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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 26.06.1990
Aktenzeichen: 152/88
Rechtsgebiete: EWGV, VerfO EuGH, VO Nr. 2707/72/EWG, VO Nr. 1035/72


Vorschriften:

EWGV Art. 173
EWGV Art. 215
EWGV Art. 186
VerfO EuGH Art. 83
VO Nr. 2707/72/EWG Art. 3
VO Nr. 1035/72 Art. 29
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Eine für den Sektor Obst und Gemüse erlassene Verordnung zur Aussetzung der Erteilung von Einfuhrlizenzen für Erzeugnisse mit Ursprung in einem Drittland betrifft die Importeure, deren Waren sich im Zeitpunkt ihres Erlasses auf dem Weg nach der Gemeinschaft befanden, insoweit unmittelbar und individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag, als sie auf diese Kategorie von Erzeugnissen Anwendung findet. Sie betrifft die Importeure unmittelbar, da sie die nationalen Behörden anweist, die unerledigten Anträge auf Erteilung von Einfuhrlizenzen abzulehnen, ohne ihnen einen Ermessensspielraum zu lassen, und sie betrifft sie individuell insofern, als die Betroffenen zum einen eine geschlossene Gruppe bilden, die aus dem Kreis aller übrigen Importeure des betreffenden Erzeugnisses hinreichend herausgehoben ist und die sich nach dem Inkrafttreten der Aussetzungsmaßnahme nicht mehr erweitern kann, und als Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2707/72 ihnen zum anderen einen spezifischen Schutz zukommen lässt, den sie durch Erhebung einer Klage durchsetzen können müssen.

2. Aufgrund von Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2707/72, wonach die Schutzmaßnahmen im Sektor Obst und Gemüse der besonderen Lage der Erzeugnisse Rechnung tragen müssen, die sich auf dem Weg nach der Gemeinschaft befinden, kann sich ein Importeur, auf dessen Erzeugnisse dies zutrifft, auf ein berechtigtes Vertrauen darauf berufen, daß - vorbehaltlich unbestreitbarer öffentlicher Interessen - keine Aussetzungsmaßnahmen ihm gegenüber angewandt werden.

Um den Erfordernissen des in Artikel 3 Absatz 3 vorgesehenen besonderen Schutzes zu genügen, durfte die Kommission sich nicht - wie in ihrer Verordnung Nr. 346/88 geschehen - darauf beschränken, sich ausdrücklich die Möglichkeit des Ergreifens von Schutzmaßnahmen vorzubehalten; sie hätte angeben müssen, in welchen Situationen das öffentliche Interesse die Anwendung von Schutzmaßnahmen auf unterwegs befindliche Erzeugnisse rechtfertigen könnte. Da der Vertrauensschutz nicht gewährleistet war, sind die Verordnungen Nrn. 962/88, 984/88 und 1040/88 also insoweit für nichtig zu erklären, als sie auf dem Weg nach der Gemeinschaft befindliche Erzeugnisse betreffen.

3. Es stellt eine hinreichend schwerwiegende Verletzung einer höherrangigen Rechtsnorm dar, durch die die Haftung der Gemeinschaft ausgelöst wird, wenn die Kommission dem Sektor Obst und Gemüse Schutzmaßnahmen betreffend die Einfuhren mit Ursprung in Drittländern erlässt, ohne sich hierbei auf ein unbestreitbaren öffentliches Interesse zu berufen, und es - unter Verletzung des durch Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2707/72 begründeten rechtmässigen Vertrauens - vollständig unterlässt, der Lage der Wirtschaftsteilnehmer Rechnung zu tragen, deren Erzeugnisse sich auf dem Weg nach der Gemeinschaft befinden.

Die Schäden, die sich möglicherweise aus dem Erlaß solcher Maßnahmen unter derartigen Umständen ergeben, überschreiten die Grenzen der wirtschaftlichen Risiken, die mit den Tätigkeiten der Wirtschaftsteilnehmer in dem betreffenden Sektor verbunden sind, da die genannte Vorschrift gerade bezweckt, diese Risiken hinsichtlich der unterwegs befindlichen Erzeugnisse zu beschränken.

4. Über eine Zinsforderung im Zusammenhang mit der ausservertraglichen Haftung der Gemeinschaft nach Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag ist im Lichte der den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrundsätze zu entscheiden, auf die diese Betimmung verweist. Nach diesen Grundsätzen ist eine solche Forderung im allgemeinen zulässig.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (FUENFTE KAMMER) VOM 26. JUNI 1990. - SOFRIMPORT SARL GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - GEMEINSAME HANDELSPOLITIK - GEMEINSCHAFTLICHE SCHUTZMASSNAHMEN - HANDELSVERKEHR MIT DRITTLAENDERN - TAFELAEPFEL MIT URSPRUNG IN CHILE. - RECHTSSACHE 152/88.

Entscheidungsgründe:

1 Die Gesellschaft französischen Rechts Sofrimport SARL ( nachstehend : "Sofrimport ") hat mit Klageschrift, die am 26. Mai 1988 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Verordnungen ( EWG ) Nrn. 962/88 und 984/88 der Kommission vm 12. und 14. April 1988 zur Aussetzung der Erteilung von Einfuhrlizenzen für Tafeläpfel mit Ursprung in Chile ( ABl. L 95, S. 10, und L 98, S. 37 ) und der Verordnung ( EWG ) Nr. 1040/88 der Kommission vom 20. April 1988 zur Festsetzung der einführbaren Mengen Tafeläpfel mit Ursprung in Drittländern und zur Änderung der vorerwähnten Verordnung Nr. 962/88 ( ABl. L 102, S. 23 ). Mit der gleichen Klageschrift beantragt Sofrimport gemäß Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft zum Ersatz des Schadens zu verurteilen, den die Klägerin durch diese Verordnungen erlitten hat.

2 Die Verordnungen Nrn. 962/88, 984/88 und 1040/88 wurden im Rahmen der Regelung zur Überwachung der Einfuhr von Tafeläpfeln aus Drittländern erlassen, die die Kommission mit ihrer Verordnung ( EWG ) Nr. 346/88 vom 3. Februar 1988 ( ABl. L 34, S. 21 ) eingeführt hat. Diese Regelung macht die Abfertigung der genannten Obstarten in der Zehnergemeinschaft von der Vorlage einer Einfuhrlizenz abhängig, deren Geltungsdauer zunächst 30 Tage betrug und später durch die Verordnung ( EWG ) Nr. 871/88 der Kommission vom 30. März 1988 ( ABl. L 87, S. 73 ) auf 40 Tage verlängert wurde. Mit den Verordnungen Nrn. 962/88 und 984/88 setzte die Kommission - als Schutzmaßnahme - die Erteilung von Einfuhrlizenzen für Tafeläpfel mit Ursprung in Chile vom 15. bis zum 22. April und vom 18. bis zum 29. April aus. Mit ihrer Verordnung Nr. 1040/88 erhielt die Kommission die Aussetzung der Erteilung von Einfuhrlizenzen für Tafeläpfel mit Ursprung in Chile bis zum 31. August 1988 aufrecht und setzte Einfuhrmengen von Tafeläpfeln mit Ursprung insbesondere in den fünf Erzeugerländern der südlichen Hemisphäre fest.

3 Am 31. März 1988 verschiffte Sofrimport, die als Frischobstimporteurin und -großhändlerin tätig ist, in San Antonio eine Ladung von 89 514 Kisten Tafeläpfel mit Ursprung in Chile, die zur Einfuhr in die Gemeinschaft bestimmt waren. Bevor das Schiff, das diese Ladung transportierte, am 20. April 1988 im Hafen von Marseille ankam, beantragte sie am 12. April 1988 bei der französischen Interventionsstelle, dem Oniflhor, gemäß den Vorschriften der Verordnung Nr. 346/88 der Kommission die Erteilung von Einfuhrlizenzen für diese Erzeugnisse.

4 Am 18. April 1988 lehnte das Oniflhor unter Berufung auf die vorerwähnten Verordnungen Nrn. 962/88 und 984/88 die Erteilung der Lizenzen ab. In der Tat waren die am 18. April 1988 unerledigten Anträge auf Erteilung von Einfuhrlizenzen gemäß Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung Nr. 962/88 abzulehnen.

5 Am 26. Mai 1988 beantragte Sofrimport gemäß den Artikeln 186 EWG-Vertrag und 83 der Verfahrensordnung, die Anwendung der Verordnungen Nrn. 962/88, 984/88 und 1040/88 im Hinblick auf die Tafeläpfel, die die Firma am 31. März 1988 in San Antonio verschifft hatte, im Wege der einstweiligen Anordnung auszusetzen.

6 Mit Beschluß vom 10. Juni 1988 gab der Präsident des Gerichtshofes diesem Antrag statt.

7 Wegen weiterer Einzelheiten des rechtlichen Rahmens der Rechtssache, des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur Nichtigkeitsklage

Zur Zulässigkeit

8 Was die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage betrifft, so ist zu prüfen, ob die angefochtenen Rechtshandlungen die Klägerin im Sinne von Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag unmittelbar und individuell betreffen.

9 Die Klägerin ist von den streitigen Rechtshandlungen unmittelbar betroffen, da die Verordnung Nr. 962/88 die nationalen Behörden anweist, die unerledigten Anträge auf Erteilung von Einfuhrlizenzen abzulehnen, und ihnen somit keinerlei Ermessensspielraum lässt.

10 Was die Frage nach der individuellen Betroffenheit der Klägerin angeht, so muß geprüft werden, ob die angefochtenen Rechtshandlungen sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt ( siehe das Urteil vom 14. Juli 1983 in der Rechtssache 231/82, Spijker/Kommission, Slg. 1983, 2559, Randnr. 8 ).

11 Hierzu ist zunächst festzustellen, daß sich die Klägerin in der Lage befindet, auf die Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung ( EWG ) Nr. 2707/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 zur Festlegung der Voraussetzungen für die Anwendung von Schutzmaßnahmen auf dem Sektor Obst und Gemüse ( ABl. L 291, S. 3 ) Bezug nimmt; diese Bestimmung verpflichtet die Kommission, beim Erlaß derartiger Maßnahmen der besonderen Lage der Erzeugnisse Rechnung zu tragen, die sich auf dem Weg nach der Gemeinschaft befinden. In dieser Lage befinden sich nur diejenigen Importeure chilenischer Äpfel, deren Erzeugnisse im Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung Nr. 962/88 unterwegs waren. Diese Importeure bilden daher eine geschlossene Gruppe, die aus dem Kreis aller übrigen Importeure chilenischer Äpfel hinreichend herausgehoben ist und die sich nach dem Inkrafttreten der umstrittenen Aussetzungsmaßnahmen nicht mehr erweitern kann.

12 Sodann ist festzustellen, daß der vorgenannte Artikel 3 diesen Importeuren einen spezifischen Schutz zukommen lässt; sie müssen somit in der Lage sein, die Beachtung dieses Schutzes durchzusetzen und zu diesem Zweck Klage zu erheben.

13 Die Importeure, deren Erzeugnisse sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens der angefochtenen Verordnungen auf dem Weg nach der Gemeinschaft befanden, sind daher als von diesen Verordnungen individuell betroffen anzusehen, soweit die Verordnungen diese Erzeugnisse betreffen. Die Nichtigkeitsklage ist folglich nur insoweit zulässig, als sie sich gegen die Anwendung der Schutzmaßnahmen auf die unterwegs befindlichen Erzeugnisse wendet.

Zur Begründetheit

14 Sofrimport stützt ihre Nichtigkeitsklage auf folgende Gründe :

- Fehlen ernstlicher Störungen im Sinne von Artikel 29 der Verordnung ( EWG ) Nr. 1035/72 des Rates vom 18. Mai 1972 über eine gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse ( ABl. L 118, S. 1 ), die Voraussetzung für den Erlaß von Schutzmaßnahmen seien;

- Ermessensmißbrauch dadurch, daß die Kommission die Einfuhren von Tafeläpfeln ausgesetzt habe, um eine Überprüfung des Marktes vorzunehmen, obwohl ihr die Befugnis, solche Einfuhren auszusetzen, nur verliehen worden sei, um zu verhindern, daß der Markt durch diese Einfuhren ernstlich gestört werde; Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit dadurch, daß die Aussetzung auf Einfuhren von Äpfeln mit Ursprung in Chile beschränkt und nicht auf Einfuhren von Äpfeln aus anderen Drittländern erstreckt worden sei;

- Verletzung von Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2707/72 dadurch, daß die Kommission es unterlassen habe, der Lage der sich auf dem Weg nach der Gemeinschaft befindenden Erzeugnisse Rechnung zu tragen;

- fehlende Befugnis der Kommission, ein Quotensystem wie das einzuführen, das sie mit der Verordnung Nr. 1040/88 errichtet habe.

15 Da die Nichtigkeitsklage nur insoweit zulässig ist, als sie die Lage der sich unterwegs befindenden Erzeugnisse betrifft, ist nur der dritte dieser Klagegründe zu prüfen, da sich dieser als einziger gegen die Anwendung der Schutzmaßnahmen auf die genannten Erzeugnisse wendet.

16 Gemäß Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 2707/72 müssen "die in Absatz 1 vorgesehenen Maßnahmen... der besonderen Lage der Erzeugnisse Rechnung (( tragen )), die sich auf dem Weg nach der Gemeinschaft befinden ". Aufgrund dieser Bestimmung kann sich ein Importeur, dessen Erzeugnisse unterwegs sind, auf ein berechtigtes Vertrauen darauf berufen, daß - vorbehaltlich unbestreitbarer öffentlicher Interessen - keine Aussetzungsmaßnahmen ihm gegenüber angewandt werden.

17 Die Kommission macht zunächst geltend, sie habe die Wirtschaftsteilnehmer, deren Erzeugnisse sich auf dem Weg nach der Gemeinschaft befunden hätten, dadurch hinreichend geschützt, daß sie die Geltungsdauer der Einfuhrlizenzen mit der Verordnung Nr. 871/88 vom 30. März 1988 ( ABl. L 87, S. 73 ) von 30 auf 40 Tage verlängert habe. Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Dazu genügt die Feststellung, daß der in Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2707/72 vorgesehene spezifische Schutz hauptsächlich Erzeugnisse betrifft, für die keine Lizenz erteilt wurde.

18 Die Kommission macht weiterhin geltend, ein normal sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer hätte jederzeit damit rechnen müssen, daß sie Schutzmaßnahmen ergreifen würde, da sie sich diese Möglichkeit in Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr. 346/88 ausdrücklich vorbehalten habe. Die blosse Information der Wirtschaftsteilnehmer über die Möglichkeit von Schutzmaßnahmen kann jedoch nicht als ausreichend angesehen werden. Um den Erfordernissen des in Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2707/72 vorgesehenen besonderen Schutzes zu genügen, hätte die Maßnahme überdies angeben müssen, in welchen Situationen das öffentliche Interesse die Anwendung von Schutzmaßnahmen auf unterwegs befindliche Erzeugnisse rechtfertigen könnte.

19 Es ist festzustellen, daß die Kommission im vorliegenden Fall das Bestehen eines höheren öffentlichen Interesses, das die Anwendung von Aussetzungsmaßnahmen auf unterwegs befindliche Erzeugnisse gerechtfertigt hätte, nicht nachgewiesen hat.

20 Infolgedessen hat die Kommission gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 3 Absatz 3 der vorgenannten Verordnung verstossen.

21 Die Verordnungen Nrn. 962/88, 984/88 und 1040/88 sind daher insoweit für nichtig zu erklären, als sie auf dem Weg nach der Gemeinschaft befindliche Erzeugnisse betreffen; im übrigen ist die Nichtigkeitsklage abzuweisen.

Zur Schadensersatzklage

22 Sofrimport beantragt ausserdem, die Gemeinschaft zum Ersatz des Schadens zu verurteilen, den sie ihr dadurch zugefügt habe, daß sie sie daran gehindert habe, die Tafeläpfel mit Ursprung in Chile bis zum 10. Juni 1988 in der Gemeinschaft zu vermarkten, zu welchem Zeitpunkt der Präsident des Gerichtshofes die Anwendung der genannten Verordnungen im Hinblick auf die 89 514 Kisten Tafeläpfel, die seinerzeit zur Durchfuhr im Hafen von Marseille gelagert waren, durch Beschluß ausgesetzt hat. Indem die Kommission diese Verordnungen erlassen habe, ohne der Lage der unterwegs befindlichen Erzeugnisse Rechnung zu tragen, habe sie gegen eine höherrangige Rechtsnorm verstossen und die der Ausübung ihrer Befugnisse gesetzten Grenzen offensichtlich und in schwerwiegender Weise verletzt.

23 Die Kommission bestreitet, daß die Voraussetzungen für die Auslösung der ausservertraglichen Haftung der Gemeinschaft vorlägen. Die angefochtenen Verordnungen stellten Rechtsetzungsakte dar, die wirtschaftspolitische Entscheidungen einschlössen, so daß die Gemeinschaft nur unter den in der Rechtsprechung des Gerichtshofes für die ausservertragliche Haftung aufgestellten Voraussetzungen zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet sein könne. Die umstrittenen Maßnahmen überschritten nicht die Befugnisse der Kommission, jedenfalls nicht schwerwiegend und offensichtlich. Überdies habe die Klägerin keinen Schaden erlitten, der über die Risiken hinausgehe, die mit den fraglichen wirtschaftlichen Tätigkeiten verbunden seien.

24 Nach Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag ersetzt die Gemeinschaft im Bereich der ausservertraglichen Haftung den durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind.

25 Der Gerichtshof hat die Tragweite dieser Bestimmung im Hinblick auf Rechtsetzungsakte insbesondere in seinem Urteil vom 25. Mai 1978 in den verbundenen Rechtssachen 83/76 und 94/76, 4/77, 15/77 und 40/77 ( HNL, Slg. 1978, 1209, Randnrn. 4 bis 6 ) näher dargelegt ( siehe auch die Urteile vom 4. Oktober 1979 in der Rechtssache 238/78, Ireks-Arkady, Slg. 1979, 2955, Randnr. 9, in den verbundenen Rechtssachen 241/78, 242/78, 245/78 bis 250/78, DGV, Slg. 1979, 3017, Randnr. 9, und in den verbundenen Rechtssachen 261/78 und 262/78, Interquell, Slg. 1979, 3045, Randnr. 12 ). Nach dieser Rechtsprechung kann die Haftung der Gemeinschaft für einen Rechtsetzungsakt, dessen Erlaß wirtschaftspolitische Entscheidungen voraussetzt, nur durch eine hinreichend schwerwiegende Verletzung einer höherrangigen, die einzelnen schützenden Rechtsnorm ausgelöst werden.

26 Dazu ist erstens festzustellen, daß Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 2707/72 bezweckt, diejenigen Wirtschaftsteilnehmer, die von dieser Verordnung erfasste Erzeugnisse in die Gemeinschaft einführen, vor den nachteiligen Folgen der Schutzmaßnahmen zu bewahren, die von den Gemeinschaftsorganen getroffen werden könnten. Diese Vorschrift schafft daher ein rechtmässiges Vertrauen, dessen Missachtung die Verletzung einer höherrangigen Rechtsnorm darstellt.

27 Zweitens ist festzustellen, daß die Kommission Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2707/72 in hinreichend schwerwiegender Weise verletzt hat, indem sie es vollständig unterlassen hat, der Lage von Wirtschaftsteilnehmern wie Sofrimport Rechnung zu tragen, ohne sich hierbei auf ein unbestreitbares öffentliches Interesse zu berufen.

28 Drittens überschreitet der von Sofrimport geltend gemachte Schaden die Grenzen der wirtschaftlichen Risiken, die mit den Tätigkeiten in dem betreffenden Sektor verbunden sind, da die genannte Vorschrift gerade bezweckt, diese Risiken hinsichtlich der unterwegs befindlichen Erzeugnisse zu beschränken.

29 Nach alledem hat die Gemeinschaft den Schaden zu ersetzen, der Sofrimport durch den Erlaß der streitigen Verordnungen entstanden ist.

30 Was den Schadensbetrag angeht, so sind die Parteien aufzufordern, sich vorbehaltlich einer späteren Entscheidung des Gerichtshofes innerhalb von zwölf Monaten über die Feststellung dieses Betrags zu einigen, wobei sie die Preise, die Sofrimport beim Verkauf der Äpfel im Anschluß an den vorerwähnten Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes tatsächlich erzielt hat, sowie diejenigen Preise zu berücksichtigen haben, die die Firma unmittelbar nach der Ankunft der Erzeugnisse im Bestimmungshafen hätte erzielen können.

31 Sofrimport beantragt ausserdem, die Gemeinschaft zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 9,5 % jährlich vom Datum der Einreichung der Erwiderung in der vorliegenden Rechtssache an zu verurteilen.

32 Da dieser Antrag die ausservertragliche Haftung der Gemeinschaft nach Artikel 215 Absatz 2 betrifft, ist über ihn im Lichte der den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrundsätze zu entscheiden, auf die diese Bestimmung verweist. Hiernach ist eine Zinsforderung im allgemeinen zulässig. Gemäß den Kriterien, auf die der Gerichtshof in ähnlichen Rechtssachen abgestellt hat, entsteht die Verpflichtung zur Zinszahlung am Tag des vorliegenden Urteils, da dieses die Verpflichtung zum Schadensersatz feststellt ( siehe die vorgenannten Urteile vom 4. Oktober 1979 sowie die Urteile vom 18. Mai 1983 in der Rechtssache 256/81, Pauls Agriculture, Slg. 1983, 1707, Randnr. 17, und vom 13. November 1984 in den verbundenen Rechtssachen 256/80, 257/80, 265/80, 267/80, 5/81 und 51/81 und 282/82, Birra Wührer, Slg. 1984, 3693, Randnr. 37 ). Der anzuwendende Zinssatz beträgt 8 %.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Fünfte Kammer )

durch Zwischenurteil für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Verordnungen ( EWG ) Nrn. 962/88 und 984/88 der Kommission vom 12. und 14. April 1988 zur Aussetzung der Erteilung von Einfuhrlizenzen für Tafeläpfel mit Ursprung in Chile sowie die Verordnung ( EWG ) Nr. 1040/88 der Kommission vom 20. April 1988 zur Festsetzung der einführbaren Mengen Tafeläpfel mit Ursprung in Drittländern und zur Änderung der Verordnung ( EWG ) Nr. 962/88 werden insoweit für nichtig erklärt, als sie auf dem Weg nach der Gemeinschaft befindliche Erzeugnisse betreffen.

2 ) Im übrigen wird die Nichtigkeitsklage abgewiesen.

3 ) Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft wird verurteilt, den Schaden zu ersetzen, den die Sofrimport SARL durch die Anwendung der Verordnungen ( EWG ) Nrn. 962/88, 984/88 und 1040/88 erlitten hat.

4 ) Die zu zahlenden Beträge sind mit 8 % jährlich vom Tag dieses Urteils an zu verzinsen.

5 ) Die Parteien werden dem Gerichtshof binnen einer Frist von zwölf Monaten nach Verkündung dieses Urteils mitteilen, auf welche Schadensersatzbeträge sie sich geeinigt haben.

6 ) Mangels einer solchen Einigung werden die Parteien dem Gerichtshof binnen einer Frist von zwölf Monaten nach Verkündung dieses Urteils bezifferte Anträge vorlegen.

7 ) Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Ende der Entscheidung

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