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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 04.02.1988
Aktenzeichen: 145/86
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Eine gemäß Artikel 26 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil - und Handelssachen anerkannte ausländische Entscheidung muß grundsätzlich im ersuchten Staat dieselbe Wirkung entfalten wie im Urteilsstaat.

2. Eine ausländische Entscheidung, die gemäß Artikel 31 des Übereinkommens in einem Vertragsstaat mit der Vollstreckungsklausel versehen worden ist und die im Urteilsstaat vollstreckbar bleibt, muß im Vollstreckungsstaat nicht weiter vollstreckt werden, wenn die Zwangsvollstreckung nach dem Recht des letztgenannten Staates aus Gründen, die ausserhalb des Anwendungsbereichs des Übereinkommens liegen, nicht mehr möglich ist.

Das Übereinkommen hindert das Gericht des Vollstreckungsstaats nicht daran, im Rahmen der Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung, mit der über Unterhaltsverpflichtungen bei Getrenntleben entschieden worden ist, die Konsequenzen aus einem inländischen Scheidungsurteil zu ziehen.

3. Eine ausländische Entscheidung, durch die ein Ehegatte verpflichtet wird, dem anderen Ehegatten aufgrund seiner aus der Ehe resultierenden Verpflichtung Unterhalt zu gewähren, ist im Sinne von Artikel 27 Nr. 3 des Übereinkommens mit einer inländischen Entscheidung unvereinbar, durch die die betreffende Ehe geschieden worden ist.

4. Artikel 36 des Übereinkommens ist dahin auszulegen, daß die Partei, die nicht den in dieser Vorschrift vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung eingelegt hat, einen stichhaltigen Grund, den sie im Rahmen dieses Rechtsbehelfs gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung hätte vorbringen können, im Stadium der Vollstreckung der Entscheidung nicht mehr geltend machen kann und daß diese Regel von den Gerichten des Vollstreckungsstaats von Amts wegen anzuwenden ist. Diese Regel gilt jedoch dann nicht, wenn sie zur Folge hat, daß das inländische Gericht verpflichtet ist, die Wirkung eines vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgenommenen inländischen Urteils von dessen Anerkennung in dem Staat abhängig zu machen, in dem die ausländische Entscheidung, um deren Vollstreckung es geht, ergangen ist.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 4. FEBRUAR 1988. - HORST LUDWIG MARTIN HOFFMANN GEGEN ADELHEID KRIEG. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VOM HOGE RAAD DER NEDERLANDEN. - BRUESSELER UEBEREINKOMMEN - ARTIKEL 26, 27, 31 UND 36. - RECHTSSACHE 145/86.

Entscheidungsgründe:

1 Der Hoge Raad der Nederlanden hat mit Urteil vom 6. Juni 1986, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Juni 1986, gemäß dem Protokoll vom 3. Juni 1971 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil - und Handelssachen ( im folgenden : Übereinkommen ) durch den Gerichtshof fünf Fragen nach der Auslegung mehrerer Artikel dieses Übereinkommens zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn H. L. M. Hoffmann ( im folgenden : der Mann ) und Frau A. Krieg ( im folgenden : die Frau ) über die Vollstreckung eines Beschlusses des Amtsgerichts Heidelberg in den Niederlanden, durch den der Mann verpflichtet wurde, der Frau eine monatliche Geldrente als Unterhalt zu zahlen.

3 Nach den Akten sind die Parteien des Ausgangsverfahrens deutsche Staatsangehörige. Sie haben 1950 geheiratet. 1978 verließ der Mann den ehelichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland und ließ sich in den Niederlanden nieder. Auf Antrag der Frau wurde er am 21. August 1979 durch Beschluß des Amtsgerichts Heidelberg verpflichtet, der Frau Unterhalt bei Getrenntleben durch Zahlung einer Geldrente zu gewähren.

4 Auf Antrag des Mannes wurde die Ehe von der Arrondissementsrechtbank Maastricht durch Versäumnisurteil vom 1. Mai 1980 geschieden, wobei nach niederländischem Kollisionsrecht das deutsche Recht angewandt wurde. Am 19. August 1980 wurde das Scheidungsurteil in das Personenstandsregister von Den Haag eingetragen; seitdem gilt die Ehe in den Niederlanden als aufgelöst. Das Urteil, das nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fällt, war zu dem Zeitpunkt, auf den nach Ansicht des nationalen Gerichts im Ausgangsrechtsstreit abzustellen ist, in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht anerkannt.

5 Auf Antrag der Frau versah die Arrondißsementsrechtbank Almelo den Beschluß des Amtsgerichts Heidelberg durch Entscheidung vom 29. Juli 1981 gemäß Artikel 31 des Übereinkommens mit der Vollstreckungsklausel. Gegen diese Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung, die ihm im April 1982 zugestellt wurde, hat der Mann keinen Rechtsbehelf eingelegt.

6 Am 28. Februar 1983 erwirkte die Frau die Pfändung der Forderungen des Mannes gegen seinen Arbeitgeber. Der Mann beantragte daraufhin beim Präsidenten der Arrondissementsrechtbank Almelo, die Pfändung durch einstweilige Anordnung aufzuheben oder jedenfalls auszusetzen. Er obsiegte in der ersten Instanz; in der Berufungsinstanz wurde sein Antrag jedoch vom Gerechtshof Arnheim zurückgewiesen. Gegen dessen Urteil hat der Mann nunmehr beim Hoge Raad der Nederlanden Kassationsbeschwerde eingelegt.

7 Da die Entscheidung des Rechtsstreits seiner Ansicht nach von der Auslegung mehrerer Artikel des Übereinkommens abhängt, hat der Hoge Raad der Nederlanden dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt :

"1 ) Beinhaltet die den Vertragsstaaten obliegende Verpflichtung, die in einem anderen Vertragsstaat ergangene Entscheidung anzuerkennen ( Artikel 26 des Brüsseler Übereinkommens ), daß dieser Entscheidung in den anderen Vertragsstaaten dieselbe Wirkung zuerkannt werden muß, wie sie sie nach dem Recht des Urteilstaats hat, und bedeutet dies, daß sie deshalb auch in den gleichen Fällen wie dort vollstreckt werden kann?

2 ) Falls die erste Frage zu bejahen ist :

Ist nach Artikel 26 in Verbindung mit Artikel 31 des Brüsseler Übereinkommens anzunehmen, daß die Verpflichtung zur Anerkennung einer in einem Vertragsstaat ergangenen Entscheidung so weit geht, daß diese, weil sie nach dem Recht des Urteilsstaats vollstreckbar bleibt, in solchen Fällen auch in dem anderen Vertragsstaat vollstreckt werden kann?

3 ) Falls die zweite Frage zu bejahen ist :

Ist in einem Fall wie dem vorliegenden eine Berufung auf die Unvereinbarkeit der deutschen Verurteilung zur Zahlung von Unterhalt mit dem späteren niederländischen Scheidungsurteil oder auf die öffentliche Ordnung ( Artikel 27 des Brüsseler Übereinkommens ) möglich?

4 ) Ist dem ( System des ) Brüsseler Übereinkommen(s ) die Regel zu entnehmen, daß es der Partei, gegen die die Vollstreckung einer in einem anderen Vertragsstaat ergangenen Entscheidung beantragt wird und die es unterlässt, einen ihr vor Ablauf der in Artikel 36 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens genannten Frist bekanntgewordenen Grund, der der ( weiteren ) Vollstreckung dieser Entscheidung entgegensteht, in dem Rechtsbehelf gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung vorzubringen, nicht mehr freisteht, diesen Grund in einer späteren Vollstreckungsstreitigkeit, in dem sie sich gegen die ( Fortsetzung der ) Vollstreckung wendet, geltend zu machen?

5 ) Falls die vierte Frage zu bejahen ist :

Ist nach dem ( System des ) Brüsseler Übereinkommen(s ) anzunehmen, daß die in der vierten Frage genannte Regel vom Gericht des Staates, in dem die Zwangsvollstreckung zugelassen worden ist, in einer späteren Vollstreckungsstreitigkeit von Amts wegen anzuwenden ist, auch wenn sein eigenes Recht für eine solche Anwendung keinen Raum lässt?"

8 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens sowie wegen des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

9 Die erste Frage des nationalen Gerichts geht im wesentlichen dahin, ob eine gemäß Artikel 26 des Übereinkommens anerkannte ausländische Entscheidung grundsätzlich im ersuchten Staat dieselbe Wirkung entfalten muß wie im Urteilsstaat.

10 Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß durch das Übereinkommen "so weit wie möglich die Freizuegigkeit der Urteile hergestellt werden" soll und daß das Übereinkommen "in diesem Sinne... auszulegen" ist. Durch die Anerkennung sollen also "den Entscheidungen die Wirkungen beigelegt werden, die ihnen in dem Staat zukommen, in dessen Hoheitsgebiet sie ergangen sind" ( Bericht zu dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil - und Handelssachen, ABl. 1979, C 59, S. 42 f.).

11 Daher ist auf die erste Frage des nationalen Gerichts zu antworten, daß eine gemäß Artikel 26 des Übereinkommens anerkannte ausländische Entscheidung grundsätzlich im ersuchten Staat dieselbe Wirkung entfalten muß wie im Urteilsstaat.

12 In Anbetracht der Umstände des Ausgangsverfahrens, wie sie sich aus den Akten ergeben, geht die zweite Frage des nationalen Gerichts im wesentlichen dahin, ob eine ausländische Entscheidung, die gemäß Artikel 31 des Übereinkommens in einem Vertragsstaat mit der Vollstreckungsklausel versehen worden ist, in allen Fällen, in denen sie im Urteilsstaat vollstreckbar bleibt, weiter vollstreckt werden muß, auch wenn die Vollstreckung nach dem Recht des Vollstreckungsstaats aus Gründen, die ausserhalb des Anwendungsbereichs des Übereinkommens liegen, nicht mehr möglich ist.

13 Im vorliegenden Fall verpflichtet die Entscheidung, um deren Vollstreckung es geht, einen Ehegatten, dem anderen Ehegatten aufgrund seiner aus der Ehe resultierenden Verpflichtung, Unterhalt zu gewähren. Eine solche Entscheidung setzt notwendigerweise das Bestehen des ehelichen Bandes voraus.

14 Es ist daher zu prüfen, ob die Lösung dieses ehelichen Bandes durch ein Scheidungsurteil, das von einem Gericht des Vollstreckungsstaats erlassen worden ist, zur Einstellung der Vollstreckung der ausländischen Entscheidung führen kann, auch wenn diese Entscheidung im Urteilsstaat mangels Anerkennung des Scheidungsurteils vollstreckbar bleibt.

15 Dazu ist festzustellen, daß das Übereinkommen nach Artikel 1 Absatz 2 Nr. 1 unter anderem den Personenstand von seinem Anwendungsbereich ausnimmt und daß es keine Bestimmung enthält, die die Gerichte des Vollstreckungsstaats verpflichten würde, die Wirkung eines inländischen Scheidungsurteils von der Anerkennung dieses Urteils in dem Staat abhängig zu machen, in dem die ausländische Unterhaltsentscheidung ergangen ist.

16 Dies wird durch Artikel 27 Nr. 4 des Übereinkommens bestätigt, wonach die Anerkennung derjenigen ausländischen Entscheidungen grundsätzlich ausgeschlossen ist, die im Widerspruch zu einer unter anderem den Personenstand betreffenden Vorschrift des internationalen Privatrechts des Staates steht, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird. Diese Bestimmung zeigt nämlich eindeutig, daß das Übereinkommen auf dem Gebiet des Personenstands nicht von den Vorschriften abweichen will, die nach dem nationalen Recht des angerufenen Gerichts anzuwenden sind.

17 Daraus folgt, daß das Übereinkommen das Gericht des Vollstreckungsstaats nicht daran hindert, im Rahmen der Vollstreckung einer ausländischen Unterhaltsentscheidung die Konsequenzen aus einem inländischen Scheidungsurteil zu ziehen.

18 Dem nationalen Gericht ist daher zu antworten, daß eine ausländische Entscheidung, die gemäß Artikel 31 des Übereinkommens in einem Vertragsstaat mit der Vollstreckungsklausel versehen worden ist und die im Urteilsstaat vollstreckbar bleibt, im Vollstreckungsstaat nicht weiter vollstreckt werden muß, wenn die Vollstreckung nach dem Recht des letztgenannten Staates aus Gründen, die ausserhalb des Anwendungsbereichs des Übereinkommens liegen, nicht mehr möglich ist.

19 Die dritte Frage des nationalen Gericht geht im wesentlichen dahin, ob eine ausländische Entscheidung, durch die ein Ehegatte verpflichtet wird, dem anderen Ehegatten aufgrund seiner aus der Ehe resultierenden Verpflichtung, Unterhalt zu gewähren, im Sinne von Artikel 27 Nr. 3 des Übereinkommens mit einer inländischen Entscheidung, durch die die betreffende Ehe geschieden worden ist, unvereinbar ist oder im Sinne von Artikel 27 Nr. 1 des Übereinkommens der öffentlichen Ordnung des Staates, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, widerspricht.

20 In den Vorschriften, um deren Auslegung ersucht wird, sind Gründe für die Nichtanerkennung ausländischer Urteile angegeben. Aus den gleichen Gründen kann nach Artikel 34 Absatz 2 ein Antrag auf Zulassung der Zwangsvollstreckung abgelehnt werden.

21 Zum zweiten Teil der dritten Frage ist zu bemerken, daß die Anwendung der Ordre-public-Klausel, die "nur in Ausnahmefällen eine Rolle spielen" kann ( Bericht zum Übereinkommen, a. a. O., S. 44 ), nach der Systematik des Übereinkommens jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn es, wie im vorliegenden Fall, um die Vereinbarkeit einer ausländischen Entscheidung mit einer inländischen Entscheidung geht. Diese Frage ist nämlich nach der besonderen Vorschrift des Artikels 27 Nr. 3 zu lösen, die sich auf den Fall bezieht, daß eine ausländische Entscheidung mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die zwischen denselben Parteien in dem Staat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ergangen ist.

22 Zur Klärung der Frage, ob eine Unvereinbarkeit im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, ist zu prüfen, ob die betreffenden Entscheidungen Rechtsfolgen haben, die sich gegenseitig ausschließen.

23 Aus den Akten ergibt sich, daß im vorliegenden Fall die ausländische Unterhaltsentscheidung mit der Vollstreckungsklausel versehen wurde, als das inländische Scheidungsurteil bereits ergangen war und Rechtskraft erlangt hatte, und daß das Ausgangsverfahren die Zeit nach der Scheidung betrifft.

24 Unter diesen Umständen haben die betreffenden Entscheidungen Rechtsfolgen, die sich gegenseitig ausschließen. Die ausländische Entscheidung, die notwendigerweise das Bestehen des ehelichen Bandes voraussetzt, müsste nämlich vollstreckt werden, obwohl dieses Band bereits durch eine Entscheidung gelöst worden ist, die zwischen denselben Parteien in dem Staat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ergangen ist.

25 Auf die dritte Frage des nationalen Gerichts ist somit zu antworten, daß eine ausländische Entscheidung, durch die ein Ehegatte verpflichtet wird, dem anderen Ehegatten aufgrund seiner aus der Ehe resultierenden Verpflichtung Unterhalt zu gewähren, im Sinne von Artikel 27 Nr. 3 des Übereinkommens mit einer inländischen Entscheidung unvereinbar ist, durch die die betreffende Ehe geschieden worden ist.

26 Mit der vierten und der fünften Frage des nationalen Gerichts soll geklärt werden, ob Artikel 36 des Übereinkommens dahin auszulegen ist, daß die Partei, die nicht den in dieser Vorschrift vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung eingelegt hat, einen stichhaltigen Grund, den sie im Rahmen dieses Rechtsbehelfs gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung hätte vorbringen können, im Stadium der Vollstreckung der Entscheidung nicht mehr geltend machen kann, und ob diese Regel von den Gerichten des Vollstreckungsstaats von Amts wegen anzuwenden ist.

27 Für die Beantwortung dieser Fragen ist zunächst darauf hinzuweisen, daß das Übereinkommen, um die Voraussetzungen einzuschränken, denen die Vollstreckung einer in einem Vertragsstaat ergangenen Entscheidung in einem anderen Vertragsstaat unterworfen werden kann, ein sehr summarisches Verfahren für die Zulassung der Zwangsvollstreckung vorsieht; diese Zulassung kann überdies nur aus den in den Artikeln 27 und 28 abschließend aufgezählten Gründen versagt werden. Das Übereinkommen regelt jedoch nur das Verfahren zur Zulassung der Zwangsvollstreckung aus ausländischen vollstreckbaren Titeln und lässt die eigentliche Zwangsvollstreckung unberührt, die nach wie vor dem nationalen Recht des Vollstreckungsstaats unterliegt ( Urteil vom 2. Juli 1985 in der Rechtssache 148/84, Deutsche Genossenschaftsbank, Slg. 1985, 1981, 1987 ).

28 Demgemäß erfolgt die Vollstreckung einer mit der Vollstreckungsklausel versehenen ausländischen Entscheidung nach den Verfahrensvorschriften des nationalen Rechts des Vollstreckungsstaats einschließlich derjenigen über die Rechtsbehelfe.

29 Die Anwendung der Verfahrensvorschriften des Vollstreckungsstaats im Rahmen der Zwangsvollstreckung darf jedoch die praktische Wirksamkeit der Regelung des Übereinkommens über die Zulassung der Zwangsvollstreckung nicht beeinträchtigen.

30 Daraus folgt, daß die nach dem nationalen Recht gegebenen Rechtsbehelfe ausgeschlossen sein müssen, wenn der Rechtsbehelf gegen die Vollstreckung einer mit der Vollstreckungsklausel versehenen ausländischen Entscheidung von der Person eingelegt wird, die auch gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung einen Rechtsbehelf hätte einlegen können, und auf einen Grund gestützt wird, der im Rahmen des letztgenannten Rechtsbehelfs hätte vorgebracht werden können. Anderenfalls hätte nämlich die Vollstreckungsstreitigkeit zur Folge, daß die erteilte Zulassung der Zwangsvollstreckung nach Ablauf der strikt einzuhaltenden Frist des Artikels 36 Absatz 2 des Übereinkommens wieder in Frage gestellt und dieser Vorschrift damit die praktische Wirksamkeit genommen würde.

31 Der zwingende Charakter der in Artikel 36 des Übereinkommens festgesetzten Frist bringt für das inländische Gericht die Verpflichtung mit sich, die Einhaltung dieser Frist zu überwachen. Das Gericht hat daher einen aufgrund des nationalen Rechts eingelegten Rechtsbehelf von Amts wegen für unzulässig zu erklären, wenn durch diesen Rechtsbehelf die genannte Frist wieder in Frage gestellt wird.

32 Diese Regel, die sich aus der Systematik des Übereinkommens ergibt, kann indessen dann nicht gelten, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, zur Folge hätte, daß das inländische Gericht verpflichtet wäre, die Wirkung eines - vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgenommenen - inländischen Scheidungsurteils deshalb ausser acht zu lassen, weil dieses Urteil in dem Staat nicht anerkannt worden ist, in dem die ausländische Entscheidung, um deren Vollstreckung es geht, ergangen ist.

33 Das Übereinkommen enthält nämlich, wie schon im Rahmen der Antwort auf die zweite Frage ausgeführt worden ist, keine Bestimmung, die die Gerichte des Vollstreckungsstaats verpflichten würde, die Wirkung eines inländischen Scheidungsurteils von der Anerkennung dieses Urteils in dem Staat abhängig zu machen, in dem eine in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallende ausländische Unterhaltsentscheidung ergangen ist.

34 Auf die vierte und die fünfte Frage des nationalen Gerichts ist somit zu antworten, daß Artikel 36 des Übereinkommens dahin auszulegen ist, daß die Partei, die nicht den in dieser Vorschrift vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung eingelegt hat, einen stichhaltigen Grund, den sie im Rahmen dieses Rechtsbehelfs gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung hätte vorbringen können, im Stadium der Vollstreckung der Entscheidung nicht mehr geltend machen kann und daß diese Regel von den Gerichten des Vollstreckungsstaats von Amts wegen anzuwenden ist. Diese Regel gilt jedoch dann nicht, wenn sie zur Folge hat, daß das inländische Gericht verpflichtet ist, die Wirkung eines vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgenommenen inländischen Urteils von dessen Anerkennung in dem Staat abhängig zu machen, in dem die ausländische Entscheidung, um deren Vollstreckung es geht, ergangen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

35 Die Auslagen der Bundesrepublik Deutschland, des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren vor dem Gerichtshof ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Hoge Raad der Nederlanden mit Urteil vom 6. Juni 1986 vorgelegten Fragen für Recht erkannt :

1 ) Eine gemäß Artikel 26 des Übereinkommens anerkannte ausländische Entscheidung muß grundsätzlich im ersuchten Staat dieselbe Wirkung entfalten wie im Urteilsstaat.

2 ) Eine ausländische Entscheidung, die gemäß Artikel 31 des Übereinkommens in einem Vertragsstaat mit der Vollstreckungsklausel versehen worden ist und die im Urteilsstaat vollstreckbar bleibt, muß im Vollstreckungsstaat nicht weiter vollstreckt werden, wenn die Zwangsvollstreckung nach dem Recht des letztgenannten Staates aus Gründen, die ausserhalb des Anwendungsbereichs des Übereinkommens liegen, nicht mehr möglich ist.

3 ) Eine ausländische Entscheidung, durch die ein Ehegatte verpflichtet wird, dem anderen Ehegatten aufgrund seiner aus der Ehe resultierenden Verpflichtung Unterhalt zu gewähren, ist im Sinne von Artikel 27 Nr. 3 des Übereinkommens mit einer inländischen Entscheidung unvereinbar, durch die die betreffende Ehe geschieden worden ist.

4 ) Artikel 36 des Übereinkommens ist dahin auszulegen, daß die Partei, die nicht den in dieser Vorschrift vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung eingelegt hat, einen stichhaltigen Grund, den sie im Rahmen dieses Rechtsbehelfs gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung hätte vorbringen können, im Stadium der Vollstreckung der Entscheidung nicht mehr geltend machen kann und daß diese Regel von den Gerichten des Vollstreckungsstaats von Amts wegen anzuwenden ist. Diese Regel gilt jedoch dann nicht, wenn sie zur Folge hat, daß das inländische Gericht verpflichtet ist, die Wirkung eines vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgenommenen inländischen Urteils von dessen Anerkennung in dem Staat abhängig zu machen, in dem die ausländische Entscheidung, um deren Vollstreckung es geht, ergangen ist.

Ende der Entscheidung

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