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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 31.05.2006
Aktenzeichen: BVerwG 8 C 1.05
Rechtsgebiete: VermG, AufbauG (DDR)


Vorschriften:

VermG § 1 Abs. 3
VermG § 4 Abs. 2
VermG § 4 Abs. 3 Buchst. a
AufbauG (DDR) § 14
Ein Erwerber, der aufgrund eines Überlassungsvertrages (DDR) zur Nutzung eines Hausgrundstücks berechtigt war und der im Zusammenhang mit der Enteignung unzutreffende Angaben zur Höhe der getätigten und beabsichtigten Investitionen macht, ist als unredlich im Sinne von § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG anzusehen.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 8 C 1.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 31. Mai 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf und Golze und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg und Dr. Hauser ohne weitere mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beigeladenen zu 1 gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 30. Juni 2004 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene zu 1 trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2, die diese selbst trägt.

Gründe:

I

Die Kläger sind die Erben des am 4. Juli 1992 verstorbenen Henning K. Sie begehren die Rückübertragung des Grundstücks Beethovenstraße 25 in M. mit einer Größe von 1 006 m². Das Grundstück ist mit einem Einfamilienhaus bebaut und hatte nach einem Bewertungsgutachten vom April 1970 einen Einheitswert von 16 900 Mark.

Henning K. erwarb das Grundstück im April/Mai 1939 und wurde im Grundbuch als Eigentümer am 14. August 1940 eingetragen. Er verließ 1952 legal die DDR, worauf gemäß § 6 der Verordnung vom 17. Juli 1952 das Grundstück unter vorläufige Verwaltung durch den Rat der Gemeinde M. gestellt wurde.

Mit Mietvertrag vom 15. Oktober 1961 mieteten die Beigeladene zu 1 und ihr Ehemann, die Eheleute H., vom Rat der Gemeinde M. das Haus zu einem monatlichen Mietpreis von 130,20 Mark zu zahlen auf das Konto des Eigentümers bei der Deutschen Notenbank in Z.

Am 15. Juni 1970 schlossen der VEB Kommunale Wohnungsverwaltung B. - Nebenstelle M. - als staatlicher Verwalter und die Eheleute H. als Nutzer einen Vertrag zur Überlassung eines bebauten belasteten Grundstücks für 30 Jahre. In dem Vertrag ist festgehalten, dass das Grundstück mit Grundpfandrechten in Höhe von ursprünglich 10 000 Mark (valutierend mit 8 229,89 Mark) und 5 000 Mark (valutierend mit 4 302,68 Mark) dinglich belastet ist. Die Nutzer verpflichteten sich, 19 721 Mark nach erfolgter Genehmigung des Vertrages für das Gebäude, Grund und Boden, Grundstückseinrichtungen und den Aufwuchs zu bezahlen. Der Betrag sollte nach der vertraglichen Vereinbarung für die Rückzahlung der eingetragenen Grundpfandrechte, zur Deckung noch offen stehender Rechnungen und zur Einzahlung auf ein Hinterlegungskonto verwendet werden.

Am 27. Juli 1973 wurden die Hypotheken i.H.v. 10 000 Mark und 5 000 Mark gelöscht. Am 30. Juli 1973 wurden ein Vorkaufsrecht, eine Darlehenshypothek i.H.v. 13 885,23 Mark und eine Höchstbetragssicherungshypothek von 49 000 Mark für die Eheleute H. eingetragen.

Herr H. starb am 2. Mai 1982. Am 30. Mai 1983 beantragte die Beigeladene zu 1 die Übernahme des Grundstücks in Volkseigentum und grundbuchliche Umschreibung auf ihren Namen zu Alleineigentum. In dem Schreiben wurden Baumaßnahmen von insgesamt 66 000 Mark für den Anbau eines Zimmers (rund 50 000 Mark), die Errichtung eines Schwimmbeckens (rund 10 000 Mark), die Erneuerung eines Heizkessels (rund 1 000 Mark) und die Erneuerung einer Elektroanlage, Be- und Entwässerung sowie Badeinrichtung (rund 5 000 Mark) aufgeführt, die in den letzten Jahren getätigt worden seien. Weitere Instandhaltungsarbeiten seien beabsichtigt.

Am 24. Juli 1984 erließ der Rat des Kreises Z. gegenüber Henning K. einen Bescheid über die Inanspruchnahme des Grundstücks aufgrund § 14 des Aufbaugesetzes vom 6. September 1950 i.V.m. § 9 des Gesetzes über die Entschädigung bei Inanspruchnahme nach dem Aufbaugesetz vom 25. April 1960. Das Grundstück wurde mit Wirkung vom 1. September 1984 Eigentum des Volkes. Mit Feststellungsbescheid vom 1. November 1984 des Rates des Kreises Z. wurde für Henning K. eine Entschädigung in Höhe von 19 721 Mark festgesetzt. Die Höhe der Grundpfandrechte einschließlich Zinsrückstände zum Zeitpunkt der Überführung in Volkseigentum wurde mit 62 885,23 Mark festgehalten.

Am 27. Februar 1985 schlossen der VEB Kommunale Wohnungsverwaltung und die Beigeladene zu 1 einen Vertrag zur Aufhebung des Überlassungsvertrages vom 15. Juni 1970. Am 27. Juni 1985 verkaufte der Rat der Gemeinde M. an die Beigeladene zu 1 das Haus zu einem Kaufpreis von 15 697 Mark. Das Gebäudeeigentum wurde im Grundbuch eingetragen. Mit Urkunde vom 17. Juli 1985 wurde durch den Rat des Kreises Z. aufgrund des Gesetzes vom 14. Dezember 1970 über die Verleihung von Nutzungsrechten an volkseigenen Grundstücken mit Wirkung vom 1. August 1985 der Beigeladenen zu 1 an dem Grundstück ein unbefristetes Nutzungsrecht eingeräumt, das im Grundbuch eingetragen wurde.

Am 24. Juli 1990 beantragte Henning K. die Rückgabe seines Anwesens. Er starb am 4. Juli 1992 und wurde von seinen Kindern beerbt, die das Verfahren fortführten.

Mit Teilbescheid des Landkreises Teltow-Fläming vom 18. April 1997 wurde der Antrag auf Rückübertragung des Eigentums an dem Grundstück abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass den Antragstellern wegen des Eigentumsverlustes an dem Vermögenswert nach Maßgabe des Entschädigungsgesetzes vom 27. September 1994 ein Entschädigungsanspruch dem Grunde nach zustehe. Art und Höhe der Entschädigung würden durch einen gesonderten Bescheid festgesetzt. Es habe sich dem Grunde nach die Berechtigung für den Rückübertragungsantrag ergeben. Es sei von einer Überschuldungssituation auszugehen, weil aufgrund des Überlassungsvertrages keine Miete gezahlt worden sei. Eine Rückübertragung des Grundstücks sei ausgeschlossen, weil die Beigeladene zu 1 nach Überführung des Grundstücks in Volkseigentum das Gebäude gekauft habe und ihr ein dingliches Nutzungsrecht am Grundstück eingeräumt worden sei. Unredlichkeit habe hierbei nicht festgestellt werden können.

Mit Widerspruchsbescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 8. Juni 1998 wurde der Widerspruch der Kläger zurückgewiesen. Die Widerspruchsführer seien zwar Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes, weil der streitbefangene Vermögenswert Gegenstand einer Maßnahme nach § 1 Abs. 2 VermG gewesen sei. Überlassungsverträge nach dem Recht der ehemaligen DDR seien Schuldverhältnisse eigener Art, die mit einem Mietverhältnis zu vergleichen seien. Nach den Vorschriften des Schuldrechtsanpassungsgesetzes seien demnach für diese Verträge jetzt auch die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über Miete anwendbar. Die Eheleute H. hätten Erhaltungsmaßnahmen am Gebäude vorgenommen. Diese hätten den um die im Grundbuch eingetragenen dinglichen Belastungen verminderten Zeitwert des Grundstücks weit überschritten und sie hätten auch nicht innerhalb zumutbarer Zeit durch den hinterlegten Betrag gedeckt werden können. Der hier grundsätzlich gegebene Anspruch sei gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG ausgeschlossen. Frau H. habe zunächst Eigentum am Gebäude erworben. Das erforderliche dingliche Nutzungsrecht am weithin in Volkseigentum verbleibenden Grundstück sei ihr mit der entsprechenden Nutzungsurkunde verliehen worden. Der Sachverhalt biete keinen Ansatzpunkt für eine Unredlichkeit.

Das Verwaltungsgericht Potsdam hat mit Urteil vom 30. Juni 2004 der Klage stattgegeben und den Beklagten unter Aufhebung seines Teilbescheides vom 18. April 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 1998 verpflichtet, das streitbefangene Grundstück an die Erbengemeinschaft zurückzuübertragen. Der Beklagte sei unzutreffend von einer Schädigung gemäß § 1 Abs. 2 VermG ausgegangen. Aufgrund des Überlassungsvertrages sei gerade keine Miete gezahlt worden. Eine Überschuldung sei nicht aufgrund nicht kostendeckender Mieten eingetreten. Es liege der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG vor. Schädigende Maßnahme sei die Inanspruchnahme des Grundstücks auf der Grundlage des Aufbaugesetzes. Die Voraussetzungen von § 14 Aufbaugesetz hätten nicht vorgelegen. Dem Schreiben der Beigeladenen zu 1 vom 30. Mai 1983 sei zwar zu entnehmen, dass noch weitere Instandhaltungsmaßnahmen durchzuführen seien. Es gehe aus dem Schreiben aber nicht hervor, dass diese Maßnahmen in zeitlicher Nähe mit dem Antrag beabsichtigt gewesen seien. Es sei auch nicht erkennbar, dass diese Maßnahmen im Sinne des § 3 der Zweiten Durchführungsbestimmung im Volkswirtschaftsplan aufgenommen worden seien. Nach den Regelungen der Zweiten Durchführungsbestimmung sei eine Inanspruchnahme erst dann zulässig gewesen, wenn der Eigentümer des Grundstücks zur Durchführung der Maßnahme nicht in der Lage oder nicht bereit gewesen sei oder sich andere Maßnahmen nicht als zweckmäßig erwiesen hätten. Die Kosten der Maßnahmen hätte ohnedies die Beigeladene zu 1 aufgrund des Überlassungsvertrages als "Gegenleistung" für die unentgeltliche Nutzung tragen müssen. Zur Sicherung dieser Maßnahmen wäre nicht die Überführung des Grundstücks in Volkseigentum, sondern die Durchsetzung der Pflichten aus dem Überlassungsvertrag gegenüber der Beigeladenen zu 1 erforderlich gewesen. Das Gericht sei davon überzeugt, dass die Überführung des streitgegenständlichen Grundstücks in Volkseigentum nicht aufgrund eines durch das Aufbaugesetz gedeckten Zwecks erfolgt sei, sondern zur Sicherung der bereits getätigten Investitionen der Nutzer.

Die Rückübertragung des Grundstücks sei auch nicht aufgrund redlichen Erwerbs des Gebäudeeigentums und des dinglichen Nutzungsrechts durch die Beigeladene zu 1 gemäß § 4 Abs. 2 VermG ausgeschlossen. Das Schreiben der Beigeladenen zu 1 vom 30. Mai 1983 an den staatlichen Verwalter habe den Anstoß zur Durchführung des Enteignungsverfahrens gegeben. Es sei offensichtlich so gestaltet worden, um nach außen den Anschein einer legalen Enteignung herbeizuführen. Die im Schreiben angegebenen Summen für die am Grundstück durchgeführten Arbeiten seien offensichtlich überhöht. Die Beigeladene zu 1 habe einer weiteren Absicherung nicht bedurft. Sie habe mit Abschluss des Überlassungsvertrages eine Quasi-Eigentümerstellung erworben. Während der Laufzeit des Vertrages sei sie vor Kündigung geschützt gewesen. Sie habe eine Übertragungsoption für den Erbfall, ein Vorkaufsrecht und zur Sicherung ihrer Ansprüche auf Werterhöhung eine Sicherungshypothek gehabt. Auch ein für den Nutzer erkennbares Ziel des Überlassungsvertrages sei es gewesen, den staatlichen Verwalter von seinen Verwalterpflichten freizustellen und den Nutzern eine weitgehend eigenständige Stellung an einem fremden Grundstück einzuräumen. Es habe für die Beigeladene zu 1 klar sein müssen, dass sie ein nach wie vor fremdes Grundstück nach ihren Vorstellungen nutzen könne. Es bestehe ein enger zeitlicher und kausaler Zusammenhang zwischen dem Schreiben der Beigeladenen zu 1, der unlauteren Überführung des Grundstücks in Volkseigentum und dem Verkauf des Gebäudes an die Beigeladene zu 1, so dass dadurch die Anstößigkeit des Erwerbs indiziert werde. Angesichts der Gesamtumstände und des Geschehensablaufes hätte sich der Beigeladenen zu 1 zumindest aufdrängen müssen, das hier bei der Enteignung unlautere Machenschaften im Spiel seien, um ihr das Gebäude entsprechend ihrem Antrag veräußern zu können.

Die Beigeladene zu 1 macht mit der vom Senat zugelassenen Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend und beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 30. Juni 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 2 haben keinen Antrag gestellt.

Der Senat hat Beweis erhoben über die Behauptung des Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen zu 1, dass die Frage, ob die Aufwendungen, wie sie im Schreiben vom 30. Mai 1983 angegeben sind, überhöht gewesen sind und wie sie sich zusammensetzen, nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen war, durch Einholung dienstlicher Äußerungen der an der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2004 beteiligten Berufsrichter. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die dienstlichen Äußerungen vom 24. und 25. April 2006 Bezug genommen.

II

Die Revision der Beigeladenen zu 1, über die das Bundesverwaltungsgericht im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Kläger haben einen Anspruch auf Rückübertragung des streitgegenständlichen Grundstücks, weil es aufgrund unlauterer Machenschaften im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG, der allein als Beurteilungsgrundlage in Betracht kommt, vonseiten des Staates erworben wurde. Das Verwaltungsgericht hat in rechtsfehlerfreier Weise das Vorliegen einer unlauteren Machenschaft bei der Inanspruchnahme des Grundstücks nach dem Aufbaugesetz und Überführung in Volkseigentum in Form eines vorgeschobenen Enteignungszwecks bejaht (1.). Es hat ferner ohne Rechtsverstoß dargelegt, dass der Rechtserwerb durch die Beigeladene zu 1 unredlich im Sinne von § 4 Abs. 2, § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG ist. Der in diesem Zusammenhang geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor (2.).

1. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat das Verwaltungsgericht das gesetzliche Tatbestandsmerkmal der unlauteren Machenschaft, das der Gesetzgeber mit den Beispielen Machtmissbrauch, Korruption, Nötigung oder Täuschung vonseiten des Erwerbers, staatlicher Stellen oder Dritter umschreibt, zutreffend ausgelegt und angewendet.

Eine unlautere Machenschaft liegt vor, wenn im Einzelfall in manipulativer, sittlich vorwerfbarer Weise unter Verstoß gegen die Rechtsordnung der DDR auf bestimmte Vermögenswerte zugegriffen worden ist. Das notwendige qualifizierte Einzelfallunrecht scheidet aus, wenn bei einem Erwerbsvorgang, gemessen an den in der DDR gültigen Rechtsvorschriften und den sie tragenden ideologischen Grundvorstellungen alles mit rechten Dingen zugegangen ist (stRspr, vgl. Urteile vom 29. Februar 1996 - BVerwG 7 C 59.94 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 68 S. 191 <192> und vom 2. Februar 2000 - BVerwG 8 C 29.98 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 10 S. 33 <36>). Die zum Vermögensverlust führende unlautere Machenschaft setzt keine bestimmte Handlungsform voraus; darunter fallen auch hoheitliche Erwerbsakte. Solche Enteignungen sind dann willkürlich oder manipulativ und dem Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG zuzuordnen, wenn ein den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich entsprechendes Vorhaben als Enteignungszweck nur vorgeschoben wurde, um in Wahrheit zu ganz anderen Zwecken das Eigentum an dem Vermögenswert zu erlangen, oder wenn der wahrheitsgemäß angegebene Grund der Inanspruchnahme offenkundig von keiner Rechtsgrundlage gedeckt sein konnte (Urteile vom 28. Juli 1994 - BVerwG 7 C 41.93 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 28 S. 57 <60>, vom 26. Juni 1997 - BVerwG 7 C 25.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 113 S. 344 <346>, vom 3. September 1998 - BVerwG 7 C 26.97 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 160 S. 500 <502> und vom 11. Januar 2001 - BVerwG 7 C 2.00 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 22 S. 64 <65>). Die einfache Rechtswidrigkeit des Enteignungsaktes unterhalb der Schwelle der Willkürlichkeit reicht für die Annahme eines solchen Tatbestands nicht aus; denn § 1 Abs. 3 VermG gewährt einen Anspruch auf Rückübertragung von Vermögenswerten nicht allein deswegen, weil bei einer vermögensentziehenden Maßnahme Regelungen des DDR-Rechts nicht beachtet worden sind (Urteile vom 31. August 1995 - BVerwG 7 C 39.94 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 53 S. 142 <146> und vom 26. Juni 1997 a.a.O.).

Im Ergebnis zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass der Zugriff auf das Grundstück des Rechtsvorgängers der Kläger nicht nur rechtswidrig, sondern auch manipulativ erfolgt ist und damit diskriminierende Züge aufgewiesen hat. Die Enteignung und damit einhergehend die Überführung des Grundstücks in Volkseigentum bezweckte nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts die Sicherung der bereits getätigten Investitionen der Beigeladenen zu 1 und war nicht vom Aufbaugesetz gedeckt. Die Eigentumsentziehung war zu Unrecht auf § 14 Aufbaugesetz gestützt worden. Nach § 14 Aufbaugesetz i.V.m. der Zweiten Durchführungsbestimmung zum Aufbaugesetz war zwar eine Enteignung zur Sicherung der Instandsetzung, der Modernisierung, des Um- und Ausbaues sowie des Abrisses von Gebäuden möglich. Das Verwaltungsgericht hat aber keinen Sachverhalt festgestellt, der auf konkrete Maßnahmen hätte schließen lassen, die eine Inanspruchnahme nach dem Aufbaugesetz hätten rechtfertigen können. Wie sich aus der Regelung des § 3 der Zweiten Durchführungsbestimmung, wonach die geplanten Maßnahmen in den Volkswirtschaftsplan aufzunehmen waren, ergibt, war die Enteignung nur für Maßnahmen zulässig, die der Staat durchführen wollte und nicht für Maßnahmen privater Dritter.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass nach den Regelungen der Zweiten Durchführungsbestimmung eine Inanspruchnahme fremden Eigentums erst dann zulässig war, wenn der Eigentümer des Grundstücks zur Durchführung der Maßnahme nicht in der Lage oder nicht bereit war oder sich andere Maßnahmen nicht als zweckmäßig erwiesen haben. Aufgrund des Überlassungsvertrages vom 15. Juni 1970 war die Beigeladene zu 1 bereits verpflichtet als "Gegenleistung" für die entgeltfreie Nutzung von Haus und Grundstück Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen durchzuführen. Die Überführung des Grundstücks in Volkseigentum wäre somit nicht erforderlich gewesen, um die Instandsetzung und Instandhaltung zu sichern. Ein Dringen auf vertragsgemäße Erfüllung der eingegangenen Verpflichtung hätte ausgereicht.

2. Das Verwaltungsgericht hat mit seiner Annahme, dass die Beigeladene zu 1 beim Erwerb des Hauses und der Einräumung des Nutzungsrechts für das Grundstück unredlich im Sinne des Gesetzes war, nicht gegen Bundesrecht verstoßen.

a) Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG ist eine Rückübertragung ausgeschlossen, wenn u.a. natürliche Personen nach dem 8. Mai 1945 in redlicher Weise an dem Vermögenswert Eigentum erworben haben. In § 4 Abs. 3 VermG ist anhand der unter den Buchstaben a bis c aufgeführten Beispielen vom Gesetzgeber näher erläutert, wann ein Fall der Unredlichkeit vorliegt. Nach dem hier allein in Betracht zu ziehenden § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG ist der Rechtserwerb regelmäßig unredlich, wenn er nicht im Einklang mit den zum Zeitpunkt des Erwerbs in der DDR geltenden allgemeinen Rechtsvorschriften, Verfahrensgrundsätzen und einer ordnungsgemäßen Verwaltungspraxis stand und der Erwerber dies wusste oder hätte wissen müssen. Für die Unredlichkeit eines Erwerbs ist kennzeichnend, dass eine dem Erwerber zurechenbare sittlich anstößige Manipulation beim Erwerbsvorgang vorliegt (Urteile vom 27. Januar 1994 - BVerwG 7 C 4.93 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 7 S. 3 <7>, vom 19. Januar 1995 - BVerwG 7 C 42.93 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 12 S. 21 <24> und vom 5. April 2000 - BVerwG 8 C 9.99 - Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 3 S. 7 <10>). Das Vermögensgesetz versagt dem Erwerber des Vermögensgegenstandes den Schutz nur, wenn er in vorwerfbarer Weise an der Manipulation beteiligt war. Bei der Fallgruppe des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG muss der Erwerber allerdings nicht aktiv an der Manipulation mitwirken. Es reicht aus, dass er diese kannte oder hätte kennen müssen. Der eigentliche manipulative Vorgang liegt in dem mit dem Erwerb verbundenen Verstoß gegen die Rechtsordnung der DDR selbst. Die Abwendung von der Rechtsordnung der DDR muss die Absicht erkennen lassen, den Erwerbsvorgang gezielt zu beeinflussen (Urteil vom 19. Januar 1995 a.a.O.). Für die Annahme mangelnder Redlichkeit kommen dabei nur Umstände in Betracht, die in dem Sinne erwerbsbezogen sind, dass sie den Erwerbsvorgang als solchen betreffen und diesen auf einer sittlich anstößigen Manipulation beruhend erscheinen lassen. Besteht ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen einer manipulativ erwirkten Voraussetzung für den nachfolgenden Eigentumserwerb, indiziert dies die Anstößigkeit des Erwerbs.

b) In diesem Zusammenhang ist zunächst nicht entscheidend, dass die Beigeladene zu 1 mit dem Schreiben vom 30. Mai 1983 den entscheidenden Anstoß für das Enteignungsverfahren gegeben hat; denn dies allein lässt nicht auf eine sittlich anstößige Manipulation schließen (Urteil vom 31. August 1995 - BVerwG 7 C 39.94 - a.a.O.). Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht für den Fall eines privaten Verwalters angenommen, dass der Erwerb eines von ihm verwalteten Grundstücks als unredlich zu beurteilen ist, wenn er sehenden Auges die Voraussetzungen einer Enteignung mit geschaffen hat und die ihm eingeräumte Vertrauensstellung ohne Rücksicht auf die Belange des Eigentümers zum eigenen Vorteil ausgenutzt hat. Dies ist einer manipulativen Beeinflussung des Erwerbs vergleichbar (Urteil vom 22. November 2001 - BVerwG 7 C 8.01 - Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 15 S. 50 <52>). Das kann aber auf andere Fallgestaltungen nicht verallgemeinernd übertragen werden. So hat der Nutzer eines aufgrund eines staatlichen Überlassungsvertrages eingeräumten Nutzungsrechts gegenüber dem Eigentümer keine dem privaten Verwalter vergleichbare Vertrauensstellung.

In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ist das Verwaltungsgericht aufgrund des von ihm festgestellten Sachverhalts zu der Auffassung gelangt, dass der Rechtserwerb durch die Beigeladene zu 1 unredlich im Sinne des Gesetzes gewesen ist. Für das Verwaltungsgericht war - wie dargelegt - zu Recht nicht entscheidungserheblich, ob die Beigeladene zu 1 mit dem Schreiben vom 30. Mai 1983 den Anstoß zur Enteignung gegeben hat. Maßgeblich für die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts war vielmehr der Inhalt des Schreibens vom 30. Mai 1983. Mit der Angabe - nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts - überhöhter Kosten für die Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten sollte nach außen der Schein erweckt werden, eine Inanspruchnahme sei vom Aufbaugesetz gedeckt. Wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Schreiben der Beigeladenen zu 1, der unlauteren Überführung des Grundstücks in Volkseigentum und dem Verkauf des Gebäudes sowie der Begründung des Nutzungsrechts am Grundstück an die Beigeladene zu 1 sieht das Verwaltungsgericht zu Recht den Erwerb indiziell als anstößig an. Der Beigeladenen zu 1 hätte sich angesichts dieser Umstände aufdrängen müssen, dass bei der Enteignung unlautere Machenschaften im Spiel gewesen seien, um ihr das Gebäude und das Grundstück entsprechend ihrem Antrag verschaffen zu können. Dies hätte sie auch erkennen können. Diese Annahme des Verwaltungsgerichts steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Sie stellt nämlich darauf ab, dass auch aus der Sicht von rechtlich nicht besonders bewanderten Personen es ungewöhnlich erscheinen musste, dass der Staat allein auf den bloßen Kaufwunsch eines Nutzers und ohne einen Zusammenhang mit einer noch nicht gesicherten Finanzierung für ein notwendiges oder auch nur geplantes Bauvorhaben die angestrebte Eigentumsverschaffung nicht etwa durch einen vom staatlichen Verwalter veranlassten Verkauf vornahm, sondern stattdessen den Umweg über eine Enteignung nach dem Aufbaugesetz ging, seine Machtmittel also ausschließlich dafür einsetzte, bestehendes Privateigentum in Hände eines anderen privaten Eigentümers gelangen zu lassen (Beschluss vom 27. Oktober 1999 - BVerwG 7 B 106.99 - juris -).

c) Das Bundesverwaltungsgericht ist entgegen dem Revisionsvorbringen auch an den vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt gebunden, weil das Verwaltungsgericht seine Feststellungen weder verfahrensfehlerhaft gewonnen hat (§ 137 Abs. 2 VwGO), noch die Grundsätze der Tatsachen- und Beweiswürdigung verkannt hat.

Das Verwaltungsgericht hat nicht gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet den Beteiligten die Gelegenheit, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht alles vorzutragen, was aus ihrer Sicht notwendig ist. Das Gericht muss daher die Beteiligten über den Streitstoff informieren, indem es ihnen Kenntnis von allen Vorgängen im Verfahren gibt (BVerfGE 19, 32 <36 f.>; 50, 280 <284>). Es darf bei seiner Entscheidung einen bisher nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt nicht zur Grundlage machen und damit dem Rechtsstreit eine Wendung geben, mit der nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens auch ein gewissenhafter Beteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (Überraschungsentscheidung). Unterbleibt ein rechtzeitiger Hinweis des Gerichts auf einen solchen Gesichtspunkt, so hindert es dadurch ebenfalls eine Äußerung des Beteiligten zur Grundlage des Verfahrens (Urteile vom 21. April 1977 - BVerwG 5 CB 7.74 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 28 S. 8 <9>, vom 14. März 1991 - BVerwG 10 C 10.91 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 43 S. 8 f., vom 24. September 1992 - BVerwG 3 C 88.88 - Buchholz 451.512 MGVO Nr. 61 S. 266 <267>, Beschluss vom 25. Mai 2001 - BVerwG 4 B 81.00 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 34 S. 19 <20 f.>). Entgegen der Behauptung der Revision waren die im Schreiben vom 30. Mai 1983 angegebenen Baukosten und die Frage, ob diese Angaben überhöht waren, nach der Überzeugung des Senats Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 30. Juni 2004. Dies ergibt sich aus den dienstlichen Äußerungen der drei Berufsrichter, die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen haben. So hat der Vorsitzende der Kammer in seiner dienstlichen Äußerung vom 24. April 2006 ausgeführt, nach seiner Erinnerung sei in der mündlichen Verhandlung zumindest über den Betrag von 50 000 Mark ("Anbau 1 Zimmer") gesprochen worden. Daran könne er sich auch deshalb erinnern, weil ihm der Betrag aufgrund eigener Bauerfahrungen und wegen der Erfahrung der Kammer aus anderen Verfahren als außerordentlich hoch vorgekommen sei. Der Berichterstatter hat in seiner dienstlichen Äußerung vom 25. April 2006 erklärt, nach seiner Erinnerung sei zumindest über einzelne Positionen und die im Vergleich zu den sonstigen Erfahrungen der Kammer mit Baupreisen in der DDR hohen Bausummen gesprochen worden. Auch die weitere Beisitzerin hat sich dahin geäußert, nach ihrer Erinnerung sei über den Inhalt des Schreibens vom 30. Mai 1983 in der mündlichen Verhandlung gesprochen worden. Sie könne sich deshalb daran erinnern, weil die darin angegebenen Summen vor dem Hintergrund der in ihrem Dezernat oft verwendeten "Richtwerte für die Regulierung von Schäden an Gebäuden und baulichen Anlagen" der staatlichen Versicherung der Deutschen Demokratischen Republik als zu hoch und damit aus dem Rahmen fallend vorgekommen seien.

Diese Stellungnahmen entsprechen den Ausführungen des in der damaligen Verhandlung ebenfalls anwesenden Prozessbevollmächtigten der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Der Senat hat daher keine Zweifel, dass die Frage, ob die in dem Schreiben angegebenen Kosten als überhöht anzusehen sind, Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, so dass die Beigeladene zu 1 zu Unrecht einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs geltend macht.

Beweisanträge hat die in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertretene Beigeladene zu 1 nicht gestellt. Dem Verwaltungsgericht musste sich eine Beweisaufnahme zur tatsächlichen Höhe der angefallenen Kosten auch nicht aufdrängen. Aus revisionsrechtlicher Sicht ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht bei der Einschätzung der von der Beigeladenen zu 1 im Schreiben vom 30. Mai 1983 aufgeführten Summen für Baumaßnahmen als überhöht auf Erfahrungstatsachen zurückgegriffen hat, die es anlässlich anderer Verfahren mit Baupreisen in der DDR gewonnen hat. Neuer Tatsachenvortrag hierzu im Revisionsverfahren ist unbeachtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 102 871,92 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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