Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 07.07.2004
Aktenzeichen: BVerwG 9 A 21.03
Rechtsgebiete: EntG LSA, FStrG, GG, VwVfG LSA


Vorschriften:

EntG LSA § 5 Abs. 3
EntG LSA § 10 Abs. 1 Satz 3
FStrG § 19 Abs. 5
GG Art. 14 Abs. 1 Satz 2
GG Art. 14 Abs. 3
VwVfG LSA § 74 Abs. 2 Satz 2
VwVfG LSA § 74 Abs. 2 Satz 3
Wird durch einen Planfeststellungsbeschluss der unmittelbare Zugriff auf ein Teilgrundstück ermöglicht, so ist über eine Entschädigung für die Folgewirkungen dieses Zugriffs auf das Restgrundstück - anders als über den Ausgleich für mittelbare planungsbedingte Grundstücksbeeinträchtigungen - nicht im Planfeststellungs-, sondern im nachfolgenden Enteignungsverfahren zu entscheiden. Das gilt namentlich auch für die Frage, ob dem Enteignungsbetroffenen wegen derartiger Folgewirkungen ein Anspruch auf Übernahme des Restgrundstücks zusteht.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 9 A 21.03

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 7. Juli 2004 durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost, Vallendar, Prof. Dr. Rubel, Prof. Dr. Eichberger und Dr. Nolte ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

Gründe:

I.

Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Magdeburg vom 28. Februar 2003 für die Verlegung der Bundesstraßen B 71 und B 248 einschließlich der Anbindung der Kreisstraße K 1002 und der Beseitigung plangleicher Bahnübergänge im Stadtgebiet von S.

Das Vorhaben dient dem Ziel, durch Verlegung der beiden Bundesstraßen und Beseitigung bzw. Ersetzung höhengleicher Bahnübergänge über die in Ost-West-Richtung verlaufende Fernbahnstrecke Stendal-Uelzen die angespannte Verkehrssituation im innerörtlichen Straßennetz von S. zu entschärfen. Die B 71 n soll aus Richtung Westen zunächst an der Nordseite der Eisenbahnstrecke verlaufen und östlich des Stadtgebiets mit der von Norden herangeführten B 248 n verknüpft werden. Auf gemeinsamer Trasse sollen die beiden Straßen sodann planfrei über die Bahnstrecke und weiter durch das Stadtgebiet nach Süden geführt werden.

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks Gemarkung S. Flur ... Flurstück ..., das mit seiner Ostseite an die F.straße und mit seiner Südseite an eine von der F.straße nach Osten abzweigende öffentliche Wegefläche grenzt. Unmittelbar südlich dieser Wegefläche verläuft die vorerwähnte Bahnstrecke. Das Grundstück der Kläger ist mit einem von ihnen selbst genutzten eingeschossigen Wohnhaus, einer daran nach Süden angrenzenden Tiefgarage und einem Nebengebäude auf dem östlichen Grundstücksteil bebaut. Auf dem Flachdach der Garage ist eine vom Wohnzimmer des Hauses aus zugängliche Terrasse angelegt. Im Übrigen ist das Grundstück gärtnerisch gestaltet. Die B 71 n soll entlang der Nordseite der Bahnstrecke auf einem Damm geführt werden. Die Planung sieht vor, die F.straße vor dem Grundstück der Kläger in einem Wendehammer enden zu lassen; von dort soll auf dem Damm der neuen Straße seitlich der Fahrbahn ein kombinierter Geh-/Radweg bis zur weiter östlich gelegenen H. Straße geführt werden. Zwischen der Fahrbahn und dem Geh-/ Radweg ist zum Schutz der sich nördlich anschließenden Bebauung eine 2 m hohe Lärmschutzwand geplant, die zur Terrasse der Kläger einen Abstand von ca. 6 bis 8 m halten soll. Von dem 564 m2 großen Grundstück der Kläger sind 158 m2 zum Erwerb für die Trasse vorgesehen.

Im Anhörungsverfahren wandten sich die Kläger mit Schreiben vom 9. Oktober 2000 gegen die Planung und rügten u.a. die Inanspruchnahme von fast einem Drittel ihrer Grundstücksfläche und gravierende Einbußen der Wohnqualität, die sie bereits veranlasst hätten, die Grundstücksübernahme durch die Straßenbauverwaltung vorzuschlagen.

Mit Beschluss vom 28. Februar 2003 stellte das Regierungspräsidium Magdeburg den Plan für das Vorhaben fest und billigte den Klägern für ihr Wohnhaus einen Anspruch auf ergänzenden passiven Lärmschutz dem Grunde nach zu. Die Einwendungen der Kläger gegen die Grundstücksinanspruchnahme wurden zurückgewiesen, da diese nach Abwägung aller öffentlichen und privaten Belange unumgänglich sei. Ergänzend heißt es in der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses:

"Die Einwender sind für die Inanspruchnahme der genannten Flächen zu entschädigen, da der Wohnwert sowohl durch erhöhte Immissionen von der Straße her bzw. durch den eingeschränkten Zugang von Tageslicht als auch durch die Inanspruchnahme eines Grundstücksteils nachteilig verändert wird. Art und Höhe der Entschädigung bleiben jedoch ebenso wie die Entscheidung über eine Ausdehnung der Enteignung auf das Restgrundstück der Einwender, da dieses nicht mehr angemessen genutzt werden kann, ... dem sich anschließenden Enteignungsverfahren vorbehalten. Hiernach ist eine Entschädigung für den eingetretenen Rechtsverlust und für sonstige, durch die Enteignung eintretende Vermögensnachteile zu leisten (§§ 19 a FStrG, 9, 5 Abs. 3 EntG LSA)."

Die Kläger haben am 14. April 2003 gegen den ihnen am 14. März 2003 zugestellten Planfeststellungsbeschluss Klage erhoben. Sie tragen im Wesentlichen vor: Der Planfeststellungsbeschluss entfalte nicht nur für die in Anspruch genommene Teilfläche, sondern auch für das Restgrundstück enteignende Wirkung. Angesichts der hohen Lärmschutzwand in unmittelbarer Nähe des Wohnzimmers, des stark verkleinerten Gartens und der verbleibenden Schallbeeinträchtigungen sei ein zumutbares Wohnen auf dem Grundstück nicht mehr möglich. Hierzu treffe der Planfeststellungsbeschluss keine Feststellungen und enthalte keine entsprechenden Auflagen; seine enteignende Wirkung sei nicht in die Abwägung einbezogen worden. Die einschränkende, zumindest aber missverständliche Beschreibung der Enteignung im Planfeststellungsbeschluss berge die Gefahr, dass im nachfolgenden Enteignungsverfahren die Auswirkungen auf das Restgrundstück unter Berufung auf den Planfeststellungsbeschluss unberücksichtigt gelassen würden. Ziel der Klage sei es daher in erster Linie, die missverständlichen Textpassagen zu beseitigen. Sollte die ungenügende Berücksichtigung der enteignenden Wirkung des Planfeststellungsbeschlusses dessen Bestand nicht insgesamt berühren, so müsste der Beschluss jedenfalls um Anforderungen ergänzt werden, die die enteignende Wirkung aufhöben. Dies könne nur in der Weise geschehen, dass dem Vorhabenträger die Grundstücksübernahme aufgegeben werde.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Magdeburg vom 28. Februar 2003 aufzuheben,

hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss um die Anordnung gegenüber dem Vorhabenträger zu ergänzen, dass die Enteignung gegen Zahlung einer angemessenen Entschädigung auf das Restgrundstück auszudehnen ist.

Der Beklagte, auf den die Aufgaben der Planfeststellungsbehörde zum 1. Januar 2004 kraft Gesetzes übergegangen sind, beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend: Die Kläger missverstünden die Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss zur Entschädigung für die Inanspruchnahme von Teilflächen ihres Grundstücks. Diese Ausführungen richteten sich keineswegs darauf, die Entscheidung über die Enteignungsentschädigung einschließlich der Übernahme des Restgrundstücks vorwegzunehmen und insoweit beschränkende Wirkung für das nachfolgende Enteignungsverfahren zu entfalten. Lediglich für mittelbare Betroffenheiten müsse ein Planfeststellungsbeschluss die Entschädigungsfrage selbst beantworten. Die Kläger seien demgegenüber unmittelbar betroffen.

Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich nicht am Verfahren.

II.

Die Klage, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Der Anfechtungsantrag kann keinen Erfolg haben, denn der angefochtene Planfeststellungsbeschluss leidet nicht an einem Rechtsfehler, der die Kläger in ihren Rechten verletzt und die - vollständige oder teilweise - Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder zumindest die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit rechtfertigt.

Die Kläger stützen ihr Aufhebungsbegehren auf zwei Gesichtspunkte. Zum einen wenden sie sich gegen die aus dem Planfeststellungsbeschluss herausgelesene Entscheidung, dieser entfalte eine enteignende, zur Entschädigung verpflichtende Wirkung nur für die unmittelbar in Anspruch genommene Teilfläche, nicht aber für das Restgrundstück. Zum anderen rügen sie, eine weitergehende enteignende Wirkung, die sich in einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Wohnqualität des Restgrundstücks äußere, sei im Rahmen der Abwägung unberücksichtigt geblieben. Beide Rügen greifen nicht durch.

a) Der Planfeststellungsbeschluss enthält keine verbindliche Ausschlussregelung des Inhalts, dass die Inanspruchnahme einer 158 m2 großen Teilfläche des Grundstücks der Kläger für das planfestgestellte Vorhaben sich in dem Flächenentzug erschöpfe und keine Entschädigungspflicht wegen Folgewirkungen für das Restgrundstück auslöse. Die Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss zu den Einwendungen der Kläger bringen schon aus sich heraus keinen entsprechenden Regelungsgehalt zum Ausdruck; erst recht ist es vor dem Hintergrund der Vorschriften über die Regelungsbereiche der Planfeststellung einerseits und des Enteignungsverfahrens andererseits ausgeschlossen, sie so zu verstehen.

Soweit es im Planfeststellungsbeschluss heißt, die Kläger seien "für die Inanspruchnahme der genannten Flächen" - nämlich der für das Vorhaben benötigten Flächen - zu entschädigen, wird hiermit lediglich der Anknüpfungspunkt für die Entschädigung, nicht aber der Umfang der zu entschädigenden Beeinträchtigungen bezeichnet. Dies folgt bereits daraus, dass in dem betreffenden Satz nachteilige Veränderungen des Wohnwertes durch erhöhte Immissionen, den eingeschränkten Zugang von Tageslicht sowie die verkleinerte Grundstücksfläche und damit das Restgrundstück betreffende Gesichtspunkte als Gründe für die angenommene Entschädigungspflicht genannt werden. Vor allem aber enthalten die nachfolgenden Sätze die ausdrückliche Erklärung, über Art und Höhe der Entschädigung einschließlich der Übernahme des Restgrundstücks sei im Enteignungsverfahren zu entscheiden; unter Bezugnahme auf die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften wird klarstellend darauf hingewiesen, dass die Entschädigung über den eintretenden Rechtsverlust hinaus auch sonstige, infolge des Entzugs der Teilfläche eintretende Vermögensnachteile abzugelten hat.

Für die von den Klägern zu Grunde gelegte Deutung des Planfeststellungsbeschlusses ist umso weniger Raum, als sie in klarem Widerspruch zur gesetzlichen Abgrenzung der Regelungsgegenstände des Planfeststellungs- und des Enteignungsverfahrens steht. Im Planfeststellungsbeschluss wird mit der Zulassung des Vorhabens (§ 75 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt - VwVfG LSA) darüber entschieden, welche Flächen für das Vorhaben benötigt werden und dem bisherigen Eigentümer entzogen werden dürfen; dem hat die Abwägung vorauszugehen, ob der Eigentumsentzug und die sonstigen mit der Inanspruchnahme verbundenen Nachteile für den Betroffenen im Interesse der für das Vorhaben sprechenden öffentlichen Belange in Kauf genommen werden sollen. Der Rechtsentzug selbst und die Entscheidung über die damit verbundenen Entschädigungsfragen sind hingegen dem gesondert durchzuführenden Enteignungsverfahren vorbehalten (BVerwG, Beschluss vom 27. August 1993 - BVerwG 4 A 2.93 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 24). In diesem Verfahren ist insbesondere auch über eine Entschädigung für Folgewirkungen der Enteignung eines Teilgrundstücks auf das Restgrundstück und über die Ausdehnung der Enteignung auf das Restgrundstück zu entscheiden (§ 19 Abs. 5 FStrG in Verbindung mit den Vorschriften des jeweils geltenden Landesenteignungsgesetzes, hier § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Buchst. a und § 5 Abs. 3 des Enteignungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt <EntG LSA> vom 13. April 1994 <GVBl S. 508>, zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. März 1999 <GVBl S. 108>). Auch mit Rücksicht darauf ist den Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss zur Frage der Enteignungsentschädigung nicht deren verbindliche Regelung, sondern lediglich ein durch die Einwendungen der Kläger veranlasster Hinweis zu entnehmen.

b) Es trifft nicht zu, dass im Planfeststellungsbeschluss die von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen des Restgrundstücks der Kläger unzureichend berücksichtigt worden sind. Ausweislich der Stellungnahme im Planfeststellungsbeschluss zu den Einwendungen der Kläger hat sich die Planfeststellungsbehörde mit der Situation des Grundstücks und mit den durch das Vorhaben bedingten Veränderungen dieser Situation konkret auseinander gesetzt. Sie hat erkannt, dass die Kläger nicht nur durch den Entzug einer Teilfläche betroffen sind, sondern in mehrfacher Hinsicht auch Einbußen der Wohnqualität ihres Restgrundstücks erleiden. Wie die detaillierten Maßangaben auf S. 145 des Planfeststellungsbeschlusses belegen, hat sie die Tragweite dieser Einbußen im Einzelnen ermittelt und in die Abwägung einbezogen. Dass ihr insoweit Fehlgewichtungen unterlaufen wären, ist nicht ersichtlich. Namentlich ergibt sich ein Bewertungsfehler nicht aus dem Umstand, dass der Planfeststellungsbeschluss die Frage offen lässt, ob die Beeinträchtigungen in ihrer Summe das Maß des Erträglichen übersteigen. Indem er die Kläger insoweit auf das Enteignungsverfahren verweist, wahrt er zunächst die Zuständigkeit der Enteignungsbehörde, die in eigener Verantwortung über eine etwaige Übernahme des Restgrundstücks zu entscheiden hat. Außerdem bringt er zum Ausdruck, dass unabhängig von dieser Frage den für die Planung sprechenden Gesichtspunkten der Vorrang eingeräumt worden ist. Der Sache nach liegt darin eine - nach Lage des Falles unbedenkliche - Wahrunterstellung (vgl. zu deren Grenzen BVerwG, Urteil vom 27. März 1980 - BVerwG 4 C 34.79 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 34), die eine Fehlgewichtung zu Lasten der Kläger ausschließt. Die auf der Grundlage dieser Wahrunterstellung getroffene Entscheidung, den für die Planung sprechenden Belangen den Vorrang einzuräumen, hält sich in dem der Planfeststellungsbehörde eingeräumten Bewertungsspielraum und ist daher rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.

2. Mit dem hilfsweise verfolgten Verpflichtungsbegehren dringen die Kläger ebenfalls nicht durch. Sie haben keinen Anspruch auf Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um eine Anordnung gegenüber dem Vorhabenträger der Straßenbaulast, ihr Restgrundstück gegen Zahlung einer Entschädigung zu übernehmen. Über den von ihnen geltend gemachten Übernahmeanspruch ist erst im Zuge des anschließenden Enteignungsverfahrens bezüglich des für das Vorhaben benötigten Teilgrundstücks zu entscheiden.

Ob über einen Anspruch auf Grundstücksübernahme gegen Entschädigung bereits im Planfeststellungsbeschluss zu befinden ist, richtet sich nach der Art der anspruchsbegründenden Beeinträchtigungen (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. März 1980 a.a.O., vom 14. Mai 1992 - BVerwG 4 C 9.89 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 88, Beschluss vom 27. August 1993 a.a.O., Urteil vom 6. Juni 2002 - BVerwG 4 A 44.00 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 59 und Beschluss vom 20. Januar 2004 - BVerwG 9 VR 27.03 -). Ermöglicht ein Planfeststellungsbeschluss den unmittelbaren Zugriff auf das Grundeigentum durch Entzug oder Teilentzug dieser Rechtsposition, bildet er also die Grundlage für eine Enteignung, so ist die Regelung der damit verbundenen Entschädigungsfragen dem von der Planfeststellung gesonderten Enteignungsverfahren vorbehalten. Im Rahmen dieses Verfahrens sind - wie schon im Zusammenhang mit dem Anfechtungsbegehren erwähnt - nach Maßgabe von § 19 Abs. 5 FStrG i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Buchst. a EntG LSA bei der Enteignung eines Teilgrundstücks auch die daraus folgenden Nutzungsbeeinträchtigungen des Restgrundstücks zu entschädigen. Eine besondere Form dieser Entschädigung stellt die Ausdehnung der Enteignung auf den Rest des Grundstücks gegen Entschädigung der Gesamtfläche dar, die der Eigentümer beanspruchen kann, wenn er den verbliebenen Grundstücksteil nicht mehr in angemessenem Umfang nach seiner bisherigen Bestimmung nutzen kann (§ 5 Abs. 3 EntG LSA); auch hierüber ist mithin ausschließlich im Enteignungsverfahren zu entscheiden.

Wirkt eine Planung demgegenüber nur mittelbar - ohne Grundstücksinanspruchnahme - durch die mit ihr verbundene Situationsveränderung in der Umgebung des Planvorhabens auf Rechtspositionen Dritter ein, so entfaltet der Planfeststellungsbeschluss keine enteignende (Vor-)Wirkung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG, sondern bestimmt - unabhängig von der Intensität der Beeinträchtigung - lediglich die Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Als Rechtsgrundlage für die Entschädigung derartiger Beeinträchtigungen kommt § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG des jeweiligen Landes, hier des Landes Sachsen-Anhalt, in Betracht, der eingreift, wenn die Beeinträchtigung dem Betroffenen ohne Ausgleich nicht zuzumuten ist und Vorkehrungen oder Anlagen zu ihrer Vermeidung nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind. Da mittelbare Beeinträchtigungen durch den Planfeststellungsbeschluss hervorgerufen werden, ohne dass es - wie beim Rechtsentzug - eines gesonderten Rechtsakts in Gestalt des Enteignungsbeschlusses bedarf, hat die Planfeststellungsbehörde dem Grunde nach schon im Planfeststellungsbeschluss über solche Ansprüche zu entscheiden. Dies trifft auch für den Übernahmeanspruch wegen schwerer und unerträglicher mittelbarer Beeinträchtigungen zu, denn bei ihm handelt es sich um eine besondere Art des Entschädigungsanspruchs nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2002 a.a.O.).

Davon ausgehend ist für die von den Klägern begehrte Entscheidung der Planfeststellungsbehörde über die Grundstücksübernahme hier kein Raum. Die Kläger berufen sich für ihr Übernahmebegehren im Wesentlichen auf Beeinträchtigungen ihres Restgrundstücks, die sich als Folgewirkungen der Inanspruchnahme des für den Straßenbau benötigten Grundstücksteils darstellen. Das gilt nicht nur für die Verkleinerung des Gartens als Erholungsraum, sondern auch für die behaupteten nachteiligen Auswirkungen der auf dem in Anspruch genommenen Grundstücksteil geplanten Lärmschutzwand in Gestalt von Behinderungen des Lichteinfalls und der Aussicht sowie einer als erdrückend eingeschätzten optischen Wirkung und ebenso für die Einsehbarkeit des Außenwohnbereichs von dem zwischen dem Restgarten und der Lärmschutzwand auf dem Straßendamm geplanten Geh-/Radweg. Derartige, dem Restgrundstück nicht durch die erzwungene Abtretung des Teilgrundstücks als solche, sondern durch das darauf verwirklichte Vorhaben entstehende Nachteile gleichfalls als entschädigungspflichtige Folgewirkungen des Flächenentzugs zu behandeln, entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Enteignungsrecht (vgl. BGH, Urteile vom 4. Oktober 1973 - III ZR 138/71 - BGHZ 61, 253 <254> und vom 6. März 1986 - III ZR 146/84 - NJW 1986, 2424 <2425>, jeweils m.w.N.), wobei durch diese Folgewirkungen etwa ausgelöste Ansprüche auf Schutzauflagen nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG des jeweiligen Landes freilich unberührt bleiben. Ob auch die durch den Straßenverkehr bedingten Lärmbeeinträchtigungen, auf die sich die Kläger ergänzend berufen, noch als Folgewirkungen der Grundstücksinanspruchnahme qualifiziert werden können, mag zweifelhaft sein, da die Fahrbahn selbst außerhalb des in Anspruch genommenen Grundstücksteils angelegt werden soll. Darauf kommt es aber hier schon deshalb nicht an, weil unter Berücksichtigung der geplanten Schutzmaßnahmen keine Lärmimmissionen zu erwarten sind, die oberhalb der Zumutbarkeitsgrenze liegen und daher nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG LSA entschädigungsbedürftig wären (zur einheitlichen Zumutbarkeitsgrenze für Schutzmaßnahmen und Entschädigungsleistungen vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2000 - BVerwG 11 A 33.97 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 54 S. 13 m.w.N.). Infolge der Maßnahmen aktiven Lärmschutzes werden nach den von den Klägern nicht substantiiert in Frage gestellten Berechnungen der durchgeführten schalltechnischen Untersuchung die für Wohngebiete geltenden Immissionsgrenzwerte von 59 dB(A) tagsüber an der südlichen Außenfront ihres Wohnhauses um 2 dB(A) unterschritten. Angesichts dessen ist - zumal die Kläger nichts Abweichendes geltend machen - davon auszugehen, dass auch auf dem Außenwohnbereich, namentlich auf der Terrasse der Kläger, der insoweit maßgebliche Tagwert eingehalten wird. Während der Nachtstunden werden unzumutbare Lärmbelästigungen durch die angeordnete Schallschutzwand im Zusammenwirken mit den den Klägern zugesagten ergänzenden Maßnahmen passiven Schallschutzes ebenfalls ausgeschlossen. Bedürfen die verbleibenden Geräuschbelastungen mithin keines weiteren Ausgleichs nach den Grundsätzen der Lärmvorsorge, so können sie erst recht keinen Übernahmeanspruch nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG LSA begründen. Die Berücksichtigung einer durch den Wegfall der Schutzwirkung der abzugebenden Teilfläche etwa eintretenden Erhöhung der Lärmbeeinträchtigung bei der Regelung der Enteignungsentschädigung bleibt davon unberührt (vgl. Nr. 57 Abs. 3 der Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes - VLärmSchR 97 -, VkBl. 1997, 434).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Klageverfahren nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. auf 10 000 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück