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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 22.11.2001
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 8.01
Rechtsgebiete: VermG


Vorschriften:

VermG § 3 Abs. 4
VermG § 4 Abs. 3
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein unredlicher Erwerb im Sinne des § 4 Abs. 3 VermG in Betracht kommt, wenn ein mit der Verwaltung eines Grundstücks beauftragter Mieter die Enteignung des im Westen wohnenden Eigentümers anstößt und das Grundstück später erwirbt.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 8.01

Verkündet am 22. November 2001

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2001 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franßen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel, Kley, Herbert und Neumann

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 23. März 2000 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I.

Der Klägerin begehrt die vermögensrechtliche Rückübertragung des Grundstücks W.straße 1 in A. Das Grundstück ist mit einem zweigeschossigen Wohnhaus bebaut. Dieses enthielt - jedenfalls ursprünglich - zwei selbständige, abgeschlossene Wohnungen.

Eigentümer des Grundstücks war früher der Vater der Klägerin. Die Klägerin bewohnte mit ihrer Familie die Wohnung im Obergeschoss. Die Wohnung im Erdgeschoss war vermietet. Die Klägerin verließ im Jahre 1946 oder 1947 die sowjetische Besatzungszone und verzog nach P./Holstein. Nach ihrem Auszug wurde die Wohnung im Obergeschoss ebenfalls vermietet. Die Klägerin erwarb im August 1950 das Eigentum an dem Grundstück von ihrem Vater. Ein Onkel der Klägerin, der in A. wohnte, verwaltete das Grundstück für sie. Nach dem Auszug der Vormieter wurde den Beigeladenen im Jahre 1968 die Wohnung im Erdgeschoss zugewiesen. Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welchem baulichen Zustand das Haus sich bei dem Auszug der Vormieter befand. Unstreitig waren Instandsetzungen erforderlich, welche die Beigeladenen vorgenommen haben. Streitig ist der Umfang dieser Instandsetzungen. Streitig ist ferner, welche Absprachen die Klägerin und die Beigeladenen neben der Vermietung der Wohnung getroffen haben. Im Kern unstreitig ist, dass jedenfalls die Miete der Beigeladenen zum Teil mit deren Instandsetzungsleistungen verrechnet werden sollte. Die Beigeladenen sollten wohl auch die Miete bei den Mietern des Obergeschosses einsammeln. Welche Absprachen zur Verwendung dieser Miete bestanden, ist streitig. Streitig ist ferner, ob die Beigeladenen nach ihrem Einzug weitere Umbauten am Haus vorgenommen haben.

Im März 1972 sprach der Beigeladene beim Bürgermeister der Gemeinde A. vor. In dem hierüber aufgenommenen Aktenvermerk heißt es unter anderem, die Klägerin habe den Beigeladenen seinerzeit schriftlich mit der Verwaltung des Grundstücks beauftragt. Nach Angaben des Beigeladenen habe die Klägerin im Jahre 1947 die Republik verlassen. Sie habe ihm jetzt mitgeteilt, sie werde sich im Sommer in A. aufhalten. Sie habe ihn aufgefordert, er möge die angefallene Miete der letzten Jahre bereithalten. In dem Vermerk heißt es weiter, in einer sofortigen telefonischen Rücksprache mit dem Rat des Kreises (Staatliches Eigentum) sei vereinbart worden, dass der Beigeladene auf das Schreiben der Klägerin nicht antworte und keine Zahlungen an sie leiste. Das Staatliche Eigentum werde prüfen, aus welchem Grund das Grundstück noch nicht dem Rat der Gemeinde als Rechtsträger übertragen sei. Weil es sich um ein Einfamiliengrundstück handele, könne es nach seinem Übergang auf den Rat der Gemeinde an den Beigeladenen verkauft werden.

In der Folgezeit versuchte der Rat des Kreises zu ermitteln, wann und unter welchen Umständen die Klägerin aus A. verzogen war.

Nach der Behauptung der Klägerin hat sie im Frühsommer 1972 die Beigeladenen aufgesucht; diese hätten sie des Grundstücks unter Hinweis darauf verwiesen, sie - die Beigeladenen - seien jetzt Eigentümer des Grundstücks.

Im November 1972 wurde das Grundstück in Volkseigentum überführt. Rechtsträger wurde der Rat der Gemeinde A. Er veräußerte im September 1973 das Gebäude an die Beigeladenen. Ihnen wurde ferner ein Nutzungsrecht an dem Grundstück verliehen. Durch Kaufvertrag vom 26. September 1990 erwarben die Beigeladenen das Eigentum auch an dem Grundstück. Sie wurden im Januar 1993 in das Grundbuch eingetragen.

Auf den Restitutionsantrag der Klägerin stellte der Beklagte deren Berechtigung fest, lehnte aber die Rückübertragung des Grundstücks wegen redlichen Erwerbs der Beigeladenen ab.

Die Klägerin hat mit dem Antrag Klage erhoben, den Beklagten zu verpflichten, ihr das Eigentum an dem streitigen Grundstück zurückzuübertragen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch das angefochtene Urteil abgewiesen: Eine Rückübertragung des Grundstücks an die Klägerin sei ausgeschlossen, weil die Beigeladenen im Jahre 1973 das Eigentum an dem Gebäude und das Nutzungsrecht am Grundstück redlich erworben hätten. Zwar könne ein Verstoß gegen eine Vertrauensstellung einen unredlichen Erwerb begründen, wenn dem Handeln zugleich ein manipulatives Element zu entnehmen sei. Das sei etwa dann der Fall, wenn ein mit einer Vollmacht ausgestatteter Verwalter diese unter Verstoß gegen seine Pflichtstellung im Innenverhältnis dazu benutzt habe, um den Vermögenswert selbst zu erwerben. Ein solches Handeln der Beigeladenen sei aber selbst dann nicht zu erkennen, wenn sie ihre Verwendungen auf das Gebäude zum Teil ohne den Willen der Klägerin getätigt hätten. Damit hätten sie nämlich nicht ihren späteren Erwerb ermöglichen wollen; sie hätten ihre Leistungen auch tatsächlich nicht zu diesem Zweck ausgenutzt. Sie hätten nicht, gestützt auf ihre Aufwendungen, Erstattungsforderungen gegen die Klägerin erhoben, sondern sich nur unter Hinweis auf diese Aufwendungen geweigert, weitere Miete zu zahlen. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin hätten die Beigeladenen, statt Miete zu zahlen, Maßnahmen der Werterhaltung erbringen dürfen. Die Beigeladenen hätten keine weitergehende Pflicht zur Fürsorge oder Vermögensbetreuung inne gehabt, die sie hätten ausnutzen können. Die Beigeladenen hätten auch nicht den Behörden gegenüber eine Republikflucht der Klägerin behauptet und hierdurch die Vermögensentziehung veranlasst. Dass der Beigeladene mit seiner Vorsprache beim Bürgermeister eine Ursache für den späteren Rechtsverlust der Klägerin gesetzt habe, gebe mangels einer entsprechenden Unterlassungspflicht nichts für eine Unredlichkeit der Beigeladenen her. Dies gelte auch dann, wenn die Klägerin von den Beigeladenen nicht verlangt haben sollte, die Mieten bereitzuhalten. Das Handeln der Behörden sei ersichtlich nicht von der angeblich erhobenen Forderung, sondern davon abhängig gewesen, dass die Klägerin die spätere DDR verlassen habe.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Sie macht geltend: Sie habe die Beigeladenen als privatrechtliche Verwalter ihres Grundstücks eingesetzt. Ihre Stellung als Verwalter habe für die Beigeladenen ein Vertrauensverhältnis ihr - der Klägerin - gegenüber begründet, insbesondere mit Blick auf die latente und allgegenwärtige Möglichkeit des Zugriffs der staatlichen Stellen auf privates (West-)Eigentum. Den Beigeladenen sei klar gewesen, dass jeder Hinweis an die Behörden der DDR ausgereicht habe, derartige Aktionen auszulösen. Das Verwaltungsgericht hätte den seinerzeitigen Bürgermeister als Zeugen über die Vorsprache der Beigeladenen bei ihm vernehmen müssen. Dies habe es unter Verletzung seiner Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts unterlassen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und macht ergänzend geltend: Die begehrte Rückgabe sei auch deshalb ausgeschlossen, weil die Beigeladenen das Grundstück durch den notariellen Kaufvertrag vom 26. September 1990 erworben hätten und als Eigentümer im Januar 1993 in das Grundbuch eingetragen worden seien. Eine Grundstücksverkehrsgenehmigung sei für diesen Vertrag nicht erforderlich gewesen.

Die Beigeladenen machen geltend, sie hätten das Grundstück redlich erworben.

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht. Das Verwaltungsgericht hat § 4 Abs. 3 VermG rechtlich fehlerhaft angewandt. Aufgrund der bisher festgestellten Tatsachen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob die Beigeladenen ein Nutzungsrecht an dem Grundstück redlich erworben haben. Weil sich das Urteil nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist, ist es aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht angenommen, keines der Regelbeispiele des § 4 Abs. 3 VermG sei erfüllt. § 4 Abs. 3 VermG legt aber nicht abschließend fest, in welchen Fällen ein Erwerb als unredlich zu beurteilen ist. Ein Erwerb ist unredlich, wenn er auf einer sittlich anstößigen Manipulation beruht, an welcher der Erwerber in vorwerfbarer Weise beteiligt war (BVerwG, Urteil vom 3. November 1999 - BVerwG 8 C 19.98 - BVerwGE 110, 28; Urteil vom 13. September 2000 - 8 C 33.99 - Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 6). Für die Annahme mangelnder Redlichkeit kommen dabei nur Umstände in Betracht, die in dem Sinne erwerbsbezogen sind, dass sie den Erwerbsvorgang als solchen betreffen und diesen als auf einer sittlich anstößigen Manipulation beruhend erscheinen lassen. Dies ist nicht schon stets der Fall, wenn die Anstößigkeit sich auf einen Vorgang bezieht, der bei einer bloßen Kausalitätsbetrachtung ursächlich für die sich später eröffnende Erwerbschance gewesen ist. Hinzu kommen muss vielmehr, dass der sittlich anstößige Vorgang auf den späteren Erwerb ausstrahlt (BVerwG, Beschluss vom 15. April 1998 - BVerwG 7 B 114.98 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 54). Besteht ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen einer manipulativ erwirkten Voraussetzung für den nachfolgenden Eigentumserwerb, indiziert dies die Anstößigkeit des Erwerbs. Hat der private Verwalter eines Grundstücks sehenden Auges die Voraussetzungen einer Enteignung mit geschaffen und die ihm eingeräumte Vertrauensstellung ohne Rücksicht auf die Belange des Eigentümers zum eigenen Vorteil ausgenutzt, ist dies einer manipulierten Beeinflussung des Erwerbs vergleichbar. Das Vertrauen des Erwerbers auf den Fortbestand der erworbenen Rechte ist in einem solchen Fall nicht schutzwürdig (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. August 1995 - BVerwG 7 C 39.94 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 53).

Zwar nimmt auch das Verwaltungsgericht an, ein Verstoß gegen eine Vertrauensstellung könne einen unredlichen Erwerb begründen. Es verengt aber zu Unrecht diese Möglichkeit auf den Fall, dass ein mit einer Vollmacht ausgestatteter Verwalter diese unter Verstoß gegen seine Pflichtenstellung im Innenverhältnis dazu benutzt, den Vermögenswert selbst erwerben zu können. Das Verwaltungsgericht zieht nicht in Betracht, dass sich aus einem privaten Verwaltungsverhältnis auch ohne die Möglichkeit, Verbindlichkeiten zu Lasten des Hauseigentümers zu begründen, Pflichten zur Fürsorge und zur Vermögensbetreuung ergeben können. Ebenfalls blendet das Verwaltungsgericht aus, dass ein Verstoß gegen solche Pflichten, auch wenn er sich noch nicht unmittelbar auf den Erwerb bezog, wegen seiner Ausstrahlungswirkung einen späteren Erwerb als unredlich erscheinen lassen kann.

Das Verwaltungsgericht hätte deshalb weiter klären müssen, welchen Inhalt die Absprachen zwischen der Klägerin und den Beigeladenen hatten, namentlich welche Pflichten sich hieraus für die Beigeladenen ergaben. Nach der Behauptung jedenfalls der Klägerin waren die Beigeladenen mit der Verwaltung des Grundstücks beauftragt. Der private Verwalter ist verpflichtet, die Interessen des Eigentümers zu wahren. Dafür ist unerheblich, ob es sich bei der Verwaltung eines Hausgrundstücks um einen unentgeltlichen Auftrag (§ 662 BGB) oder um eine entgeltliche Geschäftsbesorgung (§ 675 BGB) handelt. Den privaten Verwalter eines in der DDR gelegenen Hausgrundstücks traf regelmäßig gegenüber einem in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Eigentümer eine besondere Treuepflicht. Eigentum an Grundstücken in der Hand von "Westeigentümern" galt politisch generell als unerwünscht. Bei solchem Eigentum bestand stets latent die Gefahr, dass es in staatliche Verwaltung übernommen oder enteignet wurde. Der Verwalter durfte deshalb nicht ohne Not die Aufmerksamkeit der Behörde auf das Grundstück lenken, weil dadurch für den Eigentümer das Risiko erheblich vergrößert wurde, den Vermögenswert zu verlieren. Dementsprechend war er verpflichtet, auftretende Schwierigkeiten nach Möglichkeit zunächst mit dem Eigentümer zu klären, bevor er sich an Behörden der DDR wandte. Hat der private Verwalter eines Grundstücks in dieser Weise unter Verstoß gegen seine Pflichten gegenüber dem Eigentümer den Anstoß für dessen Enteignung gegeben und sich die von ihm pflichtwidrig angestoßene Enteignung durch Erwerb des Grundstücks später zu Nutze gemacht, indiziert dies die Anstößigkeit des Erwerbs.

Die bisherigen Feststellungen des Verwaltungsgerichts lassen die Beurteilung nicht zu, ob die Beigeladenen in diesem Sinne Verwalter waren und deshalb die damit einher gehende Vertrauensstellung mit Pflichten zur Fürsorge und Vermögensbetreuung innehatten. Insoweit kommt es beispielsweise darauf an, ob der Beigeladene die Miete nur für seine Wohnung oder für beide Wohnungen in dem Haus einsammeln sollte, ob er die eingesammelte Miete bar bereithalten oder auf ein Konto einzahlen sollte, ob er als Verwalter eigenverantwortlich oder nur nach Rücksprache mit der Klägerin mit oder ohne Rechnungslegung dieser gegenüber bevollmächtigt war, die Mieten seiner oder beider Wohnungen für Instandsetzungsmaßnahmen oder für die Bezahlung der mit dem Grundstück zusammenhängenden öffentliche Abgaben zu verwenden, oder ob er nur als Mieter seiner Wohnung im Rahmen seines Mietvertrages berechtigt war, Aufwendungen für seine Wohnung zu tätigen und diese Aufwendungen gegen die Miete für seine Wohnung zu verrechnen.

Ein unredlicher Erwerb der Beigeladenen kommt auch dann in Betracht, wenn die weitere Aufklärung des Sachverhalts ergibt, dass die Beigeladenen nicht im Rechtssinne mit der Verwaltung des Hauses beauftragt waren, sondern lediglich als Mieter aus Gefälligkeit für die Klägerin bestimmte Angelegenheit erledigt haben. Das wäre etwa dann der Fall, wenn die Klägerin dem Beigeladenen wegen dessen Anwesenheit vor Ort einzelne Aufgaben übertragen hat, etwa nur das Einsammeln der Miete und die Pflege des Kontakts zum Eigentümer, der allein alle wesentlichen Fragen zu entscheiden und insbesondere auch die Verwendung der eingesammelten Mieten zu bestimmen hatte.

In diesem Falle käme es für die Redlichkeit oder Unredlichkeit des Erwerbs zunächst darauf an, aus welchem Grund der Beigeladene den Bürgermeister aufgesucht und die Aufmerksamkeit der Behörden auf das Grundstück der Klägerin gelenkt hat. Hätten die Beigeladenen durch die Vorsprache bei dem Bürgermeister bestehende Ansprüche der Klägerin abwehren und eigene Interessen unter Verdrängung der Klägerin als Vermieterin durchsetzen wollen, läge in der Ausnutzung der dadurch angestoßenen Möglichkeit eines späteren Erwerbs dessen manipulative Beeinflussung, die den Erwerb unredlich macht. Der bisherige Sachverhalt bietet Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladenen in der Vorstellung handelten, sie hätten Zeit, Arbeit und Material in das Haus gesteckt und diese Verwendungen auf das Haus dürften sie mietfrei abwohnen. Als sie sich mit dem Verlangen der Klägerin konfrontiert sahen, die Miete für die zurückliegende Zeit ganz oder teilweise in bar auszuzahlen, haben die Beigeladenen jedenfalls das Gespräch mit der Klägerin über deren Verlangen und dessen Berechtigung nicht gesucht. Sie haben vielmehr nach ihrem eigenen Vortrag der Klägerin gegenüber nicht auf deren Ankündigung reagiert, sie wolle bei ihrem Besuch im Frühsommer 1972 die angesammelte Miete sehen. Sie haben sich stattdessen an den Bürgermeister gewandt, um ihr Ziel zu erreichen, die behaupteten Verwendungen auf das Haus gleichsam mietfrei abwohnen zu können, ohne sich hierüber mit der Klägerin weiter auseinandersetzen zu müssen. Damit haben sie ihr von vornherein die Möglichkeit versperrt, ihren Standpunkt als Vermieterin zu wahren. Sie haben damit die Klägerin aus ihrer Stellung als Vermieterin verdrängen wollen. Neben einer möglichen Verletzung der Verpflichtung, zunächst das Gespräch mit dem Eigentümer zu suchen, und der Befassung des Bürgermeisters mit den im Verhältnis zu der Klägerin aufgetretenen Schwierigkeiten kommt, wenn die Behauptung der Klägerin zutrifft, als weiterer Anhaltspunkt für eine Unredlichkeit des Rechtserwerbs hinzu, dass die Beigeladenen die Klägerin bei ihrem Besuch des Grundstücks verwiesen, und zwar mit der unzutreffenden Behauptung, sie - die Beigeladenen - seien bereits Eigentümer des Grundstücks. Nach ihrer Behauptung haben die Beigeladenen zwar nicht die Absicht gehabt, das Grundstück zu erwerben. Sie wollen damit zufrieden gewesen sein, wenn die zuständige staatliche Wohnungsverwaltung an Stelle der Klägerin ihnen das Grundstück zu den bisherigen Bedingungen zur Nutzung überließ. Nach ihrer Behauptung haben sie sich erst zum Kauf entschlossen, als sich dieses Vorhaben nicht realisieren ließ, weil angeblich nur ein Erwerb des Gebäudes durch die Beigeladenen in Betracht kam, anderenfalls sei die Veräußerung an andere Interessenten beabsichtigt gewesen. Die letzte Behauptung erscheint indes unglaubhaft. Das kann ein Indiz dafür sein, dass die Beigeladenen ihre eigentlichen Motive verschleiern wollen. Nach der einschlägigen Rechtslage in der DDR konnten volkseigene Eigenheime, wenn sie vermietet waren, nur an die Mieter veräußert werden; es ist nicht vorstellbar, dass Familien mit vier Kindern aus ihrer Wohnung entfernt wurden, um das Gebäude an andere Bewerber veräußern zu können. Weil dies offensichtlich der Rechtslage und Rechtspraxis der DDR widersprochen hätte, ist gänzlich unwahrscheinlich, dass eine staatliche Stelle den Beigeladenen mit einem solchen Vorgehen gedroht haben soll, um einen Erwerb des Gebäudes durch die Beigeladenen zu erzwingen. Unabhängig davon würde es die Unredlichkeit des Erwerbs begründen, wenn die Beigeladenen durch diesen Erwerb das vollendet hätten, was sie mit dem Besuch bei dem Bürgermeister begonnen haben, nämlich die Klägerin aus ihrer Position als Vermieterin zu verdrängen. Schon dadurch hätten die Beigeladenen in sittlich anstößiger Weise die Voraussetzung für deren Enteignung angestoßen und sich diesen Anstoß zu Nutze gemacht, wenn anders als durch einen eigenen Erwerb das von ihnen letztlich angestrebte Ziel nicht zu erreichen war.

Das angefochtene Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als in der Sache richtig. Der Restitutionsanspruch der Klägerin ist nicht dadurch untergegangen, dass die Beigeladenen das Eigentum an dem Grundstück hinzuerworben haben. § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG schließt einen Restitutionsanspruch nicht aus, wenn der Inhaber eines dinglichen Nutzungsrechts an einem Grundstück auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 Sätze 2 und 3 des Gesetzes über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 7. März 1990 das Eigentum an dem Grundstück erwirbt, der Erwerb des Eigentums sich aber erst (wie hier) nach dem In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes vollendet hat. Wurden das Gebäudeeigentum oder das Nutzungsrecht nicht redlich erworben, lässt der Hinzuerwerb des Grundstücks den Restitutionsanspruch nicht untergehen. Ob der Gebäudeeigentümer oder Nutzungsberechtigte das Grundstück behalten darf, richtet sich allein danach, ob ein Restitutionsanspruch wegen redlichen Erwerbs ausgeschlossen ist (vgl. Beschluss vom 24. Mai 1995 - BVerwG 7 B 51.95 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 17). § 3 Abs. 4 VermG ist seinem Schutzzweck nach nicht auf die "Komplettierungsverkäufe" anwendbar, in denen zu dem vorher schon erlangten Nutzungsrecht das Eigentum an dem Grundstück erworben wird. Die Vorschrift dient dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Grundstücksverkehrs und der Förderung von Investitionen. Sie soll einen Ausgleich schaffen zwischen diesem Interesse und dem Restitutionsinteresse des Anmelders. § 4 Abs. 2 und 3 VermG regelt hingegen die widerstreitenden Interessen des Restitutionsberechtigten und des redlichen Erwerbers.

Ende der Entscheidung

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