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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 18.11.1998
Aktenzeichen: BVerwG 8 C 9.97
Rechtsgebiete: AFWoG, AFWoG NW


Vorschriften:

AFWoG § 1 Abs. 1
AFWoG § 3
AFWoG NW Art. 2 Nr. 1
AFWoG NW Art. 2 Nr. 6
Leitsätze:

Die vom Bund und gleichermaßen vom Land Nordrhein-Westfalen gewählte Regelungstechnik der gestuften Heranziehung zur Fehlbelegungsabgabe (zunächst Leistungsbescheid, sodann auf Antrag - Beschränkungsbescheid) ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Den Ländern steht es frei, die einkommensbezogene Abgabe gesetzlich höher als der Bund festzulegen.

Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, für die Erstzahlung der Fehlbelegungsabgabe eine Kappungsgrenze einzuführen.

Die tatsächliche Brauchbarkeit des kommunalen Mietspiegels zur Feststellung der maßgebenden Vergleichsmiete ist im Rechtsstreit erforderlichenfalls unter Hinzuziehung eines gerichtlichen Sachverständigen zu überprüfen (wie Urteil vom 8. November 1996 - BVerwG 8 C 12.95 - Buchholz 401.71 AFWoG Nr. 15).

Urteil des 8. Senats vom 18. November 1998 - BVerwG 8 C 9.97 -

I. VG Köln vom 17.10.1994 - Az.: 16 K 4050/94 - II. OVG Münster vom 25.06.1996 - Az.: 14 A 5374/94 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 8 C 9.97 OVG 14 A 5374/94

Verkündet am 18. November 1998

Grosser Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf, Sailer, Krauß und Postier

für Recht erkannt:

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Juni 1996 wird insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Köln vom 17. Oktober 1994 und den Antrag, den Beklagten zu verpflichten, die Ausgleichszahlung weiter zu beschränken, abgewiesen hat.

Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I.

Die Klägerin bewohnt seit 1973 eine 69 qm große Mietwohnung in F. Das Mehrfamilienhaus ist mit öffentlichen Mitteln errichtet worden und wurde im Jahre 1966 bezugsfertig. Die Nettokaltmiete betrug zum 1. Januar 1994 427,11 DM monatlich.

Der Beklagte zog die Klägerin mit Leistungsbescheid vom 10. Dezember 1993 zu einer Ausgleichszahlung zum Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen in Höhe von monatlich 414 DM für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 1996 heran. Die Klägerin erhob Widerspruch und stellte zugleich einen Antrag auf Beschränkung der Ausgleichszahlung.

Mit Bescheid vom 16. Februar 1994 beschränkte der Beklagte die Fehlbelegungsabgabe auf 297 DM monatlich. Er legte dabei die Obergrenze der in dem Mietspiegel der Stadt F. enthaltenen Mietzinsspanne für - nach seiner Ansicht - vergleichbaren freifinanzierten Wohnraum zugrunde. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage ist im ersten sowie im zweiten Rechtszug erfolglos geblieben. Im Berufungsurteil hat das Oberverwaltungsgericht im wesentlichen ausgeführt: Die Festsetzung der Abgabe auf ursprünglich 414 DM monatlich rechtfertige sich aus Art. 2 Nr. 1 a) Nr. 6 AFWoG NW in der Änderungsfassung vom 14. Juli 1992 und die Beschränkung der Ausgleichszahlung auf einen Höchstbetrag erfolge nach den gesetzlichen Regelungen in § 6 AFWoG, Art. 2 Nr. 6 AFWoG NW in einem durch Antrag einzuleitenden eigenständigen Verwaltungsverfahren, das von dem Heranziehungsverfahren zur Fehlbelegungsabgabe unabhängig sei. Etwaige Gründe, die eine Beschränkung der Ausgleichszahlung rechtfertigten, seien deshalb bei Erlaß des Leistungsbescheides noch nicht zu berücksichtigen. Eine weitergehende Beschränkung der Ausgleichszahlung - als die inzwischen noch mit Bescheid vom 15. November 1994 erfolgte - komme unter Zugrundelegung des örtlichen Mietspiegels der Stadt F. nicht in Betracht.

Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Revision trägt die Klägerin vor, Zweck der Fehlbelegungsabgabe sei es, die Fehlleitung von Subventionen auszugleichen. In Nordrhein-Westfalen werde die Fehlbelegungsabgabe in den Gemeinden, in denen ein Mietspiegel vorhanden sei, nach dem Mietspiegel bemessen. Der Mietspiegel werde bekanntlich nach einer örtlichen Erhebung über die freifinanzierten Wohnungen und ihre ortsüblichen Mietzinsen erstellt. Nicht Gegenstand des Mietspiegels und auch nicht Gegenstand der Erhebung seien die Wohnungen des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaus. Es sei daher fehlerhaft, die Herabsetzung der Fehlbelegungsabgabe nur nach dem Höchstbetrag aus den Mietpreisspannen im Mietspiegel vorzunehmen. Zudem sei der Mietspiegel bei der streitgegenständlichen Eingruppierung sachfremd angewandt worden.

Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei es geboten, daß bei der Erstfestsetzung einer Fehlbelegungsabgabe grundsätzlich eine Übergangsregelung zu gelten habe. Diese Übergangsregelung solle sich der Höhe nach an der Kappungsgrenze des Miethöhegesetzes orientieren, damit der Fehlbeleger vor einem überschnellen Anstieg der Belastung geschützt werde. Sachwidrig sei auch der Ansatz des Beklagten, die Wohnung nach den Grundsätzen einer Neuvermietung einzugruppieren. Sie könne nur dazu verpflichtet werden, mit Mietern gleichgestellt zu werden, die ebenso wie sie einen seit den 70er Jahren bestehenden Mietvertrag innehätten. Es sei schließlich nicht hinnehmbar, daß der Beklagte zunächst eine Fehlbelegungsabgabe in Höhe von 6 DM erhoben habe, die erst aufgrund ihres Antrages herabgesetzt worden sei. Mit dieser Verwaltungspraxis würden leichthin mehr Fehlbelegungsabgaben erzielt, als dem Beklagten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zustünden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Juni 1996 aufzuheben und nach dem Berufungsantrag zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er tritt dem angefochtenen Urteil bei und verweist darauf, daß bei der Beschränkung der Fehlbelegungsabgabe nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut von der Obergrenze der Mietzinsspanne nach dem Mietspiegel auszugehen sei.

Der Oberbundesanwalt beteiligt sich nicht am Verfahren.

II.

Die Revision ist zum Teil begründet. Das angefochtene Urteil verletzt zwar Bundesrecht nicht, soweit es die Klage gegen den Leistungsbescheid vom 10. Dezember 1993 abgewiesen hat (A), ist aber aufzuheben, soweit die Klage auf weitere Beschränkung der Ausgleichszahlung keinen Erfolg hat. Zur abschließenden Entscheidung bedarf es insofern noch tatsächlicher Feststellungen. Das zwingt zur teilweisen Zurückverweisung (B).

A. Die Anfechtungsklage gegen den Leistungsbescheid vom 10. Dezember 1993 - in der Änderungsfassung vom 16. Februar 1994 und 15. November 1994 - ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Heranziehung der Klägerin zur Fehlbelegungsabgabe zutreffend nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AFWoG und den gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 AFWoG anstelle dieses Gesetzes zum Teil anzuwendenden landesrechtlichen Bestimmungen des Gesetzes über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen für das Land Nordrhein-Westfalen (AFWoG NW) in der Fassung vom 14. Juli 1992, GV NW S. 315, beurteilt. Danach haben Inhaber öffentlich geförderter Wohnungen Ausgleichszahlungen unter Voraussetzungen zu leisten, die das Berufungsgericht im vorliegenden Falle als erfüllt angesehen hat. Auf seine Begründung im angefochtenen Urteil (S. 6 - 8 des Urteilsabdrucks) wird Bezug genommen. Die Revision zieht das Vorliegen der tatbestandlichen Merkmale nicht in Zweifel, und auch revisionsgerichtlich ist insofern nichts zu erinnern, zumal die vorinstanzliche Auslegung irrevisibler Vorschriften (§ 137 Abs. 1 VwGO) als solche das Revisionsgericht bindet (§ 173 VwGO i.V.m. § 562 ZPO).

Die Revision richtet ihre Angriffe auf den Einklang der bundes- und landesrechtlichen Regelungen mit dem Bundesverfassungsrecht. Zum einen soll ein Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG darin liegen, daß nach § 1 Abs. 3 i.V.m. § 3 AFWoG bzw. Art. 2 Nr. 1 und Nr. 3 AFWoG NW bei der Festsetzung der Fehlbelegungsabgabe trotz Kenntnis der betroffenen Mietwohnung und deren Eingruppierung in den Mietspiegel nur eine einkommensabhängige Abgabe festgesetzt wird (1.). Zum weiteren wird als Übermaß beanstandet, daß der Landesgesetzgeber die (einkommensabhängige) Fehlbelegungsabgabe von höchstens 2 DM nach Bundesrecht bis auf das Dreifache erhöht hat (2.). Schließlich wird als unverhältnismäßig bezeichnet, daß für die Erstfestsetzung der Fehlbelegungsabgaben keine Übergangsregelung vorhanden ist (3.). Alle diese verfassungsrechtlichen Einwände, die das Revisionsgericht auch zu prüfen hat, soweit sie sich auf irrevisible Vorschriften beziehen (vgl. Urteil vom 8. November 1996 - BVerwG 8 C 12.95 - Buchholz 401.71 AFWoG Nr. 15 S. 23 <25> m.w.N.), greifen nicht durch.

1. Die vom Bund und gleichermaßen vom Land Nordrhein-Westfalen gewählte Regelungstechnik der gestuften Heranziehung zur Fehlbelegungsabgabe ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Grenzen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Festlegung des Verwaltungsverfahrens sind jedenfalls dann gewahrt, wenn die gewählten Verfahrensregelungen - sachbereichsbezogen - auf einen vernünftigen Grund zurückzuführen sind. Das ist hier der Fall. Die im Leistungsbescheid einkommensbezogen festgelegte Abgabenhöhe wird erst nach Antrag (§ 6 AFWoG, Art. 2 Nr. 6 AFWoG NW) auf den Betrag reduziert, der dem aus der öffentlichen Wohnungsbauförderung erwachsenen Mietzinsvorteil entspricht. Das Antragsverfahren ist für erforderlich gehalten worden, weil die zuständigen Stellen in aller Regel nicht über die jeweilige Höhe des für die Wohnung preisrechtlich zulässigen, insbesondere des tatsächlich bezahlten Entgelts unterrichtet sind (so die Begründung zu § 6 des Regierungsentwurfs, BTDrucks 9/744 S. 19 <20>). Diese Verwaltungsgründe sind einleuchtend. Die Klägerin meint zwar, die Behörden könnten schon vor Erlaß des Leistungsbescheides die Angaben beim Fehlbeleger erfragen, die für den Beschränkungsantrag vonnöten seien. Das ist zwar denkbar, deshalb verliert die Verfahrensgestaltung aber nicht ihren Sinn. Zu berücksichtigen bleibt, daß ein gestuftes Heranziehungsverfahren die Mitwirkungsbereitschaft des Wohnungsinhabers bei der Aufklärung des Sachverhalts erhöht und dieser auch nicht gehindert ist, zugleich mit der Vorlage des Einkommensnachweises, der für den Erlaß des Leistungsbescheides angefordert wird, einen (vorgezogenen) Beschränkungsantrag zu stellen. Im Leistungsbescheid kann dann die Herabsetzung gleich miterfolgen. Die frühzeitige Antragstellung ist statthaft, da das Gesetz nicht den Fristbeginn, sondern nur in § 6 Abs. 1 Satz 2 AFWoG, Art. 2 Nr. 6 a) Satz 3 AFWoG NW das Fristende bestimmt.

Der vom Bundesgesetzgeber vorgegebene Verfahrensablauf ergibt keine verwirrende Rechtslage, durch die der Betroffene in seinen Rechtsschutzmöglichkeiten ernsthaft beeinträchtigt werden könnte. Wie dem hier angefochtenen Leistungsbescheid zu entnehmen ist und wie der Senat auch aus anderen Revisionsverfahren weiß, erhält der Betroffene im Hinblick auf das mögliche Antragsverfahren deutliche Hinweise und Erläuterungen. Sollten diese im Einzelfall unverständlich bleiben, ist eine Rückfrage bei der Behörde zumutbar. Von einem Bewohner einer Sozialwohnung, der durch die Mietenverbilligung in den Genuß der Fördervorteile aus staatlichen Mitteln gekommen ist, kann erwartet werden, daß er sich bei begründetem Anlaß die erforderlichen Kenntnisse verschafft, um seine Rechte wahrnehmen zu können.

2. Der Einwand der Klägerin gegen die Höhe der Ausgleichszahlung überzeugt nicht. Der vom nordrhein-westfälischen Landesgesetzgeber festgelegte Höchstbetrag in Art. 2 Nr. 1 Buchst. a) Nr. 6 AFWoG NW - Fassung 1992 - übersteigt zwar den Betrag von § 1 Abs. 3 Nr. 3 AFWoG um das Dreifache. Bundesrecht wurde dadurch aber nicht gebrochen.

Die bundesrechtliche Regelung gilt gemäß § 16 Abs. 1 AFWoG nicht; denn an ihre Stelle ist die vorgenannte landesrechtliche Vorschrift getreten. Die Freigabeklausel, gegen die aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts einzuwenden ist (vgl. Urteil vom 7. Juni 1996 - BVerwG 8 C 23.94 - Buchholz 401.71 AFWoG Nr. 14 S. 10 <12> = BVerwGE 101, 211 <213>), bewirkt, daß die bundesrechtliche Regelung über die niedrige Abgabenhöhe hier als nicht erlassen gilt. Sie entfaltet auch keine Ausstrahlung auf das Landesrecht, vermag also die landesrechtliche Regelungskompetenz (Art. 74 Nr. 18, Art. 72 Abs. 1 GG) nicht einzugrenzen. Das Landesrecht setzt Bundesrecht nicht um, sondern nutzt nur den legislatorischen Freiraum, den § 16 Abs. 1 AFWoG gelassen hat.

3. Entgegen der Rechtsansicht der Revision ist der Gesetzgeber nicht gehalten gewesen, für die Erstzahlung der Fehlbelegungsabgabe eine Übergangsregelung zu schaffen.

Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juni 1988 2 BvL 9/85 und 3/86 (BVerfGE 78, 249 <285 f.>) führt das Fehlen einer Übergangsregelung nicht zur Nichtigkeit des Gesetzes über den Abbau von Fehlsubventionierung im Wohnungswesen (AFWoG). Im Mittelpunkt jener Erörterung stand die Situation eines Bauherrn, der eine Sozialwohnung unter Einsatz eigenen Kapitals selbst genutzt hat. Im vorliegenden Fall geht es um eine Mieterin, deren Mietzinsvorteil allein auf staatlicher Gewährung beruht. Bereits vor diesem Hintergrund begegnet das nordrhein-westfälische Gesetz, welchem ebenfalls eine Übergangsregelung fehlt, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Abschöpfung eines nicht mehr gerechtfertigten Subventionsvorteils ist schon aus sich heraus zumutbar (BVerfG, Beschluß vom 8. Juni 1988, a.a.O. S. 278). Sie stellt keinen Ersatz für eine wegen der Mietpreisbindung ausgeschlossene Mieterhöhung nach § 2 MHG dar (Urteil vom 8. November 1996 BVerwG 8 C 12.95 - Buchholz 401.71 AFWoG Nr. 15 S. 23 <26>). Ein Fehlbeleger, der wie hier - seit langem Kenntnis von der rechtlichen Möglichkeit haben konnte, daß eine Fehlbelegungsabgabe erhoben werde, erleidet unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes keine unzumutbare Belastung, wenn bei ihm der Mietzinsvorteil in voller Höhe und ohne Aufschub abgeschöpft wird, sobald sein Einkommen deutlich über der Grenze des sozialen Wohnungsbaus liegt. Einen (teilweisen) Zahlungsaufschub hatte die Klägerin zudem vom Beklagten nicht begehrt.

B. Die Revision ist jedoch hinsichtlich der hilfsweise erhobenen Verpflichtungsklage auf weitere Beschränkung der Ausgleichszahlung begründet. Das angefochtene Urteil verletzt mit seiner Anwendung des nordrhein-westfälischen Landesrechts die zwingenden bundesrechtlichen Vorgaben für die Erhebung der Fehlbelegungsabgabe. Namentlich das Oberverwaltungsgericht hat das sich aus dem Bundesverfassungsrecht ergebende Beschränkungsgebot unzutreffend angewendet, indem es den insoweit entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht vollständig festgestellt hat. Deshalb ist die Sache insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf die Fehlbelegungsabgabe ausschließlich als Instrument zur Abschöpfung nicht mehr gerechtfertigter Mietzinsvorteile aufgrund einer von der öffentlichen Hand gewährten Subvention dienen (vgl. BVerfG, Beschluß vom 8. Juni 1988, a.a.O. S. 266 f., 277 f.). Nur aus dieser Funktion leitet sich ihre verfassungsrechtliche Legitimation her. Als Abschöpfungsabgabe gleicht sie "allein den aus der öffentlichen Wohnungsbauförderung erwachsenden Mietzinsvorteil" aus, der "auf staatlicher Gewährung" beruht (BVerfG, Beschluß vom 8. Juni 1988, a.a.O. S. 277). Ihr Zweck, die Fehlleitung von Subventionen auszugleichen, bestimmt zugleich die Grenzen, die der Bemessung der Abgabe von Verfassungs wegen gezogen sind (BVerfG, Beschluß vom 8. Juni 1988, a.a.O. S. 267 f. und 277 f.). Um der verfassungsrechtlichen Legitimation der Fehlbelegungsabgabe willen müssen sich die Ausgleichszahlungen auf die Abschöpfung der Subventionsvorteile für die Inhaber von öffentlich geförderten Sozialwohnungen und Wohnungsfürsorgewohnungen beschränken. Diese Subventionsvorteile bestehen darin, daß Inhaber solcher Wohnungen, die ungeachtet des Wegfalls der Voraussetzungen ihrer Wohnberechtigung in ihren Wohnungen bleiben dürfen, weiterhin nur die verbilligte Miete zu entrichten haben (vgl. BVerfG, Beschluß vom 8. Juni 1988, a.a.O. S. 268, 277). Mietzins und Fehlbelegungsabgabe dürfen deswegen insgesamt den Abgabepflichtigen nicht stärker belasten, als wenn er "in einer vergleichbaren freifinanzierten Wohnung seiner Gemeinde" wohnte (BVerfG, Beschluß vom 8. Juni 1988, a.a.O. S. 268, 278).

Dieser Maßstab stimmt in der Sache mit der Obergrenze der in einem kommunalen Mietspiegel zutreffend ausgewiesenen Mietzinsspanne für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage überein (vgl. Urteile vom 7. Juni 1996 BVerwG 8 C 22-24.94 und BVerwG 8 C 5.95 - Buchholz 401.71 AFWoG Nr. 14 S. 10 <20> und vom 8. November 1996 BVerwG 8 C 12.95 -, a.a.O. S. 28). Das Berufungsgericht hat frei von Revisionsgründen bindend festgestellt (§ 137 Abs. 2 VwGO), daß die im örtlichen Mietspiegel ausgewiesene Obergrenze einer Mietzinsspanne die jüngst vereinbarten Mieten repräsentiert, so daß auf diese Weise der gewährte Subventionsvorteil zeitnah bestimmt werden kann. Insofern verletzt die die Berufungsentscheidung tragende Auslegung und Anwendung von Art. 2 Nr. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Sätze 1 und 3 AFWoG NW Fassung 1992 - keine bundesrechtlichen Maßstäbe. Nach dieser Bestimmung ist die Fehlbelegungsabgabe auf Antrag zu beschränken auf den Unterschiedsbetrag zwischen dem für die Wohnung zulässigen Entgelt und dem für sie geltenden Höchstbetrag; als Höchstbetrag ist die Obergrenze der in dem Mietspiegel enthaltenen Mietzinsspanne für vergleichbaren Wohnraum zugrunde zu legen.

Das Berufungsgericht hat jedoch verkannt, daß im Einzelfall die tatsächliche Handhabung des kommunalen Mietspiegels zur Festlegung der maßgebenden Vergleichsmiete erforderlichenfalls unter Hinzuziehung eines gerichtlichen Sachverständigen überprüft werden muß, wenn der zur Fehlbelegungsabgabe herangezogene Wohnungsinhaber den seiner Wohnung zugewiesenen Mietwert substantiiert in Zweifel zieht (vgl. Urteile vom 7. Juni 1996 - BVerwG 8 C 22.94 u.a. -, a.a.O. S. 22 und 8. November 1996 BVerwG 8 C 12.95 -, a.a.O. S. 32). Das Oberverwaltungsgericht meint demgegenüber (UA S. 11), es sei "nicht möglich, einzelne Vor- und Nachteile einer Wohnung, die durch die notwendigerweise allgemeinen Beschreibungen zu den Mietspiegelwerten nicht erfaßt" würden "und die vielfach auch auf subjektiven Einschätzungen eines Wohnungsinhabers" beruhten, "bei der Behandlung eines Beschränkungsbegehrens zu berücksichtigen". "Insbesondere würde ein nicht mehr tragbarer und mit dem Zweck des Fehlbelegungsgesetzes nicht zu vereinbarender Verwaltungsaufwand betrieben, wenn durch Sachverständigengutachten der gerade noch angemessene Mietzins für eine einzelne Wohnung ermittelt werden müßte". Diese Auffassung steht mit Bundesrecht nicht im Einklang.

Zwar sind im allgemeinen typisierende Regelungen verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, Beschluß vom 8. Juni 1988, a.a.O. S. 287 f.). Um die grundsätzliche Eignung örtlicher Mietspiegel zur Feststellung des abzuschöpfenden Subventionsvorteils geht es aber nicht. Verfassungsrechtlich unbedenklich kann im Einzelfall auch die gerichtliche Verwertung eines geeigneten Mietspiegels ohne zusätzliche Heranziehung eines Sachverständigen sein (vgl. BVerfG, Beschluß vom 20. März 1991 1 BvR 160/91 - WM 1991 S. 523). Doch wie die ortsübliche Vergleichsmiete weder in einem Rechtsstreit um ein Mieterhöhungsverlangen noch in Bußgeld- oder Strafverfahren allein anhand eines substantiiert in Zweifel gezogenen Mietspiegels festgestellt werden darf (Urteil vom 26. Januar 1996 BVerwG 8 C 19.94 - BVerwGE 100, 262 <268>), so muß auch bei der Feststellung des abzuschöpfenden Subventionsvorteils begründeten Zweifeln an der richtigen Verwendung des Mietspiegels nachgegangen werden. Der Verweis in Art. 2 Nr. 6 Abs. 2 Satz 3 AFWoG NW Fassung 1992 - auf die im örtlichen Mietspiegel ausgewiesene Obergrenze einer Mietzinsspanne rechtfertigt bei Wahrung des bundes(verfassungs)rechtlichen Beschränkungsgebots weder eine Typisierung und Pauschalisierung zum Nachteil des Fehlbelegungsabgabenpflichtigen noch eine Beschränkung zur Verfügung stehender Nachweismöglichkeiten zur Maßgeblichkeit der konkreten Marktmiete (Urteil vom 8. November 1996 BVerwG 8 C 12.95 -, a.a.O. S. 23 bzw. 31). Die Abschöpfung durch die Fehlbelegungsabgabe ist ausnahmslos durch den Subventionsvorteil begrenzt. Ein Genauigkeitsrabatt zu Lasten des Abgabenpflichtigen ist unzulässig (Urteil vom 8. November 1996 - BVerwG 8 C 12.95 - , a.a.O. S. 28 m.w.N.). Gerichtlich zu prüfen ist deshalb, ob die Wohnung des Fehlbelegers nach Lage, Baualter, Größe und Beschaffenheit zutreffend mit einer standardisierten Wohnung verglichen worden ist, die die Behörde dem maßgeblichen örtlichen Mietspiegel entnommen hat. In Ermangelung eigener Sachkunde gehört es zur hinreichenden gerichtlichen Sachaufklärung, bei begründeten Zweifeln einen gerichtlichen Sachverständigen heranzuziehen.

Vorliegend hat die Klägerin eingewandt, daß alle vom örtlichen Mietspiegel erfaßten Wohnungen im freien Wohnungsmarkt verfügbar und daher mit Wohnungen im sozialen Wohnungsbau nicht vergleichbar seien; Sozialwohnungen hätten in der Regel einen niedrigeren Standard. So seien die Wände der streitbefangenen Wohnung dünner als gewöhnlich, die Trittschalldämmung sei ungenügend und die Ausstattung mit Nachtstromspeicheröfen sei schlechter als die mit Zentralheizungen versehener Vergleichsobjekte. Jedenfalls die letztgenannten Einwände sind nicht von der Hand zu weisen. Sie nötigen zur Klärung der Frage, ob die für die Wohnung der Klägerin geltende Marktmiete den maßgeblichen Mietspiegelwert unterschreitet. Da dem erkennenden Senat eine Antwort anhand der bisher festgestellten Tatsachen nicht möglich ist, war die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

Für die erneute Verhandlung wird darauf hingewiesen, daß eine Berücksichtigung der Mietdauer des Fehlbelegers wie von der Revision begehrt Bundes (verfassungs)rechtlich nicht geboten ist. Hätte der Gesetzgeber anstelle der Einführung einer Fehlbelegungsabgabe vorgesehen, daß der Fehlbeleger die Wohnung räumen muß, weil er die Mieten- bzw. Lastenverbilligung nicht mehr benötigt, wäre der Betroffene auch auf eine Neuanmietung angewiesen.

Beschluß

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 3 498 DM festgesetzt.

Die Festsetzung ergibt sich aus Nr. 53.4 des Streitwertkatalogs 1996 (NVwZ 1996 S. 563). Danach entspricht der Wert im Streit um Fehlbelegungsabgaben dem streitigen Betrag, höchstens jedoch dem Jahresbetrag.

Ende der Entscheidung

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