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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 20.09.1988
Aktenzeichen: 217/87
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 3656/83 vom 23. Dezember 1983, EWG-Vertrag, Verordnung Nr. 604/83 vom 14. März 1983


Vorschriften:

Verordnung Nr. 3656/83 vom 23. Dezember 1983 Art. 2
EWG-Vertrag Art. 40 Abs. 3
Verordnung Nr. 604/83 vom 14. März 1983
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Wendet die Kommission mangels endgültiger Festsetzung eines jährlichen Zollkontingents durch den Rat die Verordnung Nr. 3656/83 mit Durchführungsbestimmungen zur Einfuhrregelung für die Erzeugnisse der Tarifstelle 07.06 A des gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Drittländern ausser Thailand für 1984, 1985 und 1986 und insbesondere deren Artikel 2 über das Verfahren der Erteilung von Einfuhrlizenzen an, so ist sie befugt, die vorgezogene Erteilung von Einfuhrlizenzen auszusetzen, wenn unter Berücksichtigung der bereits zugewiesenen Mengen die anhängigen Anträge die Menge des jährlichen Kontingents, das die Kommission dem Rat vorgeschlagen hat, überschreiten und auf sie die Verhältnisregel für die Zuweisung nicht angewendet werden kann, da das gesamte zuzuweisende Kontingent nicht festgesetzt ist.

Weist die Kommission nach endgültiger Festsetzung des Kontingents durch den Rat die verfügbare Restmenge zu, so kann sie die Einreichung neuer Anträge zulassen, ist aber gemäß Artikel 2 Absatz 3 verpflichtet, die Anträge, die wegen der Aussetzung nicht beschieden werden konnten und aufgrund einer Bestätigung anhängig geblieben sind, vorrangig zu berücksichtigen. Übersteigt die mit diesen Anträgen beanspruchte Menge die verfügbare Menge, so ist die Verhältnisregel anzuwenden.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (ZWEITE KAMMER) VOM 20. SEPTEMBER 1988. - JOHN FREIDR. KROHN (GMBH UND CO) KG UND VAN ES DOUANE-AGENTEN BV GEGEN HOOFPRODUKTSCHAP VOOR AKKERBOUWPRODUKTEN. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VOM COLLEGE VAN BEROEP VOOR HET BEDRIJFSLEVEN. - BEDINGUNGEN FUER DIE ERTEILUNG VON EINFUHRLIZENZEN IM RAHMEN EINES JAEHRLICHEN ZOLLKONTINGENTS. - RECHTSSACHE 217/87.

Entscheidungsgründe:

1 Das College van Beroep voor het Bedrijfsleven ( im folgenden : College van Beroep ) hat mit Urteil vom 12. Juni 1987, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Juli 1987, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zwei Fragen nach der Gültigkeit von Entscheidungen betreffend die Erteilung von Einfuhrlizenzen im Rahmen eines jährlichen Zollkontingents, die in Mitteilungen der Kommission an die niederländischen Behörden enthalten sind, zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Firma Krohn, einem internationalen Manihothändler, und der Firma Van Es, ihrem Zollagenten, einerseits, und der Hoofdproduktschap voor Akkerbouwprodukten ( im folgenden : Hoofdproduktschap ), der nationalen, mit der Erteilung der Einfuhrlizenzen betrauten Behörde andererseits.

3 Die Verordnung Nr. 604/83 des Rates vom 14. März 1983 über die für die Jahre 1983 bis 1986 geltende Einfuhrregelung für Erzeugnisse der Tarifstelle 07.06 A des gemeinsamen Zolltarifs und zur Änderung der Verordnung ( EWG ) Nr. 950/68 über den gemeinsamen Zolltarif ( ABl. L 72, S. 3 ) unterwarf Einfuhren von Manihotwurzeln aus Drittländern für die Jahre 1983 bis 1986 einer auf eine bestimmte Zahl jährlicher Zollkontingente begrenzten Einfuhrabschöpfung von höchstens 6 % des Zollwerts.

4 Für bestimmte nicht dem GATT angehörende Drittländer, darunter China, wurde in der Verordnung Nr. 604/83 selbst ein Zollkontingent für 1983 vorgesehen; die Mengen für die folgenden drei Jahre sollten später vom Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission festgelegt werden.

5 Die Verordnung Nr. 3656/83 der Kommission vom 23. Dezember 1983 mit Durchführungsbestimmungen zur Einfuhrregelung für diese Erzeugnisse bestimmt in Artikel 2 :

"1. Die für die Jahre 1984, 1985 und 1986 zu stellenden Einfuhrlizenzanträge können jeweils ab Mitte Dezember bei den Behörden der Mitgliedstaaten gestellt werden, wobei jedoch ihre Gültigkeit erst im darauffolgenden Januar zu laufen beginnt.

2. Die Angaben betreffend den Namen des Einführers, die beantragten Mengen und ihren Ursprung werden von den Mitgliedstaaten fernschriftlich spätestens am Donnerstag nach der Woche, in der der Antrag gestellt wurde, der Kommission übermittelt.

3. Spätestens am Freitag der Woche, die auf die Woche der in Absatz 2 genannten Übermittlung folgt, setzt die Kommission die Mengen, für die die Lizenzen nach Ländern oder Ländergruppen gemäß Artikel 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 604/83 erteilt werden, gegebenenfalls im Verhältnis zu den Anträgen fest.

4...."

6 Die Verordnung Nr. 758/86 des Rates vom 10. März 1986 ( ABl. L 72, S. 1 ), mit der die Menge des Zollkontingents entsprechend dem im November 1985 von der Kommission vorgelegten Vorschlag für 1986 auf 200 000 Tonnen festgesetzt wurde, trat am 16. März 1986 in Kraft.

7 In der Zwischenzeit hatte die Kommission vom 1. Januar bis zum 11. Februar 1986 der vorgezogenen Erteilung von Einfuhrlizenzen für 130 000 Tonnen durch die nationalen Behörden endgültig zugestimmt.

8 Am 19. Februar 1986 waren bei der Kommission noch Anträge auf Einfuhrlizenzen über insgesamt 87 020,261 Tonnen anhängig, die von den nationalen Behörden seit dem 11. Februar übermittelt worden waren; diese Menge überstieg folglich zusammen mit den bereits genehmigten und erteilten Einfuhrlizenzen für 130 000 Tonnen die von der Kommission dem Rat vorgeschlagene Menge von 200 000 Tonnen.

9 Mit Fernschreiben vom 20. Februar 1986 teilte die Kommission daher den nationalen Behörden mit, daß keine Einfuhrlizenzen erteilt werden könnten, bis der Rat die Verordnung zur Festsetzung des Zollkontingents für 1986 erlassen habe.

10 Aufgrund dieser Mitteilung lehnte die Hoofdproduktschap zwei von den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens gestellte und von der Hoofdproduktschap der Kommission am 13. und 20. Februar 1986 übermittelte Anträge auf Einfuhrlizenzen für Manihot aus China ab. Die gestellten Kautionen wurden freigegeben. Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens erhoben sogleich beim College van Beroep Klage gegen diese Entscheidungen.

11 Nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 758/86 des Rates, mit der das Zollkontingent für 1986 auf 200 000 Tonnen festgesetzt wurde, gab die Kommission den zuständigen nationalen Behörden mit Fernschreiben vom 21. März 1986 bekannt, daß sie sich, um allen Einführern gleichen Zugang zu den 70 000 Tonnen zu gewährleisten, die noch nicht durch Einfuhrlizenzen belegt seien, auf die in Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3656/83 vorgesehene Verhältnisregel stützen werde. Sie wies ebenfalls darauf hin, daß sie eine zusätzliche Frist für die Bestätigung ihr bereits früher übermittelter Anträge auf Einfuhrlizenzen und für die Stellung neuer Anträge bis zum 24. März 1986 einräume.

12 Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens bestätigten ihre beiden Anträge auf Einfuhrlizenzen und stellten zwei neue Anträge bei der Hoofdproduktschap, die der Kommission mit Fernschreiben vom 24. März 1986 diese vier Anträge und die Anträge weiterer Einführer übermittelte.

13 Am 25. März 1986 teilte die Kommission der Hoofdproduktschap durch Fernschreiben mit, daß allen übermittelten Anträgen nur unter Anwendung eines Verteilungsköffizienten von 4,191315 % entsprochen werden könne.

14 Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens erhoben daraufhin gegen die Entscheidungen der Hoofdproduktschap, mit denen der erwähnte Koeffizient zur Anwendung gebracht worden war, Klage mit der Begründung, die Mitteilungen der Kommission vom 20. Februar und 21. März 1986 hätten weder die Fristen des Artikels 2 der Verordnung Nr. 3656/83 noch den in Absatz 3 dieser Vorschrift verankerten Grundsatz der Prüfung der Anträge auf Einfuhrlizenzen in der Reihenfolge ihrer Einreichung beachtet. Nach Festsetzung des Kontingents habe der Rest des verfügbaren Kontingents vorrangig verwendet werden müssen, um die noch anhängigen Anträge - gegebenenfalls anteilig - zu bescheiden; neue Anträge hätten erst danach berücksichtigt werden dürfen. Die genannten Mitteilungen verstießen auch gegen das Diskriminierungsverbot und den Grundsatz der Rechtssicherheit.

15 Das College van Beroep hat daraufhin das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof um Beantwortung folgender Fragen im Wege der Vorabentscheidung ersucht :

"1 ) Verstösst die Mitteilung der Kommission an die Beklagte vom 20. Februar 1986 gegen das Gemeinschaftsrecht, insbesondere gegen die Verordnung ( EWG ) Nr. 3656/83, gegen das Diskriminierungsverbot des Artikels 40 Absatz 3 EWG-Vertrag und gegen den Grundatz der Rechtssicherheit?

2 ) Verstösst die Mitteilung der Kommission an die Beklagte vom 21. März 1986 gegen das Gemeinschaftsrecht, insbesondere gegen die Verordnung ( EWG ) Nr. 3656/83, gegen das Diskriminierungsverbot des Artikels 40 Absatz 3 EWG-Vertrag und gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit?"

16 Wegen einer eingehenderen Darstellung des Sachverhalts, des Verfahrens und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zu der Mitteilung vom 20. Februar 1986

17 Am 20. Februar 1986 konnte die Kommission weder die vorgezogene Zuweisung des Kontingents, dessen dem Rat vorgeschlagene Menge überschritten war, fortführen noch die Verhältnisregel des Artikels 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3656/83 anwenden, weil der Rat die Kontingentsmenge noch nicht endgültig festgesetzt hatte.

18 Im übrigen steht fest, daß die Mitteilung vom 20. Februar 1986 in keiner Weise die endgültige Zuteilung der noch verfügbaren Menge des Kontingents im Verhältnis der bestätigten, noch anhängigen Anträge und der neuen Anträge präjudizierte.

19 Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens selbst haben im übrigen in ihren beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen eingeräumt, daß es nicht vernünftig sei, zu einem Zeitpunkt, da das Kontingent, dessen Festsetzung durch den Rat erwartet werden könne, nahezu ausgeschöpft sei, weiter Anträgen zuzustimmen, solange nicht der Rat das entsprechende Kontingent endgültig festgesetzt habe.

20 Hieraus folgt, daß die Mitteilung der Kommission vom 20. Februar 1986 nicht gegen die vom College van Beroep angeführten Normen des Gemeinschaftsrechts verstösst.

Zu den Mitteilungen vom 21. und 25. März 1986

21 Um die zweite Frage des College van Beroep sachdienlich zu beantworten, muß auch die Gültigkeit der Mitteilung der Kommission vom 25. März 1986 geprüft werden. Mit dieser wurden die in der Mitteilung vom 21. März 1986 aufgestellten Grundsätze angewandt, wonach neue Anträge auf Einfuhrlizenzen gestellt werden konnten und der verfügbare Rest des Kontingents im Verhältnis aller bestätigten, noch anhängigen Anträge und der neuen Anträge zugewiesen werden sollte.

22 Zwar lässt sich der Kommission nicht vorwerfen, daß sie die Einreichung neuer Anträge auf Einfuhrlizenzen gestattet hat, um der Möglichkeit Rechnung zu tragen, daß nicht alle noch anhängigen Anträge bestätigt würden. Die Kommission war jedoch nach der endgültigen Festsetzung des Kontingents durch den Rat verpflichtet, bei der Zuweisung des verfügbaren Restkontingents die bestätigten, noch anhängigen Anträge - gegebenenfalls unter Anwendung der Verhältnisregel - vorrangig zu berücksichtigen.

23 Nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 758/86 hätte nämlich den bestätigten, noch anhängigen Anträgen gemäß Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3656/83 der Vorrang eingeräumt werden müssen, der sich aus dem Zeitpunkt ihrer ursprünglichen Übermittlung an die Kommission ergab.

24 Nicht zutreffend ist die von der Kommission in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Begründung, die Zuweisung des noch verfügbaren Kontingents unter vorrangiger Behandlung der bestätigten, noch anhängigen Anträge hätte sie gezwungen, im nachhinein die zeitliche Reihenfolge zu rekonstruieren, in der die nationalen Behörden ihr jede Woche zwischen dem 20. Februar und dem 21. März 1986 die Anträge auf Einfuhrlizenzen eingereicht hätten, wenn die Kommission nicht die vorgezogene Zuweisung der erwarteten Kontingentsmenge unterbrochen hätte.

25 Da der Kommission nämlich alle bestätigten, noch anhängigen Anträge und alle neuen Anträge, die ihr von den nationalen Behörden bis zum 24. März 1986 übermittelt worden waren, vorlagen, war sie in der Lage, das noch verfügbare Kontingent zuzuweisen und dabei den bestätigten, noch anhängigen Anträgen stattzugeben, ohne daß es einer solchen Rekonstruktion bedurfte.

26 Dem College van Beroep ist daher zu antworten, daß die Mitteilungen der Kommission vom 21. und 25. März 1986 gegen Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3656/83 verstossen und daß daher die in der letzten Mitteilung enthaltene Entscheidung ungültig ist.

27 Da die Rechtswidrigkeit der Mitteilungen vom 21. und 25. März 1986 festgestellt worden ist, braucht der Gerichtshof diese nicht unter dem Gesichtspunkt des Diskriminierungsverbots und der Rechtssicherheit zu prüfen.

Kostenentscheidung:

Kosten

28 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Zweite Kammer )

auf die ihm vom College van Beroep voor het Bedrijfsleven mit Urteil vom 12. Juni 1987 vorgelegten Fragen für Recht erkannt :

1)Die Prüfung der ersten Frage hat nichts ergeben, was die Rechtmässigkeit der Mitteilung der Kommission vom 20. Februar 1986 beeinträchtigen könnte.

2 ) Die Mitteilungen der Kommission vom 21. und 25. März 1986 verstossen gegen Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3656/83 der Kommission mit Durchführungsbestimmungen zur Einfuhrregelung für die Erzeugnisse der Tarifstelle 07.06 A des gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Drittländern ausser Thailand für 1984, 1985 und 1986. Die in der letzten Mitteilung enthaltene Entscheidung ist daher ungültig.

Ende der Entscheidung

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