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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.07.1988
Aktenzeichen: 103/85
Rechtsgebiete: EGKS-Vertrag


Vorschriften:

EGKS-Vertrag Art. 35
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Unternehmen "aussergewöhnliche Schwierigkeiten" hat, die nach Artikel 14 der Entscheidung Nr. 234/84 eine Anpassung der Lieferquoten rechtfertigen, ist nur auf die Lage bei derjenigen Erzeugnisgruppe abzustellen, die Gegenstand einer hohen prozentualen Kürzung ist; das positive oder negative Betriebsergebnis des Unternehmens bleibt dabei ausser Betracht.

2. Die Frage, ob eine Beihilfe eine zur Deckung von Betriebsverlusten bestimmte Beihilfe ist, die einer Anpassung der Lieferquoten nach Artikel 14 der Entscheidung Nr. 234/84 entgegensteht, ist anhand der Voraussetzungen für ihre Gewährung und anhand ihres Zwecks und nicht anhand ihrer Auswirkung auf die Gewinn - und Verlustrechnung des Unternehmens zu beurteilen.

Die Verlängerung des Quotensystems dient dem Ziel, die zur Anpassung der Kapazitäten an die voraussichtliche Nachfrage notwendige Umstrukturierung zu fördern und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Eisen - und Stahlindustrie wiederherzustellen. Mit diesem Zweck stimmt es überein, daß Unternehmen, die eine Art von Beihilfen, nämlich Beihilfen zur Deckung von Betriebsverlusten, erhalten haben, die geeignet ist, die gewünschte Umstrukturierung zu verzögern, von der Gewährung der Zusatzquoten, die auch den Anreiz für diese Umstrukturierung verringern kann, ausgeschlossen sind. Dagegen können Beihilfen, die tatsächlich die angestrebte Umstrukturierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit fördern, nicht als Beihilfen zur Deckung von Betriebsverlusten im Sinne von Artikel 14 der Entscheidung Nr. 234/84 angesehen werden.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (ZWEITE KAMMER) VOM 14. JULI 1988. - STAHLWERKE PEINE-SALZGITTER AG GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - EGKS - ANPASSUNG VON LIEFERQUOTEN. - RECHTSSACHE 103/85.

Entscheidungsgründe:

1 Die Stahlwerke Peine-Salzgitter AG hat mit Klageschrift, die am 22. April 1985 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 35 EGKS-Vertrag Klage erhoben auf Aufhebung der Entscheidung, mit der es die Kommission stillschweigend abgelehnt hat, die Lieferquoten der Klägerin für die Erzeugnisse der Gruppe III ( Formstahl ) für das erste Quartal 1985 gemäß Artikel 14 der allgemeinen Entscheidung Nr. 234/84/EGKS der Kommission vom 31. Januar 1984 zur Verlängerung des Systems der Überwachung und der Erzeugungsquoten für bestimmte Erzeugnisse der Unternehmen der Stahlindustrie ( ABl. L 29, S. 1 ) anzupassen.

2 Die Klägerin forderte die Kommission mit Schreiben vom 15. Januar 1985 zur Vornahme der besagten Anpassungen auf. Da die Kommission nicht innerhalb der in Artikel 35 EGKS-Vertrag vorgesehenen Frist von zwei Monaten eine Entscheidung über diesen Antrag erließ, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Mit einer während des Verfahrens erlassenen ausdrücklichen Einzelfallentscheidung vom 11. Juni 1985 lehnte es die Kommission ab, der Klägerin gegenüber eine Quotenanpassung nach dem erwähnten Artikel 14 für das erste und das zweite Quartal 1985 vorzunehmen. In ihrer Erwiderung hat die Klägerin ihre Klage auf die ausdrückliche Entscheidung der Kommission vom 11. Juni 1985 erweitert und die Aufhebung dieser Entscheidung beantragt, soweit damit ihr Antrag auf Anpassung der Quoten nach Artikel 14 für die Erzeugnisse der Gruppe III für das erste Quartal 1985 abgelehnt wird.

3 Im Rahmen des Systems der Überwachung und der Erzeugungsquoten für bestimmte Erzeugnisse der Unternehmen der Stahlindustrie setzt die Kommission die vierteljährlichen Erzeugungsquoten und den Teil dieser Quoten, der innerhalb des Gemeinsamen Marktes geliefert werden darf ( Lieferquoten ), auf der Grundlage der bei Einführung des Systems festgesetzten Vergleichsproduktionen und -mengen durch Anwendung bestimmter vierteljährlich festgesetzter prozentualer Kürzungssätze auf diese Vergleichsproduktionen und -mengen fest.

4 Artikel 14 der allgemeinen Entscheidung Nr. 234/84 bestimmt unter anderem :

"Wenn aufgrund des Umfangs der für ein Quartal festgelegten Kürzungsrate für eine bestimmte Erzeugnisgruppe das Quotensystem aussergewöhnliche Schwierigkeiten für ein Unternehmen verursacht, das in den zwölf Monaten vor dem fraglichen Quartal

- keine von der Kommission genehmigten Beihilfen zur Deckung von Betriebsverlusten erhalten hat,

- mit keinen Sanktionen in bezug auf die Preisvorschriften belegt worden ist oder die fälligen Geldbussen gezahlt hat,

nimmt die Kommission... eine angemessene Anpassung der Quoten und/oder der Quotenteile vor, die bei der oder den fraglichen Erzeugnisgruppen innerhalb des Gemeinsamen Marktes geliefert werden dürfen,..."

5 Die Klägerin ist ein Stahlunternehmen. Sie produziert insbesondere Walzstahl der Erzeugnisgruppe III ( Formstahl ), der 16 % ihrer Gesamtproduktion ausmacht. Bei dieser Erzeugnisgruppe ist das Verhältnis zwischen der Erzeugungsquote und dem Teil dieser Quote, der innerhalb des Gemeinsamen Marktes geliefert werden darf, ( sogenannte I:P-Relation ), für die Klägerin sowohl absolut als auch im Vergleich zum Gemeinschaftsdurchschnitt ungewöhnlich ungünstig; es lag im streiterheblichen Zeitraum um ungefähr 24 % unter dem Gemeinschaftsdurchschnitt für die genannte Erzeugnisgruppe.

6 In Kenntnis der Schwierigkeiten der Klägerin wegen der I:P-Relation nahm die Kommission auf Antrag der Klägerin für das zweite, das dritte und das vierte Quartal 1984 aufgrund von Artikel 14 der Entscheidung Nr. 234/84 eine Anpassung des Teils der Quote vor, der innerhalb des Gemeinsamen Marktes geliefert werden durfte. Zugleich gab die Kommission jedoch zu erkennen, daß sie der Klägerin keine Quotenanpassungen aufgrund des genannten Artikels 14 für das erste Quartal 1985 gewähren wolle, weil die Behörden der Bundesrepublik Deutschland der Klägerin im vierten Quartal 1984 von der Kommission genehmigte Strukturverbesserungshilfen für Sonderabschreibungen gewährt hätten. Diese Strukturverbesserungshilfen seien als Beihilfen zur Deckung von Betriebsverlusten einzustufen, die nach Artikel 14 einer Gewährung von Zusatzquoten nach dieser Bestimmung entgegenstuenden. Die ausdrückliche Entscheidung der Kommission vom 11. Juni 1985 enthielt dieselbe Begründung. In dieser Entscheidung stellte die Kommission ferner fest, da die Betriebsergebnisse der Klägerin seit dem vierten Quartal 1984 insgesamt positiv gewesen seien, lägen keine "aussergewöhnlichen Schwierigkeiten" im Sinne von Artikel 14 mehr vor.

7 Unstreitig erhielt die Klägerin im besagten Zeitraum Beihilfen nach der "Richtlinie des Bundeswirtschaftsministers für die Gewährung von Strukturverbesserungshilfen an Unternehmen der Eisen - und Stahlindustrie vom 28. Dezember 1983" ( Bundesanzeiger Nr. 245 vom 31.12.1983 ). Die Strukturverbesserungshilfen beziehen sich auf

- Aufwendungen zugunsten von Arbeitnehmern, die von Umstrukturierungsmaßnahmen betroffen sind und als unmittelbar oder mittelbar Betroffene aus dem Unternehmen ausscheiden,

- ausserplanmässige Abschreibungen auf Anlagen, die zur Produktion von Eisen und Stahl im Sinne des EGKS-Vertrags bestimmt sind, und zwar für die Stillegung dieser Anlagen oder in Ausnahmefällen wegen nachhaltig verminderter Auslastung dieser Anlagen.

8 Die Klägerin erhielt Beihilfen zugunsten von Arbeitnehmern, die von Umstrukturierungsmaßnahmen betroffen sind und aus dem Unternehmen ausscheiden, sowie Beihilfen für Abschreibungen auf die Stillegung von Anlagen und wegen nachhaltig verminderter Auslastung. Nur um diese letzteren Beihilfen geht es in der vorliegenden Rechtssache.

9 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrens und des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur Zulässigkeit

10 Die Kommission äussert Zweifel an der Zulässigkeit der Umstellung der Klage von einer Untätigkeitsklage auf eine Nichtigkeitsklage, macht jedoch die Unzulässigkeit nicht formell geltend.

11 Insoweit ist festzustellen, daß die ausdrückliche Entscheidung vom 11. Juni 1985, mit der während des Verfahrens die frühere stillschweigende Entscheidung mit dem gleichen Gegenstand, nämlich der Ablehnung einer Anpassung der Lieferquoten der Klägerin für die Erzeugnisse der Gruppe III für das erste Quartal 1985 nach Artikel 14 der Entscheidung Nr. 234/84, ersetzt wurde, als eine neue Tatsache anzusehen ist, die die Klägerin zur Anpassung ihrer Anträge und ihres Vorbringens berechtigte. Wie der Gerichtshof in seinen Urteilen vom 3. März 1982 in der Rechtssache 14/81 ( Alpha Steel/Kommission, Slg. 1982, 749 ) und vom 29. September 1987 in den verbundenen Rechtssachen 351 und 360/85 ( Fabrique de Fer de Charleroi SA und Dillinger Hüttenwerke AG/Kommission, Slg. 1987, 3639 ) für Recht erkannt hat, wäre es mit einer geordneten Rechtspflege und dem Erfordernis der Prozessökonomie unvereinbar, wenn die Klägerin eine neue Klage vor dem Gerichtshof erheben müsste.

12 Ausserdem wäre es ungerecht, wenn die Kommission den Rügen in einer beim Gerichtshof gegen eine stillschweigende Entscheidung eingereichten Klageschrift dadurch begegnen könnte, daß sie eine ausdrückliche Entscheidung mit dem gleichen Gegenstand erlässt und sich im Verfahren auf diese Ersetzung beruft, um es der Gegenpartei unmöglich zu machen, ihre ursprünglichen Anträge und ihr ursprüngliches Vorbringen auf die spätere Entscheidung auszudehnen oder gegen diese ergänzende Anträge zu stellen und ergänzende Angriffsmittel vorzubringen.

13 Demnach ist die Klage zulässig.

Zur Begründetheit

14 Im vorliegenden Rechtsstreit geht es um zwei Fragen, nämlich erstens darum, ob Artikel 14 der Entscheidung Nr. 234/84, wie die Kommission geltend macht, nicht anwendbar ist, weil das Quotensystem der Klägerin seit dem ersten Quartal 1984 keine "aussergewöhnlichen Schwierigkeiten" mehr verursacht, und zweitens darum, ob die von der Klägerin bezogenen Beihilfen als Beihilfen zur Deckung von Betriebsverlusten im Sinne des besagten Artikels 14 anzusehen sind.

Zum Begriff der "aussergewöhnlichen Schwierigkeiten"

15 Die Klägerin tritt der Behauptung der Kommission entgegen, daß sie sich seit dem vierten Quartal 1984 in einer Gewinnsituation befinde. Ihre Betriebsergebnisse seien zwar positiv, wenn man von den in der Vergangenheit erlittenen Verlusten absehe; bei der Erzeugung von Formstählen arbeite sie jedoch wegen der ungünstigen I:P-Relation weiterhin mit Verlust. Ferner dürfe das Vorliegen einer Verlustsituation nicht als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Artikels 14 angesehen werden; in der Praxis habe die Kommission auch die Quoten nicht defizitärer Unternehmen gemäß Artikel 14 angepasst. Schließlich komme es für das Vorliegen aussergewöhnlicher Schwierigkeiten auf die Lage in der jeweiligen Erzeugnisgruppe und nicht auf das insgesamt positive oder negative Betriebsergebnis eines Unternehmens an.

16 Die Kommission führt aus, Artikel 14 gelte nicht für ein Unternehmen, das Gewinne erwirtschafte. Ob aussergewöhnliche Schwierigkeiten vorlägen, hänge von der Lage des Unternehmens insgesamt und nicht von der Situation in einer bestimmten Erzeugnisgruppe ab.

17 Der Auffassung der Kommission kann nicht gefolgt werden. Aus dem Wortlaut des Artikels 14 der Entscheidung Nr. 234/84 ergibt sich nämlich, daß diese Vorschrift begrenzte Möglichkeiten zur Anpassung der Quoten nur für den Fall vorsieht, daß ein Unternehmen "aussergewöhnlichen Schwierigkeiten" "aufgrund des Umfangs der für ein Quartal festgelegten Kürzungsrate für eine bestimmte Erzeugnisgruppe" gegenübersteht. Die Kommission darf bei der Anwendung von Artikel 14 allein die Schwierigkeiten in Betracht ziehen, die eine unmittelbare Folge der Einführung und Anwendung des Quotensystems sind.

18 Aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 22. Juni 1983 in der Rechtssache 317/82 ( Usines Gustave Boël und Fabrique de fer de Maubeuge/Kommission, Slg. 1983, 2041 ) ergibt sich, daß die Kommission nur unter ausserordentlichen Umständen eine Quotenanpassung vornehmen darf, wenn eine solche Anpassung für die Gruppen erforderlich ist, die Gegenstand einer hohen prozentualen Kürzung sind. Diesem Urteil ist ferner zu entnehmen, daß die Kommission bei der Feststellung des Vorliegens "aussergewöhnlicher Schwierigkeiten" die Lage bei anderen Erzeugnisgruppen nicht berücksichtigen darf. Die Kommission darf bei der Prüfung des Vorliegens "aussergewöhnlicher Schwierigkeiten" auch nicht darauf abstellen, ob das Unternehmen insgesamt Gewinn erwirtschaftet.

19 In diesem Zusammenhang ist schließlich darauf hinzuweisen, daß die Kommission ausweislich der auf Verlangen des Gerichtshofes zu den Akten gereichten Unterlagen in mehreren Fällen gemäß Artikel 14 zusätzliche Quoten gewährt hat, obwohl die betreffenden Unternehmen Gewinne erwirtschafteten.

Zur Qualifizierung der streitigen Beihilfen

20 Die Klägerin führt aus, die streitigen Beihilfen seien nicht zur Deckung von Betriebsverlusten im Sinne des Artikels 14 der Entscheidung Nr. 234/84 bestimmt gewesen. Es handele sich um Beihilfen für Sonderabschreibungen, die die durch die vollständige oder teilweise Stillegung von Anlagen zur Stahlproduktion verursachten Maßnahmen beträfen. Entscheidend für die Qualifizierung einer Beihilfe sei der Zweck, zu dem sie gezahlt werde, und nicht ihre objektive Eignung, die Betriebsverluste zu verringern.

21 Die Kommission bringt vor, die Anwendung von Artikel 14 hänge davon ab, ob die Beihilfen objektiv geeignet seien, zur Deckung von Betriebsverlusten beizutragen. Da die streitigen Sonderabschreibungen eine Verringerung der Betriebsverluste des Unternehmens zur Folge gehabt hätten, sei nicht einzusehen, daß dieses Unternehmen ausserdem noch eine Anpassung seiner Quoten nach Artikel 14 erhalte, denn der Sinn dieser Bestimmung sei gerade die Vermeidung einer doppelten Begünstigung.

22 Insoweit ist festzustellen, daß Artikel 14 in den aufeinanderfolgenden allgemeinen Entscheidungen zur Verlängerung des Quotensystems eine Änderung erfahren hat. In seiner ursprünglichen Fassung, wie sie in der allgemeinen Entscheidung Nr. 2177/83 der Kommission vom 28. Juli 1983 zur Verlängerung des Systems der Überwachung und der Erzeugungsquoten für bestimmte Erzeugnisse der Unternehmen der Stahlindustrie ( ABl. L 208, S. 1 ) enthalten war, schloß er alle Unternehmen, die irgendwelche Beihilfen mit Ausnahme von Schließungsbeihilfen erhalten hatten, von der vorgesehenen Vergünstigung aus. Nach den späteren allgemeinen Entscheidungen einschließlich der streitigen Entscheidung Nr. 234/84 sollten demgegenüber alle Unternehmen einschließlich derjenigen, die Beihilfen erhalten hatten, in den Genuß des Artikels 14 kommen; ausgeschlossen waren lediglich die Unternehmen, denen eine Beihilfe zur Deckung von Betriebsverlusten gewährt worden war.

23 Da es für den Ausschluß eines Unternehmens von der Anwendung des Artikels 14 somit nicht genügt, daß es eine Beihilfe anderer Art erhalten hat, kann die Auswirkung, die eine Beihilfe gegebenenfalls auf die Gewinn - und Verlustrechnung eines Unternehmens hat, nicht als brauchbares Kriterium dafür angesehen werden, welche Beihilfen als solche zur Deckung von Betriebsverlusten im Sinne dieses Artikels zu qualifizieren sind. Da nämlich jede Beihilfe zur vollständigen oder teilweisen Deckung eventueller Betriebsverluste führen kann, wäre nach der von der Kommission vertretenen Auffassung bei Gewährung fast aller Beihilfen - mit Ausnahme der Schließungsbeihilfen - die Anwendung von Artikel 14 ausgeschlossen.

24 Es muß deshalb anhand der Voraussetzungen für die Gewährung und anhand des Zwecks einer Beihilfe ermittelt werden, ob eine Beihilfe eine zur Deckung von Betriebsverlusten bestimmte Beihilfe im Sinne des Artikels 14 der Entscheidung Nr. 234/84 ist.

25 Der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 15. Januar 1985 in der Rechtssache 250/83 ( Finsider/Kommission, Slg. 1985, 131 ) festgestellt, daß die allgemeine Entscheidung zur Verlängerung des Quotensystems dem Zweck dient, die zur Anpassung der Produktion und der Kapazitäten an die voraussichtliche Nachfrage notwendige Umstrukturierung zu fördern und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Eisen - und Stahlindustrie wiederherzustellen. Der Gerichtshof hat ausgeführt, daß es mit diesem Zweck übereinstimmt, daß Unternehmen, die eine Art von Beihilfen, nämlich Betriebsbeihilfen, erhalten haben, die geeignet ist, die gewünschte Umstrukturierung zu verzögern, von der Gewährung der Zusatzquoten, die auch den Anreiz für diese Umstrukturierung verringern kann, ausgeschlossen sind. Aus diesem Urteil ergibt sich ferner, daß Beihilfen, die tatsächlich die angestrebte Umstrukturierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit fördern, nicht als Betriebsbeihilfen im Sinne von Artikel 14 der jeweils geltenden allgemeinen Entscheidung angesehen werden können.

26 Im vorliegenden Fall wurden nun aber die streitigen Beihilfen gerade aufgrund eines "volkswirtschaftlich besonders förderungswürdigen Umstrukturierungsprogramms" gewährt, dessen Durchführbarkeit durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer oder eine unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüft und bestätigt worden ist ( Nr. 4 der erwähnten Richtlinie ). Sie sind im übrigen unter bestimmten Voraussetzungen zurückzuzahlen, wenn das Unternehmen die Stillegung oder die Verminderung der Auslastung rückgängig macht ( Nr. 12 der Richtlinie ). Unter diesen Umständen können sie nicht als Beihilfen angesehen werden, die im Sinne des genannten Urteils des Gerichtshofes vom 15. Januar 1985 geeignet wären, die gewünschte Umstrukturierung zu verzögern. Die streitigen Beihilfen sind somit keine Beihilfen zur Deckung von Betriebsverlusten im Sinne des Artikels 14 der Entscheidung Nr. 234/84.

27 Das Vorbringen der Kommission ist deshalb insoweit zurückzuweisen.

28 Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, daß die ausdrückliche Entscheidung der Kommission vom 11. Juni 1985, mit der es abgelehnt wurde, die Quoten der Klägerin für die Erzeugnisse der Gruppe III für das erste Quartal 1985 gemäß Artikel 14 der allgemeinen Entscheidung Nr. 234/84 anzupassen, und die an die Stelle der inhaltsgleichen stillschweigenden Entscheidung der Kommission getreten ist, auf einer unzutreffenden Auslegung des genannten Artikels 14 beruht und folglich aufzuheben ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

29 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung hat die unterliegende Partei die Kosten zu tragen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Zweite Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Entscheidung der Kommission vom 11. Juni 1985, mit der es abgelehnt wurde, die Quoten der Klägerin für die Erzeugnisse der Gruppe III für das erste Quartal 1985 gemäß Artikel 14 der allgemeinen Entscheidung Nr. 234/84 anzupassen, wird aufgehoben.

2 ) Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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