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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 28.06.1999
Aktenzeichen: BVerwG 8 B 151.99
Rechtsgebiete: VermG, GG


Vorschriften:

VermG § 1 Abs. 8 Buchst. a
GG Art. 100 Abs. 1 Satz 1
Leitsatz:

Die in der Eidesstattlichen Versicherung des ehemaligen Verhandlungsführers der DDR, Prof. Dr. Günter Krause, vom 10. Januar 1999 aufgestellten Behauptungen über die Verhandlungsposition der DDR zur Frage der Festschreibung der Ergebnisse der Industrie- und Gewerbeenteignungen sowie der Enteignungen des sonstigen Vermögens privater Eigentümer aus der Zeit der sowjetischen Besatzung erschüttern die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht. Sie berechtigen deshalb nicht zur erneuten Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Frage gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG.

Beschluß des 8. Senats vom 28. Juni 1999 - BVerwG 8 B 151.99 -

I. VG Magdeburg vom 23.03.1999 - Az.: VG A 5 K 47/99 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 8 B 151.99 VG A 5 K 47/99

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 28. Juni 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer und Krauß

beschlossen:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 23. März 1999 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 800 000 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Klägerin ist unbegründet. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch leidet das angefochtene Urteil unter dem geltend gemachten Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

1. Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,

"ob der Ausschluß der Rückgabe von Vermögenswerten, die in den Jahren 1945 bis 1949 in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet wurden ... gegen Art. 79 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 1 und 20 GG verstößt",

bereits höchstrichterlich geklärt ist. Sowohl das Bundesverwaltungsgericht (vgl. zusammenfassend Beschluß vom 14. Januar 1998 - BVerwG 7 B 339.97 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 134 S. 406 <407>) als auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 84, 90 <121 f.>; 94, 12 <34 ff.>) haben die Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG bejaht.

a) Das Bundesverfassungsgericht (BVerwGE 94, 12 <35>) hat der Bundesregierung bei der Einschätzung, ob die Wiedervereinigung von der Zustimmung zum Restitutionsausschluß bezüglich der von § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG angesprochenen Materien abhing, einen breiten Raum politischen Ermessens zugestanden. Die Grenzen dieses Ermessensspielraums bei der Einschätzung der Verhandlungssituation verlaufen danach "erst dort, wo die Einschätzung der Bundesregierung nicht mehr als pflichtgemäß anzusehen ist... Davon kann indes nur dann die Rede sein, wenn sich der Bundesregierung bei den Verhandlungen aufdrängen mußte, daß sie von falschen Voraussetzungen ausgeht". Nach diesen Maßstäben hat das Bundesverfassungsgericht auf der Grundlage von Äußerungen u.a. des letzten Ministerpräsidenten der DDR de Maizière und des letzten DDR-Außenministers Meckel (a.a.O. S. 37 f.) sowie verschiedener Repräsentanten der Sowjetunion (a.a.O. S. 43 f.) die Einschätzung der Bundesregierung, sowohl die DDR als auch die Sowjetunion hätten ihre Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung von der Unumkehrbarkeit der besatzungsrechtlichen und besatzungshoheitlichen Enteignungen abhängig gemacht, nicht als pflichtwidrig angesehen (a.a.O. S. 36) und dabei nochmals hervorgehoben, es komme in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Deutung der Erklärungen und Verhandlungsunterlagen, von der die Bundesregierung ausgegangen sei, die einzig mögliche gewesen sei; vielmehr reiche es aus, daß diese Deutung in den Verhandlungsunterlagen eine plausible Stütze finde (a.a.O. S. 35 und 40). Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht verschiedenen in der Öffentlichkeit wiedergegebenen nachträglichen Stellungnahmen von Repräsentanten der Sowjetunion letztlich keine Aussagekraft für die behauptete pflichtwidrige Fehleinschätzung der Lage durch die Bundesregierung beigemessen.

b) An dieser bindenden (vgl. § 31 Abs. 1 und 2 Satz 2 BVerfGG) Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG vermag die "Eidesstattliche Versicherung" des ehemaligen Verhandlungsführers der DDR, Prof. Dr. Günter Krause, vom 10. Januar 1999 nichts zu ändern. Mit ihr werden entgegen der Ansicht der Beschwerde keine wesentlichen neuen Tatsachen glaubhaft gemacht, die die tatsächlichen Grundlagen der gesetzeskräftigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts erschüttern und den Weg zu einer erneuten Befassung mit der Verfassungsmäßigkeit der streitigen Norm sowie zu einer erneuten Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 GG freimachen könnten (vgl. hierzu BVerfGE 70, 242 <249>; 33, 199 <204>; Lechner/Zuck, BVerfGG, 4. Auflage, § 31 Rn. 17; Maunz/Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ulsamer, BVerfGG, § 31 Rn. 10). Zum einen werden die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Verhandlungsposition der Sowjetunion und insbesondere zu deren für die Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung maßgeblichen Beurteilung seitens der Bundesregierung durch die Eidesstattliche Versicherung nicht in Frage gestellt. Prof. Dr. Krause sagt hierzu nämlich lediglich, von einer solchen Vorbedingung der sowjetischen Verhandlungsseite sei ihm "nichts bekannt". Seine - unter-stellte - Unkenntnis würde aber weder die objektive Unrichtigkeit noch gar die Pflichtwidrigkeit der gegenteiligen Annahme seitens der Bundesregierung belegen. Das gleiche gilt auch für die Einschätzung der Verhandlungsposition der DDR durch die Bundesregierung. Zwar wird in der Eidesstattlichen Versicherung deren Unrichtigkeit behauptet; nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt es aber - wie dargelegt - nicht darauf an, ob die Bundesregierung den "objektiv zur Verfügung stehenden Verhandlungsrahmen richtig erkannt hat" (BVerfGE 94, 12 <35>). Angesichts der vom Bundesverfassungsgericht zitierten gegenteiligen Äußerungen anderer Vertreter der DDR - etwa des ehemaligen Ministerpräsidenten der DDR de Maizière - und angesichts des weiten politischen Beurteilungsspielraums würde die von Prof. Dr. Krause versicherte Sachverhaltsdarstellung die Pflichtwidrigkeit der Einschätzung durch die Bundesregierung nicht begründen können. Es kommt hinzu, daß die "Festschreibung der Ergebnisse der Industrie- und Gewerbeenteignungen sowie der Enteignungen des sonstigen Vermögens privater Eigentümer aus der Zeit der sowjetischen Besatzung" nach der Darstellung Prof. Dr. Krauses zwar angeblich aus den Verhandlungen ausgeklammert waren; er hat diese Behauptung aber mit der Einschränkung versehen, "soweit ich mich erinnere". Dieser Vorbehalt und die Folgerung Dr. Krauses, es habe deshalb "keinen einheitlich abgestimmten Standpunkt der DDR" gegeben, schwächen die Relevanz einer Erklärung für die daraus geschlossene Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG zusätzlich ab.

2. Die Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat ebenfalls keinen Erfolg. Die Beschwerde hält es für fehlerhaft, daß das Verwaltungsgericht das Verfahren nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht eingeholt hat. Dieser Vorwurf geht schon im Ansatz fehl. Die Beschwerde verkennt, daß der Beurteilung eines Verfahrensfehlers die materiellrechtliche Auffassung des Verwaltungsgerichts zugrunde zu legen ist. Da das Verwaltungsgericht aber - überdies zu Recht - die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG und die Erheblichkeit der vermeintlich neuen Tatsachen verneinte, lagen die Voraussetzungen für eine (erneute) Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG aus seiner maßgeblichen materiellrechtlichen Sicht nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13, 14 GKG.

Ende der Entscheidung

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