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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 27.01.2000
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 40.98
Rechtsgebiete: VermG


Vorschriften:

VermG § 4 Abs. 2 Satz 1
VermG § 4 Abs. 3 Buchst. a
Leitsatz:

Die in § 11 der DDR-Wohnraumlenkungsverordnung 1967 vorgesehene Bevorzugung bei der Vergabe von Wohnraum nimmt der Vorschrift noch nicht die Eigenschaft einer allgemeinen Rechtsvorschrift im Sinne von § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG, rechtfertigte aber nicht die Zuweisung von Wohnraum mit einer unangemessenen Übergröße.

Urteil des 7. Senats vom 27. Januar 2000 - BVerwG 7 C 40.98 -

I. VG Dresden vom 10.03.1998 - Az.: VG 13 K 217/96 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 40.98 VG 13 K 217/96

Verkündet am 27. Januar 2000

Nöpel Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2000 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franßen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer, Gödel, Kley und Herbert

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 10. März 1998 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Rückübertragung des Eigentums an dem Grundstück K. 16 in D. an die Beigeladenen zu 1 und 2 nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG).

Die Beigeladenen zu 1 und 2 waren Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks. Im Jahr 1981 stellten sie einen Ausreiseantrag. Im November 1982 bat die Bezirksverwaltung für Staatssicherheit das Ministerium für Staatssicherheit, die Beigeladenen zu 1 und 2 kurzfristig aus der DDR auszusiedeln, da aus "politisch-operativen Interessen" ein dringender Bedarf an dem Haus bestehe. Sie reisten im Mai 1983 aus der DDR aus, nachdem sie zuvor das Grundstück an den Rat der Stadt D. verkauft hatten.

Der Rat der Stadt D. verkaufte das auf dem Grundstück befindliche Haus im August 1983 an einen unter einem Decknamen auftretenden Mitarbeiter der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit. Dieser veräußerte das Haus mit Kaufvertrag vom 4. Mai 1984 an die Klägerin und deren damaligen Ehemann, den Kläger des Verfahrens BVerwG 7 C 39.98; sie wurden als Eigentümer des Gebäudes im Grundbuch eingetragen. Mit Wirkung vom 1. Mai 1984 wurde ihnen das Nutzungsrecht an dem Grundstück verliehen. Die Klägerin war damals als Solotänzerin an der Staatsoper, ihr Ehemann als Assistenzarzt an einem Krankenhaus in D. tätig.

Im September 1990 beantragten die Beigeladenen zu 1 und 2 die Rückübertragung des Grundstücks. Das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen gab dem Antrag statt. Die Klägerin und ihr Ehemann blieben mit dem dagegen eingelegten Widerspruch im wesentlichen erfolglos. Ihnen wurde lediglich für den gezahlten Kaufpreis ein Erstattungsanspruch in Höhe von 19 990 DM gegen den Entschädigungsfonds zuerkannt. Im Widerspruchsbescheid heißt es, die Beigeladenen zu 1 und 2 seien Berechtigte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG, da sie das Eigentum an ihrem Grundstück infolge einer unlauteren Machenschaft gemäß § 1 Abs. 3 VermG verloren hätten. Der begehrten Rückübertragung stehe der Ausschlußgrund des redlichen Erwerbs nicht entgegen, denn die Klägerin und ihr geschiedener Ehemann seien beim Kauf des Hauses unredlich im Sinne von § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG gewesen. Ihnen hätte ein derart großes Haus mit einer Wohnfläche von 202 m² nicht zugewiesen werden dürfen; eine solche Zuweisung habe gegen § 10 der Verordnung über die Lenkung des Wohnraums vom 14. September 1967 (GBl II S. 733) - Wohnraumlenkungsverordnung 1967 (WLVO 1967) - verstoßen. Die Wohnraumvergabestelle habe daher durch ihr Vorgehen den ihr eingeräumten Ermessensspielraum weit überschritten; dies hätten die Klägerin und ihr damaliger Ehemann wissen müssen.

Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen erhobenen Klage mit der Begründung stattgegeben, die Klägerin und ihr damaliger Ehemann hätten in redlicher Weise das Eigentum an dem Haus und das dingliche Nutzungsrecht an dem Grundstück erworben. Zwar erscheine es fraglich, ob der Familie der Klägerin eine Wohnfläche von weit über 100 m2 hätte zugewiesen werden dürfen. Aus damaliger Sicht sei eine solche Bevorzugung jedoch durch § 11 WLVO 1967 "legalisiert" worden. Die Klägerin habe als Solotänzerin der Staatsoper zu den Personen gehört, die nach dieser Vorschrift bevorzugt mit Wohnraum zu versorgen gewesen seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten und der Beigeladenen zu 1 und 2. Sie beantragen, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen. Zur Begründung tragen sie vor: Von einer Unredlichkeit der Klägerin und ihres damaligen Ehemannes sei auch dann auszugehen, wenn § 11 WLVO 1967 zur Anwendung komme. Die Vorschrift habe nicht bezweckt, "Regime-Günstlingen" übergroße Wohnungen oder Villen zu verschaffen. Die Bausachverständigen hätten die Wohnnutzflächen mit 256 m2, 312 m2 oder sogar 326 m2 berechnet, woraus sich ergebe, daß die "Wohnraumnormativen" um ein Mehrfaches überschritten worden seien. Wer seinen Rechtserwerb nur damit rechtfertigen könne, daß er sich bei der Stärkung, Festigung oder Sicherung des totalitären Staatswesens durch herausragende Leistungen hervorgetan habe, dürfe nicht erwarten, daß sein Interesse an der Rechtsbeständigkeit des Erwerbs den Schutz der Rechtsordnung vor dem Restitutionsinteresse des Eigentümers verdiene. Das Verwaltungsgericht habe des weiteren die näheren Umstände der Wohnraumvergabe nicht aufgeklärt und mit seiner Feststellung, die Klägerin habe einen Antrag auf Wohnraumzuweisung gestellt, gegen den Überzeugungsgrundsatz verstoßen. Auch sei nicht ermittelt worden, ob die Klägerin und ihr damaliger Ehemann Mitarbeiter der Staatssicherheit gewesen seien und insofern eine "Machtstellung im System der DDR" im Sinne des § 4 Abs. 3 Buchst. b VermG ausgenutzt hätten.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

II.

Die Revision ist mit dem Ergebnis der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht begründet.

1. Die Beigeladenen zu 1 und 2 sind Berechtigte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG, weil ihr Grundstück im Jahr 1983 von einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG betroffen wurde. Gegen diese Annahme des Verwaltungsgerichts ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern; die Klägerin hat insoweit im Revisionsverfahren auch keine rechtlichen Bedenken erhoben. Angesichts dessen hatte der erkennende Senat nur zu prüfen, ob der Anspruch der Beigeladenen zu 1 und 2 auf Rückübertragung des Eigentums an dem Grundstück gesetzlich ausgeschlossen ist. Als Ausschlußgrund kommt allein ein redlicher Erwerb des Eigentums an dem Gebäude und des dinglichen Nutzungsrechts an dem Grundstück durch die Klägerin und ihren damaligen Ehemann in Betracht (§ 4 Abs. 2 Satz 1 VermG). Das Verwaltungsgericht hat einen solchen redlichen Erwerb mit der Begründung bejaht, die im Zusammenhang mit dem Hauskauf erfolgte Zuweisung von acht Wohnräumen an die "drei- bzw. fünfköpfige Familie" habe mit den Vorschriften der Wohnraumlenkungsverordnung in Übereinstimmung gestanden, weil die Klägerin als herausgehobene Künstlerin zu den Personen gehört habe, die gemäß § 11 WLVO eine bevorzugte Versorgung mit Wohnraum hätten beanspruchen können. Diese Rechtsauffassung verletzt Bundesrecht; sie verstößt gegen § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG. Da die vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen nicht ausreichen, um über die Redlichkeit des Erwerbs abschließend zu befinden, muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

2. Nach § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG ist der Rechtserwerb in der Regel als unredlich anzusehen, wenn er nicht im Einklang mit den zum Zeitpunkt des Erwerbs in der DDR geltenden allgemeinen Rechtsvorschriften, Verfahrensgrundsätzen und einer ordnungsgemäßen Verwaltungspraxis stand und der Erwerber dies wußte oder hätte wissen müssen. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, gehörte im vorliegenden Fall zu diesen allgemeinen Rechtsvorschriften die Wohnraumlenkungsverordnung von 1967, denn sie erfaßte auch den Erwerb des Eigentums an einem Haus, das der Erwerber zum Zeitpunkt des Kaufs nicht bewohnte, aber künftig selbst nutzen wollte (a). Die Verordnung rechtfertigte jedoch, auch soweit sie in § 11 die Vorzugsbehandlung eines bestimmten Personenkreises vorsah, nicht die Zuweisung von Wohnraum mit einer unangemessenen Übergröße (b). Ob die damit einhergehende Grenze für die privilegierte Wohnraumvergabe im vorliegenden Fall eingehalten worden ist, läßt sich den Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht entnehmen. Dieses enthält weder hinreichende Angaben zu der Größe des zugewiesenen Wohnraums noch zur Angemessenheit des Wohnraumbedarfs; ebenfalls fehlt es an einer Aufklärung der näheren Umstände der Wohnraumvergabe. Daher läßt sich nicht feststellen, ob ein Verstoß gegen die Wohnraumlenkungsverordnung 1967 vorlag, der bei objektiver Betrachtung die Absicht erkennen ließ, den Erwerbsvorgang gezielt zu beeinflussen, und ob die Klägerin hiervon wußte oder hätte wissen müssen (c).

a) Der Erwerb von Gebäudeeigentum bedurfte nach dem Zivilgesetzbuch der DDR (§ 295 Abs. 2 Satz 2 und § 297 Abs. 1 Satz 2) der staatlichen Genehmigung. Diese wurde nach den Vorschriften der Verordnung über den Verkehr mit Grundstücken (GVVO) vom 15. Dezember 1977 (GBl 1978, S. 73) erteilt (§ 23 GVVO). Sie war gemäß § 3 Abs. 4 Buchst. a GVVO zu versagen, wenn der Rechtserwerb die gesellschaftlich effektive Nutzung des Gebäudes nicht gewährleistet hätte. Bei einem Wohnhaus durfte eine solche Nutzung nicht entgegen den Grundsätzen der Wohnraumlenkung erfolgen. Daher sollte nur derjenige das Eigentum an einem Wohngebäude erwerben dürfen, der zu dessen Nutzung nach den Vorschriften der Wohnraumlenkungsverordnung berechtigt war. Diese Verknüpfung des Grundstücksverkehrs mit der Wohnraumlenkung kommt in § 1 Abs. 1 GVVO zum Ausdruck; nach dieser Vorschrift hatte die staatliche Leitung und Kontrolle des Grundstücksverkehrs auch der Verbesserung der Wohnbedingungen der Bürger zu dienen. Demgemäß entsprach es, wie der vorliegende Fall belegt, der in der DDR üblichen Praxis, die staatliche Grundstücksverkehrsgenehmigung erst zu erteilen, wenn eine Zuweisung für den betreffenden Wohnraum vorlag. Die Beigeladenen zu 1 und 2 hatten ebenso wie alle nachfolgenden Erwerber des Eigentums an dem Gebäude, einschließlich der Klägerin, eine Wohnraumzuweisung erhalten.

Nach § 1 Satz 1 WLVO 1967 galt die Wohnraumlenkung für "den gesamten Wohnraum". Im Zusammenhang mit einem Hauskauf kam als Ausnahme von diesem Erfordernis nur der Erwerb eines Eigenheims durch einen Käufer in Betracht, der das Objekt bereits bewohnte (vgl. § 13 Abs. 2 WLVO 1967). Diese Voraussetzung war nicht erfüllt, wenn der Erwerber - wie hier - das Haus zwar schon vor dem Abschluß des Kaufvertrages bezogen hatte, dieser Bezug aber im Blick auf den bevorstehenden Erwerb erfolgt war. Ausgenommen sollten also nur Nutzungen sein, die unabhängig von dem Erwerb bestanden.

b) Nach § 11 WLVO 1967 waren Personen, die sich durch herausragende Leistungen bei der Stärkung, Festigung sowie zum Schutz der DDR verdient gemacht hatten, bevorzugt mit Wohnraum zu versorgen. Mit dieser an einen ausgewählten Personenkreis anknüpfenden Regelung verliert die Bestimmung noch nicht ihren Charakter als "allgemeine" Rechtsvorschrift im Sinne von § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG. Erstens läßt sie sich mit ihrem Inhalt noch in die vom Grundsatz der Bedarfsgerechtigkeit geprägte Zielkonzeption der Verordnung einfügen. Zweitens können "herausragende Leistungen" jedenfalls dann ein die Bevorzugung rechtfertigendes und damit in diesem Sinne "allgemeines" Kriterium darstellen, wenn sie weder ein sittlich anstößiges Gepräge aufweisen noch durch ein besonderes Maß politischer Willfährigkeit gekennzeichnet waren. Diese oder vergleichbare Ausnahmegründe liegen hier nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht vor. Danach wurde die Klägerin wegen ihrer künstlerisch herausragenden Darstellungen als Solotänzerin der Oper bevorzugt mit Wohnraum versorgt.

Damit ist jedoch über den gerechtfertigten Umfang dieser Bevorzugung noch nichts ausgesagt. Anknüpfungspunkt ist insoweit die Grundsatzbestimmung des § 10 Abs. 1 Satz 1 WLVO. Danach waren die Entscheidungen über die Wohnraumvergabe entsprechend der örtlichen Wohnraumlage nach der Dringlichkeit des Wohnungsbedarfs unter Berücksichtigung gesellschaftlicher, volkswirtschaftlicher und sozialer Erfordernisse zu treffen. Dieses Regelungsziel bestimmt auch die Auslegung des in § 11 WLVO 1967 geregelten Privilegierungstatbestandes. "Bevorzugen" hat nach dem Wortsinn die Bedeutung, jemandem "den Vorzug geben", ihn "besser als andere zu behandeln" (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 2. Auflage, 1989). Dieser Wortsinn läßt unter Berücksichtigung der in § 10 Abs. 1 Satz 1 WLVO 1967 angesprochenen Erfordernisse in erster Linie eine Privilegierung im Sinne eines zeitlichen Vorrangs zu (vgl. auch § 10 Abs. 3 Satz 1 WLVO 1967, der mit der bevorzugten Wohnraumversorgung von kinderreichen Familien ersichtlich hierauf abstellte), daneben aber auch eine Abweichung von den strengen Bedarfskriterien bei der Wohnraumvergabe.

Nicht erlaubt war jedoch eine Freistellung vom Wohnraumbedarf als dem zentralen Kriterium der Wohnungsvergabe. Da gesellschaftliche Erfordernisse neben der Dringlichkeit des Wohnungsbedarfs lediglich zu berücksichtigen waren, durften sie dieses Vergabekriterium nicht verdrängen. Angesichts dessen ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts, daß die Vergabe von Wohnraum ohne Rücksicht auf den Wohnungsbedarf durch § 11 WLVO 1967 "legalisiert" worden sei, unzutreffend. Die Bindung an die sogenannten Wohnraumnormativen im Sinne einer Verknüpfung von Raumbedarf und Familiengröße war bei dem durch § 11 WLVO 1967 begünstigten Personenkreis lediglich gelockert, so daß sich eine bloße Überschreitung dieser Vorgaben noch mit der Zielrichtung der staatlichen Wohnraumlenkung vereinbaren ließ. Die Grenze des Zulässigen wurde aber dann verletzt, wenn sich die Größe des zugewiesenen Wohnraums selbst unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Funktion des Nutzers nicht mehr rechtfertigen ließ. Ein Indiz dafür kann das Bestreben sein, die Zahl der zugewiesenen Räume oder die Größe des zugewiesenen Wohnraums "herunterzurechnen", die Familiengröße dagegen "nach oben" zu manipulieren, aber auch die Überlassung von Funktionsräumen, auf die der Nutzer erkennbar nicht angewiesen war. Darunter würde in einer Zeit des Wohnraummangels und der Wohnraumbewirtschaftung beispielsweise die Zuweisung eines Wohnraums als zusätzlichen Übungsraum für die Klägerin als Tänzerin fallen, wenn ihr andere zumutbare Übungsmöglichkeiten in Räumen der Oper zur Verfügung standen.

Die Feststellung einer solchen unangemessenen Überversorgung mit Wohnraum und damit eines Verstoßes gegen § 11 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 WLVO 1967 setzt voraus, daß das Verwaltungsgericht die Größe des zugewiesenen Wohnraums und den Wohnraumbedarf feststellt. Diese Feststellungen hat es bisher nicht getroffen. Hinsichtlich der Größe des Wohnraums bedarf es zunächst der Aufklärung, ob die Wohnraumzuweisung trotz ihrer Beschränkung auf acht nicht näher bezeichnete Räume in Wirklichkeit das gesamte Haus erfaßte. Für letzteres könnte sprechen, daß die in der Wohnraumzuweisung genannten fünf Personen aus der Klägerin, ihrer Familie und ihren Schwiegereltern bestanden; weitere Personen bewohnten das Haus in der Folgezeit nicht. Je nachdem ist entweder die Wohnfläche des gesamten Hauses oder die der zugewiesenen acht Räume zu ermitteln. Bei der Ermittlung des Wohnungsbedarfs wird vom Verwaltungsgericht zu klären sein, wie viele Personen in das Eigenheim einziehen sollten und eingezogen sind. Das Verwaltungsgericht hat es als zweifelhaft angesehen, ob die damaligen Behörden angesichts der in den achtziger Jahren herrschenden Wohnungsknappheit die Schwiegereltern der Klägerin in die Zuweisung hätten aufnehmen dürfen, da diese offenbar nicht beabsichtigt hätten, ihre Wohnung in Z. aufzugeben. Die Klärung dieser Frage wird nicht dadurch entbehrlich, daß eine Wohnraumzuweisung vorlag. Die Wohnraumzuweisung mußte mit den maßgebenden Vorschriften im Einklang stehen; die Berücksichtigung von an sich zur Wohnraumnutzung nicht berechtigten Personen deutet daher darauf hin, daß eine nach den Vorschriften der §§ 10 und 11 WLVO 1967 nicht mehr zu rechtfertigende Überversorgung verdeckt werden sollte.

c) Liegt eine solche Verdeckung vor, so hatte der hier in Rede stehende Rechtserwerb einen manipulativen Charakter und erfüllt damit die erste Voraussetzung des in § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG enthaltenen Regeltatbestandes eines unredlichen Erwerbs. Die Abweichung von den allgemeinen Rechtsvorschriften läßt dann nämlich bei objektiver Betrachtung die Absicht erkennen, den Erwerbsvorgang gezielt zu beeinflussen (Urteil vom 19. Januar 1995 - BVerwG 7 C 42.93 - BVerwGE 97, 286 <289>; Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 12 S. 24 f.). Ob dem Rechtserwerb in diesem Sinne ein manipulativer Charakter zukommt, ist im übrigen nach den gesamten Umständen des vorliegenden Falles zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht wird diese nach Maßgabe des zuvor Gesagten im Rahmen der ihm obliegenden Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts im einzelnen noch festzustellen und sodann zu würdigen haben.

In diesem Zusammenhang wird es auch darauf ankommen, ob die von den Revisionen behaupteten Verstöße gegen das Verfahren der Wohnraumzuweisung vorliegen. Je intensiver im vorliegenden Fall vom üblichen Verfahrensgang abgewichen worden ist, um so aussagekräftiger sind die damit verbundenen Hinweise auf eine Manipulation bei der Wohnungsvergabe. Das Verwaltungsgericht wird daher insbesondere zu klären haben, ob die Klägerin einen schriftlichen Antrag auf Wohnraumzuweisung gestellt oder, falls es an einer schriftlichen Antragstellung fehlt, ein Antrag mit den für die Wohnraumzuweisung erforderlichen Angaben zumindest in den Akten festgehalten worden ist. Eine Zuweisung von Wohnraum in einem Verfahren, in dem noch nicht einmal die Antragstellung aktenkundig gemacht worden ist, kann darauf hinweisen, daß von vornherein nicht beabsichtigt war, ein ordnungsgemäßes Verfahren durchzuführen. Auf Manipulationen könnte auch hinweisen, wenn die Klägerin und ihr damaliger Ehemann die Bemühungen um eine Wohnungszuweisung vollständig in die Hand der Oper oder einer anderen Stelle gegeben hätten, ohne sich selbst um den Fortgang der Sache zu kümmern oder weitere Schritte zum Erhalt einer Wohnung zu unternehmen. Von einer ordnungsgemäßen Wohnraumzuweisung könnte ferner nicht gesprochen werden, wenn die Zuweisung - wie von den Beigeladenen zu 1 und 2 vorgetragen - von einer anderen Stelle, nämlich der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit oder einem Mitarbeiter der Bezirksverwaltung, formuliert und eine eigene Prüfung durch den Stadtbezirksrat für Wohnungspolitik und Wohnungswirtschaft nicht erfolgt wäre.

Von seinem Standpunkt aus konsequent hat das Verwaltungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin und ihr damaliger Ehemann den Verstoß gegen § 11 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 WLVO 1967 gekannt oder fahrlässig nicht gekannt haben und damit die zweite in § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG genannte Voraussetzung erfüllen. Das Verwaltungsgericht wird daher, soweit erforderlich, die subjektiven Voraussetzungen für die Annahme einer Unredlichkeit ebenfalls noch aufzuklären haben. Sofern eine solche Aufklärung nicht möglich ist, würde die Nichterweislichkeit eines redlichen Erwerbs zu Lasten der Klägerin und ihres damaligen Ehemannes gehen. Voraussetzung für eine solche Beweislastentscheidung ist nach der Rechtsprechung des Senats, daß greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine mögliche Unredlichkeit des Erwerbs bestehen, die aber für eine Überzeugungsbildung des Gerichts noch nicht ausreichen (Beschluß vom 16. Oktober 1995 - BVerwG 7 B 163.95 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 22; Beschluß vom 2. November 1998 - BVerwG 8 B 211.98 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 59). Sollte sich eine unangemessene Überversorgung mit Wohnraum herausstellen, würde dieser Umstand stets einen Anhaltspunkt in diesem Sinne darstellen.

Ende der Entscheidung

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