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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.10.2008
Aktenzeichen: BVerwG 6 PB 21.08
Rechtsgebiete: MVPersVG


Vorschriften:

MVPersVG § 70
MVPersVG § 73
MVPersVG § 75
1. Eine Umgehung der Mitbestimmung durch einen Beschluss der Landesregierung kann nur dann angenommen werden, wenn die Landesregierung eine Angelegenheit allein in der Absicht an sich zieht, ein sonst erforderliches Mitbestimmungsverfahren zu vermeiden.

2. Die Kabinettsvorlage eines Ministeriums unterliegt nicht als eine der Maßnahme gleichstehende Vorbereitungshandlung der Mitbestimmung.


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 6 PB 21.08

In der Personalvertretungssache

hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 8. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge und Vormeier

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Fachsenats für Personalvertretungsrecht des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 7. Mai 2008 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 87 Abs. 2 MVPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.

1. Die Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Der Antragsteller will geklärt wissen, "ob eine absichtliche Umgehung des Mitbestimmungsrechts durch Erstellen einer Beschlussvorlage für einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand (für) das Kabinett fiktiv einer Maßnahme gleichzusetzen ist". Diese Rechtsfrage rechtfertigt die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht.

a) Wie die Ausführungen in der Beschwerdebegründung und die Antragstellung in den Vorinstanzen belegen, unterstellt der Antragsteller, dass jede Kabinettsvorlage ein Mitbestimmungsrecht umgeht, wenn eine entsprechende Entscheidung des Ministeriums selbst mitbestimmungspflichtig wäre. Diese Auffassung ist eindeutig unzutreffend, so dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde mangels Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage ausscheidet.

Nach § 1 MVPersVG werden Personalräte nur in Dienststellen gebildet. Die Landesregierung, welche aus dem Ministerpräsidenten und den Ministern besteht (Art. 41 Abs. 2 Verf MV), ist keine Dienststelle im Sinne des § 8 Abs. 1 MVPersVG. Für eine solche ist charakteristisch, dass sie aus einem Dienststellenleiter und weisungsabhängigen Beschäftigten besteht (§§ 3 ff., § 8 Abs. 4 Satz 1 MVPersVG). Davon kann bei der Landesregierung mit Blick auf die verfassungsrechtliche Rechtsstellung und Zuständigkeit ihrer Mitglieder nach Art. 45, 46 Verf MV keine Rede sein. Folgerichtig werden Hauptpersonalräte bei den Ministerien in ihrer Eigenschaft als oberste Dienstbehörden gebildet (§ 46 Abs. 1 MVPersVG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 LBG M-V), nicht aber bei der Landesregierung.

Schon daraus ergibt sich, dass die "Beteiligungslücke" in Bezug auf Entscheidungen der Landesregierung vom Gesetzgeber gewollt ist; darauf hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend hingewiesen. Mittelbar ist dies auch den Bestimmungen über die Arbeitsgemeinschaft der Hauptpersonalräte zu entnehmen (§§ 48, 75 MVPersVG). Diese sehen in ressortübergreifenden Angelegenheiten ein Anhörungsrecht der Arbeitsgemeinschaft vor (§ 75 Abs. 1 Satz 1 MVPersVG), schließen deren Mitbestimmung jedoch aus (§ 75 Abs. 1 Satz 2 MVPersVG; vgl. dazu Vogelgesang, in: Vogelgesang/Bieler/Kleffner, Landespersonalvertretungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern, § 48 Rn. 1 f., § 75 Rn. 2 und 6 ff.).

Angesichts dessen kann von einem Umgehen des Mitbestimmungsrechts der Hauptpersonalräte nach § 73 Abs. 2 MVPersVG nicht die Rede sein, wenn die Landesregierung zu einer ressortübergreifenden Angelegenheit Beschluss fasst. Dazu ist sie im Verhältnis zu den Ministerien mindestens nach § 6 Abs. 1 Buchst. f ihrer Geschäftsordnung vom 21. Februar 1995, GVOBl M-V S. 115, befugt. Dies gilt erst recht für Ausführungsbestimmungen zu einer Rechtsverordnung, zu deren Erlass der Gesetzgeber die Landesregierung ausdrücklich ermächtigt. So liegt es hier hinsichtlich der Beamten. § 78 Abs. 1 Satz 1 LBG MV ermächtigt die Landesregierung, die Arbeitszeit der Beamten durch Rechtsverordnung zu regeln. Dies ist durch die Arbeitszeitverordnung vom 19. Januar 2000, GVOBl M-V S. 14, zuletzt geändert durch Verordnung vom 5. Januar 2001, GVOBl M-V S. 8, und insbesondere durch deren § 9 zur hier in Rede stehenden Thematik der gleitenden Arbeitszeit geschehen. Eine ressortübergreifende Angelegenheit ist aber auch die Arbeitszeit der Arbeitnehmer in der Landesverwaltung. Ist daher der Beschluss der Landesregierung vom 11. Oktober 2002 betreffend die Grundsätze über die Durchführung der gleitenden Arbeitszeit (AmtsBl M-V S. 1438) keine Umgehung der Mitbestimmung des Antragstellers nach § 70 Abs. 1 Nr. 6 MVPersVG, so kann für dessen Vorbereitung in Gestalt der Kabinettsvorlage des federführenden Ministeriums nichts anderes gelten.

b) Nach alledem kann von einer Umgehung der Mitbestimmung durch einen Beschluss der Landesregierung nur unter besonderen Umständen ausgegangen werden. Solches ist nur dann anzunehmen, wenn die Landesregierung eine Angelegenheit allein in der Absicht an sich zieht, ein sonst erforderliches Mitbestimmungsverfahren zu vermeiden. In einem solchen Fall sachwidrigen, rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nach den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsätzen von Treu und Glauben (§§ 162, 242 BGB) das Mitbestimmungsrecht im Sinne der Beschwerdebegründung als gegeben zu betrachten, begegnet ebenfalls keinen Bedenken und bedarf daher nicht erst der Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren. Abgesehen davon ist eine derartig zugespitzte Fragestellung nicht entscheidungserheblich, weil es an der Feststellung entsprechender Umstände im angefochtenen Beschluss fehlt und sie daher die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts im Ergebnis nicht zu beeinflussen vermag.

2. Mit der Divergenzrüge nach § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG kommt der Antragsteller gleichfalls nicht zum Zuge. Der angefochtene Beschluss weicht nicht von dem in der Beschwerdebegründung zitierten Senatsbeschluss vom 18. Dezember 1996 - BVerwG 6 P 6.94 - (BVerwGE 104, 14 = Buchholz 251.95 § 51 S-HPersVG Nr. 1) ab.

Danach sind lediglich der Vorbereitung einer Maßnahme dienende Handlungen der Dienststelle selbst keine Maßnahmen, wenn sie nicht bereits eine beabsichtigte Maßnahme vorwegnehmen oder unmittelbar festlegen (a.a.O. S. 15 bzw. S. 2; ebenso Beschlüsse vom 14. Oktober 2002 - BVerwG 6 P 7.01 - Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 104 S. 33 und vom 29. Januar 2003 - BVerwG 6 P 16.01 - Buchholz 251.95 § 51 MBGSH Nr. 5 S. 24). Der daraus in der Beschwerdebegründung gezogene Umkehrschluss, die der Vorbereitung einer Maßnahme dienende Handlung einer Dienststelle, die bereits alle Einzelheiten der beabsichtigten Maßnahme unmittelbar festlege, sei einer Maßnahme gleichgestellt, ist zwar nicht unzutreffend. Einen dazu im Widerspruch stehenden Rechtssatz hat das Oberverwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss jedoch nicht aufgestellt.

Abgesehen davon sind mit Vorbereitungshandlungen, die ihrerseits den Maßnahmebegriff erfüllen, andere Fallgestaltungen gemeint als die vorliegende. In aller Regel kommen dafür nur Vorbereitungshandlungen derjenigen Dienststelle in Betracht, welche auch die endgültige Entscheidung trifft (vgl. Beschlüsse vom 26. Januar 2000 - BVerwG 6 P 2.99 - BVerwGE 110, 287 <296> = Buchholz 251.95 § 51 MBGSH Nr. 3 S. 15 f. und vom 29. Januar 2003 a.a.O. S. 25). Wird dagegen die endgültige Entscheidung von einer anderen Stelle getroffen, kommt die Mitbestimmungspflichtigkeit einer vorbereitenden Maßnahme nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn ihr mindestens teilweise Verbindlichkeit für die endgültige Entscheidung zukommt. Dies ist z.B. für den Besetzungsvorschlag des Bürgermeisters wegen seiner Bindungswirkung für die nachfolgende Wahl durch die Gemeindevertretung angenommen worden (vgl. Beschluss vom 16. August 2004 - BVerwG 6 PB 7.04 - juris Rn. 3). Ein vergleichbarer Fall liegt hier nicht vor. Die Kabinettsvorlage bindet die Landesregierung nicht. Auch wenn sie tatsächlich nicht davon abweicht, ändert dies nichts an ihrer Entscheidungsfreiheit.

Ende der Entscheidung

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