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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 08.05.2002
Aktenzeichen: BVerwG 9 C 5.01
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 30 Abs. 1
BauGB § 133 Abs. 1 Satz 1
Die Frage, durch welche Straße ein Grundstück im Sinne des § 133 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossen ist, richtet sich im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans nach dessen Festsetzungen über die straßenmäßige Erschließung. Der Bestandsschutz des Gebäudes, dessen Errichtung auf Grund einer davon abweichenden Zuwegung bereits vor In-Kraft-Treten des Bebauungsplans genehmigt wurde, reicht zur Begründung einer Erschließungsbeitragspflicht des Grundstücks nach § 133 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht aus.

Im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB "gesichert" ist eine Erschließung nur dann, wenn damit zu rechnen ist, dass sie auf Dauer zur Verfügung stehen wird. Eine Zuwegung zu einem Hinterliegergrundstück, die nur auf einer auflösend bedingten Baulast beruht, löst jedenfalls dann keine Erschließungsbeitragspflicht nach § 133 Abs. 1 Satz 1 BauGB aus, wenn sich in dem gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB maßgeblichen Zeitpunkt bereits konkret abzeichnet, dass die Baulast durch Eintritt der Bedingung demnächst erlöschen wird.


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 9 C 5.01

Verkündet am 8. Mai 2002

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 8. Mai 2002 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hien und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost, Kipp, Vallendar und Prof. Dr. Rubel

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. März 2001 wird geändert.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 29. Januar 1999 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

1. Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung eines Erschließungsbeitrags für die erstmalige Herstellung des Lindenweges. Er ist Eigentümer des Grundstücks Flur 43 Flurstück Nr. 838 der Gemarkung P. Er erwarb dieses Grundstück Anfang 1970 als eine rückwärtig der Hausgrundstücke Lindenweg 38 und 40 gelegene und unbebaute Teilfläche der damaligen Flurstücke Nrn. 211, 212, 189, 190 und 191. Es ist mit einem Einfamilienhaus und einer Doppelgarage bebaut. Die Bebauung beruht im Wesentlichen auf dem Kläger am 30. September 1970, 14. Juni 1971 und 23. Februar 1978 erteilten Baugenehmigungen. Bei Erteilung der Baugenehmigung für das Wohnhaus am 30. September 1970 grenzte das inzwischen unter den Flurstücksbezeichnungen 617, 618, 619 und 620 (Lindenweg 38 a) verselbständigte Grundstück nicht unmittelbar an öffentliche Verkehrsflächen an. Von dem östlich verlaufenden Lindenweg war das Grundstück durch die genannten Hausgrundstücke Lindenweg 38 und 40 getrennt. Westlich angrenzend an das Grundstück des Klägers war eine Straße weder vorhanden noch planerisch festgesetzt. Der bei Erteilung der genannten Baugenehmigungen geltende Bebauungsplan Nr. 1 ("Baunutzungsplan") regelte lediglich Art und Maß baulicher Nutzung der Grundstücke und wies das Gebiet als Wohngebiet aus.

Im Rahmen der Vorprüfung des der Baugenehmigung vom 30. September 1970 zugrunde liegenden Baugesuchs des Klägers stellte das Bauaufsichtsamt des Beklagten auf der Grundlage der in den Bauvorlagen gemachten Angaben fest, dass die Erschließung des Grundstücks des Klägers zurzeit nicht gesichert sei. Im Hinblick auf interne Planungsvorstellungen des Beklagten, die westlich angrenzend an das Grundstück die spätere Errichtung einer Stichstraße vorsahen, hielt es das Bauaufsichtsamt jedoch für ausreichend, dass die Erschließung "bis zur Offenlegung der gepl. Straße" über eine Baulast auf dem Grundstück Lindenweg 40 gesichert werden konnte. Die Eigentümerin dieses Grundstücks, von der der Kläger sein Grundstück erworben hatte, gab daraufhin unter dem 19. August 1970 gegenüber dem Bauaufsichtsamt eine Verpflichtungserklärung zur Übernahme einer Zugangsbaulast mit folgendem Wortlaut ab:

"Sicherung eines fremden Zugangs über das Flurstück 211 der Flur 43 (Lindenweg 40) für das Grundstück Lindenweg 38 a, Flur 43, Flurstück 618, 619 + 620, bis zur Offenlegung der geplanten Straße".

Diese Baulast wurde in das Baulastenverzeichnis eingetragen.

Bereits unter dem 6. August 1970 hatten der Kläger und der Beklagte auf der Grundlage der damaligen Erschließungsbeitragssatzung der Stadt P. vom 1. April 1967 einen Vertrag über die Fälligkeit einer Vorausleistung in Höhe von 11 262,50 DM und die Erbringung des Vorausleistungsbetrags als endgültige Ablösung des Erschließungsbeitrags für das Grundstück Lindenweg 38 a geschlossen.

Das südlich des Lindenweges gelegene Gebiet, dem das Grundstück des Klägers und der Lindenweg vollständig zugehören, wurde in der Folgezeit vom Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 70 A vom 15. August 1978 erfasst. Dieser Bebauungsplan, der am 30. Januar 1995 geändert wurde, setzte u.a. den Lindenweg sowie zwei vom Ulmenweg nach Nordwesten bzw. Südosten abgehende Stichstraßen als öffentliche Verkehrsflächen fest. Nach der Begründung zum Bebauungsplan sollten diese Stichstraßen die Erschließung der rückwärtigen Grundstücksflächen zwischen Kilianstraße und Lindenweg übernehmen. Die südöstliche Stichstraße mit einer Länge von ca. 105 m und einem ca. 60 m langen Querstück an ihrem Ende grenzt an die Westseite des Grundstücks des Klägers und trägt den Namen Platanenweg. Die Bauarbeiten für den Platanenweg, auf die der Kläger wegen der darauf ausgerichteten Anlage seines Wohnhauses und seiner Garage seit 1983 wiederholt vergeblich gedrängt hatte, wurden ab 1994 zunächst teilweise ausgeführt.

Im Zuge eines Umlegungsverfahrens für das betreffende Gebiet wurde am 17. Oktober 1994 eine am 26. Januar 1970 bei Erwerb des Grundstücks des Klägers zu dessen Gunsten auf dem Flurstück 211 eingeräumte und "bis zum Ausbau der von der Stadt P. geplanten Straße zu den herrschenden Grundstücken" befristete Grunddienstbarkeit (Wegerecht) gelöscht. Im Juli 1995 wies der Kläger den Beklagten auf diese Löschung sowie darauf hin, dass die Eigentümerin des Grundstücks Lindenweg 40 ihm nur noch bis zum 31. Oktober 1995 gestatten werde, ihr Eigentum zu begehen und zu befahren. Der Platanenweg sei zwar mittlerweile angelegt, jedoch nur mit einer ersten Schwarzdecke versehen und habe noch nicht die endgültige Höhe, so dass der Kläger mit dem Kraftfahrzeug von dieser Straße noch nicht auf sein Grundstück herauffahren könne. Er bitte um schnellstmögliche Fertigstellung der Straße. Der Beklagte teilte dem Kläger daraufhin unter dem 29. August 1995 mit, sein Grundstück sei künftig nur noch über den Platanenweg erreichbar. Die Erschließung vom Lindenweg sei durch die Aufhebung der Grunddienstbarkeit nicht mehr gegeben. Der Endausbau des Platanenwegs sei für 1996 vorgesehen. Tatsächlich wurde die Herstellung des Platanenwegs im Herbst 1996 abgeschlossen. Seine Widmung erfolgte am 23. Oktober 1996.

Der Lindenweg, dessen Widmung als öffentliche Straße bereits 1979 öffentlich bekannt gemacht worden war, wurde im Sommer 1995 fertig gestellt. Die letzte Unternehmerrechnung hierfür ging am 20. Juli 1995 beim Beklagten ein. Die beitragsrechtliche Abrechnung dieser Straße begann im Oktober 1995. Das Grundstück des Klägers wurde bei der Verteilung des Erschließungsaufwands zunächst unberücksichtigt gelassen. Nach einem hierzu gefertigten Vermerk war angenommen worden, dass bei Entstehung der sachlichen Beitragspflicht für den Lindenweg das Grundstück wegen der Löschung der Grunddienstbarkeit nicht mehr durch den Lindenweg erschlossen gewesen sei.

Im Zuge der im September 1997 begonnenen Abrechnung des Erschließungsaufwands für den Platanenweg überprüfte der Beklagte diese Beurteilung mit dem Ergebnis, dass das Grundstück auch in die Verteilung des Erschließungsaufwands für den Lindenweg einbezogen werden müsse.

Mit Bescheid vom 10. November 1997 setzte der Beklagte zu Lasten des Klägers einen Erschließungsbeitrag für den Platanenweg in Höhe von 13 766,78 DM fest. Der Bescheid enthielt den Hinweis:

"Aus dem Vertrag vom 6. August 1970 sind 6.450,95 DM für den Lindenweg verbraucht worden. Für den Platanenweg kann ich Ihnen den Betrag von 4.711,55 DM anrechnen."

Den dagegen vom Kläger eingelegten Widerspruch wies der Beklagte zurück und führte u.a. aus: Die Ablösungsvereinbarung im Vertrag vom 6. August 1970 sei nicht rechtswirksam, nachdem das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 27. Januar 1982 die - auch diesem Vertrag zugrunde liegende - Ablösungsregelung der Erschließungsbeitragssatzung als ungültig beurteilt habe. Die Regelung des Vertrags zur Vorausleistung gelte demgegenüber fort. Der hierauf gezahlte Betrag habe im Umfang von 6 450,95 DM tilgende Wirkung in Bezug auf die Beitragspflicht des Klägers für den Lindenweg.

Gegen den Beitragsbescheid für den Platanenweg erhob der Kläger zunächst Klage. In diesem Klageverfahren setzte der Beklagte den Beitrag im Hinblick auf die von ihm angenommene Mehrfacherschließung auf 9 544,15 DM herab. Daraufhin nahm der Kläger die Klage zurück.

2. Mit Bescheid vom 11. März 1998 setzte der Beklagte für das Grundstück des Klägers den Erschließungsbeitrag in Bezug auf den Lindenweg auf 6 450,95 DM fest und verrechnete hierauf denselben Betrag aus der Vorausleistung. Der nach erfolglosem Widerspruch erhobenen Anfechtungsklage gegen diesen Bescheid hat das Verwaltungsgericht Minden durch Urteil vom 29. Januar 1999 stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen durch Urteil vom 23. März 2001 das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Entgegen der Beurteilung des Verwaltungsgerichts sei das Grundstück des Klägers in Bezug auf den Lindenweg beitragspflichtig. Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 BauGB unterliege ein Grundstück der Beitragspflicht, wenn es der abzurechnenden Anbaustraße wegen bebaubar sei, also u.a. von ihr aus in einer Weise verkehrlich erreichbar sei, die den einschlägigen Bestimmungen des Bebauungsrechts und des Bauordnungsrechts genüge. Grenze das Grundstück nicht an die abzurechnende Anbaustraße (sog. Hinterliegergrundstück), müsse das erforderliche Heranfahrenkönnen an die Grundstücksgrenze diesem Grundstück über den dazwischenliegenden fremden Grundbesitz durch eine öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt vermittelt werden. Erst dann werde das Hinterliegergrundstück durch die Anbaustraße im Sinne des § 133 BauGB erschlossen. Maßgeblich für die Beurteilung des Erschlossenseins in diesem Sinne seien dabei grundsätzlich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht für die betreffende Erschließungsanlage. Dies sei hier der 20. Juli 1995. Zu diesem Zeitpunkt seien die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 Satz 1 BauGB hinsichtlich des Grundstücks des Klägers gegeben gewesen. Eine Zufahrt vom Lindenweg über das Anliegergrundstück Lindenweg 40 zum (bebauten) Hinterliegergrundstück habe tatsächlich bestanden und sei auch in einer Weise öffentlich-rechtlich gesichert gewesen, die den bauordnungsrechtlichen Anforderungen an eine hinreichende Erreichbarkeit dieses Grundstücks genügte.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision. Er macht geltend, sein Grundstück sei am 20. Juli 1995 nicht mehr zum Lindenweg hin beitragsrechtlich relevant erschlossen gewesen. Die Wirkung der Baulast sei nämlich dadurch entfallen, dass das Grundstück zwischenzeitlich in beitragsrelevanter Weise zum Platanenweg hin erschlossen gewesen sei. Infolge des Bebauungsplans beurteile sich diese Frage nach § 30 Abs. 1 BauGB. Für die danach erforderliche "gesicherte Erschließung" zu der im Bebauungsplan vorgesehenen Straße reiche es aus, wenn sich diese Straße in einem Zustand befinde, der eine Benutzung in zumutbarer Weise ermögliche. Ausreichend sei insofern das Heranfahrenkönnen mit Personen- und kleineren Versorgungsfahrzeugen. Diese Möglichkeit habe der Platanenweg dem Grundstück des Klägers am 20. Juli 1995 schon geboten. Damit sei die auflösende Bedingung der Baulast erfüllt gewesen. Das Berufungsgericht habe diese Bedingung falsch ausgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. März 2001 zu ändern und den Erschließungsbeitragsbescheid des Beklagten vom 11. März 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 1998 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und meint ergänzend, auf die im Bebauungsplan Nr. 70 A vorgesehene Erschließung des Grundstücks des Klägers durch den Platanenweg komme es nicht an, da das Grundstück bei In-Kraft-Treten dieses Bebauungsplans bereits bebaut und durch den Lindenweg erschlossen gewesen sei. Der Platanenweg habe dem Grundstück daher nur eine weitere Erschließung gewähren können. Noch nicht verwirklichte Bebauungspläne dürften im Übrigen keine Rolle bei der Frage der Erschließung spielen.

II.

Die Revision, gegen deren Zulässigkeit keine Bedenken bestehen, ist begründet. Das angefochtene Berufungsurteil kann keinen Bestand haben, weil es auf der Verletzung von Bundesrecht beruht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Bei der hiernach gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO zu treffenden Entscheidung in der Sache selbst ist die Berufung des Beklagten zurückzuweisen. Denn das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.

Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass die Beitragspflicht des Grundstücks des Klägers gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 BauGB voraussetzt, dass es der abzurechnenden Anbaustraße wegen bebaubar ist, insbesondere also von dieser Straße aus in einer Weise verkehrlich erreichbar ist, die den einschlägigen Bestimmungen des Bebauungsrechts und des Bauordnungsrechts genügt. Es hat ebenfalls im Ausgangspunkt zutreffend ausgeführt, dass diese Voraussetzung gerade in dem Zeitpunkt gegeben sein muss, in dem gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB die sachlichen Beitragspflichten für die abzurechnende Anbaustraße entstehen. Dies war hier nach den gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts der 20. Juli 1995, an dem die letzte Unternehmerrechnung für den Lindenweg einging.

Das Berufungsgericht hat jedoch im Einzelnen nicht geprüft, ob die Erschließung des Grundstücks vom Lindenweg aus in diesem Zeitpunkt noch den einschlägigen Bestimmungen des Bebauungsrechts entsprach. Maßgeblich war seit In-Kraft-Treten des Bebauungsplans Nr. 70 A vom 15. August 1978 insoweit § 30 Abs. 1 BBauG/BauGB. Den Maßstab für die nach dieser Vorschrift erforderliche Beurteilung, ob die Erschließung des Grundstücks gesichert ist, bildet allein die Festsetzung der straßenmäßigen Erschließung im Bebauungsplan (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Februar 1986 - BVerwG 4 C 10.83 - Buchholz 406.11 § 30 BBauG Nr. 25 S. 6, vom 17. Juni 1993 - BVerwG 4 C 7.91 - Buchholz 406.11 § 10 BauGB Nr. 30 S. 42 und vom 16. Dezember 1993 - BVerwG 4 C 27.92 - Buchholz 316 § 56 VwVfG Nr. 9 S. 7). Der im maßgeblichen Zeitpunkt geltende Bebauungsplan Nr. 70 A in der Fassung der Änderung vom 30. Januar 1995 sah jedoch nur eine Erschließung des Grundstücks des Klägers durch den Platanenweg, nicht durch den Lindenweg vor. Die bebauungsrechtliche Zulässigkeit der zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Zuwegung vom Lindenweg über das Grundstück Lindenweg 40 beruhte allein auf dem durch die wegen dieser Zuwegung erteilten Baugenehmigungen dem genehmigten Gebäude vermittelten Bestandsschutz. Dieser macht eine Fläche jedoch nicht bebaubar im Sinne des § 133 Abs. 1 Satz 1 BauGB und reicht deshalb zur Begründung einer Erschließungsbeitragspflicht des Grundstücks nach dieser Vorschrift nicht aus (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. September 1974 - BVerwG IV C 70.72 - Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 48 S. 42 und vom 17. Juni 1994 - BVerwG 8 C 24.92 - BVerwGE 96, 116 <125>). Maßgebend ist vielmehr, ob für das Grundstück - unabhängig von einem etwaigen Bestandsschutz für eine bereits erfolgte Bebauung - im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten gerade im Hinblick auf die abzurechnende Straße "aktuell" eine Baugenehmigung erteilt werden müsste. Dies war hier nicht der Fall. Wäre - aus welchen Gründen auch immer - nach In-Kraft-Treten des Bebauungsplans Nr. 70 A geplant gewesen, auf dem Grundstück ein neues Wohnhaus zu errichten, hätte dieses nur im Hinblick auf die absehbare Herstellung des Platanenweges, nicht aber unabhängig hiervon wegen der Zuwegung vom Lindenweg aus zugelassen werden dürfen.

Abgesehen davon genügte die Erschließung des Grundstücks des Klägers vom Lindenweg aus den Anforderungen des § 30 Abs. 1 BauGB auch deshalb nicht, weil sie nicht im Sinne dieser Vorschrift "gesichert" war. In diesem Sinne gesichert ist eine Erschließung nur dann, wenn damit zu rechnen ist, dass sie auf Dauer zur Verfügung stehen wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 30. August 1985 - BVerwG 4 C 48.81 - Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 228 S. 140, vom 3. Mai 1988 - BVerwG 4 C 54.85 - Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 246 S. 10 und vom 31. Oktober 1990 - BVerwG 4 C 45.88 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 265 S. 47). Es entspricht deshalb der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass ein Hinterliegergrundstück nur dann bei der Beitragsverteilung zu berücksichtigen ist, wenn die Zuwegung über ein unmittelbar an der Straße gelegenes Grundstück voraussichtlich auf Dauer besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. August 2000 - BVerwG 11 B 48.00 - Buchholz 406.11 § 123 BauGB Nr. 42). Diese Voraussetzung lag in Bezug auf die hier allein zu prüfende Erschließung durch den Lindenweg jedenfalls am 20. Juli 1995 nicht vor. Das Berufungsgericht hat in Auslegung des gemäß § 137 Abs. 1 VwGO irrevisiblen Landesrechts und in tatsächlicher Hinsicht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellt, dass diese Erschließung im maßgeblichen Zeitpunkt nur auf einer Baulast beruhte, die durch die noch ausstehende straßenrechtliche Widmung des vom Beklagten zur dauerhaften Erschließung des Grundstücks geplanten Platanenwegs auflösend bedingt war. Da der Platanenweg in diesem Zeitpunkt nicht nur "auf dem Papier" geplant, sondern auch unstreitig bereits tatsächlich angelegt und befahrbar war, zeichnete sich hinreichend konkret ab, dass die Baulast durch Eintritt der ihr beigefügten auflösenden Bedingung demnächst erlöschen würde. Jedenfalls bei dieser Sachlage konnte nicht damit gerechnet werden, dass die Erschließung durch den Lindenweg noch auf Dauer zur Verfügung stehen würde. Wegen des Lindenweges hätte der Kläger deshalb im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten auch unter dem Gesichtspunkt der Dauerhaftigkeit der Erschließung keine neue Genehmigung für die Bebauung seines Grundstücks erhalten dürfen.

Diese Beurteilung fügt sich auch in die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum sog. Stichtagsprinzip ein.

Danach kommt es maßgebend auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten an; eine spätere Änderung dieser Verhältnisse hat selbst dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit eines ergangenen Erschließungsbeitragsbescheids, wenn mit ihr schon im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten zu rechnen war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. März 1995 - BVerwG 8 B 5.95 - Buchholz 406.11 § 134 BauGB Nr. 7 m.w.N.).

Im hier zu beurteilenden Fall ist insoweit Folgendes zu beachten: Das maßgebliche Bebauungsrecht verlangt - wie bereits dargelegt - nicht nur, dass das Grundstück zu einem bestimmten Zeitpunkt zugänglich ist. Es setzt außerdem die Feststellung voraus, dass die Verbindung zum öffentlichen Wegenetz auf Dauer bestehen wird. Fehlt es hieran, darf eine Baugenehmigung nicht erteilt werden. Das erschließungsbeitragsrechtliche Stichtagsprinzip ist insoweit in der Weise anzuwenden, dass die für die Frage der Dauerhaftigkeit der Erschließung erforderliche prognostische Betrachtung von den im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflichten vorhandenen Erkenntnissen auszugehen hat.

Auch die Erteilung der Baugenehmigung Anfang der 70er-Jahre rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Baugenehmigungsbehörde konnte aus ihrer Sicht nämlich berücksichtigen, dass mit dem Wegfall der Baulast für die Zuwegung zum Lindenweg die Erschließung des Grundstücks des Klägers über den Platanenweg und damit "alternativ" gesichert war. Diese Gesamtbetrachtung lässt das Erschließungsbeitragsrecht aber nicht zu. Es verlangt eine isolierte Beurteilung bezüglich der abgerechneten Straße. Ein Grundstück muss gerade ihretwegen bebaubar sein.

Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob eine Zuwegung, die allein auf einer auflösend bedingten Baulast beruht, nicht regelmäßig von vornherein ungeeignet ist, die Annahme ihrer Dauerhaftigkeit zu rechtfertigen und damit eine Beitragspflicht nach § 133 Abs. 1 Satz 1 BauGB auszulösen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 3 298,32 € (entspricht 6 450,95 DM) festgesetzt (§ 13 Abs. 2, §§ 14, 73 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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