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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 22.01.2001
Aktenzeichen: BVerwG 8 B 258.00
Rechtsgebiete: GG, VwGO, VwVfG


Vorschriften:

GG Art. 28 Abs. 2
VwGO § 42 Abs. 2
VwVfG § 80 Abs. 3
Leitsatz:

Eine Gemeinde, die im eigenen oder im übertragenen Wirkungskreis Ausgangsbehörde war, ist befugt (§ 42 Abs. 2 VwGO), einen Bescheid anzufechten, mit dem der Betrag der von ihr gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwVfG zu erstattenden Aufwendungen festgesetzt wird.

Beschluss des 8. Senats vom 22. Januar 2001 - BVerwG 8 B 258.00 -

I. VG Halle vom 13.09.2000 - Az.: VG 1 A 45/00 HAL -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 8 B 258.00 VG 1 A 45/00 HAL

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 22. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Golze

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 13. September 2000 wird dieses Urteil aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 517,71 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Vermögensamt der klagenden kreisfreien Stadt hatte einen Antrag des Beigeladenen abgelehnt. Dessen Widerspruch hatte teilweise Erfolg. Im - bestandskräftig gewordenen - Widerspruchsbescheid des Beklagten wurde die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für das Vorverfahren für notwendig erklärt und der Klägerin die diesbezüglichen, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu zwei Dritteln auferlegt. Der Beklagte setzte anschließend mit Bescheid vom 1. Oktober 1999 die dem Beigeladenen zu erstattenden Kosten auf 539,70 DM fest. Dagegen erhob der Beigeladene Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 31. Januar 2000 wurde daraufhin die Klägerin verpflichtet, dem Beigeladenen weitere 517,71 DM zu erstatten. Gegen diesen Widerspruchsbescheid richtet sich die Klage. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mangels Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) als unzulässig abgewiesen. Die Ausgangsbehörde sei nicht befugt, einen Widerspruchsbescheid der Aufsichtsbehörde in einer Angelegenheit des übertragenen Wirkungskreises anzufechten. Dies gelte auch für Nebenentscheidungen wie die Entscheidung über die Höhe der zu erstattenden Kosten. Dagegen könne nicht eingewandt werden, die Klägerin müsse die festgesetzten Erstattungsbeträge aus ihrem Haushalt erbringen. Ansonsten würde durch die Hintertür die vollständige Überprüfbarkeit jeder Entscheidung der Aufsichtsbehörde geschaffen, da aufgrund von Maßnahmen der Aufsichtsbehörde in einer Vielzahl von Fällen Auswirkungen auf den Haushalt der unteren Behörde nicht auszuschließen seien.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Rechtssache hat zwar keine grundsätzliche Bedeutung. Die von der Beschwerde für klärungsbedürftig gehaltene Frage, ob eine Gemeinde, die im übertragenen Wirkungskreis Ausgangsbehörde war, befugt (§ 42 Abs. 2 VwGO) ist, einen Bescheid anzufechten, mit dem gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwVfG der Betrag der von ihr zu erstattenden Aufwendungen festgesetzt wird, ist - wie unten dargelegt wird - zu bejahen, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

Es liegt aber ein sinngemäß geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Beschwerde macht geltend, dass das Verwaltungsgericht die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hat. Das trifft zu. Dies führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Streitsache an das Verwaltungsgericht (§ 133 Abs. 6 VwGO) zur Prüfung der Begründetheit der Klage.

War eine Gemeinde (in der Regel eine kreisfreie Stadt) als Ausgangsbehörde im übertragenen Wirkungskreis tätig, ist sie zwar grundsätzlich nicht befugt (§ 42 Abs. 2 VwGO) einen den Ausgangsbescheid abändernden Widerspruchsbescheid anzufechten. Etwas anderes gilt aber, wenn der Widerspruchsbescheid (auch) unmittelbar in Rechte der Gemeinde eingreift. So hat eine kreisfreie Stadt, der die Aufgaben nach dem Vermögensgesetz übertragen worden sind, gegenüber einem in ihr Eigentum oder ihre Verfügungsberechtigung eingreifenden Restitutionsbescheid eine Klagemöglichkeit, wenn die Restitution erstmals durch einen Widerspruchsbescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen angeordnet wird (vgl. Urteil vom 28. März 1996 - BVerwG 7 C 35.95 - BVerwGE 101, 47 <51> = Buchholz 111 Art. 22 EV Nr. 19 S. 59 <62>). Wird - wie im vorliegenden Fall - durch einen Bescheid nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwVfG eine unmittelbare Verpflichtung der Gemeinde begründet, einem Dritten aus dem kommunalen Haushalt Aufwendungen zu erstatten, gilt das Gleiche. Insoweit ist nämlich die zum Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 GG) gehörende Finanzhoheit betroffen. Das Verwaltungsgericht weist zwar zu Recht darauf hin, dass eine Gemeinde als Ausgangsbehörde nicht jeden Widerspruchsbescheid der Aufsichtsbehörde anfechten kann, der mittelbar Auswirkungen auf ihren Haushalt hat. Darum geht es hier aber nicht. Durch den angefochtenen Widerspruchsbescheid wird allein eine unmittelbare Verpflichtung der Klägerin begründet, aus ihrem Haushalt einen bestimmten Betrag an einen Dritten zu zahlen. Die Klägerin greift diesen Bescheid mit der Begründung an, diese Zahlungspflicht sei zu ihren Lasten zu hoch festgesetzt worden.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13 und 14 GKG.



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