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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 30.11.2000
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 94.99
Rechtsgebiete: VermG


Vorschriften:

VermG § 4 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Buchst. a
Leitsatz:

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen der im Tauschwege vorgenommene Erwerb eines volkseigenen Grundstücks eine Unredlichkeit des Erwerbers gemäß § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG begründen kann (Einzelfall).

Urteil des 7. Senats vom 30. November 2000 - BVerwG 7 C 94.99 -

I. VG Schwerin vom 28.01.1999 - Az.: VG 3 A 1449/94 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 94.99 VG 3 1449/94

Verkündet am 30. November 2000

Nöpel Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. November 2000 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franßen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel, Kley, Herbert und Neumann

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 28. Januar 1999 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I.

Die Kläger beanspruchen die Rückübertragung des Eigentums an dem Grundstück Zum Reppin 3 in S.-M. nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG). Auf diesem 2 627 m² großen Grundstück hatten sie Mitte der siebziger Jahre mit dem Bau eines Einfamilienhauses begonnen. Ab dem Jahr 1978 stellten sie Ausreiseanträge. Anfang März 1981 schlug die Kreisdienststelle Sternberg des Ministeriums für Staatssicherheit vor, die Übersiedlung des Klägers zu 2 mit Familie kurzfristig zu realisieren, da hieran ein staatliches Interesse bestehe. Am 2. Oktober 1981 reisten die Kläger mit staatlicher Genehmigung aus der DDR aus. Zum Ausreisezeitpunkt befand sich das Eigenheim im Rohbauzustand. Mitte Oktober 1981 beschloss der Rat der Stadt S., das Grundstück nach dem Aufbaugesetz vom 6. September 1950 (GBl DDR I S. 965) in Anspruch zu nehmen, um das Eigenheim fertig stellen zu lassen. Die Enteignung des Grundstücks und die Überführung in Volkseigentum erfolgten Mitte Januar 1982.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 20. Juli 1983 tauschten der Rat der Stadt S. als Rechtsträger des nunmehr volkseigenen Grundstücks und der Beigeladene, der Eigentümer eines mit einem Eigenheim bebauten Seegrundstücks in S.-W. mit einer Größe von 3 440 m² war, die jeweiligen Grundstücke. Nach der Feststellung des Verwaltungsgerichts hatte das volkseigene Grundstück einen um 9 000 M höheren Wert als das Grundstück des Beigeladenen; ein Ausgleich der Wertdifferenz sollte nach dem Tauschvertrag nicht erfolgen. Anlass des Tausches war der Umstand, dass das Grundstück des Beigeladenen neben anderen Grundstücken für ein von der Bezirksleitung der SED geplantes repräsentatives Gästehaus "für Spitzengäste" auf einer Anlage von über 100 000 m² benötigt wurde. Zu diesem Zweck waren dem Beigeladenen seit 1980 mehrere Grundstücke als Ersatz angeboten worden, die ihm aber nicht zusagten. In einem Schreiben des Rates der Stadt S. vom 5. Februar 1981 war daraufhin festgestellt worden, dass die Verhandlungen mit dem Beigeladenen zum Ankauf seines Grundstücks gescheitert seien. Am 2. März 1981 beschloss der Rat der Stadt S. die Inanspruchnahme des Grundstücks nach dem Gesetz über die planmäßige Gestaltung der sozialistischen Landeskultur in der DDR - Landeskulturgesetz - vom 14. Mai 1970 (GBl DDR I S. 67). Der Beschluss über die Enteignung des Grundstücks wurde aber nicht umgesetzt. Im Herbst 1981 besichtigte der Beigeladene das Grundstück Zum Reppin 3 und erklärte sich mit diesem als Ersatz für sein Grundstück in S.-W. einverstanden. Die Fertigstellung des Rohbaus wurde vom Rat der Stadt S. veranlasst. Die Kosten finanzierte der Beigeladene mit Hilfe eines zinslos gewährten Kredits in Höhe von 39 000 DM.

Der Antrag der Kläger auf Rückübertragung des Eigentums an ihrem früheren Grundstück wurde mit Bescheid vom 28. Oktober 1992 abgelehnt, da das Grundstück nach den Vorschriften des Aufbaugesetzes gegen Entschädigung enteignet worden sei; die Schädigungstatbestände der Buchstaben a und b des § 1 Abs. 1 VermG seien nicht erfüllt.

Auf die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, den Klägern eine vermögensrechtliche Entschädigung dem Grunde nach zuzusprechen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Zwar seien die Kläger Berechtigte nach § 2 Abs. 1 VermG, da die Enteignung ihres früheren Grundstücks auf unlauteren Machenschaften im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG beruht habe. Der angegebene Enteignungszweck, nämlich die Fertigstellung des im Rohbauzustand befindlichen Eigenheims, sei lediglich vorgeschoben gewesen. Die Enteignung sei "nur bzw. ganz wesentlich" davon bestimmt gewesen, dem Beigeladenen ein Ersatz- oder Tauschobjekt für dessen Grundstück in S.-W. zu verschaffen. Die Rückübertragung des Grundstücks an die Kläger sei jedoch gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG ausgeschlossen, weil der Beigeladene das Eigentum an dem Grundstück redlich erworben habe. Greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine mögliche Unredlichkeit des Beigeladenen nach § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG seien nicht erkennbar. Der Beigeladene habe weder gewusst noch hätte er wissen müssen, mit welchen Mitteln und zu welchem Zweck der DDR-Staat das frühere Grundstück der Kläger enteignet habe. Zwar sei der Tausch des volkseigenen Grundstücks gegen ein privates Grundstück ein "zutiefst ungewöhnlicher Vorgang" gewesen. Ein solcher Tausch dürfte nach der Rechtsordnung der DDR aber rechtlich zulässig gewesen sein. Auch wenn nach § 4 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Entschädigung bei Inanspruchnahme nach dem Aufbaugesetz - Entschädigungsgesetz - vom 25. April 1960 (GBl DDR I S. 257) der Tausch des volkseigenen Grundstücks unzulässig gewesen sein sollte, hätte der juristisch nicht bewanderte Beigeladene diesen - unterstellten - Rechtsverstoß nicht erkennen müssen. Dies gelte in gleicher Weise für den Verzicht auf einen Ausgleich der Wertdifferenz zwischen beiden Grundstücken. Auch lägen keine tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Unredlichkeit nach § 4 Abs. 3 Buchst. b VermG vor.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Kläger, mit der sie ihren Klageantrag weiter verfolgen. Sie rügen, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine Unredlichkeit des Beigeladenen verneint habe. Bereits der Grundstückstausch als solcher sei ein für DDR-Verhältnisse ungewöhnlicher Vorgang gewesen. Dies gelte in gleicher Weise für den im Rahmen des Tauschvertrages ausgesprochenen Verzicht auf den Wertausgleich und die auf Veranlassung der DDR-Behörden erfolgte Fertigstellung des Einfamilienhauses. Hinzu komme, dass eine Abrechnung auf der Basis der Baupreise von 1966 erfolgt und ein zinsloses Darlehen gewährt worden sei, was den gesetzlichen Bestimmungen, zumindest aber der Verwaltungspraxis, widersprochen habe. Dieses außergewöhnlich günstige Geschäft hätte auch dem juristischen Laien deutlich machen müssen, dass der Erwerb nicht im Einklang mit den allgemeinen Rechtsvorschriften, Verfahrensgrundsätzen und einer ordnungsgemäßen Verwaltungspraxis gestanden habe. Der Umstand, dass der Beigeladene auf seiner Forderung nach einem vergleichbaren Tauschgrundstück beharrt und mit den Behörden um "alles oder nichts" gepokert habe, belege dies ebenfalls. Das Urteil beruhe zudem auf einer unzureichenden Aufklärung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Beigeladene beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er beruft sich auf einen redlichen Erwerb des Grundstücks. DDR-Bürger, denen der rechtsgeschäftliche Erwerb eines Grundstücks durch die Behörden angesonnen worden sei, hätten sich darauf verlassen können, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Veräußerung des angebotenen Grundbesitzes vorgelegen hätten.

II.

Die Revision ist begründet.

Die Kläger sind, wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, Berechtigte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 3 VermG. Da der Beklagte und der Beigeladene insoweit im Revisionsverfahren keine rechtlichen Einwände erhoben haben, hatte der Senat allein zu prüfen, ob der Anspruch der Kläger auf Rückübertragung des Eigentums an ihrem früheren Grundstück gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG durch einen redlichen Erwerb des Beigeladenen ausgeschlossen ist.

Das angefochtene Urteil geht davon aus, der Beigeladene habe das streitige Grundstück in diesem Sinne redlich erworben. Auf der Grundlage der vom Verwaltungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist diese Annahme rechtsfehlerhaft; sie ist insbesondere mit der in § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG getroffenen Regelung nicht zu vereinbaren. Danach ist ein Rechtserwerb in der Regel als unredlich anzusehen, wenn er nicht in Einklang mit dem zum Zeitpunkt des Erwerbs in der DDR geltenden allgemeinen Rechtsvorschriften, Verfahrensgrundsätzen und einer ordnungsgemäßen Verwaltungspraxis stand und der Erwerber dies wusste oder hätte wissen müssen. Eine abschließende Entscheidung ist dem erkennenden Senat nicht möglich, da es hierzu an den erforderlichen Feststellungen fehlt; das zwingt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht.

1. Der Erwerb des früheren Grundstücks der Kläger durch den Beigeladenen stand nicht im Einklang mit den zur Zeit des Erwerbs in der DDR geltenden allgemeinen Rechtsvorschriften; den Rechtsverstößen lag die Absicht zugrunde, den Erwerbsvorgang gezielt zu beeinflussen (§ 4 Abs. 3 Buchst. a VermG).

Das Verwaltungsgericht hat den Tausch eines volkseigenen Grundstücks gegen ein privates Grundstück nach der Rechtsordnung der DDR für zulässig gehalten und damit lediglich einen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 des Entschädigungsgesetzes in Betracht gezogen; nach dieser Vorschrift durfte im Rahmen der Naturalentschädigung bei Übereignung von Eigenheimen auf volkseigenen Grundstücken dem Entschädigungsberechtigten für den Grund und Boden lediglich ein Nutzungsrecht verliehen werden. Diese Annahme einer grundsätzlichen Zulässigkeit des Tauschvertrages steht im Widerspruch zu §§ 19 und 20 ZGB, die den Schutz des sozialistischen Eigentums regeln. Sie hat zur Folge, dass die Prüfung, ob der Beigeladene den Rechtsverstoß hätte erkennen müssen, auf einer unzutreffenden rechtlichen Grundlage vorgenommen worden ist.

Aus den §§ 19 und 20 ZGB ergibt sich das grundsätzliche Verbot, volkseigene Grundstücke in Privateigentum zu veräußern, soweit nicht spezielle Ausnahmevorschriften dies zulassen (Urteil vom 27. Januar 2000 - BVerwG 7 C 2.99 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 35 S. 25). Das Verwaltungsgericht hat die Zulässigkeit des Tausches daraus hergeleitet, dass die Behörden zur Abwendung einer Enteignung nach der Zweiten Durchführungsbestimmung zum Aufbaugesetz zu einem vorherigen rechtsgeschäftlichen Erwerbsversuch verpflichtet gewesen seien. Diese allgemeine Verpflichtung stellt keine Ausnahmevorschrift im Sinne der §§ 19 und 20 ZGB dar. Eine solche ergibt sich auch nicht aus dem Landeskulturgesetz, auf das der Beschluss des Rates der Stadt S. vom 2. März 1981 über die Inanspruchnahme des früheren Grundstücks des Beigeladenen gestützt war. Abgesehen davon, dass die Errichtung eines Gästehauses der SED und die vorgesehene Nutzung des Geländes für den begrenzten Kreis von "Spitzengästen" nicht die Voraussetzungen einer Enteignung nach § 14 Abs. 5 Satz 1 und 2 des Landeskulturgesetzes erfüllten, enthält auch diese Vorschrift nur die Verpflichtung, vor einer Enteignung auf den Abschluss von Verträgen über die Übertragung von Eigentumsrechten durch Tausch, Kauf oder, bei volkseigenen Grundstücken, über den Rechtsträgerwechsel hinzuwirken. Die ausdrückliche Erwähnung des Rechtsträgerwechsels bei volkseigenen Grundstücken bestätigt zudem, dass nur ein Tausch mit einem anderen volkseigenen Grundstück zulässig war.

Der Tausch des volkseigenen Grundstücks war auch nicht nach der Anordnung über den Tausch volkseigener Grundstücke gegen nichtvolkseigene Grundstücke vom 1. September 1956 (GBl DDR I S. 706) zulässig. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Anordnung war Voraussetzung für den Abschluss von Tauschverträgen, dass der Tausch "für den Rechtsträger des volkseigenen Grundstücks wirtschaftlich" notwendig ist. Damit sind in erster Linie die Fälle gemeint, in denen ein sozialistischer Betrieb - z.B. im Bereich der Energieversorgung - für seine wirtschaftlichen Zwecke ein Privatgrundstück benötigte und zum Tausch ein volkseigenes Grundstück anbieten konnte. Eine solche wirtschaftliche Notwendigkeit war hier nicht gegeben; sie müsste zudem gerade "für den Rechtsträger des volkseigenen Grundstücks" - hier: den Rat der Stadt S. - bestanden haben. Hieran fehlt es, da der Tauschvertrag dazu diente, das erforderliche Grundstück für die SED zur Errichtung eines Gästehauses zu gewinnen.

Der in Rede stehende Rechtsverstoß hatte manipulativen Charakter, denn er zielte darauf, dem Beigeladenen das Eigentum an dem Grundstück zu verschaffen (vgl. BVerwGE 97, 286 <290>). Daran ändert auch nichts der Umstand, dass im vorliegenden Fall zwei Grundstücke getauscht wurden. Zwar kann bei einer Abweichung von allgemeinen Rechtsvorschriften, die sich als Ergebnis von Vertragsverhandlungen darstellen, die in den Regelbeispielen des § 4 Abs. 3 VermG vorausgesetzte sittlich anstößige Manipulation fehlen. Dies kommt für das Aushandeln von Vertragsbedingungen, z.B. den Verzicht auf einen Ausgleich der Wertdifferenz zwischen beiden Grundstücken, in Betracht. Für die Zulässigkeit des Tauschvertrages selbst, die Grundlage der Vertragsverhandlungen ist, gilt dies nicht. Ein gesetzliches Veräußerungsverbot - wie hier für volkseigene Grundstücke - konnte von vornherein nicht Gegenstand von Vertragsverhandlungen sein.

Daraus folgt weiter, dass die Veräußerung volkseigener Grundstücke - eben weil es sich um einen, wie das Verwaltungsgericht formuliert, "zutiefst ungewöhnlichen Vorgang" handelte - bei dem Erwerber eher Zweifel über die Rechtmäßigkeit eines solchen Erwerbs auslösen mussten, als Verstöße gegen andere, weniger zentrale Rechtsvorschriften der DDR. Das Verwaltungsgericht wird zu prüfen haben, ob der Beigeladene die ihm insoweit obliegende Sorgfaltspflicht verletzt hat.

2. Das angefochtene Urteil verstößt ferner dadurch gegen § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG, dass es bei der Prüfung, ob der Beigeladene die - vom Verwaltungsgericht unterstellten - Rechtsverstöße und die damit verbundene Manipulation hätte erkennen müssen, die Vorgänge weitgehend ausgeblendet hat, die das frühere Grundstück des Beigeladenen in S.-W. betrafen. Zwar müssen die für die Annahme mangelnder Redlichkeit in Betracht kommenden Umstände "erwerbsbezogen" in dem Sinn sein, dass sie den Erwerbsvorgang als solchen betreffen (Beschluss vom 15. April 1998 - BVerwG 7 B 114.98 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 54; Beschluss vom 22. Juli 1997 - BVerwG 7 B 245.97 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 43). Das Verwaltungsgericht ist aber von einem zu engen Verständnis der Erwerbsbezogenheit ausgegangen. Diese umfasst bei einem Grundstückstausch auch die Vorgänge, die sich auf das andere in den Tauschvertrag einbezogene Grundstück beziehen. Solche Feststellungen fehlen weitgehend.

Insbesondere hätte das Verwaltungsgericht prüfen müssen, ob der Beigeladene wusste, dass sein Grundstück für das Gästehaus der SED benötigt wurde, und ob ihm die Vorgänge um sein früheres Grundstück Informationen verschafft hatten, aufgrund derer er bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen müssen, dass bei dem Grundstückstausch nicht alles mit rechten Dingen zuging (vgl. z.B. Beschluss vom 6. Januar 1999 - BVerwG 7 B 226.98 - Buchholz 428 § 4 Abs. 2 Nr. 1); insoweit reicht eine auf leichter Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis aus (Urteil vom 27. Januar 1994 - BVerwG 7 C 4.93 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 7 S. 9). Das Verwaltungsgericht hat zwar ein kollusives Zusammenwirken des Rates der Stadt S. mit dem Beigeladenen bei dem Grundstückstausch verneint. Das schließt aber nicht aus, dass es eine erkennbare Bereitschaft des Verhandlungspartners gegeben haben könnte, sich über bestehende Rechtsvorschriften hinwegzusetzen, um ein unangenehmes Aufsehen über das Projekt der SED zu vermeiden. In diesem Falle fände auch das vom Verwaltungsgericht als "hartnäckig und geradezu stoisch" bezeichnete Verhalten des Beigeladenen in der Verfolgung seiner Interessen gegenüber den staatlichen Organen eine Erklärung. Unbeschadet dessen hätte angesichts der vorliegenden Umstände das Verwaltungsgericht jedenfalls prüfen müssen, ob für den Beigeladenen ein besonderer Anlass zur Nachfrage bestand. Müsste das bejaht werden, könnte sich der Beigeladene nicht darauf berufen, dass sich DDR-Bürger grundsätzlich darauf hätten verlassen können, dass Rechtsgeschäfte, die ihnen vom Staat angesonnen wurden, mit den gesetzlichen Vorschriften in Einklang standen. Auch in diesem Punkte muss das Verwaltungsgericht die erforderlichen Feststellungen noch treffen. In diesem Zusammenhang wird es ferner zu prüfen haben, ob insbesondere die Dauer der Verhandlungen seit 1980, das Verhalten staatlicher Stellen, die es hingenommen haben, dass der Beigeladene mehrere als Ersatz angebotene Grundstücke ablehnte und zusätzlich Forderungen (u.a. nach einem Bootshaus) stellte, die Erklärung des Oberbürgermeisters, dass ihm die Differenz zwischen dem Wert der beiden Grundstücke geschenkt werde, und die - als Folge des Grundstückstausches vorgenommene - Fertigstellung des Hauses in S.-M. auf Veranlassung staatlicher Stellen so erkennbar aus dem üblichen Rahmen fielen, dass sie dem Beigeladenen bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt zu Zweifeln auch an der Rechtmäßigkeit des Grundstückserwerbs hätten Anlass geben müssen. Die Unveräußerlichkeit von volkseigenen Grundstücken gehörte zu den wesentlichen Rechtsgrundsätzen in der DDR. Dem Beigeladenen ist dieser Rechtsgrundsatz während der Vertragsverhandlungen noch dadurch verdeutlicht worden, dass der staatliche Vertragspartner zunächst nur das Eigentum an dem Gebäude, für das Grundstück aber nur ein zeitlich begrenztes Recht übertragen wollte.

3. Im Blick auf das vorstehend Ausgeführte kommt es nicht mehr weiter darauf an, dass das Verwaltungsgericht bei einer "Gesamtschau" der Vorgänge und unabhängig von den in § 4 Abs. 3 VermG aufgeführten Regelbeispielen "greifbare Anhaltspunkte für eine Unredlichkeit des Beigeladenen, denen im Wege der Amtsermittlung weiter nachzugehen wäre", nicht zu entdecken vermocht hat. Diese, an die Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Beschluss vom 16. Oktober 1995 - BVerwG 7 B 163.95 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 22 S. 54) anknüpfende Bemerkung ist jedoch in der Sache missverständlich und gibt daher Anlass zu folgenden Hinweisen: Die in Rede stehende Rechtsprechung des erkennenden Senats beruht auf der Erwägung, dass der von § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG bezweckte Schutz des redlichen Erwerbers und damit der vom Vermögensgesetz angestrebte sozialverträgliche Ausgleich zwischen dem Restitutionsinteresse des Alteigentümers und dem Vertrauensschutzinteresse des Erwerbers verfehlt werden würde, wenn die Nichterweislichkeit des redlichen Erwerbs, die bei lange zurückliegenden Vorgängen keine Ausnahme ist, stets zu Lasten derjenigen ginge, die in der DDR Eigentum erworben haben. Dieser Schutzzweck kommt auch darin zum Ausdruck, dass das Vermögensgesetz die Redlichkeit des Erwerbs als Regelfall voraussetzt und demgemäß nur die Ausnahme, also die Unredlichkeit durch die Beispiele des § 4 Abs. 3 VermG näher bezeichnet. Diese materiellrechtliche Wertung hat Auswirkungen auch auf die Beweislastverteilung (zur Maßgeblichkeit des materiellen Rechts für die Beweislastverteilung vgl. z.B. Urteil vom 20. April 1994 - BVerwG 11 C 60.92 - Buchholz 442.16 § 15 StVZO Nr. 4 S. 4 m.w.N.). Dementsprechend setzt eine Beweislastentscheidung zu Ungunsten des Erwerbers voraus, dass überhaupt greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine mögliche Unredlichkeit bestehen (Beschluss vom 16. Oktober 1995 - BVerwG 7 B 163.95 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 22 S. 54). Allerdings reicht die nur entfernt liegende Möglichkeit einer Unredlichkeit nicht aus. Es müssen tatsächliche Umstände vorliegen, die Anlass zu Zweifeln an der Redlichkeit des Erwerbers geben (Beschluss vom 6. Januar 1999 - BVerwG 7 B 226.98 - Buchholz 428 § 4 Abs. 2 VermG Nr. 1).



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