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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 22.03.1990
Aktenzeichen: 234/88
Rechtsgebiete: EWGV, VO Nr. 1821/81/EWG, VO Nr. 2727/75/EWG


Vorschriften:

EWGV Art. 177
VO Nr. 1821/81/EWG Art. 1
VO Nr. 2727/75/EWG Art. 9
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 1821/81 der Kommission über die Bedingungen der Gewährung einer Übergangsvergütung für die am Ende des Wirtschaftsjahres vorhandenen Bestände an bestimmten Getreidearten ist dahin auszulegen, daß der Roggen, für den eine Übergangsvergütung beantragt wird, von der antragstellenden Mühle vermahlen werden muß.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (VIERTE KAMMER) VOM 22. MAERZ 1990. - FIRMA WILHELM LAMPE MUEHLE GEGEN BUNDESANSTALT FUER LANDWIRTSCHAFTLICHE MARKTORDNUNG. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: VERWALTUNGSGERICHT FRANKFURT AM MAIN - DEUTSCHLAND. - LANDWIRTSCHAFT - ROGGEN - UEBERGANGSVERGUETUNG - VORAUSSETZUNGEN FUER DIE GEWAEHRUNG. - RECHTSSACHE 234/88.

Entscheidungsgründe:

1 Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluß vom 8. August 1988, beim Gerichtshof eingegangen am 16. August 1988, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung von Artikel 1 Buchstabe b der Verordnung ( EWG ) Nr. 1821/81 der Kommission vom 2. Juli 1981 über die Bedingungen der Gewährung einer Übergangsvergütung für die am Ende des Wirtschaftsjahres vorhandenen Bestände an bestimmten Getreidearten ( ABl. L 182, S. 10 ) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der deutschen Firma Wilhelm Lampe Mühle ( nachstehend : Klägerin ) und der Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung ( nachstehend : BALM ), der in der Bundesrepublik Deutschland für die Gewährung einer Übergangsvergütung für Getreidebestände zuständigen Stelle. In dem Rechtsstreit geht es darum, ob die Klägerin für eine bestimmte Roggenmenge Anspruch auf diese Vergütung hat.

3 Wie aus den Akten hervorgeht, stellte die Klägerin am 5. August 1985 bei der BALM einen Antrag auf Übergangsvergütung für 320,08 t Brotroggen, der ihr am 31. Juli 1985, am Ende des Wirtschaftsjahres 1984/85, gehörte und sich zu diesem Zeitpunkt in ihrem Lager befand. Nach Stellung des Antrags verkaufte die Klägerin diesen Roggen an sieben andere Mühlen weiter, die ihn vermahlten.

4 Mit Bescheid vom 7. November 1985 lehnte die BALM die Gewährung der beantragten Vergütung mit der Begründung ab, die Gemeinschaftsregelung verlange aus Gründen der Kontrolle, daß das die Übergangsvergütung beantragende Unternehmen die Roggenmenge, auf die sich der Antrag beziehe, selbst vermahle.

5 Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main. Dieses hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt :

"Ist Artikel 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 1821/81 der Kommission vom 2. Juli 1981 ( ABl. L 182, S. 10 ) dahin gehend auszulegen, daß der Roggen, für den die Übergangsvergütung beantragt wird, der antragstellenden Mühle nicht nur am 31. Juli des betreffenden Wirtschaftsjahres gehören muß, sondern auch noch zum Zeitpunkt der Vermahlung zum Zwecke der menschlichen Ernährung, oder reicht es aus, wenn eine andere Mühle, an die die antragstellende Mühle den Roggen nach Antragstellung verkauft hat, diesen Roggen zum Zweck der menschlichen Ernährung vermahlt?"

6 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des rechtlichen Rahmens und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

7 Aus den Akten ergibt sich, daß die Vorlagefrage nicht dahin geht, wem der Roggen bei seiner Vermahlung gehören muß. Das vorlegende Gericht möchte vielmehr wissen, ob der Roggen, für den eine Übergangsvergütung beantragt wird, von der antragstellenden Mühle selbst vermahlen werden muß.

8 Nach Artikel 9 der Verordnung ( EWG ) Nr. 2727/75 des Rates vom 29. Oktober 1975 über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide ( ABl. L 281, S. 1 ) kann für die am Ende des Wirtschaftsjahres vorhandenen Bestände an Weichweizen, Hartweizen, Roggen, Gerste und Mais aus der Ernte der Gemeinschaft eine Übergangsvergütung gewährt werden. Gemäß Artikel 9 Absatz 6 der Verordnung werden die Durchführungsbestimmungen zu diesem Artikel von der Kommission nach dem sogenannten Verwaltungsausschußverfahren festgelegt.

9 Aufgrund dieser Ermächtigung erließ die Kommission die Verordnung Nr. 1821/81, deren Auslegung Gegenstand der Vorlagefrage ist. In der dritten Begründungserwägung dieser Verordnung heisst es, wegen des zwischen der Regelung der Intervention und derjenigen der Übergangsvergütung bestehenden Zusammenhangs empfehle es sich, letztere nur zu gewähren, sofern das fragliche Getreide den zur Intervention erforderlichen Qualitätsanforderungen gerecht werde. Hinsichtlich des Roggens im Besitz der Mühlen könne jedoch das Mahlen zum Zweck der menschlichen Ernährung als Nachweis für eine genügende Qualität zugelassen werden.

10 Was die Empfänger der Übergangsvergütung betrifft, so heisst es in der ersten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1821/81, die am Ende des Wirtschaftsjahres vorhandenen Lagerbestände an Getreide befänden sich in der Regel im Besitz von Handel und Verarbeitungsindustrie. Um die Verwaltung und die Kontrolle zu vereinfachen, empfehle es sich daher, die Übergangsvergütung auf der Stufe des Handels und der Verarbeitungsindustrie zu gewähren. Bei Roggen machten es die Erfordernisse der Kontrolle jedoch notwendig, den Kreis der Begünstigten auf die Mühlen zu beschränken.

11 Aufgrund dieser Erwägungen enthält Artikel 1 der Verordnung folgende Regelung :

"Die für ein Wirtschaftsjahr vom Rat festgesetzte Übergangsvergütung wird gewährt :

a ) dem Handel und der Verarbeitungsindustrie für Lagerbestände an in der Gemeinschaft geerntetem Weichweizen, der ihnen am 31. Juli des betreffenden Wirtschaftsjahres gehört;

b ) den Mühlen für Lagerbestände an in der Gemeinschaft geerntetem Roggen, der zum Zweck der menschlichen Ernährung gemahlen werden muß und der ihnen zum gleichen Zeitpunkt gehört;

c ) dem Handel und der Verarbeitungsindustrie für Lagerbestände an in der Gemeinschaft geerntetem Mais, der ihnen am gleichen Datum gehört..."

12 In Artikel 2 der Verordnung ist der für die Gewährung der Übergangsvergütung am Ende des Wirtschaftsjahres erforderliche Mindestlagerbestand festgesetzt. Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 bestimmt, daß "als Nachweis für eine ausreichende Qualität des Roggens, der sich am Ende des Wirtschaftsjahres im Besitz der Mühlen befindet... das Mahlen zum Zweck der menschlichen Ernährung zulässig (( ist ))".

13 Aus diesen Bestimmungen geht hervor, daß die Übergangsvergütung für Roggen auf der einen und für die übrigen Getreidearten auf der anderen Seite nicht unter denselben Bedingungen gewährt wird. Daher können auch die von den nationalen Behörden gemäß Artikel 8 der Verordnung vorzunehmenden Kontrollen dieser Bedingungen nicht identisch sein. Bei Roggen ist insbesondere zu kontrollieren, ob die am Ende des Wirtschaftsjahres vorhandenen Roggenmengen zum Zweck der menschlichen Ernährung vermahlen werden.

14 Daraus folgt, daß die Beschränkung des Kreises der Vergütungsberechtigten auf Mühlenbetriebe in Verbindung mit der Beweiserleichterung hinsichtlich der erforderlichen Roggenqualität und den damit zusammenhängenden Kontrollerfordernissen nach dem System der Verordnung Nr. 1821/81 voraussetzt, daß die betreffenden Roggenmengen in den Räumlichkeiten des antragstellenden Unternehmens physisch präsent sind und von diesem Unternehmen vermahlen werden, damit die zuständigen Behörden kontrollieren können, ob das durch die Vermahlung gewonnene Mehl den am Ende des Wirtschaftsjahres vorhandenen Roggenmengen entspricht, und damit eine mögliche Vermischung des betreffenden Roggens mit Roggen aus der neuen Ernte ausgeschlossen wird.

15 Diese Auslegung wird durch Anhang II der Verordnung Nr. 1821/81 bekräftigt, wonach das betroffene Unternehmen bei Beantragung der Übergangsvergütung die Erklärung abgeben muß, daß der Roggen "zum Zweck der menschlichen Ernährung vermahlen wird ". Diese Verpflichtung kann vernünftigerweise nur das Unternehmen eingehen, das den Roggen, für den es eine Übergangsvergütung beantragt hat, selbst vermahlen wird.

16 Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung zu Recht bemerkt hat, wäre im übrigen, wenn man zuließe, daß Mühlen die fraglichen Roggenmengen nach Einreichung ihres Antrags auf Übergangsvergütung veräussern könnten, die vorerwähnte differenzierende Regelung der Verordnung Nr. 1821/81 sinnlos, da kein Grund mehr bestuende, bei Roggen den Kreis der Vergütungsberechtigten auf Mühlenbetriebe zu beschränken und da die gesamte Handelskette überprüft werden müsste.

17 Die Klägerin macht geltend, diese Auslegung der in Rede stehenden Bestimmungen sei diskriminierend im Verhältnis zu den Unternehmen, die eine Übergangsvergütung für Weichweizen oder Mais beantragten, und verstosse somit gegen Artikel 40 Absatz 3 EWG-Vertrag.

18 Dazu ist festzustellen, daß die unterschiedliche Behandlung der Anträge auf Übergangsvergütung je nach der Getreideart, für die diese Vergütung beantragt wird, durch die unterschiedlichen Bedingungen der Gewährung und die damit verbundenen unterschiedlichen Kontrollen gerechtfertigt ist.

19 Nach alledem ist auf die Frage des vorlegenden Gerichts zu antworten, daß Artikel 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 1821/81 der Kommission dahin auszulegen ist, daß der Roggen, für den eine Übergangsvergütung beantragt wird, von der antragstellenden Mühle vermahlen werden muß.

Kostenentscheidung:

Kosten

20 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreits; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Vierte Kammer )

auf die ihm vom Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Beschluß vom 8. August 1988 vorgelegte Frage für Recht erkannt :

Artikel 1 Buchstabe b der Verordnung ( EWG ) Nr. 1821/81 der Kommission vom 2. Juli 1981 über die Bedingungen der Gewährung einer Übergangsvergütung für die am Ende des Wirtschaftsjahres vorhandenen Bestände an bestimmten Getreidearten ist dahin auszulegen, daß der Roggen, für den eine Übergangsvergütung beantragt wird, von der antragstellenden Mühle vermahlen werden muß.

Ende der Entscheidung

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