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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 22.12.1997
Aktenzeichen: BVerwG 8 B 255.97
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 94
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 152 Abs. 1
VwGO § 173
ZPO § 548
Leitsatz:

Die Rüge, das Berufungsgericht habe einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens trotz anhängiger Verfassungsbeschwerden zu derselben Rechtsvorschrift zu Unrecht abgelehnt, bezeichnet keinen Verfahrensfehler, der in einem Revisionsverfahren durch das Revisionsgericht überprüft werden könnte, und rechtfertigt deshalb die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht (vgl. Beschluß vom 15. April 1983 - BVerwG 1 B 133.82 - Buchholz 310 § 94 VwGO Nr. 4 S. 1 f.).

Beschluß des 8. Senats vom 22. Dezember 1997 - BVerwG 8 B 255.97

I. VG Düsseldorf vom 14.11.1994 - Az.: VG 24 K 2666/92 II. OVG Münster vom 18.09.1997 - Az.: OVG 16 A 73/95


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 8 B 255.97 OVG 16 A 73/95

In der Verwaltungsstreisache

hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 22. Dezember 1997 durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Silberkuhl, Sailer und Golze

beschlossen:

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. September 1997 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 880 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Kläger hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen des allein geltend gemachten Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.

Die Beschwerde hält die Ablehnung des Aussetzungsantrags gemäß § 94 VwGO durch das Berufungsgericht für ermessens- und damit verfahrensfehlerhaft. Unabhängig davon, ob dieser Vorwurf der Sache nach begründet wäre, kann die Revision aus diesem Grunde schon deshalb nicht zugelassen werden, weil diese Rüge keinen Verfahrensmangel bezeichnet, der in einem Revisionsverfahren durch das Revisionsgericht überprüft werden könnte. Nach § 548 ZPO, der gemäß § 173 VwGO in verwaltungsgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden ist, unterliegen die dem Endurteil - bzw. dementsprechend einem Beschluß gemäß § 130 a VwGO - vorausgehenden unanfechtbaren Entscheidungen des Berufungsgerichts keiner inhaltlichen Beurteilung durch das Revisionsgericht (vgl. schon Beschlüsse vom 21. Februar 1973 - BVerwG IV CB 68.72 - Buchholz 310 § 173 VwGO Anh.: § 548 ZPO Nr. 2 S. 1 f. und vom 16. Februar 1988 - BVerwG 5 B 13.88 - Buchholz 303 § 548 ZPO Nr. 4 S. 1). Die hier - vermeintlich fehlerhaft getroffene - Entscheidung über einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar (Beschluß vom 15. April 1983 - BVerwG 1 B 133.82 - Buchholz 310 § 94 VwGO Nr. 4 S. 1 f.; offengelassen im Beschluß vom 7. Juli 1994 - BVerwG 11 B 133.93 - S. 3, n.v.). Eine Verfahrensrüge, die im Zusammenhang mit einer unanfechtbaren Vorentscheidung erhoben wird, ist deshalb nur dann zulässig, wenn sie sich nicht unmittelbar gegen die - revisionsgerichtlich nicht nachprüfbare - Vorentscheidung als solche wendet, sondern einen Mangel betrifft, der als Folge der beanstandeten Vorentscheidung weiterwirkend der angefochtenen Sachentscheidung anhaftet (vgl. Beschlüsse vom 21. Februar 1973 und vom 16. Februar 1988, jeweils a.a.O.). Denn die unmittelbare Prüfung der Aussetzungsentscheidung des Oberverwaltungsgerichts durch das Revisionsgericht auf eine Verfahrensrüge hin würde den gesetzlich angeordneten Beschwerdeausschluß gemäß § 152 Abs. 1 VwGO umgehen und die aus prozeßökonomischen Gründen vorgesehene Bindungswirkung gemäß § 548 ZPO mißachten (Beschluß vom 21. Februar 1973, a.a.O.). Im vorliegenden Fall richtet sich die Verfahrensrüge ausschließlich und unmittelbar gegen die Ablehnung der Aussetzung des Verfahrens - also gegen deren inhaltliche Richtigkeit -, ohne daraus resultierende weitere ("fortwirkende") Mängel der Sachentscheidung als solcher aufzuzeigen (vgl. zu einem derartigen Ausnahmefall: Urteil vom 17. Februar 1972 - BVerwG VIII C 84.70 - BVerwGE 39, 319 <323>).

Der Hinweis der Beschwerde auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Ermessens- und Verfahrensfehlerhaftigkeit von Aussetzungsentscheidungen gemäß oder analog § 74 FGO im Hinblick auf anhängige Normenkontroll- und Verfassungsbeschwerdeverfahren greift demgegenüber schon deshalb nicht durch, weil im finanzgerichtlichen Verfahren - mangels eines dem Bundesfinanzhof vorgeschalteten zweiten Rechtszugs eine den § 152 Abs. 1, § 173 VwGO i.V.m. § 548 ZPO entsprechende Situation nicht gegeben ist und der Bundesfinanzhof zur inhaltlichen Kontrolle von Beschlüssen der Finanzgerichte über Anträge auf Aussetzung des Verfahrens befugt ist (vgl. BFH, Beschlüsse vom 8. Mai 1991 - I B 132, 134/90 - BStBl II 1991, 641 f., vom 7. Februar 1992 - III B 24, 25/91 - BStBl II 1992, 408 <410 f.> und vom 18. September 1992 - III B 43/92 - BStBl II 1993, 123 <124>; vgl. zur Zulässigkeit einer Verfahrensaussetzung in derartigen Fällen: BVerfGE 3, 59 <74>). Im übrigen kann die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, die die Aussetzung des Verfahrens bei Anhängigkeit eines dieselbe Vorschrift betreffenden Normenkontroll- bzw. Verfassungsbeschwerdeverfahrens unter bestimmten Voraussetzungen bejaht, schon im Hinblick auf die Vorschrift des § 93 a VwGO - für die es im finanzgerichtlichen Verfahren keine entsprechende Regelung gibt - nicht ohne weiteres übertragen werden (Schmid, in: Sodan/Ziekow, NKVwGO, § 94 Rn. 26). Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht eine Pflicht zur Aussetzung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens allein wegen des Vorlagebeschlusses eines Verwaltungsgerichts gemäß Art. 100 GG zu derselben streitigen Rechtsnorm verneint (Beschluß vom 9. Februar 1993 - BVerwG 11 B 81.92 - Buchholz 310 § 94 VwGO Nr. 7 S. 11 <12>).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13, 14 GKG.



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