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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 06.07.1998
Aktenzeichen: BVerwG 9 B 562.98
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 98
VwGO § 132 Abs. 1 Nr. 3
VwGO § 173
ZPO § 295
ZPO § 391
ZPO § 558
Leitsatz:

Zur Rüge der Nichtvereidigung eines Zeugen durch das Berufungsgericht als Verfahrensmangel.

Beschluß des 9. Senats vom 6. Juli 1998 - BVerwG 9 B 562.98 -

I. VG Kassel vom 07.03.1995 - Az.: VG 4 E 57/92.A - II. VGH Kassel vom 19.01.1998 - Az.: VGH 12 UE 1624/95 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 9 B 562.98 VGH 12 UE 1624/95

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 6. Juli 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Seebass, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Hund und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck

beschlossen:

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Januar 1998 wird verworfen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

Die auf Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

Die Beschwerde sieht einen Verfahrensfehler darin, daß über die Beeidigung eines Zeugen, dessen Aussage das Berufungsgericht als unglaubhaft bewertet hat (UA S. 89/90), weder ausdrücklich entschieden noch eine Begründung für die Nichtbeeidigung im Berufungsurteil gegeben worden sei. Damit habe das Gericht seine verfahrensrechtlichen Pflichten aus § 98 VwGO i.V.m. § 391 ZPO verletzt. Mit diesem Vorbringen wird der behauptete Verfahrensverstoß nicht schlüssig dargetan.

Die Beschwerde weist zutreffend darauf hin, daß im Verwaltungsprozeß mit Rücksicht auf den Untersuchungsgrundsatz die Beeidigung eines Zeugen - vorbehaltlich der sich aus § 393 ZPO ergebenden Ausnahmen - stets im Ermessen des Tatsachengerichts steht, selbst wenn die Verfahrensbeteiligten ausdrücklich auf eine Vereidigung verzichten oder entsprechende Anträge nicht stellen (vgl. BVerwGE 52, 11 <16>; Geiger in Eyermann, VwGO, 10. Aufl., § 98 Rn. 10; Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl., § 98 Rn. 12; vgl. auch BFH, Urteil vom 13. März 1995 - XI B 73 - 90/94 - DStZ 1996,,159 und Urteil vom 25. August 1982 - I R 164/81 -). Ob das Gericht sein Ermessen, einen Zeugen mit Rücksicht auf die Bedeutung seiner Aussage oder zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage zu beeidigen, fehlerfrei ausgeübt hat, unterliegt im Revisionsverfahren nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle dahin, ob es von den Grenzen seines Ermessens eine irrige Auffassung gehabt hat oder sich der Grenzen überhaupt nicht bewußt gewesen ist (vgl. BVerwG a.a.O.). Eine generelle Pflicht zur Begründung der richterlichen Ermessensentscheidung - wie im Strafverfahren nach § 64 StPO - ist nach § 98 VwGO, § 391 ZPO nicht vorgesehen (vgl. schon BVerwG, Urteil vom 7. November 1962 - VI C 144.61 - Buchholz 232 § 32 BBG Nr. 6). Das Berufungsgericht kann daher wohl allenfalls zur Ermöglichung der Verfahrenskontrolle im Revisionsverfahren sowie ggf. zur Unterrichtung derjenigen Verfahrensbeteiligten, die eine Vereidigung des Zeugen beantragt haben, verpflichtet sein, seine Entscheidung über die Nichtbeeidigung zu begründen (vgl. hierzu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 54. Aufl., § 391 Rn. 7 m.w.N.). Ob eine Begründungspflicht auch dann besteht, wenn die Beteiligten auf eine Vereidigung verzichtet oder entsprechende Anträge nicht gestellt haben, kann dahingestellt bleiben. Die Beteiligten müssen nämlich das Unterlassen einer ihrer Ansicht nach gebotenen Vereidigung spätestens in der auf die Beweisaufnahme folgenden mündlichen Verhandlung gemäß § 295 Abs. 1 ZPO rügen (vgl. etwa Geiger in Eyermann a.a.O.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann a.a.O.; Greger in Zöller, ZPO, 20. Aufl., § 391 Rn. 6; BFH, Beschluß vom 15. Juli 1993 - I B 35/93 -). § 295 ZPO gilt gemäß § 173 VwGO auch im Verwaltungsprozeß mit der Folge, daß der ungerügt gebliebene Verfahrensmangel nach § 173 VwGO i.V.m. § 558 ZPO in der Revisionsinstanz - und ebenso mit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht mehr geltend gemacht werden kann (stRspr; vgl. zuletzt etwa Beschluß vom 21. Juli 1997 - BVerwG 7 B 175.97 - sowie die Beschlüsse des Senats vom 30. September 1988 - BVerwG 9 CB 47.88 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 84 = NJW 1989, 678 und vom 8. Dezember 1988 - BVerwG 9 B 388.88 - Bucholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 35 = NJW 1989, 379). Bei einem Verlust des Rügerechts nach § 295 Abs. 1 ZPO hinsichtlich der unterlassenen Vereidigung kann auf jeden Fall auch nicht mehr geltend gemacht werden, das Gericht habe über die Vereidigung eines Zeugen nicht oder nicht formgerecht durch Beschluß entschieden oder seine Entscheidung nicht begründet. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde muß deshalb nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO stets dargelegt werden, daß ein Rügeverlust nach § 173 VwGO, § 295 Abs. 1 ZPO nicht eingetreten ist.

Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerde nicht. Sie legt weder dar, daß der Prozeßbevollmächtigte der Kläger vor dem Berufungsgericht einen Antrag auf Vereidigung des Zeugen gestellt hat, noch daß er die Nichtbeeidigung spätestens in der auf die Beweisaufnahme folgenden mündlichen Verhandlung vor dem Berufungssenat gerügt hat. Die Kläger haben im übrigen tatsächlich weder die Vereidigung des Zeugen beantragt noch in der Berufungsverhandlung (vgl. die Niederschrift, Bl. 288 ff. der Gerichtsakten) das Unterlassen der Vereidigung und einer Entscheidung hierüber beanstandet. Der Vortrag im Schriftsatz vom 3. Juli 1998 rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Auch die weitere Rüge einer Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nicht ordnungsgemäß bezeichnet. Mit ihr wenden sich die Kläger im Gewande der Verfahrensrüge gegen die dem Tatrichter vorbehaltene Würdigung der Zeugenaussage als unglaubhaft mit der Behauptung, die im Berufungsurteil festgestellten Widersprüche seien nicht "unauflösbar" bzw. "unauflöslich" gewesen; das Berufungsgericht hätte sie durch Vorbehalte gegenüber dem Zeugen aufklären müssen. Abgesehen davon, daß die Beschwerde nicht für alle vom Berufungsgericht angeführten Ungereimtheiten und Widersprüche in der Aussage des Zeugen ausführt, auf welche Vorhalte des Gerichts der Zeuge in welcher Weise die entstandenen Zweifel ausgeräumt hätte, verkennt sie, daß die Beweiswürdigung grundsätzlich erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung bei der Beratung und Entscheidungsfindung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO erfolgt.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.

Ende der Entscheidung

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