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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 21.06.2001
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 4.00
Rechtsgebiete: VwVfG, VermG, SächsVwVfG


Vorschriften:

VwVfG § 48
VermG § 1 Abs. 6
VermG § 3 Abs. 2
VermG § 30 Abs. 1 Satz 1
VermG § 30 Abs. 1 Satz 5
VermG § 30 a Abs. 1 Satz 1
VermG § 31 Abs. 2
SächsVwVfG § 1

Entscheidung wurde am 12.09.2001 korrigiert: Titel durch Stichworte ersetzt
Ein Anspruch ist gemäß § 30 Abs. 1 Sätze 1 und 5 VermG auch dann bei der zuständigen Behörde geltend gemacht worden, wenn er bei einer nach § 2 Abs. 2 der Anmeldeverordnung zuständigen Behörde angemeldet worden ist. Hieran ändert es nichts, wenn die Anmeldung nach Ablauf der in der Anmeldeverordnung bestimmten Frist, aber innerhalb der Frist des § 30 a Abs. 1 Satz 1 VermG vorgenommen worden ist.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 4.00 VG 1 K 731/98

Verkündet am 21. Juni 2001

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2001 durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel, Dr. Pagenkopf, Kley, Herbert und Neumann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin zu 2 gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 6. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin zu 2 trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe:

I.

Die Klägerin zu 2 wendet sich gegen die (teilweise) Aufhebung eines Bescheides, mit dem ihre Berechtigung u.a. zur Rückübertragung des Betriebsgrundstücks - Flurstück Nr. 780 - einer früheren Strumpffabrik in N. nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) festgestellt worden war.

Inhaber der Strumpffabrik in N. war bis 1938 der jüdische Fabrikant J. I. Sch.; die Hauptniederlassung der Fabrik befand sich in W. Im Dezember 1938 verkaufte der eingesetzte Verwalter die Zweigniederlassung in N. an G. V. Im "Verzeichnis der im Bereich der Bezirkswirtschaftskammer C. entjudeten Gewerbebetriebe" ist die Firma Sch., C., und deren Übernahme durch G. V. erfasst. Dieser führte das Unternehmen weiter, bis er im Jahr 1953 auf Druck des Rates des Kreises S. die Fabrikation aufgeben musste. Das Betriebsgrundstück veräußerte er später in Volkseigentum.

Auf die Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche durch Frau L. als Rechtsnachfolgerin des G. V. stellte der Beklagte mit Bescheid vom 13. Oktober 1992 unter Ziff. 3 d die Berechtigung der Klägerin zu 2 zur Rückübertragung des inzwischen in die Flurstücke Nr. 780/4 und 783/4 aufgeteilten Flurstücks Nr. 780 fest. Das Rückgabeverfahren wurde vorläufig ausgesetzt, um den Beteiligten Gelegenheit zu einer gütlichen Einigung zu geben. Bereits zuvor hatten sich die Firma T. GmbH als inzwischen Verfügungsberechtigte und Frau L. Anfang Oktober 1992 vertraglich dahin geeinigt, dass Frau L. gegen die Zahlung eines Ausgleichs in Höhe von 350 000 DM auf die Geltendmachung von Ansprüchen hinsichtlich einer zum Flurstück 780/4 gehörenden, mit dem ehemaligen Fabrikgebäude bebauten Teilfläche von 1 577 m² verzichtet.

Vor Erlass des Feststellungsbescheids vom 13. Oktober 1992 hatte die Beigeladene zu 1 mit Schreiben vom 1. April 1992 Ansprüche auf das Grund- und Betriebsvermögen der Firma Sch. in C. beim Bundesministerium der Justiz angemeldet; das Schreiben ist dort am 2. April 1992 eingegangen. Mit Schreiben vom 25. Dezember 1992 machte die Beigeladene zu 1 ihre Ansprüche auch beim Sächsischen Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen geltend. Der Beigeladene zu 2 hatte am 8. Juni 1992 unter Berufung darauf, dass er Rechtsnachfolger des früheren Inhabers sei, die Rückübertragung des Grund- und Betriebsvermögens der Firma Sch. beim Amt zur Regelung offener Vermögensfragen der Stadt C. - dort am 17. Juni 1992 eingegangen - beantragt. Von den Anmeldungen der Beigeladenen zu 1 vom 1. April 1992 und des Beigeladenen zu 2 erhielt das Sächsische Landesamt erst im Jahr 1993 Kenntnis.

Mit Bescheid vom 26. Mai 1994 nahm der Beklagte den Feststellungsbescheid vom 13. Oktober 1992 insoweit zurück, als festgestellt worden ist, dass die Klägerin zu 2 zur Rückübertragung der Vermögenswerte der ehemaligen Firma G. V. gemäß Ziff. 3 d des Bescheides vom 13. Oktober 1992 berechtigt ist. Die Rücknahme wurde damit begründet, dass ein früherer Schädigungstatbestand vorliege, der gemäß § 3 Abs. 2 VermG dem Rückübertragsanspruch der Klägerin vorgehe.

Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Feststellungsbescheid vom 13. Oktober 1992 sei durch die Anmeldung der Beigeladenen zu 1 vom 25. Dezember 1992 gemäß § 3 Abs. 2 VermG nachträglich rechtswidrig geworden. Der frühere Inhaber der Fabrik Sch. habe die Zweigniederlassung in N. im Jahr 1938 aufgrund einer Verfolgung durch die Nationalsozialisten im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG verloren. Da innerhalb der Frist des § 30 a Abs. 1 Satz 1 VermG bereits eine wirksame Anmeldung der Beigeladenen zu 1 vorgelegen habe, könne die Frage, ob der Beigeladene zu 2 Erbe des Geschädigten sei und ob ihm wegen der Versäumung der Anmeldefrist infolge der verspäteten Weiterleitung seiner Anmeldung durch das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen der Stadt C. an das zuständige Landesamt Nachsicht zu gewähren sei, dahingestellt bleiben. Der Rücknahme des Feststellungsbescheides stehe kein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin zu 2 gemäß § 48 Abs. 2 VwVfG entgegen; sie habe keine Vermögensdispositionen getroffen, die nicht oder nur mit Schaden rückgängig zu machen seien. Die Rücknahmefrist des § 48 Abs. 4 VwVfG sei gewahrt.

Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin zu 2 ihren Anspruch auf Aufhebung des Rücknahmebescheides vom 26. Mai 1994 weiter. Zur Begründung trägt sie vor: Es sei bereits unklar, welchen Regelungsgegenstand der Rücknahmebescheid vom 26. Mai 1994 habe; er könne sich nur auf die Teilfläche von 1 577 m² des Flurstücks Nr. 780/4 beziehen, für die allein kein Ausschlussgrund bestehe. Davon abgesehen sei der Rücknahmebescheid rechtswidrig. Der Rücknahme des Feststellungsbescheides vom 13. Oktober 1992 stehe entgegen, dass dieser ohne Vorbehalt ergangen sei, obwohl der Behörde bekannt gewesen sei, das es sich um jüdisches Vermögen gehandelt habe. Gegen eine Aufhebung spreche zudem, dass die Klägerin im Vertrauen auf den Bestand des Feststellungsbescheides eine nicht wieder rückgängig zu machende Vermögensdisposition getroffen habe. Die gegenteilige Feststellung des Verwaltungsgerichts sei unter Verstoß gegen das Gebot zur Gewährung rechtlichen Gehörs erfolgt, weil ihr keine Gelegenheit zur Darlegung gegeben worden sei, wie sie das erhaltene Geld verwendet habe. Zudem sei im Zeitpunkt der Rücknahme die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG bereits abgelaufen gewesen.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen: Die Rechtswidrigkeit des Feststellungsbescheides ergebe sich auch daraus, dass die Beigeladenen unter Verstoß gegen § 31 Abs. 2 VermG nicht am Verfahren beteiligt worden seien.

Die Beigeladenen zu 1 und 2 beantragen ebenfalls, die Revision zurückzuweisen. Sie sind der Meinung, dass der Feststellungsbescheid von Anfang an rechtswidrig gewesen sei, da sie bereits vor Erlass dieses Bescheides ihre Ansprüche bei den zuständigen Behörden angemeldet hätten.

II.

Die Revision hat keinen Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verstößt nicht gegen § 1 des Vorläufigen Verwaltungsverfahrensgesetzes für den Freistaat Sachsen i.V.m. § 48 Abs. 1, 3 und 4 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG). Soweit das Verwaltungsgericht zu Unrecht § 48 Abs. 2 VwVfG angewendet hat, stellt sich die Entscheidung aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO), weil auch nach dem zur Anwendung kommenden § 48 Abs. 3 VwVfG kein - über den Ausgleich von Vermögensnachteilen hinausgehendes - schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des Ausgangsbescheides vom 13. Oktober 1992 besteht.

Der Rücknahmebescheid vom 26. Mai 1994 ist hinreichend bestimmt (vgl. § 37 Abs. 1 VwVfG). Die Rücknahme erfasst entgegen der Auffassung der Klägerin zu 2 nicht nur die Feststellung ihrer Berechtigung zur Rückübertragung des 1 577 m² großen Teilstücks des Flurstücks-Nr. 780/4, sondern der Flurstücke Nr. 780/4 und 783/4 insgesamt. Durch die Bezugnahme auf die Ziff. 3 d des Ausgangsbescheides vom 13. Oktober 1992 erstreckt sie sich auch auf die Untergliederungen 3 d 1 und 3 d 2 und die dort bezeichneten Flurstücke Nr. 780/4 und 783/4. Diese Untergliederungen haben in dem Bescheid vom 13. Oktober 1992 gegenüber der Ziff. 3 d keine eigenständige Bedeutung, sondern sollen lediglich kennzeichnen, in welche Flurstücke das unter Ziff. 3 d aufgeführte, aber als solches nicht mehr vorhandene Flurstück Nr. 780 aufgeteilt worden ist.

Die (teilweise) Rücknahme des Feststellungsbescheides vom 13. Oktober 1992 ist rechtmäßig; sie erfüllt die Voraussetzungen des § 48 VwVfG. Nach § 48 Abs. 1 VwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise zurückgenommen werden. Der Feststellungsbescheid vom 13. Oktober 1992 war, soweit er zurückgenommen worden ist, von Anfang an rechtswidrig (1). Das Ermessen des Beklagten war in der Weise reduziert, dass eine andere Entscheidung als die Rücknahme des Feststellungsbescheides nicht in Betracht kam (2). Die Rücknahme durch den Bescheid vom 26. Mai 1994 ist innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG erfolgt (3).

1. Der Bescheid vom 13. Oktober 1992 verstieß, soweit er zurückgenommen worden ist, gegen § 3 Abs. 2 VermG. Danach gilt, wenn von mehreren Personen Ansprüche auf Rückübertragung desselben Vermögenswertes geltend gemacht werden, derjenige als Berechtigter, der von einer Maßnahme gemäß § 1 VermG als Erster betroffen war. Der Zweitgeschädigte ist unter dieser Voraussetzung von der Rückübertragung des Vermögenswertes ausgeschlossen (vgl. auch § 1 Abs. 2 Satz 1 EntSchG).

a) Der Schädigung der Firma V. im Jahr 1953 ging der Vermögensverlust des Herrn Sch. aufgrund der Veräußerung der Zweigniederlassung durch den Verwalter im Dezember 1938 als Entschädigung voraus. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass dieser Vermögensverlust die Voraussetzungen des § 1 Abs. 6 VermG erfüllt; hiergegen sind von der Klägerin im Revisionsverfahren keine substantiierten Einwände mehr geltend gemacht worden. § 3 Abs. 2 VermG setzt nicht nur voraus, dass ein zeitlich vorgehender Schädigungstatbestand vorliegt, sondern verlangt auch, dass die Berechtigung des Erstgeschädigten oder seines Rechtsnachfolgers zur Rückübertragung feststeht. Diese Feststellung lässt sich hier treffen, ohne dass es der Aufklärung bedarf, ob die Beigeladene zu 1 oder der Beigeladene zu 2 oder unter den Voraussetzungen des § 2 a Abs. 1 a VermG beide Beigeladene zur Rückübertragung berechtigt sind. Denn es steht fest, dass jedenfalls einer der beiden Beigeladenen Berechtigter ist. Sofern der Beigeladene zu 2 nicht Rechtsnachfolger des Geschädigten Schwadron ist, wäre Berechtigte jedenfalls die Beigeladene zu 1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG gilt sie als Rechtsnachfolgerin des jüdischen Geschädigten, soweit Ansprüche von jüdischen Berechtigten im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG oder deren Rechtsnachfolgern nicht geltend gemacht worden sind und - wie hier - Nachfolgeorganisationen des Rückerstattungsrechts keine Ansprüche angemeldet haben.

b) Beide Beigeladenen haben die geltend gemachten Rückübertragungsansprüche innerhalb der Frist des § 30 a Abs. 1 Satz 1 VermG und noch vor Erlass des Feststellungsbescheides vom 13. Oktober 1992 wirksam angemeldet. Die Anmeldung von Ansprüchen der Beigeladenen zu 1 auf die Rückübertragung des Grund- und Betriebsvermögens der Firma Sch. ist, wie die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig gestellt haben, am 2. April 1992 beim Bundesministerium der Justiz eingegangen. Eine weitere Anmeldung der Beigeladenen zu 1 vom 25. Dezember 1992 beim Sächsischen Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen, auf die das Verwaltungsgericht für die Annahme einer nachträglichen Rechtswidrigkeit abgestellt hat, kommt es deshalb nicht an. Der Beigeladene zu 2 hat die Rückübertragung des Vermögens der Firma Sch. mit seiner Anmeldung vom 8. Juni 1992 beim Amt zur Regelung offener Vermögensfragen der Stadt C. - dort am 17. Juni 1992 eingegangen - beantragt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist diese Anmeldung ebenso wie die Anmeldung der Beigeladenen zu 1 vom 1. April 1992 nicht bei einer unzuständigen Behörde vorgenommen worden. In beiden Fällen handelt es sich um die nach § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche in der hier maßgeblichen Fassung vom 11. Oktober 1990 (BGBl I S. 2162) zuständigen Stellen. Nach § 30 Abs. 1 Satz 5 VermG gelten Anmeldungen nach dieser Verordnung und damit auch Anmeldungen bei den nach der Verordnung zuständigen Stellen als Anträge auf Rückübertragung. Diese rechtliche Wirkung haben auch solche Anmeldungen, die zwar nach Ablauf der in § 3 der Anmeldeverordnung bestimmten Frist, aber noch innerhalb der Frist des § 30 a Abs. 1 Satz 1 VermG erfolgt sind. § 3 der Anmeldeverordnung enthält keine Ausschlussfrist (vgl. auch § 3 Abs. 4 Satz 1, § 11 Abs. 2 Satz 2, § 15 Abs. 3 VermG). Auf den Zeitpunkt der Weiterleitung an das nach § 25 Abs. 1 Satz 2 VermG zuständige Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen kommt es für die Wirksamkeit dieser Anmeldungen nicht an.

2. Das bei der Entscheidung über die Rücknahme eines Verwaltungsaktes nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG bestehende Ermessen war in der Weise reduziert, dass für eine andere Entscheidung als die Rücknahme des Feststellungsbescheides kein Raum war. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte bei den Ermessenserwägungen mit Blick auf die Vermögensdispositionen von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist oder zu Recht darauf abgestellt hat, dass der Rechtsnachfolgerin des G. V. der Erwerb der Zweigniederlassung von dem jüdischen Fabrikanten Sch. im Jahr 1938 bekannt gewesen sei. Unter welchen Voraussetzungen eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen ist, richtet sich regelmäßig nach den Umständen des Einzelfalles (Beschluss vom 15. Januar 1988 - BVerwG 7 B 182.87 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 70 S. 7). Sie ergibt sich hier aus den Folgen, die ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 VermG für den Erstgeschädigten hat, und daraus, dass weder nach dem Vortrag der Klägerin zu 2 noch nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts Ermessenserwägungen ersichtlich sind, die es gerechtfertigt hätten, von der (teilweisen) Aufhebung des Feststellungsbescheides vom 13. Oktober 1992 abzusehen (vgl. auch Urteil vom 22. Dezember 1993 - BVerwG 11 C 46.92 - BVerwGE 95, 15 <19>).

Nur durch die Rücknahme des Feststellungsbescheides konnte dem Vorrang des Rechtsnachfolgers des Erstgeschädigten nach § 3 Abs. 2 VermG Rechnung getragen werden. Bei Aufrechterhaltung des Bescheides wäre der Berechtigte nach § 1 Abs. 6 VermG von der beantragten Rückübertragung des Eigentums an den Betriebsgrundstücken (§ 6 Abs. 6 a VermG) ausgeschlossen, die primäres Ziel der Wiedergutmachung ist; das Vermögensgesetz geht vom Grundsatz der Rückgabe der enteigneten Objekte aus (BVerfGE 84, 90 <94, 129>).

Der Rücknahme steht kein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin zu 2 auf den Bestand des Feststellungsbescheides vom 13. Oktober 1992 entgegen. § 48 Abs. 2 VwVfG findet, was das Verwaltungsgericht verkannt hat, keine Anwendung. Der Senat hat mit Urteil vom 20. Dezember 1999 - BVerwG 7 C 42.98 - (BVerwGE 110, 226 <234>) entschieden, dass die Rückübertragung von Grundstücken weder eine Geldleistung noch eine teilbare Sachleistung darstellt, wie sie § 48 Abs. 2 VwVfG voraussetzt; Entsprechendes gilt für die Feststellung der Berechtigung zur Rückübertragung (ebenso Beschluss vom 7. November 2000 - BVerwG 8 B 137.00 -). Der Vertrauensschutz bestimmt sich in diesen Fällen nach § 48 Abs. 3 VwVfG. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde, die einen rechtswidrigen Verwaltungsakt zurücknimmt, dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Während nach § 48 Abs. 2 VwVfG der Vertrauensschutz der Rücknahme des Verwaltungsaktes selbst entgegenstehen kann, ist er nach § 48 Abs. 3 VwVfG im Rahmen eines gesonderten, auf den Ausgleich von Vermögensnachteilen gerichteten Verfahrens zu berücksichtigen (Urteil vom 20. März 1990 - BVerwG 9 C 12.89 - BVerwGE 85, 79 <84>; Urteil vom 28. April 1987 - BVerwG 1 C 18.84 - GewArch 1987, 274 <275>). In diesem Verfahren kann die Klägerin zu 2 den Ausgleich etwaiger Vermögensnachteile beantragen, die sie dadurch erlitten hat, dass sie darauf vertraut hat, den Ausgleichsbetrag aufgrund des Vertrages mit der Firma T. GmbH behalten zu können. Ein schutzwürdiges Vertrauen, dem nicht durch den Ausgleich von Vermögensnachteilen Rechnung getragen werden kann, hat die Klägerin zu 2 nicht geltend gemacht.

Dass weder die Beigeladene zu 1 noch der Beigeladene zu 2 Rechtsmittel gegen den Feststellungsbescheid vom 13. Oktober 1992 einlegten, hätte es nicht gerechtfertigt, von der (teilweisen) Aufhebung des Feststellungsbescheides vom 13. Oktober 1992 abzusehen. Ausweislich der Akten ist den Beigeladenen ein "Exemplar" des Bescheides vom 13. Oktober 1992 gegen Empfangsbekenntnis am 28. Februar / 1. März 1994 zugestellt worden. Gegenüber der Beigeladenen zu 1 ist schon keine Bestandskraft eingetreten, weil die Zustellung nicht, wie es § 8 Abs. 1 Satz 2 SächsVwZG bestimmt, an den Rechtsanwalt als Vertreter erfolgt ist, dessen Vollmacht sich seit Juni 1993 bei den Akten befand (zur Heilung dieses Zustellungsmangels vgl. § 9 Abs. 2 SächsVwZG). Ob die Zustellung an den Beigeladenen zu 2 den Anforderungen des Sächsischen Verwaltungszustellungsgesetzes genügt, lässt sich anhand der Akten nicht feststellen. Aus der unterbliebenen Einlegung eines Rechtsmittels könnte nicht der Schluss gezogen werden, dass der Beigeladene zu 2 seinen Anspruch nicht weiterverfolgt. Die Zustellung an den Beigeladenen zu 2 ist erst Anfang März 1994, also über ein Jahr nach Erlass des Bescheides, und zu einem Zeitpunkt erfolgt, als das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen bereits, wie sich aus einem Vermerk über ein Gespräch mit der Klägerin zu 2 am 7. März 1994 ergibt, die Rücknahme des Bescheides vom 13. Oktober 1992 beabsichtigte. Aus der nachträglichen Zustellung des Bescheides konnte der Beigeladene zu 2 ersehen, dass das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen die Rechtswidrigkeit des Bescheides erkannt hatte und hieraus Folgerungen zog. Bereits Anfang Mai 1994 wurde die beabsichtigte Rücknahmeentscheidung an die Klägerin zu 2 übersandt.

3. Der Bescheid vom 13. Oktober 1992 ist innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG zurückgenommen worden. Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes erkannt hat und ihr die weiteren für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (stRspr; vgl. Beschluss vom 19. Dezember 1984 - BVerwG Gr.Sen. 1.84 und 2.84 - BVerwGE 70, 356). Zur Kenntnis der Rechtswidrigkeit gehört nicht nur die Kenntnis von den Anmeldungen möglicher Rechtsnachfolger, sondern auch der Tatsachen, die zur Beurteilung der Voraussetzungen einer - zeitlich vorgehenden - Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG erforderlich sind. Diese Tatsachen wurden dem Sächsischen Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen erst im Frühjahr 1994 bekannt. In einem Gespräch, das Frau L. am 7. März 1994 mit Mitarbeitern des Sächsischen Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen führte, ist ihr Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden, ob die Veräußerung im Jahr 1938 an Herrn V. eine schädigende Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG darstellte. Frau L. hat sich zu den Umständen der Veräußerung und den Beweggründen ihres Vaters ausführlich mit Schreiben vom 7. April 1994 geäußert. Erst mit Eingang dieser Stellungnahme war die Sachaufklärung, der die Anhörung diente, abgeschlossen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Ende der Entscheidung

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