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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.09.1999
Aktenzeichen: BVerwG 6 P 5.98
Rechtsgebiete: BPersVG, GG


Vorschriften:

BPersVG § 9 Abs. 4
BPersVG § 107
GG Art. 33 Abs. 2
Leitsätze:

Eine Weiterbeschäftigung nach § 9 Abs. 4 BPersVG ist für den öffentlichen Arbeitgeber trotz Vorhandenseins eines ausbildungsadäquaten Arbeitsplatzes nicht zumutbar, wenn andere Bewerber um diesen Arbeitsplatz objektiv wesentlich fähiger und geeigneter sind als der Jugend- und Auszubildendenvertreter.

Dies ist der Fall, wenn der Jugend- und Auszubildendenvertreter in der maßgeblichen Abschlußprüfung deutlich mehr als eine volle Notenstufe schlechter abgeschnitten hat als der schwächste sonstige Bewerber, den der öffentliche Arbeitgeber sonst in ein Dauerarbeitsverhältnis übernehmen würde.

Beschluß des 6. Senats vom 9. September 1999 - BVerwG 6 P 5.98 -

I. VG Schleswig vom 02.09.1996 - Az.: VG Pl 15/96 - II. OVG Schleswig vom 04.04.1997 - Az.: OVG 12 L 11/96 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 6 P 5.98 OVG 12 L 11/96

In der Personalvertretungssache

hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 9. September 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Niehues, den Richter Albers, die Richterin Eckertz-Höfer und die Richter Büge und Dr. Graulich

beschlossen:

Tenor:

Der Beschluß des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes - vom 4. April 1997 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Verfahren betrifft die Frage, inwieweit bei der Weiterbeschäftigung von Jugend- und Auszubildendenvertretern der Grundsatz der Bestenauslese zu berücksichtigen ist.

Die Beteiligte zu 1 wurde bei der antragstellenden Hansestadt Lübeck zur Verwaltungsfachangestellten ausgebildet. Sie gehörte dort der Jugend- und Ausbildungsvertretung der Dienststelle "Querschnittsämter" an. Unter dem 5. März 1996 war ihr wie allen anderen Auszubildenden, deren Abschlußprüfung für Juni 1996 anstand, die Bereitschaft der Hansestadt Lübeck mitgeteilt worden, sie nach Ausbildungsabschluß in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen, sofern sie ein Ergebnis von elf Punkten ("gut") oder mehr als Produkt aus der Prüfung (Faktor zwei Drittel) und der berufspraktischen Leistung seit der Zwischenprüfung (Faktor ein Drittel) erziele. Die Prüfung am 25. Juni 1996 bestand die Beteiligte zu 1 mit der Note "ausreichend". Am 23. Juni 1996 hatte die Beteiligte zu 1 schriftlich ihre Weiterbeschäftigung beantragt.

Die antragstellende Hansestadt Lübeck stellte am 4. Juli 1996 den Antrag auf gerichtliche Auflösung des mit der Beteiligten zu 1 nach § 9 Abs. 2 BPersVG als auf unbestimmte Zeit begründet geltenden Arbeitsverhältnisses. Sie begründete dies damit, daß ihr eine entsprechende Planstelle nicht zur Verfügung stehe. Im übrigen sei die Beteiligte zu 1 nicht hinreichend qualifiziert.

Der Antrag hatte beim Verwaltungsgericht Erfolg. Der dagegen gerichteten Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3 hat das Oberverwaltungsgericht mit Beschluß vom 4. April 1997 stattgegeben und den Antrag der Antragstellerin auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der Beteiligten zu 1 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1 sei der Antragstellerin nicht unzumutbar. Für die Unzumutbarkeit habe die Antragstellerin betriebliche Gründe angeführt. Ihre wenigen freien Planstellen sollten vorrangig mit bereits unbefristet Beschäftigten und besonders erfolgreich ausgebildeten Fachkräften besetzt werden, mithin mit besser qualifizierten als der Beteiligten zu 1. Betriebliche Gründe könnten aber nur ausnahmsweise zur Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung einer Jugend- und Auszubildendenvertreterin führen. Hierzu sei Voraussetzung, daß im Betrieb der Antragstellerin im Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses kein freier, auf Dauer angelegter Arbeitsplatz zur Verfügung stehe, auf dem die Jugend- und Auszubildendenvertreterin mit ihrer durch die Ausbildung erworbenen Qualifikation beschäftigt werden könne. Diese Voraussetzung treffe hier nicht zu, da der Antragstellerin zum Stichtag zumindest zwei freie Planstellen für Verwaltungsfachangestellte zur Verfügung gestanden hätten. Das von der Antragstellerin darüber hinaus verfolgte Ziel einer sogenannten Bestenauslese erlaube nicht, den gesetzlichen Schutz einer Jugend- und Auszubildendenvertreterin zu entkräften. Dieser Grundsatz gelte nur bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Darum gehe es nicht, wenn - wie hier - das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes unmittelbar als begründet gelte. Der Arbeitgeberin sei eine Weiterbeschäftigung schon dann zuzumuten, wenn die Jugend- und Auszubildendenvertreterin überhaupt in der Lage sei, den Ausbildungsberuf auszuüben. Die damit verbundene Begünstigung von Mitgliedern der Jugend- und Auszubildendenvertretung sei im Gesetz selbst angelegt. Sie entspreche dem gesetzlichen Kündigungsschutz für diesen Personenkreis. Der Beteiligten zu 1 sei mit der Prüfungsnote "ausreichend" eine Qualifikation bescheinigt worden, die genüge, um als Verwaltungsfachangestellte überhaupt beschäftigt zu werden.

Mit der vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde rügt die Antragstellerin eine Verletzung von § 9 BPersVG i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG. Sie verfolgt ihr Begehren weiter und beantragt sinngemäß,

den Beschluß des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes - vom 4. April 1997 aufzuheben und die Beschwerde gegen den Beschluß des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Fachkammer für Personalvertretungssachen (Land) - vom 2. September 1996 zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, daß § 9 BPersVG für Jugend- und Auszubildendenvertreter einen Weiterbeschäftigungsanspruch nur unter Einhaltung der zwingend vorgeschriebenen Einstellungsvoraussetzungen begründe, wozu auch das Prinzip der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG gehöre. Die Beteiligte zu 1 habe die Prüfung lediglich mit "ausreichend" bestanden. Ihre Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis widerspreche dem Grundsatz der Bestenauslese. Daher sei eine Weiterbeschäftigung unzumutbar. Der Schutzgedanke des § 9 BPersVG rechtfertige keine andere Sichtweise. Eine Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1 müsse unter Verstoß gegen § 107 BPersVG zu einer rechtswidrigen Begünstigung wegen der Tätigkeit in der Jugend- und Auszubildendenvertretung führen.

Die Beteiligten zu 1 bis 3 beantragen,

die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

Sie halten die Rechtsbeschwerde mangels Rechtsschutzinteresses für unzulässig. Denn eine zwischenzeitlich beabsichtigte Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis sei nur im Hinblick auf diesen Prozeß unterblieben. Im übrigen sei die Rechtsbeschwerde unbegründet. Es habe nicht an verfügbaren Planstellen gemangelt. Im übrigen werde der Schutzzweck des § 9 BPersVG unterlaufen, wenn die Vergabe einer solchen Stelle generell an die Erfüllung bestimmter Qualifikationsanforderungen geknüpft werde. Ein Abstellen nur auf die Prüfungsnote lasse außer Betracht, daß gerade durch die Amtsträgereigenschaft und den damit verbundenen Zeitaufwand ein schnellerer und erfolgreicherer Abschluß erschwert werde.

Der Oberbundesanwalt beteiligt sich an dem Verfahren. Er ist der Auffassung, daß bei der Frage der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung nach § 9 Abs. 4 BPersVG die Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG zu beachten seien. Der Leistungsvergleich zwischen dem Jugend- und Auszubildendenvertreter und den anderen Bewerbern sei verfassungsrechtlich geboten. Insoweit müsse auf die Prüfungsnote abgestellt werden. Hätten andere Bewerber ein besseres Ergebnis als der Jugend- und Auszubildendenvertreter, so sei dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung nach § 9 Abs. 4 BPersVG nicht zumutbar, auch wenn die Differenz der Prüfungsergebnisse nur eine Note ausmache. Erst bei gleicher Qualifikation greife der Schutzgedanke des § 9 BPersVG.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

1. Das fortdauernde Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin ist nicht zweifelhaft. Insoweit ist unerheblich, ob - wie die Beteiligten vortragen - ein Amt der Antragstellerin erwägt, der Beteiligten zu 1 die Übernahme in ein Dauerarbeitsverhältnis anzubieten. Solange ein solches Arbeitsverhältnis nicht begründet ist, ist eine für das Rechtsschutzbedürfnis maßgeblich neue Sachlage nicht gegeben.

2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts verletzt § 107 Satz 2 in Verb. mit § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG und Art. 33 Abs. 2 GG. Das Beschwerdegericht meint, daß für die Frage, ob es dem öffentlichen Arbeitgeber zumutbar ist, den Jugend- und Auszubildendenvertreter weiter zu beschäftigen, es zum einen darauf ankomme, ob überhaupt Planstellen - und nicht auch sonstige Dauerarbeitsplätze - zur Verfügung stehen und zum anderen, daß der für den öffentlichen Dienst in Art. 33 Abs. 2 GG verankerte Leistungsgrundsatz ohne Einfluß auf die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ist. Beide Rechtsauffassungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

2.1 Das Beschwerdegericht ist davon ausgegangen, daß die Klägerin als öffentliche Arbeitgeberin zum 31. Januar 1996 über zwei freie Planstellen für Verwaltungsfachangestellte verfügte. Damit hat das Beschwerdegericht nicht nur einen unzutreffenden Stichtag gewählt, seiner Auffassung liegt auch - soweit es allein auf freie Planstellen abgestellt hat - die unzutreffende Rechtsansicht zugrunde, daß der auf Dauer angelegte Arbeitsplatz, der dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen muß, wenn ihm die Weiterbeschäftigung nach § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG zumutbar sein soll, eine Planstelle sein muß.

2.1.1 Nach § 9 Abs. 2 BPersVG gilt auf Verlangen eines (früheren) Jugend- und Auszubildendenvertreters das Arbeitsverhältnis zu dem bisherigen Arbeitgeber als auf unbestimmte Zeit als begründet, wenn dieser nicht in dem Verfahren nach § 9 Abs. 4 BPersVG geltend macht (und notfalls beweist), daß Tatsachen vorliegen, nach denen eine Weiterbeschäftigung ihm nicht zugemutet werden kann. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses insbesondere schon dann unzumutbar, wenn der Arbeitgeber dem früheren Vertreter der Jugend- und Auszubildendenvertretung keinen auf Dauer angelegten Arbeitsplatz zum Zeitpunkt der Beendigung der Berufsausbildung bereitstellen kann, der dessen Ausbildung entspricht und ihn sowohl hinsichtlich der rechtlichen Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses als auch der Vergütung und der beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten einem Beschäftigten gleichstellt, der vom Arbeitgeber für eine vergleichbare Tätigkeit ausgewählt und eingestellt worden ist (vgl. Beschlüsse vom 15. Oktober 1985 - BVerwG 6 P 13.84 - BVerwGE 72, 154, 156; 31. Mai 1990 - BVerwG 6 P 16.88 - PersR 1990, 256, 258; 2. November 1994 - BVerwG 6 P 39.93 - BVerwGE 97, 68, 77; 9. Oktober 1996 - BVerwG 6 P 21.94 - BVerwGE 102, 106, 112).

2.1.2 Obwohl nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts die beteiligte Jugend- und Auszubildendenvertreterin erst am 25. Juni 1996 ihre Prüfung als Verwaltungsfachangestellte bestanden und offensichtlich fristgerecht im Sinne des § 9 Abs. 2 BPersVG am 23. Juni 1996 ihre Weiterbeschäftigung begehrt hatte, stellt die angegriffene Entscheidung auf den 31. Januar 1996 als Stichtag für die Frage ab, ob der Arbeitgeberin überhaupt ein Arbeitsplatz zur Verfügung stand, auf dem die Beteiligte zu 1 hätte weiterbeschäftigt werden können. Maßgeblich ist aber der Zeitpunkt, zu dem die Ausbildung beendet ist und zu dem im Sinne von § 9 Abs. 2 BPersVG ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet gilt (stRspr des Senats). Dies wäre hier der 26. Juni 1996. Ob und wieviele Arbeitsplätze der Hansestadt Lübeck als Arbeitgeberin zu diesem Stichtag zur Verfügung gestanden haben, läßt sich der beschwerdegerichtlichen Entscheidung nicht entnehmen. Schon deshalb bedurfte es der Zurückverweisung.

2.1.3 Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist die Weiterbeschäftigungspflicht des öffentlichen Arbeitgebers nicht notwendig an das Vorhandensein von Planstellen gebunden. Entscheidend ist vielmehr, ob ein ausbildungsadäquater, auf Dauer angelegter Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Ob dies der Fall ist, bemißt sich - für Angestellte im öffentlichen Dienst - dann nicht allein nach den in den Stellenplänen der Arbeitgeberin ausgewiesenen Stellen, wenn bei dieser die Übung besteht, unbefristete Arbeitsverträge mit Absolventen der Ausbildung für Verwaltungsfachangestellte auch dann abzuschließen, wenn die Vergütung aus dem Gesamtbudget des Stellenplans gesichert ist und eine Ausschöpfung des Gesamtbudgets nicht durch eindeutige Beschlüsse des Haushaltsgebers ausgeschlossen ist. Um auch den Anschein einer Benachteiligung von Jugend- und Auszubildendenvertretern nicht entstehen zu lassen, ist es erforderlich, in solchen Fällen sämtliche Arbeitsplätze, die auf diese Weise abweichend von den Stellenplänen im Überhang besetzbar sind, in die Untersuchung mit einzubeziehen, wieviele Stellen den Auszubildenden eines Prüfungstermins insgesamt angeboten werden können.

Vorliegend hatte die Antragstellerin als öffentliche Arbeitgeberin allen Auszubildenden im vorhinein die verbindliche Zusage erteilt, sie in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen, falls sie ein Ergebnis von 11 Punkten ("gut") als Produkt aus der Abschlußprüfung - diese zu einem Faktor von zwei Dritteln angerechnet - und den berufspraktischen Leistungen seit der Zwischenprüfung - mit einem Faktor von einem Drittel angerechnet - erzielen würden. Solchermaßen besonders erfolgreiche Absolventen erhielten nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Sie wurden, soweit keine Stelle im Sinne des Stellenplans zu besetzen war, im wesentlichen auf "Stellenresten" geführt, welche zeitweilig, etwa wegen Krankheit, Erziehungsurlaub und ähnlichem, zur Verfügung standen. Wie die Feststellungen des Verwaltungsgerichts ergeben, waren auf diese Weise über Jahre hinweg erfolgreiche Absolventen der Ausbildung im Überhang beschäftigt worden und erst nach und nach - teilweise erst nach mehreren Jahren - auf sog. Planstellen überführt worden. In solchen Fällen - die der sog. "Topfwirtschaft" im Personalbereich nahekommen (vgl. Beschluß vom 16. September 1994 - BVerwG 6 P 32.92 - BVerwGE 96, 355, 366) - ist es nicht ohne weiteres statthaft, bei der Überprüfung der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung allein auf besetzbare "Planstellen" abzustellen. Wenn das Haushaltsrecht - wie offenbar im vorliegenden Fall - einer Verwendung von Stellenresten und zeitweilig nicht besetzten Stellen für den Abschluß unbefristeter Arbeitsverträge nicht entgegensteht, so sind auch die vom Arbeitgeber bislang üblicherweise derart geschaffenen Stellen als Arbeitsplätze anzusehen, die grundsätzlich für die Weiterbeschäftigung eines Jugend- und Auszubildendenvertreters nach § 9 BPersVG in Betracht kommen. Soweit - wie im vorliegenden Fall - die haushaltsrechtliche Grundlage für das praktizierte Vorgehen unklar ist, obliegt es dem nach § 9 Abs. 4 BPersVG klagenden Arbeitgeber, für Aufklärung zu sorgen und etwaige tatsächliche und rechtliche Grenzen von Einstellungsmöglichkeiten entsprechend der beschriebenen Übung darzulegen.

2.2 Das Beschwerdegericht geht davon aus, daß Art. 33 Abs. 2 GG nur im Falle der vertraglichen Begründung eines Arbeitsverhältnisses zu beachten ist, nicht hingegen, wenn es um die Frage geht, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung eines Jugend- und Auszubildendenvertreters nach § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG zuzumuten ist, dessen Arbeitsverhältnis nach § 9 Abs. 2 BPersVG als begründet gilt. Diese vom Beschwerdegericht nicht weiter begründete Rechtsauffassung ist mit Art. 33 Abs. 2 GG nicht zu vereinbaren.

2.2.1 Allerdings handelt es sich bei der Würdigung des Beschwerdegerichts, ob der Antragstellerin unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung im Sinne des § 9 BPersVG zugemutet werden kann, um die Anwendung und Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs mit Einschätzungs- und Bewertungselementen. Dieser kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob das Beschwerdegericht diesen Rechtsbegriff verkannt hat, ob die Unterordnung des festgestellten Sachverhalts unter diesen Rechtsbegriff Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen widerspricht und ob alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände berücksichtigt und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen worden sind (vgl. BAG, Entscheidungen vom 16. August 1995 - 7 ABR 52/94 - AP Nr. 25 zu § 78 a BetrVG 1972; vom 29. November 1989 - BAG 7 ABR 67/88 - BAGE 63, 319, 338; vom 15. Dezember 1983 - BAG 6 AZR 60/83 - BAGE 44, 355, 361). Die genannte Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts hält indessen auch dem so eingeschränkten Prüfungsmaßstab nicht stand.

2.2.2 Das Beschwerdegericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß Art. 33 Abs. 2 GG nur für vertragliche Arbeitsverhältnisse und nicht für diejenigen gilt, die kraft Gesetzes (§ 9 Abs. 2 BPersVG) begründet werden. Nach Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Diese Kriterien haben Maßstab jeglicher Personalentscheidung im öffentlichen Dienst zu sein (BAG, Urteil vom 10. März 1982 - BAG 5 AZR 927/79 - BAGE 38, 141, 145; BVerwG, Entscheidungen vom 11. Februar 1981 - BVerwG 6 P 44.79 - BVerwGE 61, 325; 330; vom 24. November 1988 - BVerwG 2 C 10.86 - BVerwGE 81, 22, 24; vom 13. Dezember 1991 - BVerwG 7 C 26.90 - BVerwGE 89, 260, 265; s. auch Battis in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 2. Aufl. 1999, Art. 33 Rz. 24, 26; Lübbe-Wolff in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, 1998, Art. 33 Rz. 32, 38 f.; Schmidt-Aßmann NJW 1980, 16 f.). Dies gilt auch dann, wenn die Eignungsanforderungen bei Arbeitern und Angestellten im öffentlichen Dienst je nach den Anforderungen des konkreten Amtes nur abgestuft zur Geltung kämen, wie dies in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vertreten wird (vgl. BAG, Urteile vom 31. März 1976 - BAG 5 AZR 104/74 - BAGE 28, 62, 69; vom 20. Juli 1977 - BAG 4 AZR 142/76 - BAGE 29, 247, 258; vom 13. Oktober 1988 - BAG 6 AZR 144/85 - NJW 1989, 2562, 2563). Art. 33 Abs. 2 GG verbietet es demnach, die Weiterbeschäftigung eines Jugend- und Auszubildendenvertreters im öffentlichen Dienst völlig unabhängig von Eignungsaspekten vorzunehmen (vgl. Schmitt, in: Lorenzen/Schmitt/ Etzel/Gerhold/Schlatmann, BPersVG, Stand 1999, § 9 Rz. 18; Fischer/Goeres GKÖD Bd. V Std. 1993 K § 9 Rz. 22 b; Dietz/ Richardi, BPersVG, 2. Auflage 1978, § 9 Rz. 27; Löwisch, DB 1975, 1893; a.A. wohl von Roetteken, in: Maneck/Schirrmacher, Hessisches Bedienstetenrecht, Stand 1998, § 65 HPVG Rz. 83). Dies wurde vom Beschwerdegericht verkannt.

2.2.3 Aus der von Verfassungs wegen erforderlichen Beachtung des Leistungsgrundsatzes des Art. 33 Abs. 2 GG auch im Rahmen der nach § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG erforderlichen Zumutbarkeitsprüfung folgt indessen nicht, daß es - wie dies die Antragstellerin und auch der Oberbundesanwalt annehmen - bei der Frage der Weiterbeschäftigung eines Jugend- und Auszubildendenvertreters allein darauf ankäme, daß dieser von seinem Prüfungsergebnis und ggf. auch seinen berufspraktischen Leistungen her mindestens in gleicher Weise qualifiziert ist, wie der von der Qualifikation her schwächste der Mitprüflinge, der noch einen Dauerarbeitsplatz erhalten hat. Vielmehr ist daran festzuhalten, daß die Weiterbeschäftigungspflicht des Arbeitgebers nach § 9 Abs. 4 BPersVG nur dann entfällt, wenn die in ein Arbeitsverhältnis übernommenen Mitkonkurrenten objektiv wesentlich fähiger und geeigneter sind als der Jugend- und Auszubildendenvertreter (so bereits Beschluß vom 31. Mai 1990 - BVerwG 6 P 16.88 - Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 8 = PersR 1990, 256, 258 f.). Denn der weite Ermessens- und Beurteilungsspielraum, den Art. 33 Abs. 2 GG den Einstellungsbehörden zur Verfügung stellt (vgl. BVerfGE 39, 334, 353 f.; Beschluß vom 11. Februar 1981 - BVerwG 6 P 44.79 - BVerwGE 61, 325; 330), kann durch eine gesetzliche Ausgestaltung und ggf. auch Gewichtung der Eignungskriterien des Art. 33 Abs. 2 GG eingeschränkt werden, wenn damit vorrangig andere, ebenfalls verfassungslegitime Ziele verfolgt werden. Dies ist in der Gestalt des § 9 BPersVG geschehen.

§ 9 BPersVG will Jugend- und Auszubildendenvertreter vor Personalmaßnahmen bewahren, die diese an der Ausübung ihres personalvertretungsrechtlichen Amtes hindern oder ihre Unabhängigkeit in diesem Amt beeinträchtigen können (Beschluß vom 28. Februar 1990 - BVerwG 6 P 21.87 - BVerwGE 85, 5, 9). Ebenso will er vor Benachteiligungen schützen, die sich typischerweise daraus ergeben, daß Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung durch ihre Amtstätigkeit sich weniger auf ihre Ausbildung haben konzentrieren können. Andere Auszubildende, die keine personalvertretungsrechtliche Tätigkeit übernommen haben, können die zur Verfügung stehende Zeit umfassender zur Erweiterung ihrer fachlichen, insbesondere prüfungsrelevanten Kenntnisse nutzen. Darüber hinaus soll der Weiterbeschäftigungsanspruch des § 9 BPersVG auch davor schützen, daß in die wertende Erkenntnis des Dienstherrn, die sich auf die Leistung während der Ausbildung und den Ausbildungserfolg bezieht, negative Beurteilungen einfließen, die ihren Grund in der personalvertretungsrechtlichen Tätigkeit des Auszubildenden haben. Insoweit deckt sich also bis zu einem gewissen Grad der Schutzzweck des § 9 BPersVG mit dem des Art. 33 Abs. 2 GG. Beide wollen - wenn auch im Hinblick auf unterschiedliche Gefährdungslagen - einen benachteiligungsfreien Zugang zum öffentlichen Dienst gewähren. Die mit § 9 BPersVG teilweise auch bewirkte Einschränkung des Art. 33 Abs. 2 GG rechtfertigt sich dabei aus der durch das Sozialstaatsprinzip mitgestalteten Organisationsgewalt des Staates. Art. 33 Abs. 2 GG steht nicht entgegen, um aus sozialen Gründen Stellen des öffentlichen Dienstes nach Kriterien zu vergeben, bei denen Leistungsgesichtspunkte nicht allein entscheidend sind (vgl. Maunz-Dürig, Grundgesetz, Stand 1966, Art. 33 Rz. 22; Battis in: Sachs, GG, Kommentar, 2. Aufl. 1999, Art. 33 Rz. 38 m.w.N.; Schmidt-Aßmann NJW 1980, 16, 19; Gussone PersR 1999, 350, 352). Dies gilt um so mehr, als das Engagement und Interesse für das Wohl anderer, das der Jugend- und Auszubildendenvertreter durch seine personalvertretungsrechtliche Tätigkeit regelmäßig belegt, durchaus auch als ein Kriterium der Eignung im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG zu bewerten ist.

Dieser den Art. 33 Abs. 2 GG sozialstaatlich beschränkenden, ihn andererseits auch ergänzenden Funktion des § 9 BPersVG wird am ehesten gerecht, wenn die Weiterbeschäftigungspflicht des öffentlichen Arbeitgebers nach § 9 Abs. 4 BPersVG daran gebunden wird, daß nicht andere Bewerber objektiv wesentlich fähiger und geeigneter sind als der Jugend- und Auszubildendenvertreter. Danach verbietet § 9 BPersVG dem Arbeitgeber zwar nicht jeden Qualifikationsvergleich zwischen dem auf einer Weiterbeschäftigung bestehenden Jugend- und Auszubildendenvertreter und einem anderen Bewerber um den freien Arbeitsplatz. Indessen wäre der durch § 9 BPersVG gewollte Schutz der Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung nicht mehr hinreichend gewährleistet, wenn diese trotz ihres Weiterbeschäftigungsverlangens gegenüber allen anderen Bewerbern mit einer hinsichtlich des Prüfungserfolges besseren Qualifikation vollständig zurücktreten müßten. Nach der gesetzlichen Wertung kommt vielmehr dem Weiterbeschäftigungsanspruch des Jugendvertreters ein hohes Gewicht zu. Das Gesetz will den für Bevorzugungen und Benachteiligungen offenen Einfluß subjektiver Wertungen des Arbeitgebers ausschließen. Es bewertet zugleich mittelbar das Engagement in der Personalvertretung als einen für die Beurteilung der Eignung wichtigen Umstand, der bei der Frage der Übernahme in ein Dauerarbeitsverhältnis durchaus positiv ins Gewicht fällt. Gegenüber individuell fachlich besser qualifizierten Mitbewerbern setzt sich der Jugendvertreter jedenfalls dann durch, wenn - bezogen auf das Anforderungsprofil des freien Arbeitsplatzes - kein offenkundiger schwerwiegender Qualifikationsmangel gegeben ist (im Ergebnis ebenso BayVGH, Beschluß vom 19. März 1997 - 18 P 96.3275 - PersR 1998, 31, 33; ähnlich OVG Berlin, Beschluß vom 11. Oktober 1996 - 70 PV 10.94 - nicht veröffentlicht; a.A. OVG Münster, Beschluß vom 26. August 1998 - 1 A 805/98.PVL = PersR 1999, 134). Ein solcher liegt nach den genannten personalvertretungsrechtlichen Besonderheiten dann vor, wenn der Jugend- und Auszubildendenvertreter in der maßgeblichen Abschlußprüfung deutlich mehr als eine volle Notenstufe schlechter abgeschnitten hat als der insoweit schlechteste sonstige Bewerber, den der öffentliche Arbeitgeber in ein Dauerarbeitsverhältnis übernehmen will. Ob dann - wenn, wie es hier zu sein scheint, eine volle Notenstufe durch 3 Punkte aufgefächert wird -, die Grenze bei 4 oder 5 Punkten Unterschied zu liegen hat, obliegt der Beurteilung und Bewertung des Einzelfalls durch den Tatsachenrichter, die im dargestellten Sinne nur der eingeschränkten Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht unterliegt (s. 2.2.1). In diese Beurteilung ist einzubeziehen, ob die Tätigkeit des Jugend- und Auszubildendenvertreters zu Freistellungen im Sinne der § 66 Abs. 3, § 36 Abs. 3 Satz 1 Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein (vom 11. Dezember 1990 - GVOBl SH S. 577 - MBG Schl-H) geführt haben. Hierbei kann es sich nur um eine teilweise Freistellung handeln, da eine vollständige Freistellung nach § 66 Abs. 3, § 36 Abs. 3 Satz 2 MBG Schl-H schon kraft Gesetzes ausgeschlossen ist. Wenn eine solche Freistellung nicht zu einer Verlängerung der Ausbildung geführt hat, kann sich dies zugunsten des betroffenen Jugend- und Auszubildendenvertreters auswirken. Denn dieser hätte in einem solchen Falle den Ausbildungserfolg mit geringerer Arbeitszeit als seine Konkurrenten erreicht. Auf die Beurteilung der berufspraktischen Leistungen seit der Zwischenprüfung, welche die Arbeitgeberin zu einem Drittel als Eingangsqualifikation berücksichtigt wissen will, sollte es im Hinblick auf mögliche Einflüsse der dienststelleninternen Bewertung der Tätigkeit als Jugend- und Auszubildendenvertreter jedenfalls dann, wenn dies zu einer Chancenverschlechterung führen würde, nicht mit einer derart hohen Gewichtung ankommen, wie sie die Antragstellerin hier vorgenommen hat.

3. Nach den bisherigen unvollständigen Feststellungen des Beschwerdegerichts ist nicht ausgeschlossen, daß der Hansestadt Lübeck die Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1 zuzumuten ist, weil sie zum Stichtag über eine hinreichende Anzahl an ausbildungsadäquaten Arbeitsplätzen verfügen konnte und weil die Beteiligte zu 1 möglicherweise in ihren Prüfungsleistungen nicht in dem geforderten eindeutigen Maße wesentlich schlechter abgeschnitten hat als der vom Prüfungsergebnis her schwächste Mitkonkurrent, mit dem die Hansestadt zum fraglichen Zeitpunkt einen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hat.

Das Beschwerdegericht wird in einer erneuten Verhandlung aufzuklären haben, in welcher Zahl der klagenden Hansestadt Lübeck zum Stichtag, dem 26. Juni 1996, ausbildungsadäquate Dauerarbeitsplätze unter Ausschöpfung der haushaltsrechtlichen Möglichkeiten zur Verfügung standen. Ob ein solcher Arbeitsplatz im maßgeblichen Stellenplan vorgesehen ist oder - entsprechend der Übung der Hansestadt - aus Stellenresten u.ä. finanziert wird, ist dabei ohne Belang.

Stand zum genannten Zeitpunkt ein freier, nicht mit einem besseren Mitbewerber besetzter Arbeitsplatz tatsächlich zur Verfügung, so war der Antragstellerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der Beteiligten zu 1 zuzumuten. War solches nicht der Fall, dann wird das Beschwerdegericht ferner aufzuklären haben, welche Prüfungsnote der schlechteste der Mitbewerber hat, der von der Hansestadt aus der Prüfung im Juni 1996 in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen wurde. Sollte der Unterschied dieses Prüfungsergebnisses zu dem der Beteiligten zu 1 deutlich mehr als eine volle Notenstufe betragen, wobei zu berücksichtigen ist, daß sich eine frühere Freistellung als Jugend- und Auszubildendenvertreter oder ähnliches zusätzlich zugunsten der Beteiligten zu 1 auswirkt, so wäre der Antragstellerin die Weiterbeschäftigung nicht zuzumuten.

4. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 10 Abs. 1 BRAGO i.V.m. § 8 Abs. 2 BRAGO.

Ende der Entscheidung

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