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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 20.09.1988
Aktenzeichen: 203/86
Rechtsgebiete: EWGV, Verordnung 1335/86/EWG, Verordnung 804/68/EWG


Vorschriften:

EWGV Art. 173 Abs. 1
EWGV Art. 43 Abs. 2
Verordnung 1335/86/EWG
Verordnung 804/68/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Artikel 8 der Akte über den Beitritt Spaniens gestattet es den Gemeinschaftsorganen, die von ihnen erlassenen und durch die Beitrittsakte geänderten Rechtsakte künftig nach dem normalerweise für Änderungen des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts geltenden Verfahren zu ändern.

2. Bei der Verfolgung der Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik müssen die Gemeinschaftsorgane ständig den Ausgleich sicherstellen, den etwaige Widersprüche zwischen diesen Zielen, wenn sie isoliert betrachtet werden, erforderlich machen können, und gegebenenfalls dem einen oder anderen unter ihnen zeitweiligen Vorrang einräumen, sofern die wirtschaftlichen Gegebenheiten und Umstände, die den Gegenstand ihrer Beschlußfassung bilden, dies gebieten.

Zur Verwirklichung des Ziels der Regelung über die zusätzliche Abgabe auf Milch, nämlich der Stabilisierung des Marktes für Milcherzeugnisse, der durch auf einem Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage beruhende strukturelle Überschüsse gekennzeichnet war, konnte der Rat daher, ungeachtet der Auswirkungen einer solchen Maßnahme auf das Einkommen der Landwirte, durch die Verordnungen Nrn. 1335/86 und 1343/86 die von jener Abgabe freigestellten Gesamtgarantiemengen um 3 % herabzusetzen, ohne gegen Artikel 39 EWG-Vertrag zu verstossen.

3. Der Anwendungsbereich des Grundsatzes des Vertrauensschutzes darf nicht so weit ausgedehnt werden, daß die Anwendung einer neuen Regelung auf die künftigen Folgen von Sachverhalten schlechthin ausgeschlossen ist, die unter der Geltung der früheren Regelung entstanden sind, und zwar insbesondere in einem Bereich wie den gemeinsamen Marktorganisationen, deren Ziel gerade eine ständige Anpassung erfordert, um den Veränderungen der Wirtschaftslage in den verschiedenen Agrarsektoren Rechnung zu tragen.

Diese Regel verliert nicht ihre Gültigkeit, wenn die bisherige Regelung nach ihrem letzten Stand aus einer Änderung hervorgegangen war, die die Akte über den Beitritt eines Mitgliedstaats an einer früheren Regelung vorgenommen hatte.

4. Das in Artikel 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 EWG-Vertrag niedergelegte Verbot der Diskriminierung zwischen Erzeugern oder Verbrauchern innerhalb der Gemeinschaft untersagt es, vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte gleich zu behandeln, es sei denn, daß eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt wäre. Maßnahmen im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation, namentlich deren Interventionsmechanismen, dürfen daher nur aufgrund objektiver Kriterien, die eine ausgewogene Verteilung der Vor - und Nachteile auf die Betroffenen gewährleisten, nach Regionen und sonstigen Produktions - oder Verbrauchsbedingungen differenzieren, ohne nach dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu unterscheiden.

Was die Anwendung einer Maßnahme zur Herabsetzung der Milcherzeugung betrifft, so befindet sich Spanien - obwohl es auf diesem Sektor ein Defizit aufweist und zu den Überschüssen nicht beigetragen hat - nicht in einer gegenüber derjenigen der anderen Mitgliedstaaten derart unterschiedlichen Lage, daß das Diskriminierungsverbot die spanischen Erzeuger notwendigerweise von der durch die Situation auf dem betreffenden Markt gebotenen Pflicht zu solidarischem Bemühen befreien würde, an dem sich alle Erzeuger der Gemeinschaft in gleicher Weise beteiligen müssen.

5. Es ist nicht zu fordern, daß der Rat alle Einzelheiten der Verordnungen über die Gemeinsame Agrarpolitik nach dem Verfahren des Artikels 43 EWG-Vertrag regelt. Dieser Bestimmung ist vielmehr Genüge getan, wenn die wesentlichen Grundzuege der zu regelnden Materie nach diesem Verfahren festgelegt worden sind; dagegen können die Durchführungsbestimmungen zu den Grundverordnungen von der Kommission oder vom Rat auf der Grundlage dieser Verordnungen nach einem von Artikel 43 abweichenden Verfahren erlassen werden.

Diese Bestimmung ist daher nicht verletzt, wenn der Rat ohne Anhörung des Parlaments, aber unter Beachtung der Kriterien und des Verfahrens, die die Grundverordnung vorschreibt, eine Durchführungsverordnung erlässt.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 20. SEPTEMBER 1988. - KOENIGREICH SPANIEN GEGEN RAT DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - GEMEINSAME MARKTORGANISATION FUER MILCH UND MILCHERZEUGNISSE - NICHTIGERKLAERUNG DER VERORDNUNGEN NR. 1335/86 UND NR. 1343/86 DES RATES - HERABSETZUNG DER GESAMTGARANTIEMENGEN. - RECHTSSACHE 203/86.

Entscheidungsgründe:

1 Das Königreich Spanien hat mit Klageschrift, die am 4. August 1986 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 1 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 1335/86 des Rates vom 6. Mai 1986 zur Änderung der Verordnung Nr. 804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse ( ABl. L 119, S. 19 ) sowie der Verordnung Nr. 1343/86 des Rates vom 6. Mai 1986 zur Änderung der Verordnung Nr. 857/84 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5 c der Verordnung Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse ( ABl. L 119, S. 34 ).

2 Das Königreich Spanien hält die angefochtenen Verordnungen deshalb für rechtswidrig, weil sie die Spanien durch die Beitrittsakte zugewiesenen Gesamtgarantiemengen für an Molkereien gelieferte und unmittelbar an Verbraucher verkaufte Milch um 3 % herabsetzen.

3 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

I - Klagegründe, die sich gegen beide angefochtenen Verordnungen richten

a ) Zur Verletzung wesentlicher Formvorschriften

4 Das Königreich Spanien macht geltend, der Rat habe dadurch wesentliche Formvorschriften verletzt, daß er die angefochtenen Verordnungen mit qualifizierter Mehrheit gegen die Stimme Spaniens beschlossen habe. Die in der Beitrittsakte festgesetzten Gesamtgarantiemengen stellten Bedingungen für den Beitritt des neuen Mitgliedstaates dar und seien daher Bestandteil einer Übereinkunft zwischen den Mitgliedstaaten und dem Bewerberstaat, die nicht ohne die Zustimmung aller vertragsschließenden Parteien geändert werden könne.

5 Wie der Rat jedoch zutreffend ausgeführt hat, gestattet Artikel 8 der Beitrittsakte es den Gemeinschaftsorganen, die von ihnen erlassenen und durch die Beitrittsakte geänderten Rechtsakte künftig nach dem normalerweise für Änderungen des abgeleiteten Rechts geltenden Verfahren zu ändern.

6 Hieraus folgt, daß die für Spanien geltenden Gesamtgarantiemengen, die in Anhang I, Kapitel XIV der Beitrittsakte in Form einer Änderung der Verordnungen Nrn. 804/68 und 857/84 des Rates angegeben sind, nach dem vorliegend angewandten Verfahren geändert werden konnten.

7 Die auf eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften gestützte Rüge ist daher zurückzuweisen.

b ) Zur Verletzung von Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe b EWG-Vertrag

8 Nach Ansicht des Königreichs Spanien verstösst die Herabsetzung der Spanien durch die Beitrittsakte zugewiesenen Gesamtgarantiemengen um 3 % gegen das in Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe b EWG-Vertrag genannte grundlegende Ziel der Gemeinsamen Agrarpolitik, der landwirtschaftlichen Bevölkerung eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten. Spanien weist hierzu namentlich auf die wirtschaftlichen und sozialen Folgen hin, die eine solche Herabsetzung für bestimmte spanische Regionen mit sich bringen würde, in denen der Milchsektor, der durch kleine Familienbetriebe gekennzeichnet sei, etwa 70 % der landwirtschaftlichen Tätigkeit ausmache. Unter allgemeinen volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten führe überdies die Regelung der Ablösung von Milchquoten, wie sie durch die Verordnung Nr. 1336/86 des Rates vom 6. Mai 1986 zur Festsetzung einer Vergütung bei der endgültigen Aufgabe der Milcherzeugung ( ABl. L 119, S. 21 ) eingeführt worden sei, zu einem Rückgang der spanischen Milcherzeugung, der für die Erzeuger, die ihre Produktion aufgäben, wirtschaftliche und soziale Nachteile mit sich bringe.

9 Der Rat entgegnet, er habe bei der Ausübung seines Ermessens die verschiedenen in Artikel 39 EWG-Vertrag festgelegten Ziele miteinander in Einklang bringen und im vorliegenden Falle der Stabilisierung des Marktes den Vorrang einräumen müssen. Man habe jedoch andere Maßnahmen vorgesehen, um zu vermeiden, daß die Herabsetzung der Gesamtgarantiemengen um 3 % die Höhe der Quoten der einzelnen Erzeuger beeinträchtige.

10 Hierzu ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes hinzuweisen, wonach die Gemeinschaftsorgane bei der Verfolgung der Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik ständig den Ausgleich sicherstellen müssen, den etwaige Widersprüche zwischen diesen Zielen, wenn sie isoliert betrachtet werden, erforderlich machen können, und gegebenenfalls dem einen oder anderen unter ihnen zeitweiligen Vorrang einzuräumen haben, sofern die wirtschaftlichen Gegebenheiten und Umstände, die den Gegenstand ihrer Beschlußfassung bilden, dies gebieten ( siehe insbesondere das Urteil vom 20. Oktober 1977 in der Rechtssache 29/77, Roquette Frères, Slg. 1977, 1835 ).

11 Die angefochtenen Verordnungen müssen im Rahmen der Gemeinschaftsregelung betrachtet werden, zu der sie gehören. Die beanstandete Herabsetzung stellt eine Maßnahme dar, die Teil der Regelung über die zusätzliche Abgabe ist, die durch die Verordnungen Nrn. 856/84 und 857/84 des Rates vom 31. März 1984 eingeführt wurde; Ziel dieser Verordnungen ist die Stabilisierung des Marktes für Milcherzeugnisse, der durch auf dem mangelnden Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage beruhende strukturelle Überschüsse gekennzeichnet ist. Zur Verwirklichung dieses Zieles sowie angesichts der Entwicklung des Marktes erschien es notwendig, die Gesamtgarantiemengen um 3 % herabzusetzen.

12 Ferner ist festzustellen, daß der Rat am gleichen Tage die angefochtenen Verordnungen und die Verordnung Nr. 1336/86 erlassen hat, die eine Gemeinschaftsregelung für die Ablösung von Referenzmengen der einzelnen Erzeuger vorsieht, um zu vermeiden, daß deren Quoten beeinträchtigt werden, oder um jedenfalls zu erreichen, daß sie nicht wesentlich zurückgehen.

13 Um den Landwirten eine schrittweise Anpassung an die neue Lage zu ermöglichen, wurde weiterhin bestimmt, daß die durch die angefochtenen Verordnungen eingeführte Regelung erst ein Jahr nach deren Veröffentlichung, und zwar stufenweise, in Kraft treten sollte.

14 Schließlich hat der Rat dargelegt, ohne daß ihm das Königreich Spanien widersprochen hätte, der Erlaß der angefochtenen Verordnungen sei deswegen gerechtfertigt gewesen, weil sich die einzige Alternative - eine Herabsetzung der Interventionspreise für Milcherzeugnisse - auf das Einkommen der Landwirte weit ungünstiger als die umstrittenen Verordnungen ausgewirkt hätte.

15 Nach alledem kann nicht angenommen werden, daß der Rat mit seiner Entscheidung, die Gesamtgarantiemengen um 3 % herabzusetzen, gegen Artikel 39 EWG-Vertrag verstossen habe.

16 Die auf eine Verletzung von Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe b EWG-Vertrag gestützte Rüge ist daher zurückzuweisen.

c ) Zur Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes

17 Das Königreich Spanien führt aus, die Änderung der in der Beitrittsakte vorgesehenen Gesamtgarantiemengen bereits wenige Monate nach dem Beitritt verletze das berechtigte Vertrauen Spaniens und der spanischen Wirtschaftsteilnehmer darauf, daß diese Mengen, die zu den Beitrittsbedingungen gehörten, während des dem beitretenden Staat für den Milchsektor eingeräumten Anpassungszeitraums oder zumindestens während des dafür in den Verordnungen Nrn. 856/84 und 857/84 vorgesehenen Zeitraums von fünf Jahren beibehalten würden. Die spanischen Wirtschaftsteilnehmer könnten sich ausserdem insoweit auf ein schutzwürdiges Interesse berufen, als es in Spanien vor dessen Beitritt Rechtsvorschriften gegeben habe, die die Steigerung der Milcherzeugung dieses Landes gefördert hätten.

18 Rat und Kommission machen im wesentlichen geltend, der Grundsatz des Vertrauensschutzes könne nicht dem Ergreifen von Maßnahmen im Wege stehen, die die Anpassung des Milchsektors an die jeweils gegebenen Verhältnisse erfordere.

19 Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes darf der Anwendungsbereich des Grundsatzes des Vertrauensschutzes nicht so weit ausgedehnt werden, daß die Anwendung einer neuen Regelung auf die künftigen Folgen von Sachverhalten schlechthin ausgeschlossen ist, die unter der Geltung der früheren Regelung entstanden sind, und zwar insbesondere in einem Bereich wie den gemeinsamen Marktorganisationen, deren Ziel gerade eine ständige Anpassung erfordert, um den Veränderungen der Wirtschaftslage in den verschiedenen Agrarsektoren Rechnung zu tragen ( so insbesondere das Urteil vom 14. Januar 1987 in der Rechtssache 278/84, Bundesrepublik Deutschland/Kommission, Slg. 1987, 1 ).

20 Diese Regel verliert nicht deswegen ihre Gültigkeit, weil die dem Königreich Spanien zugewiesenen Gesamtgarantiemengen durch die Beitrittsakte festgesetzt wurden, die in diesem Punkt die Verordnungen Nrn. 804/68 und 857/84 geändert hat. Wie bereits ausgeführt, können diejenigen Bestimmungen dieser Akte, die eine nicht nur vorübergehende Aufhebung oder Änderung von Rechtsakten der Organe der Gemeinschaften zum Gegenstand haben oder bewirken, gemäß Artikel 8 der Beitrittsakte nach den für die Änderung des abgeleiteten Rechts geltenden Regeln geändert werden.

21 Nach alledem ist die Rüge einer Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes zurückzuweisen.

d ) Zur Verletzung des Diskriminierungsverbots

22 Das Königreich Spanien führt aus, die angefochtenen Verordnungen verstießen gegen das Diskriminierungsverbot, weil sie unterschiedslos auf alle Milcherzeuger der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft anwendbar seien, obwohl die besondere Lage des spanischen Milchsektors eine unterschiedliche Behandlung erfordert hätte. In diesem Zusammenhang trägt das Königreich Spanien vor, daß Spanien, dessen Milcherzeugung defizitär sei, weder am Zustandekommen der Überschüsse der Gemeinschaft mitgewirkt habe noch in den Genuß der durch die betreffende gemeinsame Marktorganisation geschaffenen Preisstützungsmechanismen gekommen sei und daß die Produktionsstrukturen des spanischen Milchsektors durch eine erheblich unter dem Gemeinschaftsdurchschnitt liegende Leistungsfähigkeit gekennzeichnet seien.

23 Der Rat habe willkürlich gehandelt, als er die angefochtenen Verordnungen erlassen habe, ohne diese objektiven Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Überdies schadeten diese Verordnungen, die zu einem Rückgang der Milcherzeugung führten, den spanischen Wirtschaftsteilnehmern und begründeten eine ständige Diskriminierung zu deren Nachteil.

24 Der Rat, unterstützt von der Kommission, macht geltend, er sei in Ausübung des ihm für die Beurteilung wirtschaftlicher Gegebenheiten und tatsächlicher Verhältnisse zustehenden Ermessens zu der Ansicht gelangt, daß sich die Lage des spanischen Milchsektors nicht von derjenigen dieses Sektors in den anderen Mitgliedstaaten unterscheide, so daß es nicht gerechtfertigt gewesen wäre, für Spanien eine Sonderregelung vorzusehen. Das Vorbringen, Spanien habe nicht am Zustandekommen der Gemeinschaftsüberschüsse mitgewirkt, stehe im Widerspruch zum Grundsatz der Solidarität.

25 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes untersagt das in Artikel 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 niedergelegte Verbot der Diskriminierung zwischen Erzeugern oder Verbrauchern innerhalb der Gemeinschaft, vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte gleich zu behandeln, es sei denn, daß eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt wäre. Maßnahmen im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation, namentlich deren Interventionsmechanismen, dürfen daher nur aufgrund objektiver Kriterien, die eine ausgewogene Verteilung der Vor - und Nachteile auf die Betroffenen gewährleisten, nach Regionen und sonstigen Produktions - oder Verbrauchsbedingungen differenzieren, ohne nach dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu unterscheiden.

26 Hierzu ist festzustellen, daß der Rat die Tatsachen nicht offensichtlich verkannt hat, als er zu der Auffassung gelangte, daß die vom Königreich Spanien angeführten Besonderheiten des spanischen Milchsektors es nicht rechtfertigten, diesen Sektor unterschiedlich zu behandeln und dergestalt auf die einheitliche Herabsetzung der Gesamtgarantiemengen in der ganzen Gemeinschaft zu verzichten.

27 Was zunächst die Produktionsstrukturen des spanischen Milchsektors betrifft, so betont der Rat zu Recht und räumt auch das Königreich Spanien ein, daß die Besonderheiten dieses Sektors in der Beitrittsakte anerkannt und aus diesem Grunde angemessene Übergangsmechanismen vorgesehen wurden.

28 Was sodann die Tatsache anbelangt, daß den spanischen Landwirten die durch die gemeinsame Marktorganisation für Milcherzeugnisse eingeführten Preisstützungsmechanismen nicht zugute gekommen sind, so ist darauf hinzuweisen, daß zum einen der Milchsektor, wie auch andere landwirtschaftliche und industrielle Sektoren Spaniens, anderen Bedingungen unterworfen wurde, als sie innerhalb der Gemeinschaft für diese Sektoren galten, und daß zum anderen Spanien vorbehaltlich der Übergangsbestimmungen der Beitrittsakte die Geltung des gemeinschaftlichen Besitzstandes anerkannt hat.

29 Schließlich kann auch nicht der Auffassung des Königreichs Spanien gefolgt werden, aufgrund des Diskriminierungsverbots dürfe die Maßnahme der Herabsetzung der Milcherzeugung nicht auf Spanien angewendet werden, da die dortige Milcherzeugung defizitär sei und Spanien daher nicht zu den Überschüssen der Gemeinschaft beigetragen habe. Die Herabsetzung der Gesamtgarantiemengen zielt nämlich darauf ab, dem Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Milchmarkt zu begegnen, und erfordert, wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 9. Juli 1985 in der Rechtssache 179/84 ( Bozzetti/Invernizzi, Slg. 1985, 2301 ) ausgeführt hat, ein solidarisches Bemühen, an dem sich alle Erzeuger der Gemeinschaft in gleicher Weise beteiligen müssen.

30 Daraus folgt, daß die Rüge einer Verletzung des Diskriminierungsverbots nicht durchgreifen kann.

II - Gegen die Verordnung Nr. 1343/86 vorgebrachte Klagegründe

a ) Zur unterlassenen Anhörung des Europäischen Parlaments

31 Das Königreich Spanien führt aus, daß die Verordnung Nr. 1343/86 vom Rat ohne Einhaltung des in Artikel 43 Absatz 2 EWG-Vertrag vorgesehenen Anhörungsverfahrens erlassen worden sei und daher wegen Verletzung wesentlicher Formvorschriften für nichtig erklärt werden müsse, und weist insbesondere darauf hin, daß die Verordnung Nr. 1335/86 des Rates, deren Maßnahmen sich ähnlich auswirkten wie diejenigen der Verordnung Nr. 1343/86, nach Anhörung des Europäischen Parlaments ergangen sei.

32 Der Rat, unterstützt durch die Kommission, ist der Auffassung, er sei zur Anhörung des Europäischen Parlaments nicht verpflichtet gewesen, da sowohl die Verordnung Nr. 1343/86 als auch die Verordnung Nr. 857/84 lediglich Durchführungsverordnungen zu der Grundregelung seien. Er weist ferner darauf hin, daß das Europäische Parlament in seiner Stellungnahme zum "Preispaket 1986/87" eine zusätzliche pauschale Kürzung der Milchquoten um 3 % vorgeschlagen habe ( ABl. 1986, C 120, S. 88, Punkt 76 ).

33 Hierzu ist zunächst festzustellen, daß die angefochtene Verordnung die Verordnung Nr. 857/84 ändert, die aufgrund von Artikel 5 c der Grundverordnung nach dem dort vorgesehenen Verfahren erlassen wurde; in diesem Verfahren ist aber, anders als in dem Verfahren nach Artikel 43 Absatz 2 EWG-Vertrag, eine Anhörung des Europäischen Parlaments nicht vorgesehen.

34 Weiterhin ist festzustellen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ( Urteil vom 16. Juni 1987 in der Rechtssache 46/86, Romkes, Slg. 1987, 2671 ) nicht zu fordern ist, daß der Rat alle Einzelheiten der Verordnungen über die Gemeinsame Agrarpolitik nach dem Verfahren des Artikels 43 regelt. Dieser Bestimmung ist vielmehr Genüge getan, wenn die wesentlichen Grundzuege der zu regelnden Materie nach diesem Verfahren festgelegt worden sind; dagegen können die Durchführungsbestimmungen zu den Grundverordnungen von der Kommission oder vom Rat auf der Grundlage dieser Verordnungen nach einem von Artikel 43 abweichenden Verfahren erlassen werden. Die spanische Regierung hat nicht dargetan, daß die Festsetzung der Gesamtgarantiemengen für die Direktverkäufe einen wesentlichen Grundzug der in Rede stehenden Regelung bildete.

35 Somit steht fest, daß die angefochtene Verordnung als Durchführungsverordnung zu Artikel 5 c der Verordnung Nr. 804/68 vom Rat rechtsgültig gemäß den in der Grundverordnung für den Milchsektor niedergelegten Kriterien erlassen wurde. Die Rüge einer angeblichen Verletzung von Artikel 43 Absatz 2 EWG-Vertrag ist daher zurückzuweisen.

b ) Zur Verletzung von Artikel 190 EWG-Vertrag

36 Das Königreich Spanien macht geltend, die Verordnung Nr. 1343/86 verstosse gegen Artikel 190 EWG-Vertrag, da in ihren Bezugsvermerken Artikel 43 Absatz 2 dieses Vertrages nicht erwähnt sei. Artikel 190 verlange jedoch die Angabe derjenigen Bestimmung des EWG-Vertrags, auf die die Gemeinschaftsorgane jeweils ihre Zuständigkeit zum Erlaß von Akten des abgeleiteten Rechts stützten.

37 Wie der Rat zutreffend ausführt, ist die Verordnung Nr. 1343/86 eine Durchführungsverordnung, die dem Erfordernis der Angabe der Rechtsgrundlage genügt, wenn sie in ihrer Präambel auf diejenige Bestimmung der Grundverordnung Bezug nimmt, auf deren Grundlage sie erlassen wurde. Aus der Präambel der Verordnung Nr. 1343/86 geht ausdrücklich hervor, daß diese auf Artikel 5 c Absatz 6 der Verordnung Nr. 804/68 beruht.

38 Infolgedessen ist auch die auf eine Verletzung von Artikel 190 EWG-Vertrag gestützte Rüge zurückzuweisen.

39 Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

40 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Königreich Spanien mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten einschließlich derjenigen der Streithelferin aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird abgewiesen.

2 ) Das Königreich Spanien trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin.

Ende der Entscheidung

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