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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.02.1989
Aktenzeichen: 206/87
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 173 Abs. 2
EWG-Vertrag Art. 115 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Eine Entscheidung der Kommission gemäß Artikel 115 Absatz 1 EWG-Vertrag, die an einen Mitgliedstaat gerichtet ist und ihn für die Zukunft ermächtigt, Bananen, die aus bestimmten Drittländern stammen und sich in den anderen Mitgliedstaaten im freien Verkehr befinden, für einen bestimmten Zeitraum von der Gemeinschaftsbehandlung auszuschließen, stellt sich gegenüber sämtlichen Bananenimporteuren als Maßnahme von allgemeiner Geltung dar, die für objektiv bestimmte Situationen gilt und Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt bezeichneten Personengruppen entfaltet.

Sie betrifft daher ein Unternehmen, das Bananen importiert, nicht individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag, auch wenn diesem vor Erlaß der fraglichen Entscheidung mehrfach die Einfuhr von Bananen durch die Behörden des genannten Mitgliedstaats untersagt worden war und es deshalb die nationalen Gerichte und die Kommission angerufen hatte.

Denn zum einen waren alle Einfuhrlizenzanträge des fraglichen Unternehmens im Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung bereits bearbeitet, und zum anderen verliert eine Maßnahme ihren Verordnungscharakter nicht dadurch, daß sich diejenigen Personen, auf die sie in einem gegebenen Zeitpunkt anzuwenden ist, der Zahl nach oder sogar namentlich bestimmen lassen, sofern nur feststeht, daß die Maßnahme nach ihrer Zweckbestimmung aufgrund eines objektiven Tatbestands rechtlicher oder tatsächlicher Art, den sie bestimmt, anwendbar ist.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (ZWEITE KAMMER) VOM 14. FEBRUAR 1989. - LEFEBVRE FRERE ET SOEUR S. A. GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - KLAGE AUF AUFHEBUNG EINER ENTSCHEIDUNG NACH ARTIKEL 115 EWG-VERTRAG - UNMITTELBARES UND INDIVIDUELLES INTERESSE DES KLAGENDEN UNTERNEHMENS. - RECHTSSACHE 206/87.

Entscheidungsgründe:

1 Die Société Lefebvre Frère et Söur SA, Douai ( Frankreich ), hat mit Klageschrift, die am 7. Juli 1987 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Aufhebung der an die Französische Republik gerichteten Entscheidung der Kommission vom 8. Mai 1987, durch die dieser Mitgliedstaat ermächtigt wird, frische Bananen mit Ursprung in den Drittländern der sogenannten Dollarzone, die sich in den übrigen Mitgliedstaaten im freien Verkehr befinden, von der Gemeinschaftsbehandlung auszuschließen ( ABl. C 127 vom 13. 5. 1987, S. 4 ).

2 Da die französische Regierung fürchtete, die Einfuhr von in den übrigen Mitgliedstaaten im freien Verkehr befindlichen Bananen nach Frankreich werde den französischen Markt stören, dessen Bedarf grösstenteils durch die Produktion der überseeischen französischen Departements und dreier AKP-Staaten, die traditionelle Lieferanten Frankreichs sind, gedeckt wird, ersuchte sie am 30. April 1987 die Kommission, sie zu ermächtigen, aus Drittländern mit Ausnahme der erwähnten AKP-Staaten stammende und sich in den übrigen Mitgliedstaaten im freien Verkehr befindende Bananen von der Gemeinschaftsbehandlung auszuschließen.

3 Durch die erwähnte, gemäß Artikel 115 Absatz 1 EWG-Vertrag getroffene Entscheidung erteilte die Kommission diese Ermächtigung für die Zukunft, beschränkte ihre Geltungsdauer jedoch bis zum 30. April 1988 und ihren sachlichen Anwendungsbereich auf Bananen mit Ursprung in den Drittländern der Dollarzone, die sich in der Gemeinschaft im freien Verkehr befinden.

4 Die Klägerin, die sich nach ihren Angaben in der Vergangenheit wiederholt vergeblich bemühte, Bananen, die unter die fragliche Entscheidung fallen, nach Frankreich einzuführen, hält diese Entscheidung für rechtswidrig und hat demgemäß die vorliegende Klage erhoben.

5 Mit besonderem Schriftsatz, der am 7. Juli 1987 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Kommission gemäß Artikel 91 der Verfahrensordnung eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben und beantragt, über diese Einrede vorab zu entscheiden.

6 Die Kommission, der die Französische Republik beigetreten ist, die als Streithelferin zur Unterstützung ihrer Anträge zugelassen worden ist, macht mit ihrer Einrede geltend, daß die angefochtene Entscheidung lediglich den französischen Behörden für die Zukunft ein Ermessen bezueglich der Erteilung oder Verweigerung von Einfuhrlizenzen an die Importeure einräume und daß diese Entscheidung für die Importeure eine Maßnahme von allgemeiner Geltung darstelle. Die Klägerin sei also weder unmittelbar noch individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag von dieser Entscheidung betroffen.

7 Die Klägerin dagegen führt aus, die streitige Entscheidung betreffe sie unmittelbar, denn sie bezwecke nicht, die Französische Republik zu ermächtigen, bestimmte Bananen von der Gemeinschaftsbehandlung auszuschließen, sondern, die von der Französischen Republik seit vielen Jahren angewandten Einfuhrbeschränkungen zu legalisieren.

8 Nach Auffassung der Klägerin betrifft die Entscheidung sie auch individuell, da sie seit 1977 mehrfach vergebens bei den französischen Behörden Lizenzen für die Einfuhr von Bananen beantragt habe. Überdies seien Bananensendungen aus Belgien, die für sie bestimmt gewesen seien, an der Grenze systematisch von den französischen Zollbehörden zurückgewiesen worden. Schließlich habe die Klägerin die französischen Gerichte und die Kommission angerufen. Sie sei folglich aus dem Kreise aller übrigen Personen herausgehoben und in ähnlicher Weise individualisiert wie der Adressat der Entscheidung.

9 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

10 Gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag hängt die Zulässigkeit einer Klage auf Aufhebung einer Entscheidung, die von einem einzelnen erhoben wird, der nicht Adressat der Entscheidung ist, von der Voraussetzung ab, daß der Kläger unmittelbar und individuell von der Entscheidung betroffen ist.

11 Da die Klägerin nicht die Adressatin der fraglichen Entscheidung ist, ist zu prüfen, ob diese sie unmittelbar und individuell betrifft.

12 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ( vgl. Urteil vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62, Plaumann, Slg. 1963, 211 ) kann ein Dritter nur dann individuell von einer an eine andere Person gerichteten Entscheidung betroffen sein, wenn die Entscheidung ihn wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und ihn daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten.

13 Die angefochtene Entscheidung bezweckt jedoch, die Französische Republik für die Zukunft zu ermächtigen, alle Einfuhren von Bananen, die aus Drittländern der Dollarzone stammen und sich in einem anderen Mitgliedstaat im freien Verkehr befinden, für einen bestimmten Zeitraum von der Gemeinschaftsbehandlung auszuschließen. Sie stellt sich also gegenüber sämtlichen Bananenimporteuren als Maßnahme von allgemeiner Geltung dar, die für objektiv bestimmte Situationen gilt und Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt bezeichneten Personengruppen entfaltet.

14 Daraus ergibt sich, daß die fragliche Entscheidung die Klägerin, ebenso wie jeden anderen Wirtschaftsteilnehmer, der sich tatsächlich oder potentiell in der gleichen Situation befindet, nur aufgrund ihrer objektiven Eigenschaft als Bananenimporteurin betrifft.

15 Dieses Ergebnis wird nicht dadurch entkräftet, daß die Klägerin vor Erlaß der fraglichen Entscheidung nach ihren Angaben mehrfach vergebens versuchte, im freien Verkehr befindliche Bananen nach Frankreich einzuführen, und die französischen Gerichte und die Kommission angerufen hat.

16 Denn die Klägerin hat nicht nachgewiesen, daß die Einfuhrlizenzanträge, die sie bei den französischen Behörden gestellt hatte, im Zeitpunkt des Erlasses der fraglichen Entscheidung noch nicht bearbeitet waren.

17 Im übrigen sind die Zurückweisungen von für die Klägerin bestimmten Bananensendungen an der Grenze, die vor Erlaß der Entscheidung erfolgten, für die Zulässigkeit der Klage völlig unerheblich, da die Entscheidung keine Rückwirkung hat.

18 Schließlich kann der Gerichtshof auch dem Vorbringen der Klägerin nicht folgen, daß der Kommission die Situation der Klägerin nicht unbekannt gewesen sei, als sie die streitige Entscheidung erlassen habe. Denn eine Maßnahme verliert ihren Verordnungscharakter nicht dadurch, daß sich diejenigen Personen, auf die sie in einem gegebenen Zeitpunkt anzuwenden ist, der Zahl nach oder sogar namentlich bestimmen lassen, sofern nur feststeht, daß die Maßnahme nach ihrer Zweckbestimmung aufgrund eines objektiven Tatbestands rechtlicher oder tatsächlicher Art anwendbar ist, den sie bestimmt ( vgl. Urteil vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 307/81, Alusuisse/Kommission, Slg. 1982, 3463 ).

19 Unter diesen Umständen kann die fragliche Entscheidung von der Klägerin nicht nach Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag angefochten werden. Die Klage ist daher als unzulässig abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

20 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

21 Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

22 Da insoweit nur die Kommission einen Antrag gestellt hat, beschränkt sich diese Verurteilung auf die Kosten der Kommission.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Zweite Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2 ) Die Klägerin trägt die Kosten der Kommission.

3 ) Die Französische Republik trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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