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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 19.11.1998
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 5.98
Rechtsgebiete: VermG


Vorschriften:

VermG § 4 Abs. 1 Satz 1
VermG § 4 Abs. 2 und 3
VermG § 5 Abs. 1 Buchst. d
Leitsatz:

Der Restitutionsausschluß wegen gewerblicher Nutzung gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG hängt in den Fällen des Erwerbs des entzogenen Grundstücks oder Gebäudes durch einen Gewerbetreibenden nicht davon ab, ob dieser im Sinne von § 4 Abs. 3 VermG unredlich war oder ob der Erwerb der Stichtagsregelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 VermG unterfällt.

Urteil des 7. Senats vom 19. November 1998 - BVerwG 7 C 5.98 -

I. VG Halle vom 30.06.1997 - Az.: VG 1 A 69/94 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 5.98 VG 1 A 69/94

Verkündet am 19. November 1998

Nöpel Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. November 1998 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franßen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow, Dr. Bardenhewer, Sailer und Herbert

für Recht erkannt:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 30. Juni 1997 wird, soweit darin die Klage abgewiesen worden ist, aufgehoben.

Die Sache wird insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt als Mitglied einer Erbengemeinschaft die Rückübertragung des Hausgrundstücks M. 11 in Q. nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes.

Im Jahre 1972 wurde das Grundstück zum Zwecke des "Wiederaufbaus von Wohnungen sowie Erhaltung" in Volkseigentum überführt. Nach der Enteignung baute der VEB Kommunale Wohnungsverwaltung Q. zwei Wohneinheiten im Ober- und im Dachgeschoß des Gebäudes aus. Mit notariellem Grundstückskaufvertrag vom 4. Juli 1990 veräußerte der Rat der Stadt Q. das Grundstück an die dort wohnhaften Beigeladenen zu 1 und 2. Am 27. Juli 1990 wurde die erforderliche Grundstücksverkehrsgenehmigung erteilt; an demselben Tage wurden die Beigeladenen zu 1 und 2 als neue Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Der Beigeladene zu 2 betreibt auf dem Grundstück seit dem 1. Juli 1990 ein Malergeschäft.

Der Rückgabeantrag der Klägerin blieb im Verwaltungsverfahren erfolglos; die Enteignung des Grundstücks im Jahre 1972 erfülle keinen Schädigungstatbestand im Sinne des § 1 VermG.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, die Berechtigung der Erbengemeinschaft nach Frau Emma F. hinsichtlich des umstrittenen Grundstücks festzustellen; den weitergehenden, auf die Rückübertragung des Grundstücks gerichteten Klageantrag hat es abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Zwar sei die Erbengemeinschaft durch die Enteignung des Grundstücks im Jahre 1972 im Sinne des § 201 Abs. 202 VermG geschädigt worden und daher Berechtigte im Sinne von § 2 Abs. 1 VermG. Die Rückübertragung des Grundstücks sei jedoch gemäß §§ 4, 5 VermG ausgeschlossen. Der Restitutionsausschluß folge nicht aus den Vorschriften über den redlichen Erwerb, wohl aber aus § 5 Abs. 201 Buchst. d VermG. Denn das Grundstück sei bereits vor dem 29. September 1990 der gewerblichen Nutzung zugeführt worden, die den überwiegenden Nutzungszweck ausmache und darüber hinaus rechtlich zulässig sei. Eine Wiederherstellung des früheren Eigentums der Erbengemeinschaft würde nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu einer erheblichen Beeinträchtigung des bestehenden Unternehmens führen. Das ergebe sich aus den von den Beigeladenen getätigten erheblichen Investitionen, den beträchtlichen Kreditverbindlichkeiten des Unternehmens sowie aus dem Umstand, daß es sich bei dem umstrittenen Grundstück um das einzige Betriebsgrundstück handele.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie ihren vom Verwaltungsgericht abgewiesenen Klageantrag weiterverfolgt. Sie ist der Ansicht, daß der Restitutionsausschlußgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG mangels eines redlichen Erwerbs des Grundstücks durch die Beigeladenen zu 1 und 2 nicht vorliege; darüber hinaus erhebt sie mehrere Verfahrensrügen.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er meint, die Klägerin verkenne die Stellung der Restitutionsausschlußgründe in § 5 Abs. 1 Buchst. a - d VermG im Regelungssystem der §§ 4 und 5 VermG. § 5 Abs. 1 VermG lasse für die Prüfung des redlichen Erwerbs keinen Raum.

Die Beigeladenen zu 1 und 2 und der Oberbundesanwalt teilen die Rechtsauffassung des Beklagten.

II.

Die Revision hat Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt, soweit darin die Klage abgewiesen worden ist, Bundesrecht. Mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts kann über den von der Klägerin verfolgten Anspruch auf Rückgabe des Grundstücks vom Revisionsgericht nicht endgültig entschieden werden (§ 137 Abs. 2 VwGO). Daher ist das angefochtene Urteil im Umfang der Klageabweisung aufzuheben und die Sache insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 202 VwGO).

Da der im angefochtenen Urteil enthaltene Verpflichtungsausspruch des Verwaltungsgerichts weder vom Beklagten noch von den Beigeladenen im Revisionsverfahren angegriffen worden ist, steht zugunsten der Klägerin rechtskräftig fest, daß die Erbengemeinschaft nach Frau Emma F. hinsichtlich des umstrittenen Grundstücks Berechtigte im Sinne von § 202 Abs. 1 Satz 1 VermG ist. Auf der Grundlage dieser Berechtigung ist das Grundstück an die Erbengemeinschaft zurückzugeben, wenn dies nicht nach dem Vermögensgesetz ausgeschlossen ist (§ 3 Abs. 1 Satz 1, § 2 a Abs. 1 und 4 VermG). Gegenstand des Revisionsverfahrens ist mithin allein die Frage, ob der von der Klägerin gemäß § 202039 BGB zulässigerweise geltend gemachte Restitutionsanspruch der Erbengemeinschaft (vgl. Urteil vom 27. Februar 1997 - BVerwG 7 C 22.96 - Buchholz 428 § 2 a VermG Nr. 3) deswegen entfällt, weil ihm ein Ausschlußgrund im Sinne von §§ 4 und 205 VermG entgegensteht (§ 3 Abs. 1 Satz 1 VermG). Die vom Verwaltungsgericht bislang getroffenen Tatsachenfeststellungen lassen eine abschließende Antwort auf diese Frage nicht zu.

1. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht einen restitutionsausschließenden redlichen Erwerb der Beigeladenen verneint. Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG ist die Rückübertragung ausgeschlossen, wenn natürliche Personen, Religionsgemeinschaften oder gemeinnützige Stiftungen nach dem 8. Mai 1945 in redlicher Weise an dem Vermögenswert Eigentum oder dingliche Nutzungsrechte erworben haben. Die Möglichkeit eines solchen restitutionsausschließenden redlichen Erwerbs besteht jedoch nach § 4 Abs. 2 Satz 2 VermG bei der Veräußerung von Grundstücken und Gebäuden in der Regel dann nicht, wenn das dem Erwerb zugrundeliegende Rechtsgeschäft nach dem 18. Oktober 1989 ohne Zustimmung des Berechtigten geschlossen worden ist. So verhält es sich im vorliegenden Fall; denn die Beigeladenen haben das umstrittene Grundstück ohne Zustimmung der Erbengemeinschaft mit Kaufvertrag vom 4. Juli 1990 erworben. Eine der in § 4 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz VermG aufgeführten, zur Grundregel des § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG zurückführenden Ausnahmen von der Stichtagsregelung des § 4 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz VermG liegt nicht vor. Insbesondere ist der Erwerb nicht auf der Grundlage des § 1 des Gesetzes über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 7. März 1990 (GBl DDR I S. 157) erfolgt (§ 4 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz Buchst. b VermG), weil nach dieser Bestimmung nur ein volkseigenes Gebäude, nicht dagegen ein volkseigenes Grundstück an private Handwerker und Gewerbetreibende zu Gewerbezwecken verkauft werden konnte (vgl. Urteil vom 29. August 1996 - BVerwG 7 20C 6.96 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 34).

2. Dem Verwaltungsgericht ist ferner auch darin zu folgen, daß es einen Restitutionsausschluß nach § 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 201 Buchst. d VermG in Betracht gezogen hat, obwohl die Beigeladenen zu 1 und 2 - wie soeben dargelegt - nicht durch die Vorschriften über den redlichen Erwerb geschützt sind. Die gegenteilige Rechtsauffassung der Klägerin, wonach der mangelnde Redlichkeitsschutz für die Beigeladenen zu 1 und 2 der Anwendung des § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG entgegensteht, trifft nicht zu.

Gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG ist eine Rückübertragung von Eigentumsrechten an Grundstücken und Gebäuden gemäß § 4 Abs. 1 VermG insbesondere auch dann ausgeschlossen, wenn das jeweilige Grundstück oder Gebäude der gewerblichen Nutzung zugeführt oder in eine Unternehmenseinheit einbezogen wurde und nicht ohne erhebliche Beeinträchtigung des Unternehmens zurückgegeben werden kann. Diese Bestimmung konkretisiert ebenso wie die unmittelbar vorangehenden Bestimmungen über sonstige restitutionsausschließende Veränderungen der Nutzungsart oder Zweckbestimmung eines entzogenen Grundstücks oder Gebäudes in § 5 Abs. 1 Buchst. a - c VermG den in § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG genannten Restitutionsausschlußgrund der Unmöglichkeit der Rückgabe, und zwar in der Weise, daß bei Erfüllung der in ihr umschriebenen tatsächlichen Voraussetzungen die Restitution ohne weitere Prüfung als unmöglich und daher ausgeschlossen gilt (vgl. Urteil vom 1. Dezember 1995 - BVerwG 7 C 27.94 - BVerwGE 100, 77 <79 f.>). Auf die Vorschriften über den redlichen Erwerb (§ 4 Abs. 2 und 3 VermG) wird weder in § 4 Abs. 1 Satz 1 noch in § 5 Abs. 1 VermG Bezug genommen. Vielmehr handelt es sich bei der Unmöglichkeit der Rückgabe im Sinne von § 204 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 VermG einerseits und dem redlichen Erwerb im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG andererseits um voneinander unabhängige Restitutionsausschlußgründe mit jeweils eigenen Anwendungsvoraussetzungen. Sind - wie im vorliegenden Fall - die gesetzlichen Voraussetzungen für einen redlichen Erwerb nicht erfüllt, so folgt daraus nur, daß die Restitution nicht aus diesem Grunde ausgeschlossen ist. Daneben ist, soweit erforderlich, zu prüfen, ob der Restitutionsanspruch gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 201 VermG wegen Unmöglichkeit der Rückgabe entfällt; hierzu gehört auch die in § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG geregelte Fallgruppe der Unmöglichkeit der Rückgabe infolge Zuführung des entzogenen Grundstücks oder Gebäudes zur gewerblichen Nutzung oder seiner Einbeziehung in eine Unternehmenseinheit.

Auch nach dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG ist es nicht geboten, den Restitutionsausschluß bei einem Grundstück oder Gebäude, das nach seinem Entzug von einem Gewerbetreibenden erworben wurde und von diesem in der in § 5 Abs. 201 Buchst. d VermG vorausgesetzten Weise als Betriebsgrundstück genutzt wird, zusätzlich davon abhängig zu machen, daß der Erwerber nicht im Sinne von § 4 Abs. 3 VermG unredlich war oder daß der Erwerb nicht der Stichtagsregelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 VermG unterfällt.

Die §§ 4 und 5 VermG gehen auf die beiden Eckwerte in Nr. 3 a und 20b der Gemeinsamen Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 zurück. § 5 Abs. 1 VermG setzt den Eckwert Nr. 3 a der Gemeinsamen Erklärung um, in dem die Zielrichtung zum Ausdruck kommt, bestimmte rechtliche oder tatsächliche Veränderungen der Nutzungsart oder Zweckbestimmung eines entzogenen Grundstücks oder Gebäudes, an deren Aufrechterhaltung ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, nicht dadurch in Frage zu stellen, daß die früheren Eigentumsverhältnisse wiederbegründet werden (vgl. Urteil vom 1. Dezember 1995 BVerwG 7 C 27.94 - a.a.O. S. 80; Urteil vom 10. Juni 1998 - BVerwG 7 C 27.97 - VIZ 1998, 565 = ZOV 1998, 373 m.w.N.). Der Gesetzgeber ordnet mithin in den Fällen des § 205 Abs. 1 VermG das private Restitutionsinteresse dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der von der Regelung erfaßten Veränderungen unter; das gilt insbesondere auch für die Fallgruppe der Umwidmung eines entzogenen Grundstücks oder Gebäudes zu gewerblichen Zwecken gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG. Demgegenüber knüpfen die Vorschriften über den redlichen Erwerb an den Eckwert Nr. 3 b der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 an und bezwecken, einen sozial verträglichen Ausgleich zwischen dem Interesse der Berechtigten an der Rückgabe ihrer in der DDR rechtsstaatswidrig entzogenen Vermögenswerte und dem Interesse von Bürgern der ehemaligen DDR herzustellen, die daran in der Zwischenzeit Eigentum oder dingliche Nutzungsrechte erworben hatten. Das Vermögensgesetz löst diesen Konflikt zugunsten des Erwerbers, sofern sein Erwerb redlich ist; er darf den Vermögenswert behalten, während der frühere Rechtsinhaber oder sein Rechtsnachfolger unter Durchbrechung des Grundsatzes der Wiedergutmachung durch Rückübertragung auf eine Entschädigung verwiesen werden. Der Vorrang des redlichen Erwerbs rechtfertigt sich vor allem durch den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes. Bürger der DDR, die aufgrund der seinerzeit bestehenden Rechtslage manipulationsfrei Vermögenswerte erworben hatten und dabei vom Fortbestehen der Staats-, Rechts- und Gesellschaftsordnung der DDR ausgehen konnten und mußten, sollen in ihrem berechtigten Vertrauen auf den Bestand des Erwerbs nicht dadurch nachträglich enttäuscht werden, daß sich die politischen und rechtlichen Verhältnisse in einer damals nicht vorhersehbaren Weise grundlegend geändert haben (vgl. Urteil vom 19. Januar 1995 - BVerwG 7 C 42.93 - BVerwGE 97, 286 <292 f.>). Bei Veräußerungen von Grundstücken und Gebäuden, die in die Zeit nach dem Rücktritt des Staatsratsvorsitzenden Honecker am 18. Oktober 1989 fallen, wird dagegen dieser Vertrauensschutz sogar einem an sich redlichen Erwerber regelmäßig vorenthalten, weil seit diesem Stichtag nicht mehr in der bisherigen Weise mit der Fortdauer der bestehenden Verhältnisse gerechnet werden konnte (vgl. Urteil vom 12. November 1993 - BVerwG 7 C 7.93 - BVerwGE 94, 279 <285 f.>).

Selbst wenn einem Gewerbetreibenden, der das dem Berechtigten entzogene Grundstück oder Gebäude erworben hat und als Betriebsgrundstück nutzt, aufgrund der Vorschriften über den redlichen Erwerb - sei es im Hinblick auf seine Unredlichkeit, sei es wegen Erwerbs nach dem Stichtag - kein Vertrauensschutz zukommt, kann doch gleichwohl das von ihm betriebene Unternehmen gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG im öffentlichen Interesse an dem Erhalt bestehender Arbeitsplätze und am wirtschaftlichen Aufschwung in den neuen Bundesländern schützenswert sein. Dementsprechend setzt § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG neben der Feststellung einer tatsächlich eingetretenen Nutzungsänderung weiter voraus, daß der entzogene Vermögenswert nur mit erheblicher Beeinträchtigung des Unternehmens zurückgegeben werden kann. Der Gesetzgeber sieht mithin in § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG von der Person des Erwerbers ab und richtet seinen Blick allein auf das jeweilige Unternehmen, das durch die Restitution nicht in seiner Existenz gefährdet werden soll; tragender Schutzzweck der Bestimmung ist die wirtschaftspolitisch motivierte Erhaltung lebensfähiger Unternehmen im Beitrittsgebiet (vgl. Urteil vom 18. Januar 1996 - BVerwG 7 C 45.94 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 17 S. 2034; Urteil vom 20. März 1997 - BVerwG 7 C 55.96 - BVerwGE 104, 193 <197 f.>). In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Bestimmung des § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG von der mit Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes vom 22. März 1991 (BGBl I S. 766) in das Vermögensgesetz eingefügten Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 3 VermG, die zur Erhaltung des Rechtsfriedens (vgl. BTDrucks 12/449 S. 10) und damit - insofern den Vorschriften über den redlichen Erwerb vergleichbar vornehmlich aus Gründen des Vertrauensschutzes für die Erwerber bestimmte dem Stichtag nachfolgende Tatbestände des Unternehmenserwerbs für bestandskräftig erklärt. Denn diese Bestimmung findet anders als § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG zugunsten des Erwerbers unabhängig davon Anwendung, ob das jeweilige Unternehmen lebensfähig ist oder nicht; statt dessen läßt der Gesetzgeber den Schutz des § 204 Abs. 1 Satz 3 VermG immer dann entfallen, wenn sich der Erwerb des Unternehmens unter Umständen vollzogen hat, die den Vorwurf der Unredlichkeit begründen (§ 4 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 4 Abs. 3 VermG). Eine derartige, dem Gedanken des Vertrauensschutzes Rechnung tragende Einschränkung ihres Anwendungsbereichs ist in der Bestimmung des § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG wegen ihrer andersartigen Zielrichtung gerade nicht enthalten.

Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ist § 5 Abs. 1 Buchst. 20d VermG im Streitfall auch nicht deswegen unanwendbar, weil die Beigeladenen zu 1 und 2 - wie die Klägerin meint - das umstrittene Grundstück nicht rechtswirksam erworben haben. Denn in Anbetracht des dargelegten, auf die Sicherung der Lebensfähigkeit von Unternehmen in den neuen Bundesländern abzielenden Schutzzwecks der Bestimmung setzt ihre Anwendung keine ins einzelne gehende Überprüfung der Rechtswirksamkeit des der gewerblichen Nutzung zugrundeliegenden Grundstücks- oder Gebäudeerwerbs voraus. Diese Frage kann vielmehr nur insoweit Bedeutung erlangen, als sie Zweifel begründet, ob die in der Bestimmung genannten tatsächlichen Anwendungsvoraussetzungen vorliegen. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist das umstrittene Grundstück formwirksam und mit behördlicher Genehmigung an die Beigeladenen zu 1 und 202 veräußert worden; darüber hinaus sind die Beigeladenen zu 1 und 2 als neue Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden. Ein solcher äußerlich abgeschlossener Erwerbstatbestand genügt grundsätzlich für die Annahme, daß das vom Erwerber für seine gewerblichen Zwecke genutzte Grundstück dem Unternehmen auf Dauer zugehört und dieses daher durch eine Restitution des Grundstücks im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG erheblich beeinträchtigt werden kann. Anhaltspunkte dafür, daß den Beigeladenen zu 1 und 2 unabhängig von der vorliegenden Klage der tatsächliche Verlust des von ihnen erworbenen Grundstücks wegen eines dem Erwerbsgeschäft anhaftenden Rechtsmangels droht, bestehen auch nach dem Vorbringen der Klägerin nicht.

3. Das Urteil des Verwaltungsgerichts kann jedoch deswegen keinen Bestand haben, weil es zu den tatsächlichen Anwendungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG keine ausreichenden Feststellungen enthält.

Da das umstrittene Grundstück - wie die Klägerin selbst vorträgt - bei seiner Enteignung seit längerer Zeit wegen Baufälligkeit ungenutzt war, kommt hier (nur) eine Veränderung der Nutzungsart in Form der Zuführung zur gewerblichen Nutzung (§ 5 Abs. 1 Buchst. d, 1. Alt. VermG) in Betracht. Gemäß § 5 Abs. 2 VermG müssen die für die Anwendung des § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG maßgeblichen tatsächlichen Umstände bereits am 29. September 1990 vorgelegen haben; darüber hinaus muß die rückgabehindernde Nutzung des Grundstücks bis zur Entscheidung über die Rückgabe fortbestehen, um den Restitutionsausschluß zu rechtfertigen (vgl. Urteil vom 20. März 1997 - BVerwG 7 C 55.96 - a.a.O. S. 197 m.w.N.). In den Fällen der gemischten Nutzung eines Grundstücks kann dessen Rückgabe nur dann insgesamt ausgeschlossen sein, wenn die privilegierte gewerbliche Nutzung bis spätestens zum 29. September 1990 ein das Grundstück prägendes Gewicht erlangt hat, wenn also zu diesem Zeitpunkt die gewerbliche Nutzung die sonstige Nutzung überwog (vgl. Beschluß vom 10. Oktober 1995 - BVerwG 7 B 310.95 - Buchholz 112 § 5 VermG Nr. 4). Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts reichen für eine solche Annahme nicht aus.

Der Senat läßt unentschieden, ob die Feststellungen zur Frage der Zuführung zur gewerblichen Nutzung nicht bereits deswegen von vornherein unverwertbar sind, weil sie - wie die Klägerin sinngemäß rügt - unter Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG; § 108 Abs. 2 VwGO) zustande gekommen sind. Soweit das angefochtene Urteil derartige Feststellungen zur gewerblichen Nutzung des umstrittenen Grundstücks am 29. September 1990 enthält, beruhen diese auf den Angaben des Beigeladenen zu 1 in der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 1997; diesen in der Sitzungsniederschrift festgehaltenen Angaben zufolge hat der Beigeladene zu 1 sogleich zu Beginn seiner gewerblichen Tätigkeit am 1. Juli 1990 das Erdgeschoß des Wohngebäudes als Büroraum, vier Garagen und zwei Kellerräume als Lagerraum sowie einen Teil der Hoffläche als Stellplatz für zwei Firmenfahrzeuge genutzt. Da die Nutzung des Grundstücks am 29. September 1990 in den Schriftsätzen der Beteiligten an das Verwaltungsgericht nicht erörtert worden war und die Beigeladenen zu 1 und 2 auf dem Grundstück nach dem 29. September 1990 nicht unerhebliche bauliche Veränderungen vorgenommen haben, war es nicht sachwidrig, wenn die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 1997 die für sie neuen Angaben des Beigeladenen zu 2 mit Nichtwissen bestritt und um Einräumung der Möglichkeit bat, hierzu in einem Schriftsatz Stellung zu nehmen (§ 173 VwGO i.V.m. § 20283 ZPO). Daß das Verwaltungsgericht diesem Antrag nicht entsprochen hat, sondern an demselben Tage ein Urteil zum Nachteil der Klägerin verkündete, erscheint unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs zumindest bedenklich.

Jedenfalls sind die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in der Sache unzureichend. Die Angabe im angefochtenen Urteil, die gewerbliche Nutzung des umstrittenen Grundstücks mache den überwiegenden Nutzungszweck aus, ist nicht oder zumindest nicht mit der nötigen Eindeutigkeit auf den 29. September 1990 bezogen. Für diesen Zeitpunkt kann - wenn überhaupt - nur das als festgestellt gelten, was der vom Verwaltungsgericht als glaubwürdig angesehene Beigeladene zu 2 in der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 1997 im einzelnen zum Umfang der gewerblichen Nutzung des Grundstücks seit der Betriebsaufnahme am 1. Juli 1990 ausgeführt hat. Diese Angaben des Beigeladenen zu 2 erlauben indes keine Antwort auf die Frage, ob das Grundstück am 29. September 1990 überwiegend gewerblich genutzt wurde. Namentlich ist nicht festgestellt, welche Gesamtnutzfläche das Gebäude - einschließlich der Nebengebäude - aufwies und wie sich diese Fläche auf die Gewerbe- und die Wohnnutzung verteilte. Ebensowenig ist festgestellt, welche Freiflächen des Grundstücks gewerblich oder privat genutzt wurden. Diese entscheidungserheblichen Feststellungen wird das Verwaltungsgericht nachzuholen haben. Dabei wird es anders als bisher den Angaben des Beigeladenen zu 2 nicht mehr ohne weiteres Glauben schenken können, sondern sich mit den Einwänden näher auseinandersetzen müssen, die die Klägerin im Revisionsverfahren gegen diese Angaben erhoben hat.

Ende der Entscheidung

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