimittels beraten und beraten müssen und damit für freie Berufe charakteristische persönliche Dienstleistungen höherer Art erbringen und anderes nur für den umsatzmäßig deutlich unter dem Schwellenwert von 25 % liegenden Bereich der nicht apothekenpflichtigen Waren (freiverkäufliche Arzneimittel und Waren des sog. Randsortiments nach § 25 der Apothekenbetriebsordnung) gilt". Diese Fragestellung kann schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision führen, weil die streitige Veranlagung auf dem Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHKG) in der Fassung der Änderungsgesetze vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2133) und vom 23. November 1994 (BGBl I S. 3475) beruht und die maßgebliche Bestimmung durch das Gesetz vom 23. Juli 1998 (BGBl I S. 1887) geändert worden ist. Nach § 3 Abs. 4 Satz 2 IHKG in der hier maßgeblichen Fassung werden Kammerzugehörige, die Inhaber einer Apotheke sind, neben dem Grundbeitrag mit einem Viertel der Umlage veranlagt. Nach der vom 1. Januar 1999 an geltenden Fassung werden Kammerzugehörige, die Inhaber einer Apotheke sind, mit einem Viertel ihres Gewerbeertrages bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb zum Grundbeitrag und zur Umlage veranlagt. Die von dem Kläger aufgeworfenen Fragen betreffen daher, soweit sie auf den Streitgegenstand bezogen werden können, inzwischen ausgelaufenes Recht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Rechtsfragen bei auslaufendem Recht trotz anhängiger Fälle regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung, da die Zulassungsvorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur eine für die Zukunft geltende Klärung herbeiführen soll. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Klärung noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist. Für das Vorliegen einer solchen Sachlage ist der Beschwerdeführer darlegungspflichtig. Es müssen Anhaltspunkte für eine erhebliche Zahl von Altfällen dargetan und ersichtlich sein (Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9). Der Kläger verweist lediglich darauf, dass seine "Grundbelastung nicht aufgehoben, sondern - für zukünftige Fälle - nur modifiziert worden" sei, legt aber nicht in der erforderlichen Weise dar, dass noch eine erhebliche Anzahl von Altfällen vorliegt.

Es ist zwar richtig, dass trotz auslaufenden Rechts eine Sache dann grundsätzlich klärungsbedürftig bleibt, wenn sich bei der gesetzlichen Bestimmung, die der außer Kraft getretenen Vorschrift nachgefolgt ist, die streitigen Fragen in gleicher Weise stellen. In derartigen Fällen ist trotz des Auslaufens des alten Rechts eine richtungsweisende Klärung zu erwarten, wie die neue Vorschrift anzuwenden ist (Beschluss vom 20. Dezember 1995, a.a.O.). Auch diese Voraussetzung ist jedoch nicht erfüllt. Es bestehen zwischen den beiden Gesetzesfassungen erhebliche Unterschiede. Denn die hier maßgebende Fassung des Gesetzes führte, anders als die Neuregelung, nicht zu einer Reduzierung des Grundbeitrages. Mit der Neuregelung wurde somit der Vorteil, den Inhaber einer Apotheke aus der Pflichtzugehörigkeit zu der Industrie- und Handelskammer haben oder haben können, neu bewertet.

Im Übrigen ist es, ohne dass dies erst in einem Revisionsverfahren geklärt werden müsste, nicht zweifelhaft, dass die Veranlagung eines Kammerzugehörigen, der Inhaber einer Apotheke ist, mit dem Grundbeitrag und einem Viertel der Umlage aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist. Die Fragestellung des Klägers berücksichtigt nämlich nicht, dass der Apotheker, wie bereits dargestellt, unbeschadet seiner berufsrechtlich bestehenden Verpflichtungen vollen Umfangs eine gewerbliche Tätigkeit ausübt. Deshalb muss der Anteil des Umsatzes durch die Abgabe nicht apothekenpflichtiger Waren keine ausschlaggebende Bedeutung für die Bemessung des Beitrags zur Industrie- und Handelskammer haben. Die Veranlagung zu einem Beitrag darf die durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und als dessen Ausprägung das Äquivalenzprinzip gezogenen Grenzen nicht überschreiten. Das Äquivalenzprinzip gebietet, dass die Höhe des Beitrags nicht in einem Missverhältnis zu dem Vorteil aus der Kammerzugehörigkeit stehen darf, den er abgelten soll (Urteil vom 17. Dezember 1998 - BVerwG 1 C 7.98 - BVerwGE 108, 169 = GewArch 1999, 193). Der zuständige Normgeber darf allerdings in gewissen Grenzen pauschalieren und typisieren (vgl. z.B. Urteil vom 30. Januar 1996 - BVerwG 1 C 9.93 - Buchholz 430.2 Kammerzugehörigkeit Nr. 7 = GewArch 1997, 237). Liegt - wie hier - vollen Umfangs eine gewerbliche Tätigkeit vor, so ist grundsätzlich die Erhebung des vollen Beitrags nicht unangemessen. Ob der Bundesgesetzgeber einer landesrechtlich angeordneten weiteren Pflichtzugehörigkeit Rechnung tragen muss, kann auf sich beruhen. § 3 Abs. 4 Satz 2 IHKG a.F. trug einem etwa typischerweise geringeren Vorteil der Kammerangehörigen, die als Inhaber einer Apotheke im Handelsregister eingetragen sind, hinreichend Rechnung. Eine Orientierung lediglich an den Umsätzen nicht apothekenpflichtiger Waren, wie sie der Kläger für zutreffend erachtet, war angesichts einer voll umfänglich gewerblichen Tätigkeit nicht geboten. Ob sie zulässig gewesen wäre, kann auf sich beruhen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes auf § 13 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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