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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 04.02.1988
Aktenzeichen: 256/85
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 2794/83


Vorschriften:

Verordnung Nr. 2794/83 Art. 5
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Kosten der Färbung von zur Verwendung in der Viehfütterung bestimmtem Getreide, das von einer nationalen Interventionsstelle gemäß der Verordnung Nr. 2794/83 verkauft wurde, durften vom EAGFL nicht pauschal erstattet werden. Die Färbung ist nämlich weder als Auslagerungs - noch als Verarbeitungsmaßnahme im Sinne von Artikel 6 der Verordnung Nr. 1883/78, konkretisiert durch die Rubrik I/1 des Anhangs I der Verordnung Nr. 3247/81, zu qualifizieren. Sie stellt somit keine der Sachmaßnahmen dar, für die dieser Artikel eine derartige Pauschalierung vorsieht. Deshalb waren die damit verbundenen Kosten vollständig zu erstatten.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 4. FEBRUAR 1988. - ITALIENISCHE REPUBLIEK GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - EAGFL - PAUSCHALBETRAEGE FUER DIE FAERBUNG VON GETREIDE. - RECHTSSACHE 256/85.

Entscheidungsgründe:

1 Mit Klageschrift, die am 19. August 1985 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Italienische Republik gemäß Artikel 173 Absatz 1 EWG-Vertrag Klage erhoben, mit der sie beantragt, die Entscheidung der Kommission vom 7. Juni 1985 zur Festsetzung eines Pauschbetrags zur Erstattung der Ausgaben für die Behandlung von Getreide, das zur Verwendung in der Viehfütterung denaturiert oder gefärbt wurde, zumindest insoweit für nichtig zu erklären, als sie sich auf die in der Verordnung Nr. 2794/83 der Kommission vom 6. Oktober 1983 über den Verkauf auf dem Binnenmarkt von 450 000 Tonnen zur Brotherstellung geeigneten Weichweizens aus Beständen der italienischen Interventionsstelle ( ABl. L 274, S. 18 ) vorgesehene Färbung bezieht.

2 Wie sich aus den Akten ergibt, sollten nach der Verordnung Nr. 1322/83 des Rates vom 26. Mai 1983 über den Transfer von 550 000 Tonnen zur Brotherstellung geeigneten Weichweizens aus den Beständen der französischen und der deutschen Interventionsstelle ( ABl. L 138, S. 63 ) unter anderem 450 000 Tonnen Weichweizen von der französischen Interventionsstelle auf die italienische Interventionsstelle zur Verwendung in der Viehfütterung transferiert werden.

3 Gemäß Artikel 5 der Verordnung Nr. 2794/83, mit der die Kommission die Durchführungsbestimmungen für diesen Transfer von 450 000 Tonnen Weichweizen erließ, sollte die betreffende Interventionsstelle, um die Kontrolle der Verwendung dieses Getreides in der Tierernährung zu erleichtern, eine Färbung vornehmen, die möglichst kostengünstig durchgeführt werden sollte.

4 Nach Durchführung dieser Färbung beantragte die italienische Interventionsstelle bei den Gemeinschaftsbehörden die Erstattung der von ihr hierfür tatsächlich verauslagten Beträge in Höhe von 6,15 ECU je Tonne.

5 Unter Berufung auf Artikel 6 der Verordnung Nr. 1883/78 des Rates vom 2. August 1978 über die allgemeinen Regeln für die Finanzierung der Interventionen durch den EAGFL, Abteilung Garantie ( ABl. L 216, S. 1 ), vertrat die Kommission die Auffassung, diese Aufgaben seien nicht vollständig, sondern in Form von Pauschbeträgen zu erstatten. Sie erließ deshalb die streitige Entscheidung vom 7. Juni 1985, mit der eine Pauschale von 1,17 ECU je Tonne für die Färbung von Getreide zur Verwendung in der Viehfütterung festgesetzt wurde.

6 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, der einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen und des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

7 Die Italienische Republik, die sich als durch diese Entscheidung beschwert ansah, hat deswegen die vorliegende Klage erhoben, die sie auf zwei Klagegründe stützt. Sie macht zunächst geltend, daß die Kommission mit dem Erlaß der Entscheidung die Artikel 4 und 6 der Verordnung Nr. 1883/78 des Rates sowie den Anhang I der Verordnung Nr. 3247/81 des Rates in Verbindung mit der Verordnung Nr. 1322/83 des Rates und der Verordnung Nr. 2794/83 der Kommission verletzt und falsch angewendet habe. Sie trägt sodann vor, daß die Kommission durch den Erlaß der Entscheidung ihr Ermessen mißbraucht habe, da sie sich infolge ihrer unzutreffenden Auslegung und Anwendung von Artikel 6 der Verordnung Nr. 1883/78 das Recht angemasst habe, die Kosten der Färbung pauschal zu erstatten.

8 Es ist festzustellen, daß der von der Klägerin angeführte Klagegrund des Ermessensmißbrauchs im wesentlichen darauf hinausläuft, daß die Verletzung einer Rechtsnorm, nämlich des Artikels 6 der Verordnung Nr. 1883/78, geltend gemacht wird, die bereits Gegenstand des ersten Klagegrunds ist. Der zweite Klagegrund geht somit im vorliegenden Fall in dem ersten auf, so daß beide zusammen zu prüfen sind.

9 Die Italienische Republik trägt vor, eine Maßnahme wie die Färbung falle unter keine der in Rubrik I/1 des Anhangs I der Verordnung Nr. 3247/81 des Rates vom 9. November 1981 über die Finanzierung bestimmter Interventionsmaßnahmen durch den EAGFL, Abteilung Garantie, insbesondere von Maßnahmen wie Ankauf, Lagerung und Absatz landwirtschaftlicher Erzeugnisse durch die Interventionsstellen ( ABl. L 327, S. 1 ) im einzelnen aufgeführten Maßnahmenkategorien, für die eine pauschalierte Erstattungsregelung gelte. Deshalb sei davon auszugehen, daß sie zu den in der Auffangrubrik I/3 dieses Anhangs genannten sonstigen Maßnahmen gehöre, für die eine vollständige Erstattung vorgesehen sei. Die Kommission sei sich auch darüber im klaren gewesen, als sie in Artikel 5 der Verordnung Nr. 2794/83 ausdrücklich klargestellt habe, daß "die Färbung... möglichst kostengünstig durchgeführt werden" müsse.

10 Die Kommission macht unter Berufung auf Artikel 6 der Verordnung Nr. 1883/78 geltend, es sei, abgesehen von ausdrücklichen Ausnahmebestimmungen, die Regel, daß die Kosten der Interventionsmaßnahmen, für die kein Betrag je Einheit festgesetzt sei, nach dem System der Pauschalierung zu erstatten seien. In Ermangelung einer ausdrücklichen Ausnahmebestimmung in der Verordnung Nr. 3247/81 müsse dieses Erstattungssystem folglich auch auf die Färbung Anwendung finden.

11 Jedenfalls müsse für die Kosten der Färbung die Regelung einer pauschalierten Erstattung deshalb gelten, weil in der zu Kontrollzwecken vorgesehenen Färbung entweder eine Sachmaßnahme zur Auslagerung eines bei einer Interventionsstelle eingelagerten Erzeugnisses im Sinne der Rubrik I/1 Buchstabe c ) des Anhangs I der Verordnung Nr. 3247/81 zu sehen sei oder weil diese Färbung einer Sachmaßnahme zur Verarbeitung eines Erzeugnisses gleichzustellen sei, was ihre Subsumtion unter die Rubrik I/1 Buchstabe d ) des Anhangs I gestatten würde. Wenn Artikel 5 der Verordnung Nr. 2794/83 bestimme, daß "die Färbung... möglichst kostengünstig durchgeführt werden" müsse, so sei dies deswegen gerechtfertigt, weil auch im Rahmen der pauschalierten Erstattung die Pauschbeträge auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten berechnet würden, die niedrig zu halten seien, damit die gezahlten Pauschbeträge auf ein Mindestmaß reduziert werden könnten.

12 Dazu ist zu bemerken, daß Artikel 6 der Verordnung Nr. 1883/78, auf den die Kommission sich bei Erlaß der streitigen Entscheidung vom 7. Juni 1985 gestützt hat, folgendes bestimmt :

"Die Sachmaßnahmen im Zusammenhang mit der Lagerung und gegebenenfalls Verarbeitung von Interventionserzeugnissen werden vom EAGFL, Abteilung Garantie, mit Hilfe von für die Gemeinschaft einheitlichen Pauschbeträgen finanziert, die nach dem Verfahren des Artikels 13 der Verordnung ( EWG ) Nr. 729/70, erforderlichenfalls nach Prüfung durch den zuständigen Verwaltungsausschuß, festgesetzt werden."

13 Bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung geht klar hervor, daß sie nicht alle Sachmaßnahmen im Zusammenhang mit einem Interventionsvorgang erfasst, sondern nur solche, die im Zusammenhang mit der Lagerung oder der Verarbeitung stehen. Daher durften die Kosten für die Färbung von der Kommission nur dann einer Regelung der pauschalierten Erstattung unterworfen werden, wenn die Färbung als eine Sachmaßnahme im Zusammenhang mit der Lagerung oder Verarbeitung eines Interventionserzeugnisses anzusehen ist.

14 In der Rubrik I des Anhangs I der Verordnung Nr. 3247/81 ist näher bestimmt, was unter Sachmaßnahmen im Sinne von Artikel 6 der Verordnung Nr. 1883/78 zu verstehen ist. Deshalb ist zu prüfen, ob die Färbung von Getreide als eine Sachmaßnahme zur Auslagerung ( Rubrik I/1 Buchstabe c ) oder als eine Maßnahme zur Verarbeitung des Erzeugnisses ( Rubrik I/1 Buchstabe d ) qualifiziert werden kann.

15 In der Färbung von Getreide kann entgegen der Auffassung der Kommission keine Maßnahme zur Verarbeitung eines für den menschlichen Verzehr bestimmten Erzeugnisses zu einem Futtermittel im Sinne der Rubrik I/1 Buchstabe d ) des Anhangs I gesehen werden. Der Begriff der Verarbeitung im üblichen Wortsinn setzt nämlich voraus, daß eine Änderung der wesentlichen Eigenschaften des Erzeugnisses erfolgt, während die in Rede stehende Färbung das Getreide lediglich identifizierbar macht, um die Kontrolle seiner Verwendung in der Viehfütterung zu erleichtern. In diesem Zusammenhang ist es im übrigen aufschlußreich, daß die Kommission in ihrer Entscheidung vom 7. Juni 1985 die streitigen Ausgaben den Ausgaben für die Auslagerung zugerechnet hat.

16 Dem Vorbringen der Kommission, die Kosten der Färbung müssten Kontrollkosten gleichgestellt werden, die normalerweise Bestandteil der Auslagerungskosten seien, kann ebenfalls nicht gefolgt werden.

17 Auch wenn die Färbung des Getreides zu Kontrollzwecken vorgesehen wurde und das Getreide nur nach einer solchen Färbung zur Verwendung in der Viehfütterung ausgelagert werden kann, ist gleichwohl festzustellen, daß diese Kontrollmaßnahme allein zum Ziel hat, die Nachprüfung des endgültigen Verwendungszwecks dieser Erzeugnisse zu ermöglichen. Sie unterscheidet sich dadurch von den anderen Kontrollmaßnahmen, die die Kommission - ausweislich der den Mitgliedstaaten zur Revision der Pauschbeträge übersandten Fragebogen und der die Festsetzung dieser Beträge betreffenden Arbeitsunterlagen - zu den Auslagerungsmaßnahmen rechnet. Diese sind nämlich auf die Kontrolle der Quantität oder der Qualität der Waren vor deren Auslagerung gerichtet, nicht aber auf eine nachträgliche Kontrolle des Verwendungszwecks der Waren. Sie weisen somit anders als die Färbung eine Zweckrichtung auf, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Auslagerung steht.

18 Da die Färbung nicht als eine Sachmaßnahme der Auslagerung oder der Verarbeitung qualifiziert werden kann, ist auf die einzige Verordnungsbestimmung abzustellen, in der von den Färbungskosten die Rede ist : Artikel 5 der Verordnung Nr. 2974/83, wonach "die Färbung... möglichst kostengünstig durchgeführt werden" muß. Eine Prüfung des Wortlauts dieses Artikels führt zu der Feststellung, daß die Kosten der Färbung vollständig zu erstatten sind, sofern die angewandte Färbungsmethode die kostengünstigste war - eine Frage, die im vorliegenden Rechtsstreit nicht aufgeworfen worden ist.

19 Nach alledem greift der Klagegrund durch, mit dem eine Verletzung und falsche Anwendung der Artikel 4 und 6 der Verordnung Nr. 1883/78 des Rates sowie des Anhangs I der Verordnung Nr. 3247/81 des Rates geltend gemacht wird.

20 Folglich ist die Entscheidung der Kommission vom 7. Juni 1985 insoweit für nichtig zu erklären, als sie sich auf die in der Verordnung Nr. 2794/83 der Kommission vom 6. Oktober 1983 vorgesehene Färbung bezieht.

Kostenentscheidung:

Kosten

21 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung hat die unterliegende Partei die Kosten zu tragen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Entscheidung KOM(85 ) 839 der Kommission vom 7. Juni 1985 zur Festsetzung eines Pauschbetrags zur Erstattung der Ausgaben für die Behandlung von Getreide, das zur Verwendung in der Viehfütterung denaturiert oder gefärbt wurde, wird für nichtig erklärt, soweit sie sich auf die in der Verordnung Nr. 2794/83 der Kommission vom 6. Oktober 1983 über den Verkauf auf dem Binnemarkt von 450 000 Tonnen zur Brotherstellung geeigneten Weichweizens aus Beständen der italienischen Interventionsstelle ( ABl. L 274, S. 18 ) vorgesehene Färbung bezieht.

2 ) Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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