Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 09.05.2001
Aktenzeichen: BVerwG 6 C 4.00
Rechtsgebiete: GG, BNatSchG, FVG, VwGO, GVG


Vorschriften:

GG Art. 30
GG Art. 74
GG Art. 75
GG Art. 83
GG Art. 86
GG Art. 87
BNatSchG § 4
BNatSchG § 8
BNatSchG § 8 a
BNatSchG § 9
BNatSchG § 12 ff.
BNatSchG § 19 a
BNatSchG § 19 c
BNatSchG § 19 f Abs. 3
FVG § 16 Abs. 3
VwGO § 50 Abs. 1 Nr. 1
VwGO § 83
GVG § 17 a
Will die Bundesrepublik Deutschland als Eigentümerin von Staatswald im Rahmen forstwirtschaftlicher Bodennutzung eine Maßnahme durchführen, die durch eine Naturschutzgebietsverordnung verboten ist, so muss sie vorher eine Befreiung der zuständigen Behörde des Landes einholen.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 6 C 4.00 OVG 3 A 103/97

Verkündet am 9. Mai 2001

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bardenhewer und die Richter Dr. Hahn, Dr. Gerhardt, Büge und Dr. Graulich

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg vom 9. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Zwischen der Klägerin (Bundesrepublik Deutschland) und dem beklagten Land ist umstritten, ob die Bundesrepublik Deutschland für Maßnahmen der forstwirtschaftlichen Bodennutzung, mit denen sie einem Verbot verbindlicher Naturschutz- oder Landschaftschutzfestsetzungen zuwiderhandeln würde, einer Befreiung der zuständigen Landesbehörde bedarf. Anlass für den Rechtsstreit gab der Schädlingsbefall einer größeren Kiefernfläche im einstweilig sichergestellten Naturschutzgebiet "R. H.", den die Klägerin durch Versprühen einer Chemikalie aus der Luft bekämpfen wollte. Auf eine Bitte der Klägerin um Zustimmung zu dem vorgesehenen Vorgehen lehnte das beklagte Land mit Bescheid vom 20. April 1994 die Gewährung einer Befreiung von dem Verbot, den Schutzgegenstand nachteilig zu verändern, ab. Vor Bekanntwerden des Bescheides hatte die Klägerin die Chemikalie bereits auf die befallenen Flächen aufgebracht.

Die Klägerin hat zunächst mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 20. April 1994 Klage vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder erhoben, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 15. Juli 1994 an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Cottbus verwiesen hat.

Die Klägerin hat die betroffene Fläche sowie einen Großteil der Liegenschaften vergleichbarer Art auf den Beklagten übertragen. Sie ist aber weiterhin Eigentümerin eines im Land Brandenburg befindlichen Waldbestandes von rund 70 000 ha, von denen insgesamt ca. 5,4 % in Schutzgebieten liegen, darunter Flächen in den Naturschutzgebieten Forsthaus P. und K. Der Anteil der Kiefern beträgt in Brandenburg rund 86 % der Gesamtwaldfläche, von der wiederum 50 % einen 21 bis 80 Jahre alten Baumbestand hat. Diese Waldflächen sind aufgrund ihrer homogenen Strukturen für das in gewissen Perioden erwartete massenhafte Auftreten von nadel- und blattfressenden Raupen von Schmetterlingen anfällig.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass die Klägerin die sich aus einer Schutzgebietsverordnung ergebenden Verbote zu beachten habe. Eine Befreiung davon sei weder nach § 9 BNatSchG noch sonst wegen einer Exemtion der Bundesverwaltung vom Landesrecht entbehrlich, da die Klägerin rein fiskalisch tätig geworden sei.

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg hat die Berufung der Klägerin mit dem Antrag,

das angefochtene Urteil zu ändern und festzustellen, dass sie für Handlungen bzw. Unterlassungen im Rahmen einer forstwirtschaftlichen Bodennutzung, mit denen sie einem naturschutzrechtlichen Verbot oder Gebot zuwiderhandeln würde, keiner Befreiung durch eine Naturschutzbehörde des beklagten Landes bedürfe,

durch Urteil vom 9. Dezember 1999 (NuR 2000, 288) zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Das Oberverwaltungsgericht habe über die Klage in der Sache zu entscheiden. Zwar betreffe der Rechtsstreit im Kern die Abgrenzung der Hoheitsbefugnisse von Bund und Land im Bereich des Naturschutzes. Daher komme eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO in Betracht. Das Oberverwaltungsgericht sei jedoch gemäß § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 a Abs. 5 GVG an die vom Verwaltungsgericht zumindest stillschweigend angenommene Zuständigkeit gebunden.

Die Feststellungsklage sei zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin bedürfe für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen einer forstwirtschaftlichen Bodennutzung, mit denen sie einem naturschutzrechtlichen Verbot oder Gebot zuwiderhandeln würde, einer Befreiung durch eine Naturschutzbehörde des beklagten Landes. Eine Befreiung sei weder im Hinblick auf die Regelung des § 9 BNatSchG noch wegen einer Exemtion der Bundesverwaltung im Bereich des Naturschutzes entbehrlich.

Der Bundesgesetzgeber habe für den Bereich des Naturschutzes und der Landschaftspflege von seiner Rahmenkompetenz Gebrauch gemacht und u.a., soweit Eingriffe in Natur und Landschaft von Behörden des Bundes vorgenommen würden, das Verhältnis der Bundes- zu den Landesbehörden in § 9 BNatSchG vorbehaltlich besonderer bundesgesetzlicher Regelungen abschließend dahin geregelt, dass die fachlich zuständige Behörde des Bundes im Benehmen mit der obersten Landesbehörde entscheide. § 9 BNatSchG sei damit bundesgesetzlicher Ausdruck dafür, dass den Ländern, soweit es um Eingriffe im Sinne des § 8 Abs. 1 BNatSchG gehe, eine eigene Vollzugshoheit nicht gegeben werden solle. Daraus lasse sich aber nicht entnehmen, dass die Klägerin für Handlungen bzw. Unterlassungen im Rahmen einer forstwirtschaftlichen Bodennutzung, mit denen sie einem naturschutzrechtlichen Verbot oder Gebot zuwiderhandeln würde, keiner Befreiung durch eine Naturschutzbehörde des beklagten Landes bedürfe. Sowohl das Bundesnaturschutzgesetz als auch das Brandenburgische Naturschutzgesetz unterschieden streng zwischen einem Eingriff im Sinne des § 8 Abs. 1 BNatSchG bzw. § 10 BbgNatSchG und einer Verletzung von Verboten und Geboten, die dem Schutz, der Pflege und der Entwicklung bestimmter Teile von Natur und Landschaft sowie dem Schutz und der Pflege wild lebender Tier- und Pflanzenarten dienten. Hierzu gehörten die Verbote der aufgrund Landesrechts erlassenen Rechtsverordnungen, etwa der Verordnung über das Naturschutzgebiet "R. H. und Sch." oder der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Forsthaus P.". Neben dem Schutz des Naturhaushalts und des Landschaftsbildes vor Eingriffen, den die §§ 8 f. BNatSchG objektbezogen regulierten, stünden der sich aus den §§ 12 f. BNatSchG bzw. §§ 19 f. BbgNatSchG ergebende förmliche Gebietsschutz und der Artenschutz als selbständig normierte Schutzverfahren. In Fällen, in denen ein Handeln bzw. Unterlassen zwar gegen ein naturschutzrechtliches Verbot oder Gebot verstoße, aber nicht zugleich einen Eingriff im Sinne des § 8 BNatSchG darstelle, bleibe das Erfordernis einer Befreiung bestehen. Eine Anwendung des § 9 BNatSchG verbiete sich von vornherein, weil es voraussetzungsgemäß an einem Eingriff fehle. Wenn das Erfordernis einer Befreiung aber in solchen Fällen bestehen bleibe, dann könne es auch und erst recht nicht deshalb entfallen, weil das fragliche Verhalten nicht nur gegen ein Verbot bzw. Gebot verstoße, sondern zugleich auch einen Eingriff darstelle.

Eine Befreiung sei auch nicht wegen einer Exemtion der Bundesverwaltung im Bereich des Naturschutzrechts entbehrlich. Jedenfalls wenn die Klägerin fiskalisch, nicht jedoch hoheitlich tätig werde, unterliege sie den allgemeinen Gesetzen einschließlich eines sich daraus ergebenden Befreiungserfordernisses.

Zur Begründung der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision, mit der sie ihr Feststellungsbegehren weiter verfolgt, rügt die Klägerin eine Verletzung des § 9 BNatSchG. Sie führt aus, diese Vorschrift sei unabhängig davon anzuwenden, ob eine Bundesbehörde Maßnahmen in einem besonders geschützten Bereich vornehmen wolle oder nicht. Die naturschutzrechtliche Vollzugshoheit des Bundes stehe stets uneingeschränkt dem Bund zu. Dem § 9 BNatSchG entgegenstehendes Landesrecht dürfe nicht angewandt werden. Mit § 9 BNatSchG habe der Bundesgesetzgeber in Ausübung seiner Kompetenz zur Rahmengesetzgebung eine punktuelle Vollregelung getroffen, die gemäß § 4 Satz 3 BNatSchG unmittelbar Geltung beanspruche und als Bundesrecht entgegenstehendes Landesrecht breche. Die landesrechtlichen Bestimmungen über Gebote und Verbote in besonders geschützten Gebieten sowie die entsprechenden Bestimmungen über Befreiungen seien in verfassungskonformer Weise dahin auszulegen, dass sie keine Anwendung fänden, wenn und soweit eine Bundesbehörde generell befreiungspflichtige Handlungen in einem Naturschutzgebiet vornehmen wolle; diese unterfielen der Exemtion gemäß § 9 BNatSchG. § 9 BNatSchG enthalte auch keine Einschränkung dahin gehend, dass er nur für hoheitliches Handeln der Bundesbehörden gelten solle. Der Bundesgesetzgeber habe sich die "Naturschutzhoheit" sowohl für eigenes hoheitliches als auch für fiskalisches Handeln vorbehalten. Außerdem erfülle die Klägerin in der Bekämpfung der Kiefernspinner auch hoheitliche Aufgaben. Denn sie sei im Land Brandenburg Eigentümerin von Staatswald, der besondere Aufgaben zugewiesen seien. Soweit mit der Bewirtschaftung des Waldes Aufgaben des Forstschutzes verbunden seien, seien die Bediensteten der Klägerin Forstschutzbeauftragte und nähmen hoheitliche Aufgaben wahr.

Das beklagte Land tritt der Revision entgegen.

II.

Die Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil steht mit Bundesrecht in Einklang.

1. Das als Revisionsgericht angerufene Bundesverwaltungsgericht ist gemäß § 83 VwGO i.V.m. § 17 a Abs. 5 GVG daran gebunden, dass die Vorinstanzen ihre sachliche und als deren Unterfall die instanzielle Zuständigkeit angenommen haben (vgl. Beschluss vom 8. November 1994 - BVerwG 9 AV 1.94 - Buchholz 300 § 17 a GVG Nr. 13). Eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO scheidet bereits deshalb aus.

2. Das Berufungsgericht hat in Auslegung und Anwendung nicht revisiblen Rechts entschieden, dass die klagende Bundesrepublik für die im Berufungsantrag formulierten Vorgänge einer Befreiung durch die Naturschutzbehörde des beklagten Landes bedarf.

3. Bundesrecht führt nicht zu einem anderen Ergebnis.

a) Das Bundesnaturschutzgesetz gebietet nicht die Freistellung der Bundesrepublik von einem landesrechtlichen Gestattungsverfahren, wenn sie in einem Naturschutzgebiet forstwirtschaftliche Maßnahmen durchführen will, die nach dem Landesrecht grundsätzlich untersagt und nur nach einer Befreiung zugelassen sind.

Eine Freistellung von dem für den gebietlichen Naturschutz vorgeschriebenen Verfahren lässt sich nicht aus § 9 BNatSchG ableiten. Nach dieser Vorschrift entscheidet die fachlich zuständige Behörde des Bundes im Benehmen mit der obersten Landesbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege, soweit nicht eine weitergehende Form der Beteiligung vorgeschrieben ist, wenn bei Eingriffen in Natur und Landschaft, denen Entscheidungen von Behörden des Bundes vorausgehen oder die von Behörden des Bundes durchgeführt werden, von der Stellungnahme der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden abgewichen werden soll.

aa) Die Vorschrift stellt schon nach ihrem Wortlaut auf "Eingriffe" in Natur und Landschaft ab. Damit knüpft die Regelung an § 8 BNatSchG an, der "Eingriffe" im Sinne des Gesetzes definiert und an das Vorliegen von Eingriffen bestimmte Rechtsfolgen knüpft.

Die wörtliche Anknüpfung an § 8 BNatSchG ist nicht zufällig, sondern eine Konsequenz aus der gesetzgeberischen Entscheidung, das herkömmliche Naturschutzrecht, das auf bestimmte räumliche Bereiche beschränkt war, um den allgemeinen Schutz von Natur und Landschaft zu erweitern. Dieser Zielsetzung gemäß ist das Gesetz aufgebaut. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Recht da-rauf hingewiesen, dass sich § 8 BNatSchG und der hier zu prüfende § 9 BNatSchG in dem Dritten Abschnitt über "Allgemeine Schutz-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen" finden, während die auf den Schutz, die Pflege und die Entwicklung bestimmter Teile von Natur und Landschaft bezogenen Vorschriften in dem mit § 12 beginnenden Vierten Abschnitt enthalten sind, dessen Bestimmungen in der Regel Rahmenvorschriften für die Landesgesetzgebung sind, während § 9 BNatSchG gemäß § 4 BNatSchG in den Ländern unmittelbar gilt. Der Dritte Abschnitt des Gesetzes betrifft unabhängig von Sonderbestimmungen anwendbare Schutz-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen, während die §§ 12 ff. BNatSchG Regelungen für bestimmte Teile oder Bestandteile der Landschaft treffen. Die beiden Abschnitte sind unabhängig voneinander anzuwenden, so dass die Eingriffsregelung auch für Maßnahmen in geschützten Gebieten gilt. Andererseits verdrängen die Vorschriften über den Schutz des Naturhaushalts in §§ 8 ff. BNatSchG nicht den selbständigen Gebiets- oder Artenschutz (vgl. Beschluss vom 21. Dezember 1994 - BVerwG 4 B 266.94 - Buchholz 406.401 § 8 a BNatSchG Nr. 2 = NuR 1995, 248).

§ 9 BNatSchG steht namentlich im Zusammenhang mit § 8 Abs. 5 und 6 BNatSchG. Gemäß § 8 Abs. 5 BNatSchG entscheidet die Behörde, die für die zu einem Eingriff führende Entscheidung zuständig ist im Benehmen mit der Naturschutzbehörde. Entsprechendes gilt nach § 8 Abs. 6 BNatSchG für Eingriffe durch Behörden, denen keine behördliche Entscheidung nach Abs. 2 vo-rausgeht. Handelt es sich um einen Eingriff, dem eine Entscheidung von Behörden des Bundes vorausgeht oder der von Behörden des Bundes durchgeführt wird, so greift § 9 BNatSchG ein, der die Beteiligung der Landesbehörden insoweit abschließend regelt (vgl. Urteil vom 14. April 1989 - BVerwG 4 C 31.88 - BVerwGE 82, 17 <24>). § 9 BNatSchG bezweckt in seinem Anwendungsbereich eine verfahrensrechtliche Lösung möglicher Konflikte zwischen dem Bund und den Ländern. Die Länder haben in Bezug auf den Naturschutz die grundsätzliche Verwaltungszuständigkeit (Art. 83 GG). Andererseits hat der Bund nach Maßgabe der speziellen Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes (Art. 86 ff. GG) Aufgaben zu erfüllen, die zur Inanspruchnahme von Natur und Landschaft führen, namentlich auf dem Gebiet des Straßen-, des Schienenwege-, des Luft- und des Wasserstraßenverkehrs sowie der Verteidigung. Mögliche Zielkonflikte sollen verfahrensmäßig dadurch gelöst werden, dass die Bundesbehörden bei einer vorgesehenen Abweichung von der Stellungnahme der Naturschutzbehörde im Benehmen mit der obersten Landesbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege entscheiden. § 9 BNatSchG bewirkt somit, dass sich die Bundesbehörde in derartigen Fällen letztlich über Stellungnahmen der Landesbehörden hinwegsetzen kann. Denn die Entscheidung "im Benehmen" bedeutet nicht mehr als die (gutachterliche) Anhörung der anderen Behörde, die dadurch Gelegenheit erhält, ihre Vorstellungen in das Verfahren einzubringen (so Urteil vom 29. April 1993 - BVerwG 7 A 2.92 - BVerwGE 92, 258 <262> = NuR 1994, 82). Damit bestätigt sich, dass die Anwendung des § 9 BNatSchG zwingend einen vom Bund beabsichtigten Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne von § 8 BNatSchG voraussetzt. Allein für derartige Fälle hat der Bund, der auf dem Gebiet des Naturschutzes und der Landschaftspflege nur über eine Kompetenz zum Erlass von Rahmenvorschriften verfügt (Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 GG), in Gestalt des § 9 BNatSchG auf der Grundlage des Art. 75 GG a.F. (vgl. dazu BVerfGE 43, 291 <343>) eine punktuelle Vollregelung mit unmittelbarer Wirkung in den Ländern getroffen. Dagegen sind die Vorschriften über den gebietlichen Naturschutz in §§ 12 ff. BNatSchG auf Ausfüllung durch das Landesrecht angelegt. Soweit dieser spezielle, über das allgemeine Schutzniveau hinausgehende landesrechtliche Schutz von Natur und Landschaft reicht, findet § 9 BNatSchG keine Anwendung.

bb) Das aus der Systematik des Gesetzes gewonnene Ergebnis, dass § 9 BNatSchG nur auf Eingriffe, nicht hingegen auf Maßnahmen des Bundes bezogen ist, die gegen landesrechtliche Bestimmungen zum Schutz bestimmter Teile von Natur und Landschaft verstoßen, wird durch die nachträglich durch Gesetz vom 29. August 1998 eingefügte, im Zusammenhang mit der Umsetzung mehrerer Gemeinschaftsrechtsakte stehende Regelung des § 19 f Abs. 3 BNatSchG bestätigt. Die §§ 19 a bis 19 f BNatSchG dienen gemäß § 19 a Abs. 1 Satz 1 BNatSchG dem Aufbau und dem Schutz des Europäischen ökologischen Netzes "Natura 2000", insbesondere dem Schutz der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung und der Europäischen Vogelschutzgebiete. Die in § 19 a Abs. 2 Nr. 8 BNatSchG definierten Projekte sind gemäß § 19 c Abs. 1 BNatSchG vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Gebiets von gemeinschaftlicher Bedeutung oder eines Europäischen Vogelschutzgebiets zu überprüfen. Bei Schutzgebieten im Sinne des § 12 Abs. 1 BNatSchG, also u.a. Naturschutzgebieten, ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Vorschriften. § 19 c BNatSchG gilt gemäß § 4 Satz 4 BNatSchG unmittelbar, soweit Behörden des Bundes Entscheidungen über Projekte treffen oder sie durchführen. § 19 f BNatSchG trifft Regelungen über das Verhältnis der §§ 19 a ff. BNatSchG zu anderen Rechtsvorschriften. Nach § 19 f Abs. 2 BNatSchG ist u.a. § 19 c BNatSchG für geschützte Teile von Natur und Landschaft nur insoweit anzuwenden, als die Schutzvorschriften einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen keine strengeren Regelungen für die Zulassung von Projekten enthalten. § 19 f Abs. 3 BNatSchG ordnet an, dass bei Projekten, die einen Eingriff in Natur und Landschaft darstellen, u.a. § 9 BNatSchG unberührt bleibt. Diese Regelung berücksichtigt, dass eine Maßnahme zugleich als Projekt und als Eingriff zu werten sein kann und dann sowohl dem projekt- wie dem eingriffsbezogenen Naturschutzrecht unterliegt. Die Verträglichkeitsprüfung nach § 19 c BNatSchG ändert nicht das bei Eingriffen durchzuführende Abstimmungsverfahren ab, für welches in Fällen von Entscheidungen oder Durchführungen des Bundes § 9 BNatSchG gilt (Louis, Bundesnaturschutzgesetz, 2. Aufl. 2000, § 19 f Rn. 13). Die Regelung in § 19 f Abs. 3 BNatSchG erschöpft sich somit in der Anordnung, dass im Fall eines Eingriffs im Sinne des § 8 Abs. 1 BNatSchG alle darauf bezogenen speziellen landes- und bundesrechtlichen Bestimmungen - einschließlich der Vorschrift des § 9 BNatSchG - auch im Geltungsbereich des §§ 19 a ff. BNatSchG anzuwenden sind. Das dargelegte - bereits vor Einfügung der §§ 19 a ff. BNatSchG vorhandene - System der Parallelität von Eingriffsrecht und gebietlichem Naturschutzrecht bleibt davon unberührt.

cc) Die Gesetzesmaterialien geben keinen Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber die Vorstellung gehabt haben könnte, § 9 BNatSchG sei auch im gebietsbezogenen Naturschutzrecht anzuwenden.

Die genannte Vorschrift geht auf § 11 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BTDrucks 7/886) zurück. Dieser Gesetzentwurf, der von einer Übernahme des Naturschutzrechts in die konkurrierende Gesetzgebung nach Art. 74 GG ausging, war geprägt von dem Ziel der Ausweitung des Naturschutzes, der bisher auf Gebiets- und Artenschutz beschränkt war, auf eine allgemeine Sicherung der Lebensgrundlagen. Diesem Ziel sollte vor allem die Regelung über Eingriffe in Natur und Landschaft (§ 9 des Entwurfs) dienen. § 11 dieses Entwurfs wurde als eine "Sondervorschrift für Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne des § 9 Abs. 1 (des Entwurfs)" verstanden (BTDrucks 7/886 S. 34).

Der Gesetzentwurf des Bundesrates (BTDrucks 7/3879) betonte die nur als Rahmengesetzgebungskompetenz ausgestaltete Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes, verwies auf bereits erlassene Landesgesetze und hielt eine Bundeseinheitlichkeit nur in bestimmtem Umfang für geboten. In § 8 dieses Entwurfs, der § 9 des Gesetzes entspricht, sollte klargestellt werden, dass die Regelungen des § 7 des Entwurfs (entsprechend § 8 des Gesetzes) auch für Eingriffe gelten sollte, denen Entscheidungen von Bundesbehörden vorausgehen oder die von Bundesbehörden durchgeführt werden. Bei einem Wunsch nach Abweichung von der nach der Eingriffsregelung des § 7 des Entwurfs einzuholenden Stellungnahme der Landesnaturschutzbehörde sollte eine Benehmensregelung mit der obersten Landesbehörde vorgeschrieben werden. Eine "Freistellung des Bundes und der aufgrund von bundesrechtlich geregelten Verfahren tätigen Behörden" sollte danach vermieden werden. Die Unterschutzstellung von Teilen der Natur und Landschaft sollte nur durch ein Rahmengesetz gelenkt werden, das sich auf die Definition der Schutzkategorien und auf eine Umschreibung des Mindestregelungsumfangs beziehen sollte.

Der Bundestagsausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten schloss sich in wesentlichen Fragen dem Bundesratsentwurf an und befürwortete eine Fassung der Beteiligungsregelung, wie sie in § 9 BNatSchG Gesetz geworden ist (BTDrucks 7/5171). Der Bericht der Abgeordneten Susset und Müller (BTDrucks 7/5251) weist zu § 9 BNatSchG darauf hin, dass "diese Sondervorschrift ... Eingriffe im Sinne des § 8 Abs. 1 ..." regelt. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren (BTDrucks 5498 und 5566) war § 9 BNatSchG nicht weiter umstritten.

Der Gang des Gesetzgebungsverfahrens bestätigt somit, dass die Regelungen über den Eingriff im Sinne des Dritten Abschnittes und diejenigen über den gebietlichen Natur- und Landschaftsschutz im Vierten Abschnitt grundsätzlich nebeneinander stehen und Verfahrensbestimmungen der Eingriffsregelung nicht auf den im Wesentlichen dem Landesrecht überantworteten gebietlichen Natur- und Landschaftsschutz übertragen werden dürfen. Jedenfalls geben sie keinen Hinweis darauf, dass dem Gesetzgeber die nunmehr von der Klägerin vertretene Auffassung vorgeschwebt hätte.

dd) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es nicht Zweck des § 9 BNatSchG, dem Bund bei der Erfüllung seiner Aufgaben "vollständige Entscheidungsfreiheit" zu sichern und ihn nicht der Entscheidungskompetenz der Länder zu unterwerfen. Eine vollständige Entscheidungsfreiheit des Bundes in einem ihm nur zur Rahmengesetzgebung zugewiesenen und nicht in seiner Verwaltungskompetenz stehenden Sachgebiet lässt sich nicht begründen. Diese lässt sich namentlich nicht aus § 16 Abs. 3 des Gesetzes über die Finanzverwaltung (Finanzverwaltungsgesetz - FVG) in der Fassung vom 30. August 1971 (BGBl I S. 1426), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 1999 (BGBl I S. 2601, 2621), ableiten. Nach der genannten Bestimmung sind die Bundesforstämter als örtliche Bundesbehörden u.a. für die forstliche Bewirtschaftung von Bundesvermögen zuständig. Diese Vorschrift stellt eine Zuständigkeitsnorm dar. Sie beruht auf der in Art. 86 GG vorausgesetzten Kompetenz des Bundesgesetzgebers zur Einrichtung der Behörden im Falle der Ausführung von Gesetzen durch bundeseigene Verwaltung, wie sie in Art. 87 Abs. 1 GG für die Bundesfinanzverwaltung vorgeschrieben ist. Dabei handelt es sich stets um die Ausführung von Bundesgesetzen, nicht hingegen von Landesgesetzen. Denn die Länder bestimmen gemäß Art. 30 GG selbst den Vollzug ihrer Gesetze (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 11. April 1967 - 2 BvG 1/62 - BVerfGE 21, 312 <328>). Die durch Art. 86 und 87 GG über die Kompetenz zur Einrichtung von Behörden hinaus zugleich begründete materielle Verwaltungskompetenz für die diesen Behörden zukommenden Aufgaben schließt grundsätzlich nicht die Ausführung von Landesrecht ein. Aus dem Grundsatz der Gesetzesbindung der Verwaltung folgt allerdings, dass auch Bundesbehörden beim Vollzug von Bundesgesetzen gültiges Landesrecht zu beachten haben (Urteile vom 16. Januar 1968 - BVerwG 1 A 1.67 - BVerwGE 29, 52 <56 ff.> und vom 30. Juli 1976 - BVerwG 4 A 1.75 - NJW 1977, 163). Dies gilt für materiellrechtliche Anforderungen, aber grundsätzlich auch für von den Ländern in Ausübung ihrer Gesetzgebungskompetenz geforderte Gestattungen. Die Bindung der Bundesbehörden an das jeweils anzuwendende Landesrecht ist nicht auf das materielle Recht beschränkt. Für die Beachtung des Landesrechts mag in der Regel die jeweils tätige Hoheitsverwaltung selbst zuständig und verantwortlich sein (vgl. Urteil vom 16. Januar 1968, a.a.O., S. 59). Das bedeutet aber - außerhalb eines durch Bundesgesetz besonders angeordneten Planfeststellungsverfahrens - nicht, dass nach dem anzuwendenden Recht einzuholende Gestattungen entbehrlich sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits entschieden, dass keine grundsätzlichen Bedenken dagegen bestehen, dass für Baumaßnahmen im militärischen Bereich landesbauordnungsrechtliche Zustimmungserfordernisse bestehen (Urteil vom 30. Juli 1976, a.a.O.). Nichts anderes kann für nach Landesrecht erforderliche Befreiungen von Verboten des gebietlichen Naturschutzrechts gelten. Aus dem Urteil vom 14. April 1989 - BVerwG 4 C 31.88 - (BVerwGE 82, 17) kann die Klägerin nichts zugunsten ihrer Rechtsauffassung ableiten. Dort hat das Gericht vielmehr ausgeführt, dass der Bund auch im Zuge seiner Hoheitsbetätigung grundsätzlich an das jeweils einschlägige Landesrecht gebunden ist. Diese Bindung gilt allerdings nicht ausnahmslos und besteht nicht, wenn Bundesrecht im Rahmen der grundgesetzlichen Kompetenzordnung eine andere Regelung trifft. So lag es seinerzeit, weil ein landesrechtliches Genehmigungserfordernis durch ein bundesrechtliches Planfeststellungsverfahren verdrängt worden war (vgl. auch Urteil vom 29. Juni 1967 - BVerwG 4 C 36.66 - BVerwGE 27, 253). Um Maßnahmen, die eine Planfeststellung erfordern, handelt es sich hier jedoch nicht.

Aus alledem folgt, dass der Bund sich bei einem Vorhaben mit naturschutzrechtlicher Bedeutung, das innerhalb eines nach Landesrecht besonders geschützten Gebiets verwirklicht werden soll, nicht gemäß § 9 BNatSchG mit der Einholung der Stellungnahmen der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Landesbehörden begnügen darf, sondern auf die nach Landesrecht erforderliche Zustimmung der Naturschutzbehörde angewiesen ist.

b) Aus dem Gebot bundesfreundlichen Verhaltens, auf welches sich die Klägerin zur Begründung ihrer Auffassung ebenfalls beruft, ergibt sich nichts Anderes.

Das landesrechtliche Befreiungserfordernis widerspricht nicht dem ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz von der wechselseitigen Pflicht des Bundes und der Länder zu bundesfreundlichem Verhalten (dazu BVerfGE 12, 205 <254>). Dieser bundesverfassungsrechtliche Grundsatz ist von Bund und Ländern bei jeder ihrer Maßnahmen zu beachten (BVerfGE 4, 115 <140>; 8, 122 <131>). Er schließt auch ein, dass Bund und Länder zustehende Kompetenzen nur unter Beachtung des Gebots gegenseitiger Rücksichtnahme in Anspruch nehmen (BVerfGE 4, 115 <141>). Ein Landesgesetz kann jedoch wegen Verletzung der aus dem Grundsatz der Bundestreue abzuleitenden Schranken nur dann als verfassungswidrig angesehen werden, wenn der Landesgesetzgeber seine Freiheit offenbar missbraucht hat (BVerfGE 4, 115 <140>). Davon kann hier keine Rede sein. Das Gebot der Bundestreue erfordert keine Freistellung des Bundes von einem landesrechtlichen Gestattungsverfahren im Bereich des gebietsbezogenen Naturschutzrechts. Der Bund hat dieses Rechtsgebiet aufgrund der nur eingeschränkt gegebenen Gesetzgebungskompetenz durch Rahmengesetz mit punktuellen Vollregelungen normiert. Im Übrigen sind die Länder zuständig. Die grundsätzliche Durchsetzungsfähigkeit des Bundes bei Eingriffen (§ 9 BNatSchG) und die auf der anderen Seite bei dem gebietlichen Natur- und Landschaftsschutz bestehende Unterwerfung unter ein landesrechtliches Gestattungsverfahren stellen einen angemessenen Ausgleich der Interessen in der verfahrensrechtlichen Konfliktbewältigung dar. Das Gebot bundesfreundlichen Verhaltens fordert nicht, dass der Bund im Zusammenhang mit der forstwirtschaftlichen Nutzung von Staatswald grundsätzlich anders behandelt wird als ein sonstiger Waldeigentümer.

4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 20 000 DM festgesetzt.



Ende der Entscheidung

Zurück