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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.06.1988
Aktenzeichen: 12/87
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die der Verwaltung obliegende Fürsorgepflicht verleiht einem Beamten, der Urlaub aus persönlichen Gründen hat, keinen Anspruch darauf, entsprechend seinen persönlichen Interessen in einer freien Planstelle an einem bestimmten Dienstort wiederverwendet zu werden. Die Einweisung des Betroffenen in die erste in seiner Laufbahngruppe oder Sonderlaufbahn frei werdende Planstelle wird nämlich nach den in Artikel 4O Absatz 4 Buchstabe d des Beamtenstatuts festgelegten Kriterien vorgenommen. Zwar könnte die Anstellungsbehörde

gezwungen sein, bei der Ausübung des ihr von dieser Bestimmung eingeräumten Ermessens wichtige familiäre Interessen zu berücksichtigen; derartige Interessen können jedoch nicht der entscheidende Gesichtspunkt sein.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (ZWEITE KAMMER) VOM 14. JUNI 1988. - ERIKA HEYL, VERHEIRATETE ZEYEN GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - AUFHEBUNG EINER ENTLASSUNG VON AMTS WEGEN. - RECHTSSACHE 12/87.

Entscheidungsgründe:

1 Frau Erica Heyl, verheiratete Zeyen, Beamtin der Kommission, hat mit Klageschrift, die am 21. Januar 1987 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, Klage erhoben auf Aufhebung der Verfügung der Kommission vom 25. März 1986, durch die sie mit Wirkung vom 1. April 1986 von Amts wegen entlassen worden ist, sowie auf Verurteilung der Kommission, sie mit Wirkung vom 5. Januar 1979 wiederzuverwenden und ihr die Beträge in Höhe der Dienstbezuege, die sie seit diesem Zeitpunkt erhalten hätte, zu zahlen.

2 Die Klägerin, Beamtin der Besoldungsgruppe C 1 bei der Forschungsanstalt Ispra der Gemeinsamen Forschungsstelle, war vom 5. Januar 1976 bis zum 5. Januar 1979 aus persönlichen Gründen beurlaubt. Mit Schreiben vom 19. Februar 1979 äusserte sie den Wunsch, in den Dienststellen der Kommission wiederverwendet zu werden.

3 Am 4. Februar 1982 bot die Verwaltung der Forschungsanstalt Ispra der Klägerin eine Stelle im Departement Angewandte Wissenschaften und Technologie an. Die Klägerin ließ die Kommission mit Schreiben vom 15. Februar 1982 wissen, daß sie aus familiären Gründen eher an einer Wiederverwendung in Luxemburg als in Ispra interessiert sei; die Kommission riet ihr, sich direkt an die Personalabteilung in Luxemburg zu wenden.

4 Am 15. Oktober 1984 bot ihr die Kommission eine freie Stelle als Hauptsekretärin der Besoldungsgruppe C 1 in der Forschungsanstalt Ispra an, wobei sie hervorhob, daß es sich um das zweite Angebot im Sinne von Artikel 4O Absatz 4 Buchstabe d des Beamtenstatuts handele. Am 28. Oktober 1984 erinnerte die Klägerin daran, daß sie nur in Luxemburg wiederverwendet werden wolle und daß eine Wiederverwendung in Ispra nicht ihren Wünschen entspreche.

5 Am 25. März 1986 verfügte der Generaldirektor der Gemeinsamen Forschungsstelle die Entlassung der Klägerin von Amts wegen mit Wirkung vom 1. April 1986. In dieser Verfügung wird festgestellt, daß die Kommission der Klägerin mit Schreiben vom 4. Februar 1982 und 15. Oktober 1984 eine ihrer Besoldungsgruppe entsprechende Planstelle ihrer Laufbahngruppe zum Zwecke ihrer Wiederverwendung angeboten habe und daß die Klägerin diese Stellenangebote mit ihren Antwortschreiben vom 15. Februar 1982 und 28. Oktober 1984 abgelehnt habe.

6 Am 18. Juni 1986 legte die Klägerin gegen diese Verfügung eine Beschwerde im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 des Beamtenstatuts ein. Da die Beschwerde unbeantwortet blieb, hat sie die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung sie geltend macht, die Verwaltung habe gegen Artikel 49 Absatz 2 und Artikel 40 Absatz 4 Buchstabe d des Beamtenstatuts verstossen sowie den Grundsatz von Treu und Glauben und ihre Fürsorgepflicht verletzt.

7 Wegen weiterer Einzelheiten des rechtlichen Rahmens des Rechtsstreits, des Sachverhalts und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

8 Hinsichtlich der Anfechtungsklage ist daran zu erinnern, daß ein Beamter gemäß Artikel 49 des Beamtenstatuts von Amts wegen entlassen werden kann, wenn ein Fall des Artikels 4O Absatz 4 Buchstabe d des Beamtenstatuts vorliegt, das heisst wenn er nach Ablauf eines Urlaubs aus persönlichen Gründen ein Stellenangebot zum zweiten Mal ablehnt.

9 Was das erste Stellenangebot vom 4. Februar 1982 angeht, so bestreitet die Klägerin nicht dessen Gültigkeit; sie ist jedoch der Auffassung, daß dieses von der Kommission aufgrund der von der Verwaltung in Ispra gegebenen Hinweise über eine mögliche Wiederverwendung in Luxemburg zurückgezogen worden sei und daß daher keine Ablehnung dieses Angebots im Sinne von Artikel 40 Absatz 4 Buchstabe d des Beamtenstatuts vorliege.

10 Die Kommission hält das Schreiben vom 15. Februar 1982, mit dem die Klägerin mitteilte, daß sie eher an einer Wiederverwendung in Luxemburg als in Ispra interessiert sei, für eine Ablehnung dieses ersten Stellenangebots.

11 Dazu ist erstens zu bemerken, daß der Umstand, daß die Verwaltung der Forschungsanstalt Ispra der Klägerin geraten hatte, sich bei den Dienststellen der Kommission in Luxemburg über verfügbare Stellen für eine eventuelle Wiederverwendung im Großherzogtum zu erkundigen, keine Aufhebung des ersten Stellenangebots darstellen kann. Aus dem Schreiben der Kommission vom 8. März 1982 ergibt sich nämlich, daß es nicht möglich war, die freie Stelle in Ispra für eine Versetzung nach Luxemburg zu reservieren.

12 Zweitens ist darauf hinzuweisen, daß die Fürsorgepflicht der Gemeinschaftsverwaltung gegenüber dem Beamten diesem keinen Anspruch darauf verleiht, entsprechend seinen persönlichen Interessen an einem bestimmten Dienstort wiederverwendet zu werden. Der Beamte wird nämlich nach den in Artikel 40 Absatz 4 Buchstabe d des Beamtenstatuts festgelegten Kriterien in die erste in seiner Laufbahngruppe

oder Sonderlaufbahn frei werdende Planstelle eingewiesen, die seiner Besoldungsgruppe entspricht. Zwar könnte sich die Anstellungsbehörde dazu gezwungen sehen, wichtige familiäre Interessen bei der Ausübung ihres Ermessens gemäß der vorgenannten Bestimmung zu berücksichtigen; derartige familiäre Interessen können jedoch im Hinblick auf Artikel 40 Absatz 4 Buchstabe d des Beamtenstatuts, wonach der Beamte in die erste frei werdende Planstelle eingewiesen wird, nicht der einzige entscheidende Gesichtspunkt sein.

13 Somit ist festzustellen, daß das erste Stellenangebot gültig war. Da die Klägerin dieses Stellenangebot nicht angenommen hat, ist von der Ablehnung dieses Angebots auszugehen.

14 Zum zweiten Stellenangebot vom 15. Oktober 1984 macht die Klägerin geltend, es habe in keiner Weise den Kriterien des Artikels 4O Absatz 4 Buchstabe d des Beamtenstatuts genügt, da die angebotene Stelle weder ihrer Besoldungsgruppe noch ihrer Eignung entsprochen habe.

15 Die Kommission weist darauf hin, daß dieser Wiederverwendungsvorschlag ebenfalls von der Klägerin abgelehnt worden sei, was ihre Entlassung von Amts wegen gerechtfertigt habe. Die Klägerin habe zwar dieses letzte an sie gerichtete Angebot nicht ausdrücklich abgelehnt, sie habe es jedoch auch nicht rechtzeitig angenommen.

16 Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß sich das zweite Stellenangebot ausdrücklich auf eine Stelle der Laufbahn C 5/C 4 bezog, wie sie in der dem Schreiben vom 15. Oktober 1984 beigefügten Stellenausschreibung beschrieben war. Die Klägerin hatte jedoch einen Anspruch darauf, in eine Stelle der Besoldungsgruppe C 1 eingewiesen zu werden. Berücksichtigt man diese Bezugnahme auf die Stellenausschreibung für die Laufbahn C 5/C 4, so hat das Schreiben der Kommission in keiner Weise dargelegt, daß die angebotene Stelle der Besoldungsgruppe und der Eignung der Klägerin entsprach, wie es Artikel 4O Absatz 4 Buchstabe d des Beamtenstatuts verlangt.

17 Zu dem Vorbringen der Kommission, daß beabsichtigt gewesen sei, die angebotene Stelle mit der Besoldungsgruppe und der Eignung der Klägerin entsprechenden Aufgaben auszustatten, ist zu bemerken, daß die Kommission es unterlassen hat, die Klägerin gemäß den Anforderungen der vorerwähnten Bestimmung rechtzeitig darüber zu informieren, daß die angebotene Stelle allen in Artikel 4O Absatz 4 Buchstabe d des Beamtenstatuts aufgeführten Gleichwertigkeitskriterien genügte. Angesichts dieser Unterlassung ist festzustellen, daß die Kommission kein gültiges zweites Stellenangebot abgegeben hat und daß die Voraussetzungen für eine Entlassung der Klägerin von Amts wegen daher nicht erfuellt waren.

18 Die Klage gegen die Verfügung der Kommission vom 25. März 1986 ist daher begründet, da das zweite Stellenangebot fehlerhaft war.

19 Der Antrag der Klägerin, rückwirkend zum 5. Januar 1979 wiederverwendet zu werden, und der Schadensersatzantrag auf Zahlung der Beträge in Höhe der Dienstbezuege, die die Klägerin seit dem 5. Januar 1979 erhalten hätte, wenn sie mit Wirkung von diesem Tag wiederverwendet worden wäre, sind unzulässig, da sie weder ausdrücklich noch stillschweigend Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gemäß den Artikeln 90 und 91 des Beamtenstatuts waren.

Kostenentscheidung:

Kosten

20 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Rechtsstreitigkeiten mit Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst. Da die Klägerin nur teilweise obsiegt hat, hat sie die Hälfte ihrer eigenen Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Zweite Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Verfügung der Kommission vom 25. März 1986 über die Entlassung der Klägerin von Amts wegen wird aufgehoben.

2 ) Im übrigen wird die Klage als unzulässig abgewiesen.

3 ) Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie die Hälfte der Kosten der Klägerin.

Ende der Entscheidung

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