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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.02.1989
Aktenzeichen: 247/87
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 173 Abs. 2
EWG-Vertrag Art. 175 Abs. 3
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Untätigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person, die sich auf die Feststellung richtet, daß die Kommission es unter Verletzung des Vertrages unterlassen hat, einen Beschluß zu fassen, indem sie gegen einen Mitgliedstaat kein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat, ist unzulässig.

Zum einen ergibt sich nämlich aus Sinn und Wesen des Artikels 169 EWG-Vertrag, daß die Kommission nicht verpflichtet ist, ein Verfahren nach dieser Vorschrift einzuleiten, sondern vielmehr insoweit über ein Ermessen verfügt, das ein Recht einzelner, eine Stellungnahme in einem bestimmten Sinn zu verlangen, ausschließt.

Zum anderen begehrt eine natürliche oder juristische Person, wenn sie die Kommission auffordert, ein Verfahren gemäß Artikel 169 zu eröffnen, in Wirklichkeit die Vornahme von Handlungen, die sie nicht unmittelbar und individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 2 betreffen würden und die sie daher jedenfalls nicht mit der Nichtigkeitsklage anfechten könnte.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (ZWEITE KAMMER) VOM 14. FEBRUAR 1989. - STAR FRUIT COMPANY GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - UNTAETIGKEITSKLAGE EINES UNTERNEHMENS - VON DER KOMMISSION UNTERLASSENE EINLEITUNG EINES VERFAHRENS NACH ARTIKEL 169 EWG-VERTRAG. - RECHTSSACHE 247/87.

Entscheidungsgründe:

1 Die belgische Gesellschaft Star Fruit Company, die auf die Einfuhr und Ausfuhr frischer Bananen spezialisiert ist, hat mit Klageschrift, die am 14. August 1987 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, Klage erhoben im wesentlichen auf Feststellung gemäß den Artikeln 173 Absatz 2 und 175 Absatz 3 EWG-Vertrag, daß die Kommission es unterlassen hat, gegen die Französische Republik ein Verfahren gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag einzuleiten.

2 Nach Auffassung der Klägerin ist die Regelung über die Versorgung des französischen Marktes mit Bananen mit den Artikeln 30 ff. EWG-Vertrag und mit Artikel 2 des AKP-Abkommens von Lomé vom 28. Februar 1975 ( ABl. 1976, L 25, S. 1 ) unvereinbar. Die Klägerin ersuchte deshalb die Kommission mit Schreiben vom 17. April 1987, ein Verfahren gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag gegen die Französische Republik einzuleiten, um die fragliche Unvereinbarkeit festzustellen und diesen Mitgliedstaat aufzufordern, die Einfuhrkontingente für Bananen mit Ursprung in Drittländern, die sich in anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft im freien Verkehr befinden, abzuschaffen und der Klägerin für den Schaden Ersatz zu leisten, der ihr dadurch entstanden sei, daß sie die Bestellungen ihrer französischen Kunden nicht habe ausführen können und Waren aufgrund der Einfuhrverbote des betreffenden Mitgliedstaats verloren habe.

3 Mit Schreiben vom 4. Mai 1987 bestätigte die Kommission den Empfang des Schreibens der Klägerin und teilte ihr mit, sie werde die in der Angelegenheit gebotenen Maßnahmen ergreifen.

4 Im Anschluß an diese Mitteilung hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

5 Die Kommission hat mit besonderem Schriftsatz, der am 9. November 1987 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 91 der Verfahrensordnung eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben und beantragt, hierüber vorab zu entscheiden.

6 Die Kommission, der die Französische Republik, die als Streithelferin zur Unterstützung ihrer Anträge zugelassen worden ist, in allen Punkten beipflichtet, macht zur Begründung ihrer Einrede im wesentlichen geltend, daß die Klage nach Artikel 173 Absatz 2 unzulässig sei, da die Klägerin nicht die Handlung der Kommission bezeichne, deren Nichtigerklärung sie begehre. Die Klage sei auch nach Artikel 175 Absatz 3 unzulässig, dessen Wortlaut es ausschließe, daß eine Privatperson eine Untätigkeitsklage erheben könne, weil das Verfahren gemäß Artikel 169 gegen einen Mitgliedstaat nicht durchgeführt worden sei.

7 Die Klägerin überlässt die Frage der Zulässigkeit ihrer Klage gemäß Artikel 173 Absatz 2 der Beurteilung durch den Gerichtshof und erhält ihren Standpunkt aufrecht, daß ihre Klage nach Artikel 175 Absatz 3 EWG-Vertrag zulässig sei.

8 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

9 Die Klägerin hat nicht einmal die Handlung bezeichnet, die die Kommission vorgenommen haben und gegen die sich die Klage richten soll. Die Klage ist daher unzulässig, soweit sie auf Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag gestützt ist.

10 Soweit die Klage auf Artikel 175 Absatz 3 EWG-Vertrag gestützt ist, richtet sie sich auf Feststellung, daß die Kommission es unter Verletzung des Vertrages unterlassen hat, einen Beschluß zu fassen, indem sie gegen die Französische Republik kein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat.

11 Aus Sinn und Wesen des Artikels 169 EWG-Vertrag ergibt sich jedoch, daß die Kommission nicht verpflichtet ist, ein Verfahren nach dieser Vorschrift einzuleiten, sondern vielmehr insoweit über ein Ermessen verfügt, das ein Recht einzelner, von ihr eine Stellungnahme in einem bestimmten Sinn zu verlangen, ausschließt.

12 Denn nur wenn nach Auffassung der Kommission der fragliche Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung verstossen hat, gibt sie eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab. Kommt der Staat dieser Stellungnahme nicht innerhalb der gesetzten Frist nach, so ist die Kommission darüber hinaus berechtigt, aber nicht verpflichtet, den Gerichtshof anzurufen, um die vermutete Vertragsverletzung feststellen zu lassen.

13 Ausserdem ist zu bemerken, daß die Klägerin, wenn sie die Kommission auffordert, ein Verfahren gemäß Artikel 169 zu eröffnen, in Wirklichkeit die Vornahme von Handlungen begehrt, die sie nicht unmittelbar und individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 2 betreffen würden und die sie daher jedenfalls nicht mit der Nichtigkeitsklage anfechten könnte.

14 Die Klägerin kann folglich der Kommission nicht zulässigerweise vorwerfen, daß sie gegen die Französische Republik kein Verfahren gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag eingeleitet hat.

15 Die Klage ist daher insgesamt unzulässig.

Kostenentscheidung:

Kosten

16 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

17 Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

18 Da insoweit nur die Kommission einen Antrag gestellt hat, beschränkt sich diese Verurteilung auf die Kosten der Kommission.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Zweite Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2 ) Die Klägerin trägt die Kosten der Kommission.

3 ) Die Französische Republik trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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