Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 22.09.1988
Aktenzeichen: 159/86
Rechtsgebiete: EWG/EAG BeamtStat vom 04.05.1978


Vorschriften:

EWG/EAG BeamtStat vom 04.05.1978 Art. 4 Abs. 2 Anhangs VII
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Übermittlung der monatlichen Gehaltsabrechnung setzt die Frist für die Klage gegen eine Verwaltungsentscheidung in Lauf, wenn die Existenz dieser Entscheidung aus diesem Beleg ohne weiteres ersichtlich ist.

Das Fehlen der Expatriierungszulage in einer monatlichen Gehaltsabrechnung kann nicht als eine die Gewährung ablehnende Entscheidung verstanden werden, wenn die Verwaltung erst durch den entsprechenden Antrag des Betroffenen in die Lage versetzt wurde festzustellen, daß er die Voraussetzungen für die Gewährung der Zulage erfuellt.

In einem solchen Fall stellt die Ablehnung des Antrags die beschwerende Maßnahme dar.

2. Keine Bestimmung des Beamtenstatuts verpflichtet einen Beamten, einen Antrag auf Gewährung der Expatriierungszulage zu stellen, da dieser Anspruch entsteht, sobald die Voraussetzungen des Artikels 4 Absatz 2 des Anhangs VII zum Statut erfuellt sind.

Das Beamtenstatut sieht im übrigen keinerlei Verjährungsfrist für den Anspruch auf Zahlung dieser Zulage vor.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (DRITTE KAMMER) VOM 22. SEPTEMBER 1988. - MICHELE CANTERS GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN BEAMTER - AUSLANDSZULAGE. - RECHTSSACHE 159/86.

Entscheidungsgründe:

1 Herr Michele Canters, Bediensteter der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, hat mit Klageschrift, die am 1. Juli 1986 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, Klage erhoben auf Aufhebung der Entscheidung der Kommission vom 1. April 1986, durch die seine Beschwerde, mit der er die Gewährung der Expatriierungszulage ab 4. Mai 1978 verlangt hatte, zurückgewiesen wurde.

2 Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und seit 27. Oktober 1975 im Dienst der Forschungsanstalt Ispra der Gemeinsamen Forschungsstelle. Am 12. März 1985 stellte er einen Antrag auf Gewährung der Expatriierungszulage gemäß Artikel 4 des Anhangs VII des Beamtenstatuts vom 4. Mai 1978 an; an diesem Tag ist die Verordnung Nr. 912/78 ( ABl. L 119, S. 1 ) in Kraft getreten, mit der diese Zulage eingeführt wurde. Die Kommission gewährte die beantragte Zulage, jedoch erst ab 1. März 1985, dem Monat der Einreichung des Antrags.

3 Mit Entscheidung vom 1. April 1986 wies die Kommission die vom Kläger gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Beamtenstatuts eingelegte Beschwerde zurück.

4 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrens und des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur Zulässigkeit

5 Die Kommission macht die Unzulässigkeit der Klage mit der Begründung geltend, daß die Beschwerde nach Ablauf der Frist des Artikels 90 Absatz 2 des Beamtenstatuts eingelegt sei. Sie vertritt hierzu die Auffassung, daß die Gehaltsabrechnungen von Mai 1978 bis Februar 1985, die die Expatriierungszulage nicht enthalten hätten, als beschwerende Maßnahmen zu betrachten seien und die Zurückweisung der Beschwerde sich darauf beschränkt habe, die in den Gehaltsabrechnungen enthaltenen früheren Entscheidungen über die Ablehnung dieser Zulage zu bestätigen. Sie fügt hinzu, daß der Kläger sich jetzt nicht auf eine Unregelmässigkeit berufen könne, die vorliegend nur die unmittelbare Folge seines untätigen Verhaltens sei.

6 Es ist daran zu erinnern, daß nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes, zuletzt im Urteil vom 15. Juni 1976 in der Rechtssache 1/76 ( Wack/Kommission, Slg. 1976, 1017 ), die Übermittlung der monatlichen Gehaltsabrechnung die Frist für die Klage gegen eine Verwaltungsentscheidung in Lauf setzt, wenn die Existenz dieser Entscheidung aus diesem Beleg ohne weiteres ersichtlich ist.

7 Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht gegeben. Das Fehlen der Expatriierungszulage in den monatlichen Gehaltsabrechnungen des Klägers bedeutete nicht notwendigerweise, daß die Kommission ihm einen Anspruch darauf aberkannte. Wie die Kommission übrigens in ihrer Klagebeantwortung eingeräumt hat, erfuhr sie erst durch den entsprechenden Antrag des Klägers, daß er die Voraussetzungen für die Gewährung der Zulage erfuellte.

8 Hieraus ergibt sich, daß die Weigerung der Kommission vom 1. April 1986, dem Antrag des Klägers zu entsprechen, die diesen beschwerende Maßnahme darstellt. Da die Beschwerde gegen diese Entscheidung innerhalb der Frist des Artikels 90 Absatz 2 des Beamtenstatuts eingelegt wurde, ist die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

Zur Begründetheit

9 Der Kläger macht geltend, daß er aufgrund seiner Staatsangehörigkeit und seines Dienstortes die objektiven Voraussetzungen erfuelle, von denen Artikel 4 Absatz 2 des Anhangs VII des Beamtenstatuts die Gewährung der Expatriierunszulage abhängig mache. Da der Kommission aber bekannt gewesen sei, daß vorliegend diese Voraussetzungen erfuellt seien, habe sie die Zulage bei deren Einführung automatisch zahlen müssen, ohne daß ein Antrag des Klägers erforderlich gewesen sei. Die zurückweisende Entscheidung der Kommission vom 1. April 1986 stelle daher eine Verletzung des Artikels 62 des Beamtenstatuts und des Artikels 16 seines Anhangs VII dar, da diese Zulage als Bestandteil der Dienstbezuege, auf die der Beamte nicht verzichten könne, die Rechtsnatur eines unverjährbaren Anspruchs habe.

10 Die Kommission macht geltend, daß anläßlich der 1978 erfolgten Revision des Beamtenstatuts ihre Dienststellen alle Beamten zweimal auf die Einführung der Expatriierungszulage aufmerksam gemacht hätten; es sei daher Sache des Klägers gewesen, seinen Anspruch auf Gewährung dieser Zulage mitzuteilen. Zur Stützung ihrer Auffassung verweist sie auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes, wonach man die Lage einer Verwaltung, die mit der Zahlung von Tausenden von Dienstbezuegen und Zulagen betraut sei und die einen Fehler begangen habe, nicht mit der des Beamten vergleichen könne, der ein persönliches Interesse an der Überprüfung seiner monatlichen Dienstbezuege habe. Im übrigen könne der Anspruch auf die Expatriierungszulage nicht als unverjährbar angesehen werden, da diese, ebenso wie andere Zulagen, jedem Beamten entzogen werden könne, der die Voraussetzungen für ihre Gewährung nicht mehr erfuelle.

11 Es ist darauf hinzuweisen, daß gemäß Artikel 4 Absatz 2 des Anhangs VII des Beamtenstatuts Beamten, die die Staatsangehörigkeit des Staates, in dessen Hoheitsgebiet der Ort ihrer dienstlichen Verwendung liegt, nicht besitzen und nicht besessen haben, jedoch die Bedingungen für die Gewährung der Auslandszulage nicht erfuellen, Anspruch auf eine Expatriierungszulage haben, die gleich dem vierten Teil der Auslandszulage ist. Es steht fest, daß der Kläger, der deutscher Staatsangehöriger ist, im Augenblick seines Dienstantritts aber seinen Wohnsitz in Italien hatte, die Expatriierungszulage beanspruchen konnte.

12 Ferner ist hervorzuheben, daß keine Bestimmung des Beamtenstatuts von den Betroffenen verlangt, daß sie einen Antrag einreichen, um den Anspruch auf die Expatriierungszulage zu erwerben, da dieser Anspruch entsteht, sobald die Voraussetzungen der erwähnten Vorschrift erfuellt sind.

13 Das Beamtenstatut sieht schließlich keine Verjährungsfrist für den Anspruch auf Zahlung einer solchen Zulage vor.

14 Hieraus ergibt sich, daß die angefochtene Entscheidung dadurch, daß mit ihr die Zahlung der Expatriierungszulage abgelehnt wurde, die der Kläger seit Mai 1978 beanspruchen kann, Artikel 4 Absatz 2 des Anhangs VII des Beamtenstatuts verletzt hat und daher aufzuheben ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

15 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Dritte Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Entscheidung der Kommission vom 1. April 1986, mit der dem Kläger die Zahlung der Expatriierungszulage für die Zeit vom 4. Mai 1978 bis zum 30. April 1985 verweigert wurde, wird aufgehoben.

2 ) Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

Zurück