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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 29.01.2009
Aktenzeichen: BVerwG 9 C 3.08
Rechtsgebiete: GG, FlurbG, BayVwVfG, VwGO


Vorschriften:

GG Art. 14 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 3
FlurbG § 4
FlurbG § 34
FlurbG § 36
FlurbG § 87 Abs. 1
FlurbG § 88
BayVwVfG Art. 80 Abs. 1
VwGO § 144 Abs. 4
1. Das Besitzrecht des Pächters ist Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (wieUrteil vom 1. September 1997 - BVerwG 4 A 36.96 - BVerwGE 105, 178 <180> ).

2. Die Unternehmensflurbereinigung nach § 87 Abs. 1 FlurbG ist eine Maßnahme der Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG auch gegenüber den Pächtern von Grundstücken im Flurbereinigungsgebiet, die infolge der Beschaffung von Land für das Unternehmen und der Verteilung des Landverlustes auf den Kreis der am Verfahren beteiligten Eigentümer ihr bisheriges Pachtland verlieren (im Anschluss an BVerfG, Urteil vom 24. März 1987 - 1 BvR 1046/85 - BVerfGE 74, 264 <279 ff.> ).

3. Der Flurbereinigungsbeschluss nach § 87 Abs. 1 FlurbG hat für den Fall der Anordnung der Flurbereinigung zur Durchführung eines durch Bebauungsplan festgesetzten Unternehmens eine "enteignungsrechtliche Vorwirkung" sowohl gegenüber den Eigentümern von Grundstücken im Flurbereinigungsgebiet (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. März 1987 a.a.O. S. 282) als auch gegenüber allen Pächtern solcher Grundstücke.

4. Neben den Grundstückseigentümern sind auch alle Pächter von Grundstücken im Flurbereinigungsgebiet befugt, Widerspruch und Klage gegen eine Anordnung der Flurbereinigung zur Durchführung eines durch Bebauungsplan festgesetzten Unternehmens zu erheben (Änderung der bisherigen Rechtsprechung).


In der Verwaltungsstreitsache

...

hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts

am 29. Januar 2009

durch

den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost und

die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte, Domgörgen, Dr. Christ und Prof. Dr. Korbmacher

ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. November 2007 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Erstattung von Kosten, die dem Kläger in einem flurbereinigungsrechtlichen Widerspruchsverfahren entstanden sind. Dem liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Das Amt für Ländliche Entwicklung Niederbayern ordnete auf Antrag der Enteignungsbehörde (Landkreis Landshut, zugleich Unternehmensträger) mit Beschluss vom 19. Juni 2006 auf der Grundlage der §§ 87 ff. FlurbG das Flurbereinigungsverfahren "Altdorf IV" zur Durchführung des Unternehmens "Nordumfahrung Altdorf durch die Kreisstraße LA 26" gemäß dem Bebauungs- und Grünordnungsplan "Nordumfahrung Altdorf" des Marktes Altdorf an. Gegen diesen öffentlich bekannt gemachten Flurbereinigungsbeschluss legte der Kläger als Pächter landwirtschaftlich genutzter Grundstücke im Flurbereinigungsgebiet Widerspruch ein, den das Amt für Ländliche Entwicklung Niederbayern wegen fehlender Widerspruchsbefugnis zurückwies. Durch einen weiteren - auch an widersprechende Eigentümer von Grundstücken im Verfahrensgebiet gerichteten - Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2006 wurden der erste Widerspruchsbescheid zurückgenommen und der Flurbereinigungsbeschluss aufgehoben. Bezüglich der Widerspruchsführer, die Eigentümer von Grundstücken im Flurbereinigungsgebiet waren, wurden die Kosten des Verfahrens dem Beklagten auferlegt und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig erklärt. Bezüglich des Klägers wurden die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben und dies wie folgt begründet: Sein Widerspruch sei unzulässig, da er nicht Eigentümer von im Verfahrensgebiet liegenden Grundstücken und somit nicht widerspruchsbefugt sei. Deshalb entspreche es der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben, nachdem sich sein Widerspruch durch die Aufhebung des Flurbereinigungsbeschlusses aufgrund der anderen Widersprüche in der Hauptsache erledigt habe.

Auf die Klage des Klägers hat das Flurbereinigungsgericht den Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2006 antragsgemäß dahingehend geändert, dass der Beklagte auch die dem Kläger entstandenen Kosten des Widerspruchsverfahrens trägt; es hat ferner die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren auch durch den Kläger für notwendig erklärt. Zur Begründung hat das Flurbereinigungsgericht ausgeführt: Der Kläger habe Widerspruch gegen den Flurbereinigungsbeschluss erheben können. Dieser - inzwischen aufgehobene - Beschluss habe die Zulässigkeit der Enteignung für das weitere Verfahren verbindlich geregelt. Enteignungsbetroffener sei auch der Kläger als Besitzer von eigentumsrechtlich geschützten Pachtflächen in der Trasse der geplanten Umgehungsstraße gewesen, so dass der Flurbereinigungsbeschluss auch ihm gegenüber enteignungsrechtliche Vorwirkung entfaltet habe. Wegen der somit gegebenen Widerspruchsbefugnis des Klägers habe die Aufhebung des Flurbereinigungsbeschlusses aufgrund anderer Widersprüche entgegen der Auffassung des Beklagten nicht zur Erledigung des Widerspruchs des Klägers gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG geführt. Vielmehr sei der zulässige Widerspruch des Klägers gegen den Flurbereinigungsbeschluss infolge der Aufhebung desselben als erfolgreich im Sinne des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayVwVfG anzusehen; nach dieser Vorschrift habe jedoch der Beklagte die gesamten Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen. In einem Widerspruchsverfahren gegen die Anordnung einer Unternehmensflurbereinigung sei wegen der Schwierigkeit der Rechtsmaterie auch regelmäßig die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts zu bejahen.

Mit der Revision macht der Beklagte geltend: Pächter von Grundstücken im Flurbereinigungsgebiet seien nicht befugt, Widerspruch gegen einen Flurbereinigungsbeschluss einzulegen. Sie seien als obligatorisch Berechtigte lediglich durch das Privatrecht geschützt. Der Pachtbesitz werde nicht durch den Flurbereinigungsbeschluss, sondern erst im weiteren Verfahren beeinträchtigt, etwa bei einer Besitzeinweisung oder spätestens durch den Flurbereinigungsplan. Insoweit räume das Flurbereinigungsgesetz den Pächtern jedoch eigene Rechte ein. Da der Widerspruch des Klägers somit unzulässig gewesen sei, habe das Flurbereinigungsgericht ihm - dem Beklagten - zu Unrecht auch dessen Verfahrenskosten auferlegt.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 8. November 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die zulässige Revision, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (vgl. § 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 141 Satz 1 VwGO), ist nicht begründet.

Das Urteil des Flurbereinigungsgerichts verletzt zwar die revisiblen Regelungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 5 BayVwVfG zur Verteilung der Kosten des Widerspruchsverfahrens; das Flurbereinigungsgericht hat zu Unrecht die Anwendbarkeit des Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG auf den vorliegenden Fall verneint und seine Entscheidung stattdessen auf Art. 80 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG gestützt (1.). Die Entscheidung erweist sich insoweit jedoch im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO), weil der Kläger als Pächter von im Flurbereinigungsgebiet liegenden Grundstücken Widerspruch gegen die Anordnung der Flurbereinigung zur Realisierung der durch Bebauungsplan festgesetzten Umgehungsstraße erheben konnte mit der Folge, dass der Beklagte auch bei zutreffender Anwendung des Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG dessen Verfahrenskosten zu tragen hat (2.). Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren hat das Flurbereinigungsgericht zu Recht nach der - ebenfalls revisiblen - Vorschrift des Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG für notwendig erachtet (3.).

1.

Die Entscheidung des Flurbereinigungsgerichts verstößt gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 5 BayVwVfG. Auf die Verletzung dieser Regelungen kann die Revision gestützt werden (Art. 99 GG, Art. 97 BayVwVfG).

Gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayVwVfG hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen, wenn der Widerspruch erfolgreich ist. Ein Widerspruch ist erfolgreich im Sinne dieser Vorschrift, wenn ihm durch die Ausgangsbehörde abgeholfen (§ 72 VwGO) oder durch die Widerspruchsbehörde stattgegeben wird(Urteil vom 18. April 1996 - BVerwG 4 C 6.95 - BVerwGE 101, 64 <67 f.> zum inhaltsgleichen § 80 Abs. 1 Satz 1 HVwVfG). Dies setzt eine Entscheidung gegenüber dem Widerspruchsführer über dessen Widerspruch voraus, die seinem Widerspruchsbegehren Rechnung trägt. An dem für die Anwendbarkeit des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG maßgeblichen "äußeren Erfolg" des Widerspruchs fehlt es, wenn dieser sich erledigt hat, weil der angefochtene Verwaltungsakt gegenüber Dritten zurückgenommen (vgl. Urteil vom 18. April 1996 a.a.O. S. 69) oder auf den Widerspruch Dritter hin aufgehoben wurde(Urteil vom 23. Februar 1982 - BVerwG 7 C 72.79 - Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 10). Der Widerspruchsführer hat in diesen Fällen allerdings einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf eine Kostenentscheidung zu seinen Gunsten in entsprechender Anwendung des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, wenn die Behörde eine Erledigung des Widerspruchs in anderer Weise als durch Abhilfe oder Stattgabe in der Absicht herbeigeführt hat, sich dieser Kostenlast zu entledigen (Urteil vom 18. April 1996 a.a.O. S. 71 f.). Ferner kommt eine Kostenentscheidung zugunsten des Widerspruchsführers trotz fehlendem "äußeren Erfolg" des Widerspruchs in Betracht, wenn das Landesrecht - wie hier Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG - eine Regelung zur Kostenverteilung bei Erledigung des Widerspruchs enthält. Ausgehend davon hat das Flurbereinigungsgericht seine Entscheidung, dem Beklagten auch die Verfahrenskosten des Klägers aufzuerlegen, zu Unrecht auf Art. 80 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG gestützt; es hätte stattdessen Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG zur Anwendung bringen müssen, der für den Fall der Erledigung des Widerspruchs "auf andere Weise" eine Kostenentscheidung nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung des bisherigen Sachstands vorsieht.

Der Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2006 stellt ausdrücklich klar, dass der Flurbereinigungsbeschluss vom 19. Juni 2006 nicht aufgrund des - als unzulässig erachteten - Widerspruchs des Klägers, sondern wegen "der anderen" Widersprüche aufgehoben worden sei mit der Folge, dass sich der Widerspruch des Klägers in der Hauptsache erledigt habe. Damit ist dem Widerspruch des Klägers der "äußere Erfolg" einer Stattgabe versagt geblieben (vgl.Urteile vom 21. Juli 1983 - BVerwG 3 C 11.82 - BVerwGE 67, 305 <307 f.> , vom 19. Februar 1982 - BVerwG 8 C 27.81 - BVerwGE 65, 61 <68 f.> undvom 18. Juni 1980 - BVerwG 6 C 55.79 - BVerwGE 60, 223 <228 f.> zur Auslegung von Verwaltungsakten durch das Revisionsgericht). Die Widerspruchsbehörde hat auch nicht sachwidrig nur deshalb von einer Stattgabe abgesehen, um die Verfahrenskosten des Klägers nicht tragen zu müssen. Maßgeblich hierfür war vielmehr die Erwägung, dass der Pachtbesitz dem Kläger kein Abwehrrecht gegen den Flurbereinigungsbeschluss vermittle, so dass sein Widerspruch unzulässig gewesen sei. Es ist offenkundig sachgerecht, einem als unzulässig erachteten Widerspruch nicht stattzugeben. Somit hätte das Flurbereinigungsgericht seine Entscheidung auf Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG stützen müssen.

2.

Die Revision hat gleichwohl keinen Erfolg, weil sich das angefochtene Urteil auch bei der gebotenen Anwendung des Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO). Das Flurbereinigungsgericht hat zu Recht angenommen, dass auch der Kläger als Pächter von Grundstücken im Flurbereinigungsgebiet Widerspruch gegen den Flurbereinigungsbeschluss erheben konnte. "Billigem Ermessen" im Sinne des Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG wird daher nur eine Kostenentscheidung gerecht, die dem Beklagten nicht nur die Verfahrenskosten der widersprechenden Grundstückseigentümer, sondern auch diejenigen des Klägers auferlegt.

a)

Allerdings lässt sich eine Widerspruchsbefugnis der Grundstückspächter entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus der Regelung des § 34 Abs. 1 FlurbG herleiten. Nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG dürfen nach Bekanntgabe des Flurbereinigungsbeschlusses bis zur Unanfechtbarkeit des Flurbereinigungsplans ohne Zustimmung der Flurbereinigungsbehörde nur Änderungen vorgenommen werden, die zum ordnungsgemäßen Wirtschaftsbetrieb gehören. Diese Einschränkung berührt das Pachtrecht schon deshalb nicht, weil die ordnungsgemäße Bewirtschaftung fortgeführt werden kann(Urteil vom 23. Juni 1983 - BVerwG 5 C 13.83 - Buchholz 424.01 § 10 FlurbG Nr. 1 S. 4). Die weiteren Zustimmungsvorbehalte in § 34 Abs. 1 Nr. 2 und 3 FlurbG für dort im Einzelnen aufgeführte Maßnahmen werden erst dann "aktualisiert", wenn sich der Pächter während der Dauer des Flurbereinigungsverfahrens zu deren Durchführung entschließt. Er kann dann bei der Flurbereinigungsbehörde Antrag auf Erteilung der Zustimmung stellen und im Falle einer Ablehnung Rechtsschutz suchen, ist also nicht auf die Möglichkeit des Widerspruchs bereits gegen den Flurbereinigungsbeschluss verwiesen. Dasselbe gilt hinsichtlich der Ermächtigung zum Erlass vorläufiger Anordnungen nach § 36 Abs. 1 FlurbG. Hierbei handelt es sich um gesondert anfechtbare Maßnahmen, gegen die der Pächter vorgehen kann, wenn und soweit seine rechtmäßigen Besitz- und Nutzungsrechte betroffen sind (Urteil vom 23. Juni 1983 a.a.O.).

b)

Pächter von Grundstücken im Flurbereinigungsgebiet können jedoch mit Blick auf den eigentumsrechtlichen Schutz des Pachtbesitzes dann Widerspruch und Klage gegen einen Flurbereinigungsbeschluss erheben, wenn dieser - wie hier - die Anordnung einer Unternehmensflurbereinigung nach § 87 FlurbG zur Verwirklichung eines durch Bebauungsplan festgesetzten Projekts betrifft. Das ergibt sich aus Folgendem:

aa)

Durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass das Besitzrecht des Pächters Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ist(Urteil vom 1. September 1997 - BVerwG 4 A 36.96 - BVerwGE 105, 178 <180> ). Unter den Schutz der Eigentumsgarantie im Bereich des Privatrechts fallen grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte, die ihrem Inhaber von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf (BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1993 - 1 BvR 208/93 - BVerfGE 89, 1 <6> m.w.N.). Diese Voraussetzung erfüllt das Besitzrecht des Pächters, das durch Schutzrechte gegenüber jedermann abgesichert ist und dem Rechtsträger einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich verschafft, den er zum eigenen Vorteil ausnutzen kann. Der Anerkennung des Pachtbesitzes als verfassungsrechtlich geschütztes Eigentum steht auch nicht entgegen, dass die Verfügungsbefugnis des Pächters weitgehend eingeschränkt ist (Urteil vom 1. September 1997 a.a.O.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1993 a.a.O. S. 7 zum Besitzrecht des Mieters).

bb)

Die Unternehmensflurbereinigung nach § 87 Abs. 1 FlurbG wirkt sich gegenüber den Pächtern von Grundstücken im Flurbereinigungsgebiet enteignend aus, soweit sie infolge der Beschaffung von Land für das Unternehmen und der Verteilung des Landverlustes auf den Kreis der am Verfahren beteiligten Eigentümer ihr bisheriges Pachtland verlieren.

Die Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG ist auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver, durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützter Rechtspositionen gerichtet, mit denen ein bestimmtes, der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienendes Vorhaben durchgeführt werden soll (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2001 - 1 BvR 1512/97 und 1 BvR 1677/97 - BVerfGE 104, 1 <9 f.>). Danach ist die Unternehmensflurbereinigung eine Maßnahme der Enteignung. Denn sie ist darauf gerichtet, dem Unternehmensträger die Grundstücke zu beschaffen, die zur Verwirklichung eines im öffentlichen Interesse liegenden Vorhabens benötigt werden (hierzu und zum Folgenden BVerfG, Urteil vom 24. März 1987 - 1 BvR 1046/85 - BVerfGE 74, 264 <280 ff.> ). An der Enteignungsqualität der Maßnahme ändert nichts, dass nach § 87 Abs. 1 Satz 1 FlurbG der durch das Vorhaben entstehende Landverlust auf einen größeren Kreis von Eigentümern verteilt wird. Enteignungsbetroffen sind daher auch Eigentümer von Grundstücken außerhalb des Vorhabengebietes, die im Rahmen der solidarischen Aufbringung der für das Vorhaben benötigten Grundstücke einen Landabzug hinnehmen müssen (vgl. § 88 Nr. 4 FlurbG). Denn auch sie müssen den Zugriff auf ihr Grundstück zur Verwirklichung eines dem öffentlichen Interesse dienenden Vorhabens dulden. Ohne Belang ist außerdem, ob und in welchem Umfang eine Landabfindung stattfindet; dies gilt auch dann, wenn die Landabfindung ohne Flächenabzug erfolgt, weil der Unternehmensträger in entsprechendem Umfang Ersatzflächen einbringt. Die Eigentumsgarantie sichert den konkreten Bestand in der Hand des einzelnen Eigentümers. Die Frage der Landabfindung betrifft demgegenüber Art und Ausmaß der nach Art. 14 Abs. 3 Satz 2 und 3 GG gebotenen Entschädigung.

Diese Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zur enteignungsrechtlichen Betroffenheit des Grundstückseigentums im Rahmen einer Unternehmensflurbereinigung sind auf das Besitzrecht des Pächters übertragbar. Soweit die solidarische Aufbringung der für das Unternehmen benötigten Flächen verpachtete Grundstücke betrifft, wird neben konkretem Grundeigentumsbestand auch konkreter, eigentumsrechtlich geschützter Pachtbesitz zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe entzogen, so dass Art. 14 Abs. 3 GG Anwendung findet. Daran ändert nichts, dass sich das schuldrechtliche Pachtverhältnis, soweit es nicht nach § 49 FlurbG aufgehoben wurde, gemäß § 68 Abs. 1 FlurbG an den Grundstücken fortsetzt, die dem Verpächter neu zugewiesen werden, und dass der Pächter Entschädigung für den Verlust von Pachtland (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2007 - III ZR 116/07 - BGHZ 175, 35 Rn. 20, 25) sowie im Falle schlechterer Bewirtschaftungsverhältnisse beim neuen Pachtbesitz gemäß § 70 FlurbG Ausgleichsansprüche oder einen Anspruch auf Auflösung des Pachtverhältnisses geltend machen kann. Denn insoweit handelt es sich um "sekundäre" Ansprüche auf Entschädigung für den Eigentumsentzug (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. März 1987 a.a.O. S. 283).

Gegen die enteignungsrechtliche Qualität des fremdnützigen Zugriffs auf Pachtland im Rahmen der Unternehmensflurbereinigung kann auch nicht eingewandt werden, dass die Interessen der Pächter an der unbeeinträchtigten Ausübung ihres Pachtrechts in der Flurbereinigung allein durch die Eigentümer der verpachteten Grundstücke "repräsentiert" werden (so jedoch Urteil vom 23. Juni 1983 a.a.O. S. 3; vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 6. Mai 1991 - 7 S 766/90 - NVwZ-RR 1992, 458 <459> ). Die Wahrung des eigentumsrechtlich geschützten Pachtbesitzes kann mit Blick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht davon abhängen, ob und wie der Grundstückseigentümer seine Rechte verteidigt, zumal die Interessen von Pächtern und Grundstückseigentümern durchaus gegenläufig sein können (vgl. Urteil vom 1. September 1997 a.a.O. S. 181). Die Eigenständigkeit der Rechtsstellung der Pächter auch in der Flurbereinigung zeigt im Übrigen die Vorschrift des § 49 Abs. 1 Satz 1 FlurbG, wonach unter anderem persönliche Rechte, die zum Besitz oder zur Nutzung eines Grundstücks berechtigen, aufgehoben werden können, wenn es der Zweck der Flurbereinigung erfordert. Auf dieser Grundlage kann das Pachtrecht auch Gegenstand einer selbständigen Enteignung sein, wenn sich der Grundstückseigentümer mit der Inanspruchnahme des verpachteten Grundstücks einverstanden erklärt (vgl. Urteil vom 1. September 1997 a.a.O.).

cc)

Die "enteignungsrechtliche Vorwirkung" der Anordnung der Flurbereinigung zur Durchführung eines durch Bebauungsplan festgesetzten Unternehmens erstreckt sich auf den Pachtbesitz im gesamten Flurbereinigungsgebiet.

Regelungsgegenstand des Flurbereinigungsbeschlusses (§ 4 FlurbG) ist die nach außen verbindliche Feststellung, dass die Flurbereinigung als Ganze zulässig ist, soweit dies unabhängig von der Einzelausgestaltung des Flurbereinigungsgebietes durch den Flurbereinigungsplan beurteilt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1983 - III ZR 131/82 - DVBl. 1984, 337 <338> zum Umlegungsbeschluss). Nach § 87 Abs. 1 FlurbG darf ein solcher Beschluss, wenn er eine Unternehmensflurbereinigung betrifft, unter anderem nur dann erlassen werden, wenn die Enteignung zulässig ist. Da Bebauungspläne mangels entsprechender gesetzlicher Regelungen keine verbindliche Aussage zur Zulässigkeit der Enteignung treffen(Urteil vom 14. März 1985 - BVerwG 5 C 130.83 - BVerwGE 71, 108 <121> ; BVerfG, Urteil vom 24. März 1987 a.a.O. S. 282), ist diese Prüfung durch die zuständige Flurbereinigungsbehörde vorzunehmen. Mit Bestandskraft der Anordnung der Flurbereinigung zur Durchführung eines durch Bebauungsplan festgesetzten Unternehmens steht daher die Zulässigkeit der für das Vorhaben erforderlichen Enteignung insoweit "dem Grunde nach" fest, als dies unabhängig von der Einzelausgestaltung des Flurbereinigungsgebiets durch den Flurbereinigungsplan beurteilt werden kann; weiteren Enteignungsschritten kann nicht mehr die Unzulässigkeit des Vorhabens als Ganzes entgegen gehalten werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. März 1987 a.a.O.).

Dem Gesetz kann nicht entnommen werden, dass sich diese "enteignungsrechtliche Vorwirkung" des Flurbereinigungsbeschlusses nur auf das Grundstückseigentum, nicht jedoch auf den Pachtbesitz erstrecken soll. Nach § 87 Abs. 1 FlurbG ist die Zulässigkeit der Enteignung vielmehr allgemeine Tatbestandsvoraussetzung für die Anordnung der Unternehmensflurbereinigung. Enteignet werden nach den obigen Ausführungen jedoch auch diejenigen Pächter, die im Zuge der Beschaffung von Flächen für das Unternehmen bisheriges Pachtland verlieren. Es wäre im Übrigen sachwidrig, die "enteignungsrechtliche Vorwirkung" nicht einheitlich gegenüber allen Enteignungsbetroffenen greifen zu lassen, sondern auf die Eigentümer von Grundstücken im Flurbereinigungsgebiet zu beschränken. Denn dann könnte jeder Pächter, der nach Maßgabe des Flurbereinigungsplans Änderungen am Bestand seines Pachtbesitzes hinnehmen muss, erst gegen diesen (auch) mit der Begründung vorgehen, das Vorhaben sei als Ganzes enteignungsrechtlich nicht zulässig, auch wenn das Vorliegen dieser Voraussetzung gegenüber den Grundstückseigentümern bereits bestandskräftig feststeht. Eine solche Lösung liefe dem Zweck der Annahme einer "enteignungsrechtlichen Vorwirkung" zuwider, die dem Grunde nach gegebene Zulässigkeit der für das Vorhaben erforderlichen Enteignung bereits zu Beginn des Verfahrens verbindlich zu klären.

Aus demselben Grunde ist die "enteignungsrechtliche Vorwirkung" der Anordnung der Flurbereinigung zur Realisierung eines bauplanerisch festgesetzten Unternehmens entgegen der Auffassung des Flurbereinigungsgerichts nicht auf den Pachtbesitz am Standort des Unternehmens beschränkt, weil nur insoweit eine unveränderte Wiederzuteilung an den Eigentümer und damit die Fortsetzung des Pachtverhältnisses dort ausscheide. Zwar ist denkbar, dass die Unternehmensflurbereinigung den außerhalb des unmittelbaren Vorhabenbereichs liegenden Pachtbesitz einzelner Pächter letztlich unverändert lässt. Auf diesen Aspekt kann es jedoch für die Bestimmung der Reichweite der "enteignungsrechtlichen Vorwirkung" nicht ankommen, unabhängig davon, wie die Fortführung von Pachtverhältnissen an identischen Abfindungsgrundstücken eigentumsrechtlich einzuordnen ist. Eine Beschränkung der "enteignungsrechtlichen Vorwirkung" auf den Pachtbesitz im unmittelbaren Vorhabenbereich hätte zur Folge, dass jeder Pächter von außerhalb dieses Bereichs gelegenen Grundstücken, der sein bisheriges Pachtland im Zuge der Verteilung des durch das Unternehmen entstehenden Landverlustes auf einen größeren Kreis von Eigentümern (§ 87 Abs. 1 Satz 1 FlurbG) verliert, die enteignungsrechtliche Zulässigkeit des Unternehmens erst im Rahmen des Rechtsschutzes gegen den Flurbereinigungsplan in Frage stellen könnte, auch wenn diese gegenüber allen Eigentümern sowie den Pächtern von Grundstücken im Vorhabenbereich bereits bestandskräftig feststeht. Die in § 87 Abs. 1 FlurbG festgelegte "enteignungsrechtliche Vorwirkung" der Anordnung der Flurbereinigung zur Verwirklichung eines bauplanerisch festgesetzten Unternehmens könnte dann ihren Zweck nicht erfüllen, die enteignungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens gegenüber allen Enteignungsbetroffenen in einem frühen Verfahrensstadium verbindlich "abzuschichten". Maßgeblich für deren Reichweite kann daher allein sein, dass bei Einleitung der Unternehmensflurbereinigung jeder Pächter von Grundstücken im Flurbereinigungsgebiet mit dem Entzug vorhandener Pachtflächen rechnen muss.

Somit normiert § 87 Abs. 1 FlurbG für den Fall einer Anordnung der Flurbereinigung zur Durchführung eines durch Bebauungsplan festgesetzten Unternehmens eine "enteignungsrechtliche Vorwirkung" des Inhalts, dass mit Bestandskraft dieses Flurbereinigungsbeschlusses sowohl gegenüber den Eigentümern von Grundstücken im Flurbereinigungsgebiet (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. März 1987 a.a.O. S. 282) als auch gegenüber allen Pächtern solcher Grundstücke die Zulässigkeit der für das Vorhaben erforderlichen Enteignung insoweit feststeht, als dies unabhängig von der Einzelausgestaltung des Flurbereinigungsgebietes durch den Flurbereinigungsplan beurteilt werden kann. Dies hat zur Folge, dass neben den Grundstückseigentümern auch alle Pächter von Grundstücken im Flurbereinigungsgebiet befugt sind, zur Vermeidung der Bestandskraft Widerspruch und Klage gegen einen solchen - nach § 6 Abs. 2 FlurbG öffentlich bekannt zu machenden - Flurbereinigungsbeschluss zu erheben. Soweit das Bundesverwaltungsgerichtim Urteil vom 23. Juni 1983 - BVerwG 5 C 13.83 - (Buchholz 424.01 § 10 FlurbG Nr. 1) die Auffassung vertreten hat, dass Pächtern von im Flurbereinigungsgebiet belegenen Grundstücken - unabhängig von der Verfahrensart (ebenda S. 5) - keine Klagebefugnis gegen die Anordnung der Flurbereinigung zusteht, wird hieran für den Fall der Anordnung der Flurbereinigung nach § 87 Abs. 1 FlurbG zur Durchführung eines durch Bebauungsplan festgesetzten Vorhabens nicht mehr festgehalten.

Nach allem ist die Entscheidung des Flurbereinigungsgerichts im Ergebnis nicht zu beanstanden, weil der Widerspruch des Klägers gegen den Flurbereinigungsbeschluss vom 19. Juni 2006 - ebenso wie die Widersprüche der betroffenen Grundstückseigentümer - zulässig war und es daher der Billigkeit im Sinne des Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG entspricht, dem Beklagten die Verfahrenskosten des Klägers aufzuerlegen.

3.

Das Flurbereinigungsgericht hat die Zuziehung eines Bevollmächtigten durch den Kläger für das Widerspruchsverfahren in Einklang mit der - gemäß Art. 99 GG, Art. 97 BayVwVfG revisiblen - Vorschrift des Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG für notwendig erklärt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren dann notwendig, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen und der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten ist, das Vorverfahren selbst zu führen. Maßgebend ist, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage eines Rechtsanwalts bedient hätte(Beschluss vom 14. Januar 1999 - BVerwG 6 B 118.98 - Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 42 S. 1 m.w.N.). Daran kann hier angesichts der Schwierigkeit der Rechtsmaterie kein Zweifel bestehen.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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