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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 25.09.2002
Aktenzeichen: BVerwG 8 C 41.01
Rechtsgebiete: VermG, StrRehaG


Vorschriften:

VermG § 1 Abs. 7
VermG § 1 Abs. 8 Buchst. a
StrRehaG § 3 Abs. 2
Sind aufgrund einer von einem sowjetischen Militärtribunal ausgesprochenen Vermögenseinziehung unmittelbar auch Vermögenswerte eines Angehörigen des Verurteilten enteignet worden, so hat auch dieser nach erfolgter Aufhebung des Strafurteils im Wege der russischen Rehabilitierung des seinerzeit Verurteilten gem. § 1 Abs. 7 VermG einen Anspruch auf Rückübertragung seines Vermögens.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 8 C 41.01

Verkündet am 25. September 2002

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf, Sailer, Krauß und Postier

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 25. Januar 2001 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Die Beigeladene wendet sich mit ihrer Revision gegen die vom Verwaltungsgericht getroffene Anerkennung der Klägerin als Berechtigte nach dem Vermögensgesetz.

Der Streit betrifft das betrieblich genutzte Grundstück M. Straße 81 in E. und den Maschinenpark der Gesenkschmiede der ehemaligen Firma K.W. Das Grundstück, die Büro- und Werkräume sowie der Maschinenpark der Firma standen im Eigentum von E.H., der Mutter der Klägerin. Der Vater der Klägerin, F.H., führte die Firma und nutzte Räume und Maschinen aufgrund eines Miet- und Pachtvertrages mit seiner Ehefrau.

Am 5. November 1945 fertigte der Oberleutnant der sowjetischen Streitkräfte J. eine "Vermögensaufstellung zur Beschlagnahme des Vermögens" des Vaters der Klägerin an. Unter Nr. 1 ist "ein zweistöckiges Haus und ein Metallverarbeitungsbetrieb der Firma W. mit allen Anlagen (Ausrüstungen) und Maschinen" aufgeführt. Am 12. November 1945 verhafteten Kräfte einer (sowjetischen) "Smersch"-Abwehrabteilung den Vater der Klägerin. Am 22. November 1945 verfasste Oberleutnant J. auch die Anklageschrift gegen den Vater der Klägerin. Tags darauf wurde die Firma W. als herrenlos gemäß SMAD-Befehl Nr. 124 unter Sequester gestellt. Ein sowjetisches Militärtribunal verurteilte den Vater der Klägerin am 27. November 1945 zur Höchststrafe - Tod durch Erschießen - und sprach die Einziehung seines Vermögens aus. Das Urteil wurde am 12. Dezember 1945 vollstreckt.

Der Chef der Verwaltung der SMA des Landes Thüringen übersandte mit Schreiben vom 20. Juli 1946 gemäß seines Befehls Nr. 310 vom 18. Juli 1946 dem Präsidenten des Landes Thüringen Verzeichnisse von Industrieunternehmen. Für den Kreis E. ist auf der "Grundliste A" unter der laufenden Nr. 96 die Firma K.W. verzeichnet. Am 30. Mai 1947 wurde das Erlöschen der Firma im Handelsregister eingetragen.

In der Folgezeit entstand zwischen der Mutter der Klägerin und der Hauptverwaltung Landeseigene Betriebe Thüringen, die im August 1946 das Unternehmen übernommen hatte, ein jahrelanger Streit darüber, ob sich die Sequestration auch auf das Grundstück und den Maschinenpark erstreckt hatte. Mit Bescheid vom 9. Mai 1949 stellte der Innenminister des Landes Thüringen fest, dass die Firma W. aufgrund des SMAD-Befehls Nr. 124 unter Sequester gestellt, enteignet und durch SMAD-Befehl Nr. 64 in das Eigentum des Volkes überführt worden sei. Der Enteignung unterliege nicht nur das bilanzierte Vermögen des Betriebes, sondern das gesamte ihm dienende Vermögen. Dazu gehöre das Grundstück, das im Eigentum der Mutter der Klägerin gestanden habe und von dem enteigneten Unternehmen bis zum 8. Mai 1945 überwiegend betrieblich genutzt worden sei. Das Grundstück sei daher ebenfalls in Volkseigentum übergegangen, was hiermit festgestellt werde.

Die Mutter der Klägerin verstarb 1981. Die Klägerin ist ihre Erbin. Sie beantragte unter dem 14. August und 10. Oktober 1990 die Rückgabe des Grundstücks und des Maschinenparks.

Mit notariellem Vertrag vom 27. November 1992 verkaufte die Automobilwerke E. GmbH an die S. GmbH das Grundstück sowie die gesamte Betriebs- und Geschäftsausstattung des bisherigen Teilbetriebes "Schmiede E.". Mit bestandskräftigem Bescheid vom 2. Dezember 1992 stellte die Treuhandanstalt fest, dass die Veräußerung für einen investiven Zweck erfolgt sei.

Das Thüringer Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen lehnte mit Bescheid vom 29. Juli 1993 den Antrag der Klägerin auf Entschädigung für das ehemalige Unternehmen sowie auf Rückübertragung des Grundstücks ab, weil das Grundstück auf besatzungsrechtlicher Grundlage enteignet worden sei.

Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und hat gleichzeitig Klage wegen der Entschädigung eingereicht. Mit Bescheid vom 2. Februar 1994 wies das Thüringer Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen den Widerspruch zurück. Daraufhin hat die Klägerin ihre Klage um die Anerkennung ihrer Berechtigung hinsichtlich des Grundstücks erweitert.

Während des Klageverfahrens hat das Auswärtige Amt der Klägerin den Rehabilitierungsnachweis vom 24. Juni 1994 der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation übersandt. Danach ist der Vater der Klägerin, der zur Höchststrafe - Erschießen mit Einziehung des Vermögens - verurteilt worden war, rehabilitiert.

Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin im Wesentlichen vorgebracht: Das Vermögen ihrer Mutter sei von einer Maßnahme nach § 1 Abs. 7 VermG betroffen gewesen. Ihre Eltern seien im November 1945 zusammen enteignet worden. Dies werde durch die Aufstellung über das Vermögen ihres Vaters vom 5. November 1945 belegt, die der sowjetische Oberleutnant J. angefertigt habe, von dem auch die Anklageschrift stamme. Eine andere Rechtsgrundlage für die Enteignung ihrer Mutter gebe es nicht, da sie selbst auf keiner der als Anlage zum SMAD-Befehl Nr. 64 erstellten Listen gestanden habe. Der Rehabilitierungsentscheid zugunsten ihres Vaters erfasse sämtliche Bestrafungen, die im Urteil vom 27. November 1945 verhängt worden seien.

Die Klägerin hat beantragt,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides des Thüringer Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 29. Juli 1993 und 2. Februar 1994 festzustellen,

1. dass die Klägerin Berechtigte hinsichtlich folgender Vermögensgegenstände

a) Grundstück M. Straße 81, E., Gemarkung I., Flur 10, Flurstück 134/2 und 135/2, Größe 4 767 m² und 6 569 m²,

b) Maschinenpark der ehemaligen Gesenkschmiede K.W., M. Straße 81, E.,

ist,

2. dass keine Restitutionsausschlussgründe nach §§ 4 und 5 VermG bezüglich der unter 1.a) bezeichneten Grundstücke bestehen.

Der Beklagte hat vorgetragen, es sei nicht bewiesen, dass das Vermögen des Vaters der Klägerin schon aufgrund des Tribunalurteils vom 27. November 1945 tatsächlich konfisziert worden sei.

Die Beigeladene hat geltend gemacht, die Klägerin sei keine Berechtigte, da das Grundstück nicht im Zusammenhang mit einer Vermögenseinziehung stehe, die auf der strafrechtlichen Verurteilung des Vaters der Klägerin beruhe. Ein Erlösauskehranspruch der Klägerin gemäß § 16 Abs. 1 InVorG würde an dem Ausschlussgrund von § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG scheitern, da eine Rückübertragung des Grundstücks im maßgeblichen Zeitpunkt der investiven Veräußerung vom 2. Dezember 1992 eine Fortführung des bestehenden Schmiedebetriebes unmöglich gemacht hätte.

Das Verwaltungsgericht hat nach Beweisaufnahme mit Urteil vom 25. Januar 2001 der Klage stattgegeben und dazu im Wesentlichen ausgeführt:

Sowohl der Maschinenpark als auch das Grundstück seien von einer schädigenden Maßnahme nach § 1 Abs. 7 VermG betroffen gewesen. Mit Rechtskraft des unanfechtbaren Tribunalurteils vom 27. November 1945 sei unmittelbar die Einziehung des Vermögens des Vaters der Klägerin erfolgt, ohne dass hieran deutsche Stellen beteiligt gewesen seien. Selbst wenn es in einem anschließenden Konfiskationsverfahren zu einer förmlichen Übergabe der Vermögenswerte an deutsche Stellen gekommen sein sollte, so könne darin keine selbständige vermögenseinziehende Maßnahme deutscher Stellen gesehen werden. Von der Einziehung des Vermögens des Vaters der Klägerin seien auch der Maschinenpark und das Grundstück erfasst worden. Das gegen den Vater der Klägerin ergangene Tribunalurteil sei auf der Grundlage des Russischen Rehabilitierungsgesetzes aufgehoben worden. Die Aufhebung erfasse nicht nur das Todesurteil, sondern auch die damit verbundene Vermögenseinziehung.

Der Anspruch auf Rückübertragung des Maschinenparks sei von der Natur der Sache her ausgeschlossen. Der Ausschluss der Rückübertragung des Grundstücks ergebe sich erst aus dem Investitionsvorranggesetz.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision wendet sich die Beigeladene gegen das angefochtene Urteil. Sie erhebt Verfahrens- und Sachrügen und beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Weimar vom 25. Januar 2001 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin, die beantragt,

die Revision zurückzuweisen,

und der Beklagte verteidigen die vorinstanzliche Entscheidung.

II.

Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt insbesondere mit seiner Annahme kein Bundesrecht, die Berechtigung der Klägerin folge aus § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 7 VermG (A.). Die gleichfalls getroffene Feststellung, Ausschlussgründe nach §§ 4, 5 VermG fehlten hinsichtlich des Grundstücks, ist nicht zu beanstanden (B.).

A. Nach § 1 Abs. 7 VermG gilt das Vermögensgesetz entsprechend für die Rückgabe von Vermögenswerten, die im Zusammenhang mit der nach anderen Vorschriften erfolgten Aufhebung rechtsstaatswidriger Straf-, Ordnungsstraf- oder verwaltungsrechtlicher Entscheidungen steht.

Die Bestimmung des Gesetzes der Russischen Föderation über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repressionen vom 18. Oktober 1991 (Russisches Rehabilitierungsgesetz) mit nachfolgenden Änderungen (Übersetzung abgedruckt in: ROW 1998, S. 36 ff.) sind "andere Vorschriften" im Sinne von § 1 Abs. 7 VermG (Urteil vom 17. Mai 2000 - BVerwG 8 C 16.99 - BVerwGE 111, 182 = Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 4 S. 12). Rehabilitierungen nach diesem Gesetz kommen einer Aufhebung des Unrechtsaktes gleich. Rehabilitierung bedeutet, dass die betroffene Person als Geschädigte einer politischen Repression anerkannt ist (Art. 8 des Gesetzes). Als politische Repression gelten aus politischen Gründen angewandte staatliche Zwangsmaßnahmen, wie etwa strafgerichtliche Verurteilungen (Art. 1 des Gesetzes) und damit Vorgänge, die in § 1 Abs. 7 VermG als rechtsstaatswidrig gekennzeichnet sind. Diese Anerkennung der Verurteilung als rechtsstaatswidrig genügt den Anforderungen, die § 1 Abs. 7 VermG an die "Aufhebung" einer Entscheidung stellt (Urteil vom 17. Mai 2000 - BVerwG 8 C 16.99 - a.a.O.).

Die Rehabilitierung ist wirksam. Der Anwendungsbereich des Russischen Rehabilitierungsgesetzes ist eröffnet (Art. 1 des Gesetzes). Der Vater der Klägerin wurde durch ein sowjetisches Gericht wegen eines Verbrechens verurteilt. Das Gesetz ist im vorliegenden Fall auch auf deutsche Staatsangehörige anwendbar, da die Verurteilung durch ein sowjetisches Gericht außerhalb der UdSSR ergangen war (Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes). Der Rehabilitierungsbescheid wurde von der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation ausgestellt. Die Organe der Staatsanwaltschaft sind zuständig für Rehabilitierungen bei sowjetischen Strafurteilen (Art. 8 des Gesetzes, vgl. Urteil vom 17. Mai 2000 - BVerwG 8 C 16.99 - a.a.O. und Beschluss vom 21. August 2001 - BVerwG 8 B 123.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 7 S. 24).

1. Der Mutter der Klägerin ist das streitige Grundstück ebenso wie der ihr gehörende Maschinenpark der ehemaligen Gesenkschmiede unmittelbar durch das Urteil des Sowjetischen Militärtribunals vom 27. November 1945 entzogen worden. Das Urteil erging zwar gegen den Vater der Klägerin, der zur Höchststrafe - Tod durch Erschießen - und Einziehung seines Vermögens verurteilt worden war, aber die Nebenstrafe hat auch Vermögenswerte der Mutter der Klägerin erfasst. Allerdings unterlag das Vermögen des Ehegatten eines Verurteilten nach Nr. 40 Abs. 1 des Strafgesetzbuches der Sowjetunion von 1926 nicht strafrechtlicher Konfiskation (vgl. die Übersetzung des Gesetzestextes in: Sammlung Außerdeutscher Strafgesetzbücher 1953 Bd. LX). Wurde dennoch das Vermögen Dritter (etwa Ehegatten oder Angehöriger) eingezogen, hatten diese lediglich das Recht, sich an das Militärtribunal zu wenden und um Freigabe ihrer Vermögenswerte zu bitten (vgl. Rundbrief Nr. 23 des BARoV vom 6. Oktober 1998, D II.1 S. 7, 13). Lehnte das Militärtribunal dies ab, so war dessen Entscheidung endgültig, und es verblieb bei der Enteignung. Das Verwaltungsgericht hat nach einer in seinem Urteil wiedergegebenen ausführlichen Würdigung der ermittelten Tatsachen und Anhaltspunkte festgestellt, dass die streitgegenständlichen Vermögenswerte von der Einziehung durch das Tribunalurteil mit erfasst worden waren. An diese getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden; denn in Bezug darauf liegt kein begründeter Revisionsangriff vor.

a) Die Revision rügt zwar die Verletzung von Denkgesetzen, aber ein solcher Verfahrensmangel ist nicht gegeben. Ein Verstoß gegen Denkgesetze im Tatsächlichen liegt vor, wenn das Gericht einen Schluss gezogen hat, der aus Gründen der Logik schlechterdings nicht gezogen werden kann. Nach dem Sachverhalt darf denkgesetzlich ausschließlich eine einzige Folgerung möglich sein, die das Gericht aber nicht getroffen hat. Ist seine Schlussfolgerung nur nicht zwingend oder nicht überzeugend oder gar unwahrscheinlich, genügt das für eine begründete Rüge nicht (Beschluss vom 24. Mai 1996 - BVerwG 8 B 98.96 - Buchholz 310 § 108 VermG Nr. 270). Nach diesen Maßstäben sind die hier gerügten Schlussfolgerungen haltbar.

Die Revision kann der Würdigung des Verwaltungsgerichts zwar entgegenhalten, dass im Tenor des Tribunalurteils ausdrücklich nur das Vermögen des Verurteilten genannt worden ist. Das spricht in der Tat gegen die Annahme, auch auf fremdes Eigentum habe sich der Strafausspruch beziehen sollen. Aber die Revision muss selbst einräumen, dass es an einer näheren Bestimmung des erfassten Vermögens fehlte. Deshalb hat das Verwaltungsgericht die Konkretisierung zunächst der Vermögensaufstellung entnommen, die der Ankläger in jenem Verfahren erstellt hatte, und hat sodann angenommen, dass diese Liste dem Tribunalurteil beigefügt war, wie dies nach dem Ergebnis seiner Beweisaufnahme die Regel gewesen ist. Gegen die Beweiswürdigung ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Die Tatsacheninstanz hat eingehend dargelegt, weshalb sie zu der Überzeugung gelangt ist, dass das Betriebsgrundstück und der Maschinenpark unabhängig von der Eigentumslage beschlagnahmt worden seien. Der gedankliche Vorgang der Überzeugungsbildung ist plausibel. Der Vermögensaufstellung kann nicht zwingend entnommen werden, dass das zu den Betriebsmitteln gehörende Grundstück und der Maschinenpark von der Beschlagnahme ausgenommen sein sollten. Da die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts auch von Erwägungen getragen ist, nach denen die Mehrdeutigkeit der Tatumstände erkannt und berücksichtigt worden sind, scheidet ein Verstoß gegen die Denkgesetze aus (vgl. Urteil vom 2. Februar 2000 - BVerwG 8 C 29.98 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 10 S. 33).

b) Die Revision vermag die Bindung an die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zum Umfang der Tribunalverurteilung auch nicht damit zu Fall zu bringen, dass sie die Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes beanstandet. Die Rüge scheitert in zweifacher Hinsicht:

Zum einen hat sich das Verwaltungsgericht seine Überzeugung nicht deshalb falsch gebildet, weil es dem Umstand kein entscheidendes Gewicht beigemessen hat, dass sowjetische und deutsche Stellen im Nachhinein den Eigentumsentzug als Folge von Maßnahmen nach den SMAD-Befehlen Nrn. 124 und 64 angesehen hatten. Das Verständnis dieser Stellen von der besatzungsrechtlichen Grundlage könnte zwar möglicherweise indizielle Wirkung auf die Auslegung eines Tribunalurteils haben; aber diesen Gesichtspunkt hat das Verwaltungsgericht nicht übersehen, sondern ihm nur eine andere Bedeutung beigemessen, als von der Revision gewünscht wird. Nach der das angefochtene Urteil tragenden Rechtsauffassung, die den Umfang der gebotenen Sachverhaltswürdigung bestimmt, kommt es auf die objektive Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der vermögenseinziehenden Maßnahme, nicht auf die Kenntnis oder das Kennenmüssen Betroffener an (vgl. UA S. 13).

Zum anderen ist die Rüge nach Lage der Akten nicht schlüssig. Das Verzeichnis der Industrieunternehmen weist in der "Grundliste A" zum Befehl Nr. 310 der SMATh vom 18. Juli 1946 die Firma "K.W." unter Nr. 96 für den Bezirk E. aus. Dieser Befehl regelte die Übernahme konfiszierten Vermögens an die deutsche Selbstverwaltung, was dafür spricht, dass bereits zu der Zeit die fragliche Vermögenseinziehung erfolgt war. Das Tribunalurteil stammt vom 27. November 1945. Dass es sich um bereits konfisziertes Vermögen gehandelt hatte, ergibt auch die Mitteilung, die der "Beauftragte für die Abwicklung des Befehls 124 der SMA beim Minister des Innern" des Landes Thüringen der Mutter der Klägerin unter dem 25. November 1947 zukommen ließ. Danach war ihr Vermögen aufgrund jenes Befehls Nr. 310 zugunsten des Landes Thüringen enteignet worden. Der SMAD-Befehl Nr. 64 - auf den die Revision abhebt und der daneben eine Enteignung ebenfalls ermöglichte - stammt hingegen vom 17. April 1948.

2. Die Revision kann ferner kein Gehör mit ihrem Einwand finden, die vom Militärtribunal verhängte Vermögenseinziehung sei im Rahmen der eingeklagten Restitution unbeachtlich, weil sie als solche nicht der Mutter der Klägerin - als der davon Betroffenen - erkennbar geworden sei. Auf einen solchen Wissensstand oder gar darauf, wie die Enteignung in der Wirklichkeit sichtbar geworden ist, kommt es bei Anwendung von § 1 Abs. 7 VermG nicht an. Hier liegt die für den Rechtsinhaber enteignende Wirkung darin, dass der Rechtsverlust bereits unmittelbar mit der Rechtskraft der Tribunalverurteilung eingetreten war (vgl. Hilger, ZOV 2002 S. 81 ff.). Von der Unmittelbarkeit der enteignenden Wirkung wurde nicht nur der Verurteilte getroffen, sondern auch der Dritte, dem einzelne Vermögenswerte des eingezogenen Vermögens gehört hatten. Denn bei zu Unrecht erfolgter strafgerichtlicher Konfiskation konnte der Dritte - wie dargelegt - nur um Freigabe - also um Aufhebung der Enteignung seiner Vermögenswerte - nachsuchen. Diese Enteignung ist Gegenstand des Rückübertragungsanspruchs. Die Grundsätze der so genannten faktischen Enteignung, welche die Revision reklamiert, rechtfertigt hier keine andere Beurteilung. Folgeansprüche nach Rehabilitierung durch russische Stellen haben - ähnlich wie anlässlich einer deutschen strafrechtlichen Rehabilitierung (vgl. Urteil vom 19. Juli 2000 - BVerwG 8 C 6.99 - Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 5 S. 18) - nur zur Voraussetzung, dass eine Vermögenseinziehung vorgelegen hat (vgl. § 3 Abs. 2 StrRehaG); der Umstand, wie die Verurteilung zur Kenntnis gelangt oder vollstreckt worden war, ist auf die Anspruchsbegründung ohne Einfluss. Entscheidend ist, dass die rechtsstaatswidrige Entscheidung die Vermögenseinziehung selbst vorgenommen hat.

3. Ferner kann dem Verwaltungsgericht darin gefolgt werden, dass mit der russischen Aufhebung des Tribunalurteils auch die ausgesprochene Einziehung der umstrittenen Vermögenswerte ohne weiteres entfallen ist. Zwar sind weder die Mutter noch die Klägerin nach dem Rehabilitierungsnachweis vom 24. Juni 1994 als Opfer politischer Repression anerkannt worden, doch darauf kommt es nicht an. Entscheidend ist, dass der Rehabilitierung im Wege der Auslegung zu entnehmen ist, dass auch der Verlust der streitbefangenen Vermögenswerte als rechtsstaatswidrig angesehen wird und daher nach dem Willen der entscheidenden Stelle keinen Bestand mehr haben soll (vgl. Urteil vom 17. Mai 2000 - BVerwG 8 C 16.99 - a.a.O.). Dies ist hier der Fall. Der Rehabilitierungsentscheid ist zwar hinsichtlich der Anerkennung als Geschädigter unbegründeter Verfolgung höchstpersönlich, der mit ihm begründete Folgeanspruch ist es aber nur dann, wenn er an den individuell Verfolgten gebunden ist. Hier jedoch hängt seine Eigenart nicht von dieser Verknüpfung ab. Die als Nebenstrafe vorgenommene Vermögenseinziehung geschah den Feststellungen des Verwaltungsgerichts zufolge sach- und nicht personenbezogen; dem Militärtribunal ging es erkennbar um das Industrieunternehmen, die Eigentumslage war und blieb ohne Bedeutung. Folglich steht die Rückabwicklung dem jeweils materiell Betroffenen zu.

Diese Rechtslage gleicht der nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz. Dort steht der Folgeanspruch aufgrund Rehabilitierung dem durch die aufgehobene Entscheidung unmittelbar in seinen Rechten Betroffenen auch dann zu, wenn er nicht Adressat der rechtsstaatswidrigen Entscheidung gewesen war (§ 3 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 StrRehaG).

Die Revision hat schließlich auch keinen Erfolg, soweit das Verwaltungsgericht antragsgemäß darauf erkannt hat, dass die Voraussetzungen des Vermögensgesetzes für einen Ausschluss der Rückübertragung des Grundstücks nicht vorliegen. Hierauf gerichtete Angriffe hat die Revision nicht vorgebracht, und revisionsrechtlich ist dagegen nichts zu erinnern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 511 291,88 € (entsppricht 1 Mio. DM) festgesetzt

Ende der Entscheidung

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