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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.10.2004
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 16.03
Rechtsgebiete: VermG, VZOG, VwGO, Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener vermögensrechtlicher Fragen


Vorschriften:

VermG § 1 Abs. 4
VermG § 6
VermG § 8 Buchst. b
VermG § 2 Abs. 1 Satz 1
VermG § 2 Abs. 1 Satz 3
VermG § 3 Abs. 1 Satz 1
VZOG § 1 b Abs. 1 Satz 1
VwGO § 121
Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener vermögensrechtlicher Fragen
Ein Vermögenswert ist nicht mehr von einer Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG betroffen, wenn er nach dem Ende der Verfolgungsmaßnahme wieder in den Besitz des Eigentümers oder seiner Rechtsnachfolger gelangt ist.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 16.03

Verkündet am 28. Oktober 2004

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley, Herbert, Krauß und Neumann

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. Juni 2002 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Auskehr des Erlöses aus der investiven Veräußerung des Grundstücks Berlin - ... - G.straße 10/ Am F. 5 an sich und Edith L. in Erbengemeinschaft.

Das Grundstück stand im Eigentum von Paul F. Dieser war Jude. Seine Ehefrau war nicht Jüdin. Die Klägerin im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, Liselotte S., und Edith L. sind Töchter der beiden. Die Ehe wurde im April 1939 geschieden. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 22. Mai 1939 übertrug Paul F. das Grundstück an Liselotte S. Die Übertragung wurde in dem Vertrag als Schenkung bezeichnet. Danach emigrierte Paul F. Liselotte S. wurde 1940 im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen. Paul F. verstarb 1947 im südamerikanischen Exil. Seine Erben waren Liselotte S. und ihre Schwester. Die Klägerin ist Alleinerbin der Frau Liselotte S., die während des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde verstorben ist.

Seit 1952 wurde das Grundstück nach der Verordnung vom 18. Dezember 1951 (VOBl I S. 565) verwaltet. Im Zuge der Verhandlungen zwischen der DDR und Österreich über ein Entschädigungsabkommen meldete Liselotte S. das Grundstück als ihr Vermögen an. Die ihr nach Abschluss des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der DDR zur Regelung offener vermögensrechtlicher Fragen vom 21. August 1987 angebotene Entschädigung in Höhe von 1 760 246,25 öS nahm sie - vorbehaltlich der von ihr in erster Linie erstrebten Rückgabe des Grundstücks - an.

1990 meldete Liselotte S. vermögensrechtliche Ansprüche hinsichtlich des Grundstücks an. Da sie am 3. Oktober 1990 noch im Grundbuch eingetragen war, wurde ihr nach Aufhebung der staatlichen Verwaltung 1993 das Grundstück vom Rechtsnachfolger des staatlichen Verwalters übergeben.

Auf Antrag der Bundesrepublik ordnete der Präsident der Oberfinanzdirektion Berlin mit Bescheid vom 20. August 1995 dieser das Grundstück unter Hinweis auf § 1 b Abs. 1 Satz 1 VZOG zu.

1998 begehrte Liselotte S. beim zuständigen Vermögensamt die Fortführung des Restitutionsverfahrens und führte aus, da sich nunmehr herausgestellt habe, dass sie ihr Eigentum durch das Entschädigungsabkommen der DDR mit der Republik Österreich verloren habe, begehre sie die Rückübertragung des Grundstücks als Rechtsnachfolgerin nach ihrem Vater wegen der Schenkung des Grundstücks an sie selbst im Jahre 1939. Ihr Vater habe das Grundstück verfolgungsbedingt an sie verloren.

Mit Bescheid vom 14. Dezember 1998 lehnte das damals zuständige Vermögensamt den Antrag ab. Zur Begründung führte es aus, auch ein möglicher Anspruch von Liselotte S. als Rechtsnachfolgerin nach ihrem Vater gemäß § 1 Abs. 6 VermG sei nach § 1 Abs. 8 Buchst. b VermG ausgeschlossen. Im Übrigen liege auch keine schädigende Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG vor.

Den Widerspruch der Liselotte S. wies das damals zuständige Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2000 zurück.

Durch Bescheid vom 21. September 2001 wurde die investive Veräußerung des streitgegenständlichen Grundstücks gestattet. Anschließend wurde es für 2,7 Mio. DM verkauft.

Mit Urteil vom 28. Juni 2002 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den damaligen Beklagten - unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids und des Widerspruchsbescheids - verpflichtet, die Auskehr des Erlöses, mindestens aber des Verkehrswertes, aus dem Verkauf des streitgegenständlichen Grundstücks an Liselotte S. und Edith L. in Erbengemeinschaft gegenüber der Bundesrepublik Deutschland anzuordnen.

Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht insbesondere ausgeführt: Liselotte S. habe als Rechtsnachfolgerin nach ihrem Vater Anspruch auf Auskehr des Erlöses aus der investiven Veräußerung des streitgegenständlichen Grundstücks, jedenfalls aber des Verkehrswertes, gemäß § 3 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 6 VermG und § 16 Abs. 1 InVorG an sie und Edith L. in Erbengemeinschaft. Bis zur investiven Veräußerung habe Liselotte S. ein Anspruch auf Naturalrestitution an sie und ihre Schwester in Erbengemeinschaft aus § 1 Abs. 6 VermG i.V.m. Art. 4 REAO zugestanden. Ihr Vater habe das Grundstück verfolgungsbedingt an sie verloren. Der Rückübertragungsanspruch sei auch nicht durch § 1 Abs. 8 Buchst. b VermG ausgeschlossen. Es handele sich nicht um einen vermögensrechtlichen Anspruch, der seitens der DDR durch zwischenstaatliche Vereinbarung geregelt worden sei.

Zwar führe seine Entscheidung dazu, dass Liselotte S. nicht nur den halben Verkaufserlös für das Grundstück, sondern auch die volle Entschädigung nach dem Abkommen der DDR mit Österreich erhalte. Insoweit werde aber nicht ein und die selbe Schädigung doppelt abgegolten, sondern vielmehr zum einen eine Schädigung aus der Zeit des Dritten Reiches und zum anderen eine Schädigung aus der Zeit der DDR. Das Zusammenfallen von Entschädigung und Rückübertragung werde lediglich dadurch ausgelöst, dass Liselotte S. in einer Person Zweitgeschädigte und zugleich Erbin des Erstgeschädigten sei.

Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Revision führt die Beklagte insbesondere aus: Das angefochtene Urteil verstoße gegen § 1 Abs. 8 Buchst. b VermG sowie gegen den Vertrag zwischen der DDR und der Republik Österreich zur Regelung offener vermögensrechtlicher Fragen vom 21. August 1987. Es verletzte darüber hinaus § 121 VwGO. Die Bindung durch das rechtskräftige Urteil im Streit über die Vermögenszuordnung werde nicht beachtet.

Die Klägerin tritt der Revision entgegen.

II.

Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen Berlin Mitte-Prenzlauer Berg vom 14. Dezember 1998 und den Widerspruchsbescheid des Widerspruchsausschusses beim Berliner Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen vom 30. Mai 2000 aufgehoben und den damaligen Beklagten verpflichtet, die Auskehr des Erlöses, mindestens aber des Verkehrswertes aus dem investiven Verkauf (vgl. § 16 Abs. 1 InVorG) des streitgegenständlichen Grundstücks an Liselotte S. und Edith L. in Erbengemeinschaft gegenüber der Bundesrepublik Deutschland anzuordnen; denn ein solcher Anspruch besteht nicht.

Das Verwaltungsgericht nimmt an, Liselotte S. habe bis zur Veräußerung des streitgegenständlichen Grundstücks als Rechtsnachfolgerin nach Paul F. ein Anspruch auf Rückübertragung des Grundstücks an sie und ihre Schwester in Erbengemeinschaft gemäß § 1 Abs. 6 VermG zugestanden. Diese Annahme verletzt Bundesrecht.

Es kann dahinstehen, ob das streitgegenständliche Grundstück von einer schädigenden Maßnahme nach § 1 Abs. 6 VermG betroffen war. Das Grundstück ist jedenfalls deshalb nicht an die Klägerin und Edith L. in Erbengemeinschaft zurückzuübertragen, weil diese nicht Berechtigte sind (§ 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG). Denn Berechtigte sind Personen, deren Vermögenswerte von Maßnahmen gemäß § 1 VermG betroffen sind, sowie ihre Rechtsnachfolger (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VermG). Dass sie von Maßnahmen gemäß § 1 VermG betroffen waren, genügt nicht. Dies gilt auch für Rechtsnachfolger. Auch diese sind nur Berechtigte, wenn ein Vermögenswert noch von einer Maßnahme gemäß § 1 VermG betroffen ist. Genauso wie keine Berechtigung nach dem Vermögensgesetz besteht, wenn eine schädigende Maßnahme rückgängig gemacht wurde, besteht sie nicht, wenn das Eigentum an einem - zunächst von einer Schädigung betroffenen - Vermögenswert wieder dem Geschädigten oder seinen Rechtsnachfolgern zugefallen ist.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ändert sich daran nichts, wenn danach - aber noch vor In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes - ein weiterer Eigentümerwechsel eingetreten ist. Die Berechtigung (§ 2 Abs. 1 VermG) aufgrund einer früheren schädigenden Maßnahme hängt nicht davon ab, ob später der Vermögenswert erneut den Eigentümer gewechselt hat. Dadurch kann weder eine Berechtigtenstellung entfallen, noch kann dadurch eine vorher nicht bestehende Berechtigtenstellung wegen der früheren Schädigung begründet werden. Der spätere Eigentümerwechsel kann allenfalls eine neue schädigende Maßnahme darstellen. Um Letzteres geht es hier aber nicht.

Das streitgegenständliche Grundstück ist nicht mehr von einer schädigenden Maßnahme gemäß § 1 Abs. 6 VermG betroffen, seit Paul F. verstorben ist und von seinen Töchtern Liselotte S. und Edith L. beerbt wurde. Nach dem eigenen Vortrag der Liselotte S. hat ihr Vater ihr das Grundstück nicht geschenkt, sondern zu treuen Händen übertragen, um es dem Zugriff der Nationalsozialisten zu entziehen. Seit dem Tod ihres Vaters hatte Liselotte S. - ebenfalls nach ihrem eigenen Vortrag - das Grundstück treuhänderisch für die Erbengemeinschaft, bestehend aus ihr selbst und ihrer Schwester gehalten. Letztere hat mit einem Schreiben vom 27. August 2001 erklärt, dass Liselotte S. ihr stets erklärt habe, sie fühle sich an die Vereinbarung mit ihrem Vater gebunden und sehe deshalb ihre Schwester als Miteigentümerin des streitigen Grundstücks an. Damit war das Grundstück denjenigen zugefallen, die es auch ohne die schädigende Maßnahme erhalten hätten. Sie haben lediglich einvernehmlich das Treuhandverhältnis zwischen ihnen zunächst fortgesetzt. Die Fortführung des Treuhandverhältnisses über den Tod des Vaters hinaus war aber nicht mehr durch dessen Verfolgung bedingt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.



Ende der Entscheidung

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