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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 20.11.1997
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 40.96
Rechtsgebiete: VermG


Vorschriften:

VermG § 2 Abs. 3 Satz 1
VermG § 6 Abs. 6 a Sätze 1 und 2
Urteil des 7. Senats vom 20. November 1997 - BVerwG 7 C 40.96

Leitsätze:

Die Treuhandanstalt (heute Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben) ist auch dann verfügungsberechtigt, wenn die Rückgabe eines Betriebsgrundstücks verlangt wird, das nach der Stillegung des entzogenen Unternehmens und dem Ausscheiden aus dessen Betriebsvermögen in das Vermögen eines anderen (Treuhand-)Unternehmens gelangt ist (Änderung der Rechtsprechung im Hinblick auf die Änderung des Vermögensgesetzes durch das Wohnraummodernisierungsicherungsgesetz vom 17. Juli 1997).

Ein nicht in der Bilanz verzeichnetes Grundstück eines Einzelkaufmanns, das für betriebliche Zwecke genutzt und mit dem Unternehmen enteignet wurde, kann nicht im Wege der Einzelrestitution nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG, sondern nur im Wege der Unternehmens(reste)restitution nach § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG zurückverlangt werden.

Ein Bescheid über die Rückgabe eines Unternehmensrestes nach § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG darf grundsätzlich nicht ohne die gleichzeitige Festsetzung der Zahlungspflicht des Restitutionsberechtigten nach § 6 Abs. 6 a Satz 2 VermG ergehen; andernfalls ist er rechtswidrig und auf die Klage des oder der Verfügungsberechtigten aufzuheben.

I. VG Leipzig vom 14.3.1996 - Az.: VG 3 K 1484/94


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 40.96 VG 3 K 1484/94

Verkündet am 20. November 1997

Nöpel Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 1997 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franßen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer, Kley, Herbert und Dr. Brunn

für Recht erkannt:

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 14. März 1996 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

G r ü n d e :

I.

Die Klägerinnen wenden sich gegen die Rückübertragung eines Grundstücks nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz - VermG).

Im Jahr 1935 gründete der verstorbene Ehemann der Beigeladenen, der Baumeister A Sch , gemeinsam mit dem Bauingenieur K F R ein Bauunternehmen in der Rechtsform der OHG. Im Jahr 1937 erwarb Herr A Sch das umstrittene, in L -L , R St gelegene Grundstück und stellte es der Gesellschaft zur Nutzung als Lagerplatz zur Verfügung. Nach dem Ausscheiden des Gesellschafters K F R und der Auflösung der Gesellschaft im Jahre 1939 führte Herr A Sch das Unternehmen unter der bisherigen Firma R & Sch fort.

Im Jahre 1953 verließ Herr A Sch die DDR. Daraufhin wurde sein Unternehmen auf der Grundlage der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli 1952 in Volkseigentum überführt; zum Rechtsträger wurde der VEB (K) Leipziger Gleis- und Tiefbau bestimmt. In der Schlußbilanz der Firma R & Sch zum 31. Dezember 1953 ist das Grundstück R Str nicht verzeichnet. Mit Schreiben vom 5. Februar 1954 beantragte der VEB (K) L Gleis- und Tiefbau beim Rat der Stadt L , ihm auch die Rechte an diesem Grundstück zu übertragen, weil es dem zum 1. Januar 1954 übernommenen Unternehmen als Lagerplatz diene. Mit Rechtsträgernachweis vom 11. Juni 1954 wurde dem Antrag des VEB entsprochen, der das Grundstück in sein Anlagevermögen buchte.

Nach mehrfachem Rechtsträgerwechsel gelangte das Grundstück am 1. April 1989 in die Rechtsträgerschaft des VEB Ä Kl , L , der im darauffolgenden Jahre in die Klägerin zu 2 umgewandelt wurde. Die Klägerin zu 1 hält sämtliche Geschäftsanteile der Klägerin zu 2.

Mit Schreiben vom 18. September 1990 beantragte die Beigeladene als Alleinerbin ihres Ehemanns die Rückübertragung des umstrittenen Grundstücks. Mit Bescheid vom 25. Oktober 1994 gab das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen dem Antrag der Beigeladenen unter Hinweis auf § 1 Abs. 1 Buchst. a, § 3 Abs. 1 Satz 1, § 25 Abs. 1 Satz 3 VermG statt.

Gegen diesen Bescheid haben die Klägerinnen Anfechtungsklagen erhoben. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 14. März 1996 den angefochtenen Bescheid aufgehoben und zur Begründung ausgeführt: Die Beigeladene habe keinen Anspruch auf Rückübertragung des umstrittenen Grundstücks im Wege der Einzelrestitution nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG. Bei dem im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Enteignung der Firma R & Sch enteigneten Grundstück handele es sich um einen Unternehmensrest im Sinne von § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG. Denn das Grundstück sei unstreitig betrieblich genutzt worden und habe damit wirtschaftlich notwendig dem Betrieb gedient. Die Klägerinnen würden durch die zu Unrecht im Wege der Einzelrestitution erfolgte Rückübertragung auch in ihren Rechten verletzt. Dies ergebe sich zum einen aus ihrer Stellung als Verfügungsberechtigte und zum anderen daraus, daß entgegen § 6 Abs. 6 a Satz 2 VermG die vorrangig zu befriedigenden Ansprüche der Gläubiger der Klägerin zu 2 unberücksichtigt geblieben seien. Diese Vorschrift diene nicht nur den Gläubigerinteressen, sondern könne auch von den Verfügungsberechtigten einer Restitution vor Beendigung der Liquidation des verfügungsberechtigten Unternehmensträgers entgegengehalten werden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision des Beklagten, mit der er die Abweisung der Klage erstrebt. Er führt aus: Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts finde der Bescheid vom 25. Oktober 1994 seine Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG, weil das umstrittene Grundstück ausweislich der Bilanz zum 31. Dezember 1953 nicht zum Betriebsvermögen, sondern zum Privatvermögen des Herrn A Sch gehört habe. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts könne auch dann keinen Bestand haben, wenn man das Grundstück als Teil des Betriebsvermögens betrachte. Die Klägerinnen würden durch die Nichtberücksichtigung der Ansprüche der Gläubiger der Klägerin zu 2 nicht in ihren Rechten verletzt, weil § 6 Abs. 6 a Satz 2 VermG immer dann unanwendbar sei, wenn der jeweilige Unternehmensrest aus dem Vermögen des enteigneten Unternehmens ausgeschieden und in das Vermögen eines anderen Unternehmens gelangt sei. Außerdem sei die Klägerin zu 1 nicht verfügungsberechtigt und infolgedessen bereits nicht klagebefugt.

Die Klägerinnen beantragen, die Revision zurückzuweisen. Sie halten das Urteil des Verwaltungsgerichts für zutreffend.

Die Beigeladene hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.

II.

Die Revision ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Anfechtungsklagen der Klägerinnen gegen den Bescheid des Beklagten vom 25. Oktober 1994 zu Recht stattgegeben.

1. Die Klagen sind zulässig. Insbesondere können beide Klägerinnen im Hinblick auf ihre bestehende oder mögliche Verfügungsberechtigung nach § 2 Abs. 3 VermG geltend machen, durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO).

Grundlage der revisionsgerichtlichen Prüfung ist das Vermögensgesetz in der Fassung, die es durch Art. 3 Nr. 6 des am 24. Juli 1997 in Kraft getretenen Gesetzes zur Absicherung der Wohnraummodernisierung und einiger Fälle der Restitution (Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz - WoModSiG) vom 17. Juli 1997, BGBl I S. 1823, erhalten hat. Denn nach Art. 7 Abs. 2 dieses Gesetzes ist die Änderung des Vermögensgesetzes auch auf Verfahren anzuwenden, in denen - wie hier - zum Zeitpunkt der Rechtsänderung noch keine bestandskräftige Entscheidung der Restitutionsbehörde vorlag. Eine Rechtsänderung während des Revisionsverfahrens ist vom Revisionsgericht ebenso zu berücksichtigen, wie sie von der Vorinstanz zu berücksichtigen wäre, wenn diese jetzt entschiede (vgl. BVerwGE 41, 227 <230>; 66, 178 <179>).

Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. etwa Urteil vom 29. Februar 1996 - BVerwG 7 C 6.95 Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 15; Urteil vom 12. Februar 1997 - BVerwG 7 C 49.96 - VIZ 1997, 289) ist der Verfügungsberechtigte im Sinne von § 2 Abs. 3 VermG nicht nur notwendig am Restitutionsverfahren zu beteiligen (§ 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VermG), sondern darüber hinaus auch gemäß § 42 Abs. 1 und 2 VwGO berechtigt, den Restitutionsbescheid oder eine ihm vorangehende Teilregelung mit der Anfechtungsklage anzugreifen; das folgt aus dem Umstand, daß die in § 2 Abs. 3 VermG vorausgesetzte zivilrechtliche Zuordnung des zurückzuübertragenden Vermögensgegenstands zu dem Verfügungsberechtigten mit der Rückübertragung beendet wird (§ 34 Abs. 1 VermG). Als Eigentümerin des umstrittenen Grundstücks (§ 11 Abs. 2 TreuhG) ist die Klägerin zu 2 nach beiden für sie in Betracht kommenden Alternativen des § 2 Abs. 3 Satz 1 VermG - sei es nach der 3. Alternative über die Verfügungsberechtigung bei der Rückgabe einzelner Vermögensgegenstände, sei es nach der 1. Alternative über die Verfügungsberechtigung "bei der Rückgabe von Unternehmen" - verfügungsberechtigt und damit klagebefugt.

Im Gegensatz zu der Klägerin zu 2 ist die Klägerin zu 1 als Inhaberin der Anteilsrechte an der Klägerin zu 2 gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. VermG nur unter der Voraussetzung verfügungsberechtigt, daß ein Anspruch auf Unternehmensrückgabe erhoben wird. Diese Voraussetzung liegt, wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat (vgl. Urteil vom 29. Februar 1996 - BVerwG 7 C 6.95 - a.a.O. m.w.N.), nicht nur bei der Rückgabe eines lebenden Unternehmens oder eines Betriebsteils eines solchen Unternehmens, sondern auch dann vor, wenn der Rückgabeanspruch die nach der Stillegung eines Unternehmens verbliebenen Vermögensgegenstände betrifft, weil es sich auch bei dem Anspruch auf Rückgabe von Unternehmensresten nach § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG um einen - wenngleich der Einzelrestitution angenäherten - Sonderfall der Unternehmensrestitution handelt. Die Klägerin zu 1 macht geltend, daß der Restitutionsanspruch der Beigeladenen nicht als Anspruch auf Rückgabe eines einzelnen Vermögensgegenstands gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG zu beurteilen ist, sondern nur nach Maßgabe von § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG bestehen kann; darüber hinaus ist sie der Ansicht, daß der Bescheid des Beklagten vom 25. Oktober 1994 wegen Verstoßes gegen § 6 Abs. 6 a Satz 2 VermG rechtswidrig ist. Sofern diese Rechtsauffassung der Klägerin zu 1 zutrifft, wird sie wegen ihrer Verfügungsberechtigung durch den Bescheid ebenso wie die Klägerin zu 2 in ihren Rechten verletzt. Sie ist deshalb gleichfalls gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt.

Die Annahme der Verfügungsberechtigung und damit auch der Klagebefugnis der Klägerin zu 2 scheitert nicht daran, daß das Unternehmen der Klägerin zu 2, in deren Vermögen sich das umstrittene Grundstück derzeit befindet, nicht mit dem im Jahre 1953 enteigneten Unternehmen identisch ist.

Allerdings hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 29. Februar 1996 - BVerwG 7 C 6.95 a.a.O.; Urteil vom 6. Dezember 1996 - BVerwG 7 C 34.96 - VIZ 1997, 224) die Verfügungsberechtigung und Klagebefugnis der Treuhandanstalt/Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben bei der Rückgabe ehemaliger Betriebsgrundstücke ausnahmsweise dann verneint, wenn es sich um ein Grundstück handelte, das nach der Stillegung des entzogenen Unternehmens und dem Ausscheiden aus dessen Betriebsvermögen in das Vermögen eines anderen Unternehmens gelangt war. Dem lag die Erwägung zugrunde, daß sich in diesen Fällen die Herkunft des zurückzugebenden Grundstücks aus dem Vermögen des entzogenen Unternehmen s und damit auch der Charakter des Anspruchs nach § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG als ein Sonderfall der Unternehmensrestitution nicht auswirke; der Anspruch sei lediglich wie ein Anspruch auf Einzelrestitution gegen den derzeit verfügungsberechtigten Unternehmensträger gerichtet, ohne seinem Inhalt nach unternehmensbezogen zu sein. Aus diesem Grunde hat der Senat in den in Rede stehenden Fällen die Vorschrift des § 6 Abs. 6 a Satz 2 VermG über die vorrangige Befriedigung der Ansprüche der Gläubiger des Verfügungsberechtigten für unanwendbar gehalten und zur Begründung ausgeführt, daß der Restitutionsberechtigte den Schulden eines anderen als des entzogenen Unternehmens nicht näher stehe als jeder andere Restitutionsberechtigte, der im Wege der Einzelrestitution nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG einen bestimmten Gegenstand aus dem Vermögen des Verfügungsberechtigten zurückverlange (Urteil vom 18. Januar 1996 - BVerwG 7 C 45.94 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 17 S. 35).

Dieser Rechtsprechung des Senats ist jedoch durch die Änderung des § 6 Abs. 6 a Satz 2 VermG in Art. 3 Nr. 6 des bereits erwähnten Wohnraummodernisierungssicherungsgesetzes vom 17. Juli 1997 die Grundlage entzogen worden. Denn nach der seit dem 24. Juli 1997 geltenden Neufassung des § 6 Abs. 6 a Satz 2 VermG ist der Restitutionsberechtigte bei der Rückgabe von Unternehmensresten zur (teilweisen) Erfüllung der Verbindlichkeiten des Verfügungsberechtigten verpflichtet, zu dessen Vermögen der Vermögensgegenstand seit dem 1. Juli 1990 gehört oder gehört hat (§ 6 Abs. 6 a Satz 2 Halbsatz 1 VermG); diese Pflicht besteht auch in den Fällen, in denen das enteignete Unternehmen vor dem 1. Juli 1990 stillgelegt worden ist (§ 6 Abs. 6 a Satz 2 Halbsatz 4 VermG). Die Zahlungsverpflichtung des Restitutionsberechtigten hängt mithin nach dem nunmehr erklärten Willen des Gesetzgebers nicht davon ab, ob das entzogene Unternehmen erst infolge der Umwälzung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der DDR in den Jahren 1989/90 oder schon lange zuvor aus anderen Gründen stillgelegt worden ist und ob sich der zurückzugebende Gegenstand noch im Vermögen des stillgelegten Unternehmens befindet oder nicht. Vielmehr soll der Restitutionsberechtigte stets für die Schulden des Unternehmens einstehen, in dessen Vermögen sich der zurückzugebende Gegenstand derzeit befindet, auch wenn es sich hierbei nicht um das entzogene Unternehmen handelt, sondern um ein anderes Unternehmen, in dessen Vermögen der Gegenstand nach seinem Ausscheiden aus dem Vermögen des entzogenen Unternehmens gelangt ist. Der Anspruch auf Rückgabe von Unternehmensresten nach § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG ist deshalb auch in den zuletzt genannten Fällen in dem Sinne unternehmensbezogen, daß er mit der Pflicht zur Begleichung von Unternehmensschulden nach § 6 Abs. 6 a Satz 2 VermG belastet ist. Infolgedessen kann die Verfügungsberechtigung der Treuhandanstalt/Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben in diesen Fällen nicht länger unter Hinweis auf die mangelnde Unternehmensbezogenheit des Anspruchs und seine Parallelität zu dem Anspruch auf Einzelrestitution nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG in Abrede gestellt werden; dasselbe gilt für ihre Klagebefugnis.

2. Die Klagen sind auch begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 25. Oktober 1994 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerinnen in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

a) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, daß der Restitutionsanspruch der Beigeladenen nicht an der allgemeinen Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG über die Rückgabe einzelner Vermögensgegenstände, sondern an der Sonderregelung über die Rückgabe von Resten eines stillgelegten Unternehmens in § 6 Abs. 6 a Sätze 1 und 2 VermG zu messen ist. Das folgt aus dem Umstand, daß dem Rechtsvorgänger der Beigeladenen im Jahre 1953 ein Unternehmen entzogen worden ist, das das hier umstrittene Grundstück umfaßte. War ein Unternehmen als solches einer Schädigung im Sinne von § 1 VermG ausgesetzt, so können einzelne zu diesem Unternehmen gehörige und mit ihm entzogene Vermögensgegenstände nur unter den Voraussetzungen der Unternehmensresterestitution nach § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG zurückverlangt werden. Denn diese Vorschrift ist ebenso wie die Vorschrift des § 6 Abs. 6 Satz 1 VermG über die Rückgabe eines lebenden Unternehmens Ausdruck des Vorrangs der an die Unternehmensschädigung anknüpfenden Unternehmensrestitution und schließt daher die Anwendung des § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG aus (Urteil vom 13. Februar 1997 - BVerwG 7 C 54.96 - VIZ 1997, 287 <288>).

Das Vermögensgesetz versteht unter einem Unternehmen in Anlehnung an den Unternehmensbegriff des Handelsrechts die organisierte Einheit von einem gemeinsamen wirtschaftlichen Zweck dienenen Sachen und Rechten sowie sonstigen wirtschaftlichen Werten; wie beispielsweise unternehmerischen Erfahrungen, Geschäftsbeziehungen, Ruf, Kundenstamm etc. (Urteil vom 6. April 1995 - BVerwG 7 C 11.94 - Buchholz 111 Art. 22 EV Nr. 10 S. 31). Maßgeblich für die Zugehörigkeit eines Vermögensgegenstands zum Unternehmen ist demnach seine betriebliche Zweckbestimmung. Deswegen umfaßt das entzogene Unternehmen alle im Eigentum des Unternehmensträgers stehenden Vermögensgegenstände, die dem wirtschaftlichen Zweck des Unternehmens gewidmet und infolgedessen bei ordnungsgemäßer Buchführung als Aktivum in die Bilanz aufzunehmen waren (vgl. auch die Umschreibung des Umfangs des zurückzugebenden Unternehmens in § 1 Abs. 1 Satz 2 URüV). Dagegen ist die tatsächliche Aufnahme in die Bilanz nicht von ausschlaggebender Bedeutung; sie ist nur ein Indiz für die betriebliche Zweckbestimmung des Vermögensgegenstands. Das folgt schon aus dem Umstand, daß § 6 VermG auch auf die Betriebe von Kleingewerbetreibenden anzuwenden ist, die nicht zur Aufstellung einer Bilanz verpflichtet waren (§ 1 Abs. 2 URüV). Ebensowenig ist von Bedeutung, ob die Zugehörigkeit eines Grundstücks zu einem Unternehmen aus dem Grundbuch ersichtlich ist. Denn das Grundbuch soll nur über die bestehenden bürgerlich-rechtlichen Eigentumsverhältnisse Auskunft geben. Dementsprechend wird der Einzelkaufmann von jeher im Grundbuch unter seinem bürgerlichen Namen als Eigentümer eingetragen, auch wenn das Grundstück dem Handelsgeschäft gewidmet ist (vgl. § 15 der Grundbuchverfügung vom 8. August 1935, RMBl S. 637).

Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, gegen die kein Beteiligter eine Verfahrensrüge vorgebracht hat und die daher für den erkennenden Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO verbindlich sind, ist die Bauunternehmung R & Sch , deren alleiniger Inhaber seit 1939 der Rechtsvorgänger der Beigeladenen war, im Jahre 1953 entschädigungslos enteignet worden (§ 1 Abs. 1 a VermG). Das umstrittene Grundstück R St war ein Bestandteil dieses Unternehmens, weil es ebenfalls im Eigentum des Rechtsvorgängers der Beigeladenen stand und dem Unternehmen als Lagerplatz diente; es handelte sich mithin sowohl nach Handels- als auch nach Steuerrecht (vgl. heute §§ 242 ff. HGB, §§ 4 ff. EStG) um ein als Anlagevermögen zu bilanzierendes Betriebsgrundstück. Der Frage, wie das Grundstück eines Einzelkaufmanns zu behandeln ist, das sowohl für betriebliche Zwecke als auch privat genutzt wurde, ist im vorliegenden Fall nicht nachzugehen, weil das Verwaltungsgericht eine solche Mischnutzung nicht festgestellt hat.

Da das Grundstück R Str zu der im Jahre 1953 enteigneten Bauunternehmung R & Sch gehörte, stellt sich seine Umschreibung im Grundbuch im Jahre 1954 nicht als eine gesonderte Enteignungsmaßnahme, sondern nur als die nachträgliche Erfassung eines bislang übersehenen Teils des Betriebsvermögens dar. Insbesondere wurde das Grundstück nicht anläßlich der Enteignung der Bauunternehmung aus deren Vermögen ausgegliedert; im Gegenteil diente die Umschreibung im Grundbuch gerade dazu, dem VEB (K) L Gleis- und Tiefbau als dem neuen Unternehmensträger auch die Verfügungsmacht über diesen Teil des Betriebsvermögens zu verschaffen, der sodann folgerichtig als Anlagevermögen in die Bilanz aufgenommen wurde.

b) Ob die Voraussetzungen der hiernach als Rechtsgrundlage für den Restitutionsanspruch der Beigeladenen allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG erfüllt sind, läßt sich dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt nicht entnehmen. Insbesondere ist bislang nicht geklärt, ob die Bauunternehmung R & Sch nach ihrer Eingliederung in den VEB (K) L Gleis- und Tiefbau ihren Geschäftsbetrieb im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 VermG endgültig eingestellt hat und damit stillgelegt worden ist, ob das umstrittene Grundstück noch zum Stillegungszeitpunkt zum Vermögen des stillgelegten Unternehmens gehörte und ob das stillgelegte mit dem enteigneten Unternehmen vergleichbar war.

Gleichwohl ist der Rechtsstreit nicht zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Selbst wenn nämlich zugunsten des Beklagten unterstellt wird, daß die in § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG bestimmten Rückgabevoraussetzungen vorliegen, erweist sich der Bescheid vom 25. Oktober 1994 deswegen als rechtswidrig, weil er gegen die Vorschrift des § 6 Abs. 6 a Satz 2 VermG verstößt. Die Sache ist mithin ohne weitere Sachverhaltsaufklärung im Sinne der Entscheidung der Vorinstanz spruchreif.

Wie dargelegt, kann der gemäß § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG Restitutionsberechtigte nach der ergänzenden Vorschrift des Satzes 2 die Rückgabe des jeweiligen Vermögensgegenstands nur gegen teilweise Erfüllung der Verbindlichkeiten des derzeit Verfügungsberechtigten verlangen. Danach hätte der Beklagte die dem Vermögensgegenstand direkt und quotal zurechenbaren Verbindlichkeiten der Höhe nach festsetzen und die angeordnete Rückgabe von der Zahlung eines auf diese Weise ermittelten Betrages an die Klägerin zu 1 abhängig machen müssen. Der Beklagte hat jedoch eine solche Verknüpfung, wie sie übrigens auch in § 7 Abs. 1 Satz 5 VermG für den Wertausgleich vorgeschrieben ist, nicht vorgenommen, sondern - entgegen der gesetzlichen Regelung - allein die Rückgabe angeordnet. Da nach § 6 Abs. 6 a Satz 2 VermG die Rückgabe nur "gegen Zahlung" erfolgen darf, läßt diese Vorschrift eine Vorabentscheidung über die Rückgabe allenfalls dann zu, wenn der Restitutionsberechtigte für die Erfüllung seiner Zahlungspflicht Sicherheit geleistet hat, also unter einer

Voraussetzung, die für den Wertausgleich in § 7 Abs. 1 Satz 6 VermG eine besondere Regelung erfahren hat. Die unterbliebene Festsetzung der Zahlungspflicht nach § 6 Abs. 6 a Satz 2 VermG führt mithin zur Rechtswidrigkeit der Rückgabeanordnung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VermG, auch wenn diese für sich allein betrachtet nicht zu beanstanden sein mag.

Da die Klägerinnnen als Verfügungsberechtigte durch den rechtswidrigen Restitutionsbescheid des Beklagten vom 25. Oktober 1994 in ihren Rechten verletzt werden, hat das Verwaltungsgericht diesen Bescheid zu Recht aufgehoben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Dr. Franßen Dr. Bardenhewer Kley Herbert Dr. Brunn



Ende der Entscheidung

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