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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 27.03.1990
Aktenzeichen: 229/88
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Verordnung Nr. 1594/83 vom 14.06.1983 in der Fassung der Verordnung Nr. 935/86 vom 25.03.1986


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 173 Abs. 2
Verordnung Nr. 1594/83 vom 14.06.1983 in der Fassung der Verordnung Nr. 935/86 vom 25.03.1986 Art. 8
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Eine Verordnung, die die Vorausfestsetzung einer Beihilfe im Rahmen einer gemeinsamen Marktorganisation aussetzt, betrifft sowohl die Anträge, die vor Inkrafttreten der Aussetzung eingereicht wurden, als auch die während des Aussetzungszeitraums eingereichten Anträge. Eine solche Verordnung gilt für objektiv festgelegte Tatbestände und erzeugt Rechtswirkungen gegenüber abstrakt umschriebenen Personengruppen. Sie hat daher allgemeine Geltung und betrifft die Unternehmen, die Anträge auf Vorausfestsetzung der Beihilfe an dem Tag gestellt haben, an dem die Aussetzung der Vorausfestsetzung beschlossen wurde, nicht individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (VIERTE KAMMER) VOM 27. MAERZ 1990. - CARGILL BV UND ANDERE GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - LANDWIRTSCHAFT - VERORDNUNG UEBER DIE AUSSETZUNG DER VORAUSFESTSETZUNG EINER BEIHILFE - ZULAESSIGKEIT DER NICHTIGKEITSKLAGE. - RECHTSSACHE 229/88.

Entscheidungsgründe:

1 Die Cargill BV und 22 weitere Gesellschaften, deren Tätigkeit insbesondere darin besteht, Ölsaaten zu verarbeiten ( nachfolgend : "die Klägerinnen "), haben mit Klageschrift, die am 10. August 1988 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Verordnung ( EWG ) Nr. 1587/88 der Kommission vom 7. Juni 1988 über die Aussetzung der Vorausfestsetzung der Beihilfe für Raps - und Rübsensamen sowie Sonnenblumenkerne ( ABl. L 141, S. 55 ).

2 Die Klägerinnen stellten am 7. Juni 1988 bei den zuständigen Behörden Anträge auf Vorausfestsetzung der Beihilfe für die Verarbeitung einer Gesamtmenge von ca. 370 000 t Raps - und Rübsensamen und/oder Sonnenblumenkernen.

3 Die zu dieser Zeit anwendbaren Beihilfesätze waren durch die Verordnung ( EWG ) Nr. 1507/88 der Kommission vom 31. Mai 1988 zur Festsetzung der Beihilfe für Ölsaaten ( ABl. L 135, S. 31 ) festgesetzt worden, die am 1. Juni 1988 in Kraft getreten war.

4 Da die Kommission jedoch der Auffassung war, daß die Voraussetzungen von Artikel 8 der Verordnung ( EWG ) Nr. 1594/83 des Rates vom 14. Juni 1983 ( ABl. L 163, S. 44 ) in der Fassung der Verordnung ( EWG ) Nr. 935/86 des Rates vom 25. März 1986 ( ABl. L 87, S. 5 ) erfuellt seien, erließ sie am 7. Juni 1988 die Verordnung Nr. 1587/88, mit der die Vorausfestsetzung der Beihilfe für Raps - und Rübsensamen sowie Sonnenblumenkerne bei den Bescheinigungen ausgesetzt wurde, die vom 7. bis 11. Juni 1988 beantragt wurden.

5 Am selben Tag erließ die Kommission die Verordnung ( EWG ) Nr. 1584/88 ( ABl. L 141, S. 48 ), mit der die Beihilfe für Ölsaaten, insbesondere für Raps - und Rübsensamen sowie Sonnenblumenkerne, auf einen niedrigeren Betrag als den am 7. Juni 1988 geltenden festgesetzt wurde.

6 Nach dem Erlaß der Verordnung Nr. 1587/88 wurden die Klägerinnen von ihren nationalen Behörden über den Inhalt dieser Verordnung sowie über die Ablehnung ihrer am 7. Juni 1988 gestellten Anträge auf Vorausfestsetzung der Beihilfe unterrichtet.

7 Sie haben daraufhin die vorliegende Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 1587/88 erhoben, soweit diese auf die am 7. Juni 1988 eingereichten Anträge anwendbar ist.

8 Mit Antragschrift, die am 31. August 1988 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, haben die Klägerinnen gemäß den Artikeln 185 und 186 EWG-Vertrag und Artikel 83 der Verfahrensordnung beantragt, eine einstweilige Anordnung zu erlassen und den Vollzug der Verordnung Nr. 1587/88 auszusetzen. Dieser Antrag ist durch Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 26. September 1988 zurückgewiesen worden.

9 Die Kommission hat mit besonderem Schriftsatz, der am 28. Oktober 1988 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben und gemäß Artikel 91 der Verfahrensordnung beantragt, vorab über diese Einrede zu entscheiden.

10 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, der anwendbaren Rechtsvorschriften sowie des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

11 Die Kommission führt aus, die Klage sei unzulässig, weil die angefochtene Verordnung die Klägerinnen nicht individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag betreffe. Sie habe diese Verordnung weder auf der Grundlage der Anträge der Klägerinnen noch auf der Grundlage einer Reihe von Anträgen, einschließlich derjenigen der Klägerinnen, erlassen, die sie hätte bestimmen und individualisieren können. Die streitige Verordnung gelte sowohl für die Wirtschaftsteilnehmer, die während des Aussetzungszeitraums einen Antrag hätten stellen wollen, als auch für diejenigen, die bereits einen Antrag gestellt hätten, denen jedoch noch keine Bescheinigung ausgestellt worden sei. Sie stelle somit eine Maßnahme mit allgemeiner Geltung dar.

12 Die Klägerinnen führen dagegen aus, ihre Klagen seien zulässig, da Zahl und Identität der Importeure, die einen Antrag auf Vorausfestsetzung gestellt hätten, im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung Nr. 1587/88 bereits festgestanden hätten und nachprüfbar gewesen seien. Die angefochtene Verordnung habe daher den Zweck verfolgt, die Rechtsposition eines geschlossenen Kreises von Wirtschaftsteilnehmern zu beeinträchtigen, die sich der Gemeinschaft gegenüber gebunden hätten, indem sie am 7. Juni 1988 einen Antrag auf Vorausfestsetzung eingereicht hätten.

13 Es ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag die Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen eine Verordnung durch eine natürliche oder juristische Person davon abhängig macht, daß diese Verordnung in Wirklichkeit eine Entscheidung darstellt, die diese Person unmittelbar und individuell betrifft.

14 Die streitige Verordnung ist im Laufe des 7. Juni 1988 erlassen und am nächsten Tag im Amtsblatt veröffentlicht worden. Die Klägerinnen haben ihre Anträge auf Vorausfestsetzung der Beihilfe am 7. Juni 1988 eingereicht. Erlaß der angefochtenen Verordnung und Einreichung der Anträge sind somit am selben Tag erfolgt.

15 Nach den Begründungserwägungen dieser Verordnung wurde sie auf der Grundlage von Artikel 8 der Verordnung Nr. 1594/83 vom 14. Juni 1983 in der Fassung der Verordnung Nr. 935/86 vom 25. März 1986 erlassen, nach dessen Absatz 2 die Aussetzung der Vorausfestsetzung auch für bereits gestellte Anträge gelten kann, wenn bestimmte objektive Umstände vorliegen, nämlich falls der veröffentlichte Beihilfesatz einen sachlichen Fehler enthält oder bestimmte Faktoren zu einer Währungsverzerrung zwischen den Mitgliedstaaten führen können und diese Fälle eine Diskriminierung zwischen den Interessenten zur Folge haben können.

16 Diese Voraussetzungen sind objektiv festgelegt und ermöglichen keine Individualisierung der Klägerinnen, da die Kommission weder die Identität noch die Zahl der von der Aussetzung betroffenen Wirtschaftsteilnehmer kennen kann.

17 Eine Verordnung über die Aussetzung der Vorausfestsetzung betrifft, wie der Gerichtshof in dem Urteil vom 21. November 1989 in der Rechtssache 244/88 ( Usine coopératives de déshydratation du Vexin u. a./Kommission, Slg. 1989, 3811 ) unter Randnummer 12 ausgeführt hat, sowohl die Anträge, die vor Inkrafttreten der Aussetzung eingereicht wurden, als auch die während des Aussetzungszeitraums eingereichten Anträge. Auch im vorliegenden Fall betrifft die angefochtene Verordnung alle während des Aussetzungszeitraums eingereichten Anträge.

18 Somit gilt die angefochtene Verordnung für objektiv festgelegte Tatbestände und erzeugt Rechtswirkungen gegenüber abstrakt umschriebenen Personengruppen. Sie hat daher allgemeine Geltung im Sinne von Artikel 189 Absatz 2 EWG-Vertrag und betrifft die Klägerinnen nicht individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag.

19 Nach alledem ist die Klage als unzulässig abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

20 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten des Verfahrens zu verurteilen. Da die Klägerinnen mit ihrer Klage unterlegen sind, sind ihnen die Kosten einschließlich derjenigen des Verfahrens der einstweiligen Anordnung gesamtschuldnerisch aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Vierte Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2 ) Die Klägerinnen tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen des Verfahrens der einstweiligen Anordnung.

Ende der Entscheidung

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