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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.12.1983
Aktenzeichen: 263/82
Rechtsgebiete: EGKS-VERTRAG


Vorschriften:

EGKS-VERTRAG ART. 58 PAR 4
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

DIE RECHTSFIGUR DES NOTSTANDS KANN AUF DEM SPEZIFISCHEN GEBIET DES IN ARTIKEL 58 EGKS-VERTRAG VORGESEHENEN QUOTENSYSTEMS NICHT ANERKANNT WERDEN. DIESES SYSTEM BERUHT AUF DER SOLIDARITÄT SÄMTLICHER STAHLUNTERNEHMEN DER GEMEINSCHAFT IN DER OFFENSICHTLICHEN KRISE UND BEZWECKT EINE GERECHTE VERTEILUNG DER AUS UNVERMEIDLICHEN WIRTSCHAFTLICHEN GEGEBENHEITEN RESULTIERENDEN OPFER. GESICHTSPUNKTE DER SICHERUNG VON BESTAND UND RENTABILITÄT EINES EINZELNEN UNTERNEHMENS KÖNNEN NICHT ANGEFÜHRT WERDEN , WO ES UM DIE DURCHSETZUNG DIESES SYSTEMS GEHT. DAS QUOTENSYSTEM WÜRDE GANZ AUSGESCHALTET , WENN JEDES UNTERNEHMEN SICH UNTER BERUFUNG AUF EINEN NOTSTAND WEGEN ERNSTER WIRTSCHAFTLICHER SCHWIERIGKEITEN DEN BESCHRÄNKUNGEN ENTZIEHEN UND NACH SEINEM GUTDÜNKEN DIE IHM ZUGETEILTEN ERZEUGUNGSQUOTEN ÜBERSCHREITEN KÖNNTE. DIE DADURCH AUSGELÖSTE KETTENREAKTION WÜRDE ZUM ZUSAMMENBRUCH DES SYSTEMS FÜHREN UND SOMIT DIE PRAKTISCHE WIRKSAMKEIT VON ARTIKEL 58 EGKS-VERTRAG AUFS SPIEL SETZEN.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (VIERTE KAMMER) VOM 14. DEZEMBER 1983. - KLOECKNER-WERKE AG GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - STAHLMARKT - ERZEUGUNGSQUOTEN. - RECHTSSACHE 263/82.

Entscheidungsgründe:

1 DIE KLÖCKNER-WERKE AG , EIN UNTERNEHMEN DER STAHLINDUSTRIE MIT SITZ IN DUISBURG , HAT MIT KLAGESCHRIFT , DIE AM 24. SEPTEMBER 1982 BEI DER KANZLEI DES GERICHTSHOFES EINGEGANGEN IST , GEMÄSS ARTIKEL 36 EGKS-VERTRAG KLAGE ERHOBEN AUF AUFHEBUNG DER EINZELFALLENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION VOM 13. AUGUST 1982 , DURCH DIE SIE AUFGRUND VON ARTIKEL 58 PAR 4 EGKS-VERTRAG UND ARTIKEL 9 DER ALLGEMEINEN ENTSCHEIDUNG NR. 2794/80 VOM 31. OKTOBER 1980 ( ABL. L 291 , S. 1 ) WEGEN ÜBERSCHREITUNG DER ERZEUGUNGSQUOTEN MIT EINER GELDBUSSE BELEGT WORDEN WAR.

2 AUFGRUND DES ARTIKELS 58 EGKS-VERTRAG SOWIE DER GENANNTEN ALLGEMEINEN ENTSCHEIDUNG NR 2794/80 HATTE DIE KOMMISSION DER FIRMA KLÖCKNER MIT EINZELFALLENTSCHEIDUNG VOM 6. APRIL 1981 DEREN VERGLEICHSPRODUKTIONEN UND ERZEUGUNGSQUOTEN FÜR DAS ZWEITE QUARTAL 1981 MITGETEILT. DIE FIRMA KLÖCKNER WAR DER ANSICHT , DIESE QUOTEN SEIEN GEMESSEN AN DER PRODUKTIONSKAPAZITÄT IHRER ANLAGEN ZU NIEDRIG FESTGESETZT WORDEN , UND ERHOB DESHALB BEIM GERICHTSHOF KLAGE AUF AUFHEBUNG DIESER EINZELFALLENTSCHEIDUNG ; DER GERICHTSHOF WIES DIE KLAGE JEDOCH MIT URTEIL VOM 7. JULI 1982 ( RECHTSSACHE 119/81 , KLÖCKNER , SLG. S. 2627 ) AB , MIT DER FOLGE , DASS DIE FRAGLICHEN QUOTEN BESTANDSKRÄFTIG GEWORDEN SIND.

3 INZWISCHEN HATTE DIE FIRMA KLÖCKNER DIESE QUOTEN FÜR DIE WALZERZEUGNISSE DER GRUPPE I UM 122 781 T ÜBERSCHRITTEN. DIE KOMMISSION BEANSTANDETE DIESE ÜBERSCHREITUNG DER FIRMA KLÖCKNER GEGENÜBER MIT SCHREIBEN VOM 1. FEBRUAR 1982 UND SETZTE GEGEN SIE NACH DURCHFÜHRUNG DES IN ARTIKEL 36 DES VERTRAGES VORGESEHENEN VERFAHRENS DURCH DIE MIT DER VORLIEGENDEN KLAGE ANGEFOCHTENE EINZELFALLENTSCHEIDUNG VOM 13. AUGUST 1982 EINE GELDBUSSE VON 10 129 432 ECU , DAS SIND 23 909 916 DM , FEST.

4 DIE KLAEGERIN BESTREITET DIE IHR VON DER KOMMISSION VORGEWORFENE ÜBERSCHREITUNG NICHT. SIE MACHT JEDOCH GELTEND , DIESE ÜBERSCHREITUNG SEI GERECHTFERTIGT , WEIL SIE SICH IN EINEM DURCH DIE ZUTEILUNG DER ERZEUGUNGSQUOTEN VERURSACHTEN NOTSTAND BEFUNDEN HABE.

ZUR ZULÄSSIGKEIT DER EINZIGEN RÜGE , MIT DER EIN NOTSTAND GELTEND GEMACHT WIRD

5 DIE KOMMISSION HÄLT DAS KLAGEVORBRINGEN , DAS SICH AUF DIE GELTENDMACHUNG EINES NOTSTANDS BESCHRÄNKT , FÜR UNZULÄSSIG. DIE KLAEGERIN STÜTZE DEN VON IHR GELTEND GEMACHTEN NOTSTAND DARAUF , DASS DIE IHR ZUGETEILTEN ERZEUGUNGSQUOTEN ZU NIEDRIG , UNBILLIG UND RECHTSWIDRIG GEWESEN SEIEN , DA DER TATSÄCHLICHEN PRODUKTIONSKAPAZITÄT IHRES UNTERNEHMENS NICHT RECHNUNG GETRAGEN WORDEN SEI. ZUM EINEN HÄTTE SIE DANN ABER DIE ANGEBLICHE RECHTSWIDRIGKEIT EINER QUOTE , DIE WEGEN IHRER ZU GERINGEN HÖHE NICHT DAS ÜBERLEBEN DES UNTERNEHMENS GARANTIERE , GEMÄSS ARTIKEL 42 PAR 2 DER VERFAHRENSORDNUNG IN DER RECHTSSACHE GELTEND MACHEN MÜSSEN , IN DER ES UM DIE FESTSETZUNG DIESER QUOTE GEGANGEN SEI ; ZUM ANDEREN SEI DIE RECHTMÄSSIGKEIT DIESER QUOTENFESTSETZUNG DURCH DAS GENANNTE URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 7. JULI 1982 RECHTSKRÄFTIG FESTGESTELLT WORDEN , SO DASS SIE NICHT MEHR BESTRITTEN WERDEN KÖNNE.

6 DIE KLAEGERIN HÄLT DEM ENTGEGEN , DIE RECHTSKRAFT DES ERWÄHNTEN URTEILS HINDERE SIE ZWAR DARAN , DIE RECHTMÄSSIGKEIT DER ENTSCHEIDUNG ÜBER DIE FESTSETZUNG DER STREITIGEN QUOTE IN FRAGE ZU STELLEN , LASSE JEDOCH DIE FRAGE UNBERÜHRT , OB DIE KOMMISSION DIE IN EINER NOTSTANDSLAGE ERFOLGTE ÜBERSCHREITUNG DIESER QUOTE MIT EINER GELDBUSSE AHNDEN DÜRFE. ARTIKEL 42 DER VERFAHRENSORDNUNG KOMME IM VORLIEGENDEN FALL NICHT ZUR ANWENDUNG , DA DIE ÜBERSCHREITUNG UND IHRE ETWAIGE RECHTFERTIGUNG NICHT GEGENSTAND DER RECHTSSACHE 119/81 GEWESEN SEIEN.

7 DAZU IST ZU BEMERKEN , DASS EINIGE DER VON DER KLAEGERIN VORGEBRACHTEN ARGUMENTE - ETWA DIE GERINGE HÖHE DER IHR ZUGETEILTEN QUOTEN , DIE UNTER DEM DURCHSCHNITT DER DEN ANDEREN UNTERNEHMEN DER GEMEINSCHAFT ZUGEBILLIGTEN QUOTEN LAEGEN UND DESHALB NICHT DIE RENTABILITÄT DES KLAEGERISCHEN UNTERNEHMENS SICHERTEN - SICH IM KERN GEGEN DIE RECHTMÄSSIGKEIT DES QUOTENSYSTEMS UND INSBESONDERE GEGEN DIE RECHTMÄSSIGKEIT DER ENTSCHEIDUNG RICHTEN , DURCH DIE DER KLAEGERIN DIE VON IHR ÜBERSCHRITTENE QUOTE ZUGETEILT WURDE. DIESE ARGUMENTE KÖNNEN WEGEN DER INZWISCHEN EINGETRETENEN BESTANDSKRAFT DER KOMMISSIONSENTSCHEIDUNG SOWIE WEGEN DER RECHTSKRAFT DES AM 7. JULI 1982 ERLASSENEN URTEILS DES GERICHTSHOFES NICHT BERÜCKSICHTIGT WERDEN.

8 DIE KLAEGERIN HAT JEDOCH IM LAUFE DES VERFAHRENS KLARGESTELLT , DASS SIE NICHT DIE RECHTMÄSSIGKEIT DER ENTSCHEIDUNGEN ÜBER DIE QUOTENZUTEILUNG BESTREITE , SONDERN LEDIGLICH DIE AUFHEBUNG DER GEGEN SIE GERICHTETEN BUSSGELDENTSCHEIDUNG BEANTRAGE , DA DIE ÜBERSCHREITUNG DIESER QUOTE DURCH DEN NOTSTAND , IN DEM SIE SICH BEFUNDEN HABE , GERECHTFERTIGT SEI. UNTER DIESEN UMSTÄNDEN UND IN DIESEN GRENZEN IST DER VON DER KOMMISSION ERHOBENE EINWAND DER RECHTSKRAFT ZURÜCKZUWEISEN.

ZUR BEGRÜNDETHEIT DER NOTSTANDSRÜGE

9 DIE KLAEGERIN MACHT GELTEND , SIE HABE SEIT 1974 SEHR HOHE VERLUSTE ERLITTEN , DIE SIE NUR DURCH DEN EINSATZ UND DIE AUSSCHÖPFUNG ALLER IHRER RESERVEN HABE AUSGLEICHEN KÖNNEN ; DESHALB MÜSSE SIE , WENN SIE JETZT NOCH WEITERE BEDEUTENDE VERLUSTE HINZUNEHMEN HABE , KONKURS ANMELDEN. EIN PRODUKTIONSRÜCKGANG AUFGRUND DES QUOTENSYSTEMS HÄTTE ABER GERADE DAZU GEFÜHRT , DASS IHR BETRÄCHTLICHE MEHRVERLUSTE ENTSTANDEN WÄREN. UNTER DIESEN UMSTÄNDEN HABE DIE KLAEGERIN DIE IHR ZUGETEILTEN QUOTEN ÜBERSCHREITEN MÜSSEN , UM EIN BEDEUTENDES RECHTSGUT IN FORM IHRES EIGENEN FORTBESTEHENS ZU VERTEIDIGEN. SIE HABE FOLGLICH IN EINER NOTSTANDSLAGE GEHANDELT.

10 DIE KLAEGERIN STÜTZT IHR VORBRINGEN AUF EIN RECHTSGUTACHTEN VON PROFESSOR ESER , DIREKTOR DES MAX-PLANCK-INSTITUTS FÜR AUSLÄNDISCHES UND INTERNATIO- NALES STRAFRECHT , DER DIE AUFFASSUNG VERTRITT , DER NOTSTAND SEI EIN IN GESETZ- LICHEN REGELUNGEN VERANKERTES ODER IN DER RECHTSPRECHUNG ANERKANNTES UNIVERSELLES RECHTSINSTITUT. DESHALB BEDÜRFE ' ' NICHT DIE GELTUNG , SONDERN DER ETWAIGE AUSSCHLUSS VON NOTSTAND EINES BESONDEREN BEWEISES ' '. DER NOTSTAND MÜSSE FOLGLICH AUCH ALS FUNDAMENTALER GRUNDSATZ DES GEMEINSCHAFTSRECHTS ANERKANNT WERDEN.

11 NACH MEINUNG DER KLAEGERIN SIND IM VORLIEGENDEN FALL SÄMTLICHE NOTSTANDSVORAUSSETZUNGEN ERFÜLLT. DASS DIE ETWAIGE EINHALTUNG DER QUOTEN ZU EINER ERNSTEN GEFAHRENLAGE GEFÜHRT HÄTTE , WERDE DURCH ZWEI ZU DEN AKTEN GEGEBENE WIRTSCHAFTSPRÜFERGUTACHTEN BEWIESEN. DAS RECHTSGUT , DAS DIE KLAEGERIN DURCH IHR VERHALTEN VERTEIDIGEN WOLLE , IHR ÜBERLEBEN , HABE EINEN HÖHEREN RANG ALS DAS ERFORDERNIS , DIE DURCHSETZUNG DER QUOTENREGELUNG NICHT ZU BEEINTRÄCHTIGEN. DIE STREITIGE ÜBERSCHREITUNG HABE DAS QUOTENSYSTEM ÜBERHAUPT NICHT GESTÖRT , DENN DIE ANDEREN UNTERNEHMEN IN DER GEMEINSCHAFT HÄTTEN IHRE PRODUKTION ZU DEN VORGESEHENEN PREISEN ABSETZEN KÖNNEN. DIE GEFAHRENLAGE SEI AUCH NICHT AUF UNTERNEHMENSPOLITISCHE FEHLER ZURÜCKZUFÜHREN ; DIE KLAEGERIN HABE SICH BEI DER UMSTRUKTURIERUNG IHRER ANLAGEN VIELMEHR GENAU AN DIE VORSCHLAEGE UND ANREGUNGEN DER KOMMISSION GEHALTEN. SCHLIESSLICH HABE ES KEINE ANDEREN MÖGLICHKEITEN ALS DIE ÜBERSCHREITUNG DER QUOTEN GEGEBEN , UM DIE GEFAHR ABZUWENDEN.

12 DIE KOMMISSION BERUFT SICH DEMGEGENÜBER AUF DIE NUNMEHR GEFESTIGTE RECHTSPRECHUNG DES GERICHTSHOFES , WONACH DIE KOMMISSION BEI DER AUSGESTALTUNG DES QUOTENSYSTEMS NICHT JEDEM EINZELNEN UNTERNEHMEN EINE MINDESTPRODUKTION NACH DESSEN EIGENEN RENTABILITÄTS- UND ENTWICKLUNGSKRITERIEN GEWÄHRLEISTEN MÜSSE. DIESER GRUNDSATZ GELTE AUCH FÜR DEN FALL , DASS DIE EXISTENZ DES UNTERNEHMENS BEDROHT SEI.

13 DIE ANERKENNUNG DES NOTSTANDS ZUR RECHTFERTIGUNG EINER QUOTENÜBERSCHREITUNG SEI MIT WESEN UND STRUKTUR DES QUOTENSYSTEMS UNVEREINBAR. WIE DER GERICHTSHOF BEREITS IN SEINEM URTEIL VOM 11. MAI 1983 ( RECHTSSACHEN 303 UND 312/81 , KLÖCKNER , SLG. 1983 , S. 1507 ) ENTSCHIEDEN HABE , WÜRDE DIE ANWENDUNG DES NOTSTANDSGEDANKENS IM RAHMEN DES QUOTENSYSTEMS LETZTLICH ZUM ZUSAMMENBRUCH DIESES SYSTEMS FÜHREN.

14 DIE KOMMISSION TRAEGT HILFSWEISE VOR , DIE VORAUSSETZUNGEN EINES NOTSTANDS SEIEN IM VORLIEGENDEN FALL NICHT ERFÜLLT. ES SEI NICHT HINREICHEND BEWIESEN , DASS SICH DIE KLAEGERIN IM ZEITPUNKT DER ÜBERSCHREITUNG IN EINER GEFAHRENLAGE BEFUNDEN HABE. JEDENFALLS SEIEN DIE DEM ANGEBLICHEN NOTSTAND ZUGRUNDE- LIEGENDEN WIRTSCHAFTLICHEN SCHWIERIGKEITEN NICHT DURCH DIE EINFÜHRUNG DES QUOTENSYSTEMS , SONDERN DURCH BESTIMMTE INVESTITIONSPOLITISCHE ENTSCHEIDUNGEN DER KLAEGERIN SELBST VERURSACHT WORDEN. SCHLIESSLICH HÄTTE DIE ANGEBLICHE GEFAHR DURCH LEGALE MITTEL ABGEWENDET WERDEN KÖNNEN ; DIE ÜBERSCHREITUNG SEI DAFÜR NICHT ERFORDERLICH GEWESEN.

15 ES IST DARAN ZU ERINNERN , DASS DER GERICHTSHOF IN DEM ERWÄHNTEN URTEIL VOM 11. MAI 1983 DIE THESE DER KLAEGERIN , DIE ÜBERSCHREITUNG DER IHR VON DER KOMMISSION FÜR DAS ERSTE QUARTAL 1981 ZUGETEILTEN QUOTE SEI WEGEN DER ZU GERINGEN HÖHE DIESER QUOTE SOWIE AUFGRUND EINES NOTSTANDS GERECHTFERTIGT GEWESEN , BEREITS GEPRÜFT UND ZURÜCKGEWIESEN HAT. DER GERICHTSHOF HAT INSBESONDERE DAS KLAEGERISCHE VORBRINGEN ZUR RECHTSWIDRIGKEIT UND UNBILLIGKEIT DER IM VERHÄLTNIS ZU DEN PRODUKTIONSKAPAZITÄTEN DER KLAEGERIN ANGEBLICH ZU NIEDRIGEN QUOTE ZURÜCKGEWIESEN UND ERKLÄRT , DASS DIE SCHWIERIGE LAGE DER KLAEGERIN AUF DEREN UNTERNEHMENSFÜHRUNG SELBST ZURÜCKGEHT , SO DASS DIE KLAEGERIN SICH NICHT AUF NOTSTAND BERUFEN KANN. DER GERICHTSHOF HAT SCHLIESSLICH HERVORGEHOBEN , DASS DIE ANWENDUNG DES NOTSTANDSGEDANKENS IM RAHMEN DES QUOTENSYSTEMS ZUM ZUSAMMENBRUCH DIESES SYSTEMS FÜHREN UND ARTIKEL 58 DES VERTRAGES JEDE PRAKTISCHE WIRKSAMKEIT NEHMEN WÜRDE.

16 DIE KLAEGERIN HAT IN DER VORLIEGENDEN RECHTSSACHE , DIE EBENFALLS DIE ÜBERSCHREITUNG DER QUOTE , ALLERDINGS FÜR DAS ZWEITE QUARTAL 1981 , BETRIFFT , ZWAR GENAUERE UND AUSFÜHRLICHERE ARGUMENTE ZUR RECHTFERTIGUNG EINER NOTSTANDSLAGE VORGEBRACHT. GLEICHWOHL KOMMT DER GERICHTSHOF ZU DEM GLEICHEN ERGEBNIS WIE IN DEM VORSTEHEND GENANNTEN URTEIL.

17 DIE RECHTSFIGUR DES NOTSTANDS KANN AUF DEM SPEZIFISCHEN GEBIET DES IN ARTIKEL 58 EGKS-VERTRAG VORGESEHENEN QUOTENSYSTEMS NICHT ANERKANNT WERDEN. DIESES SYSTEM BERUHT AUF DER SOLIDARITÄT SÄMTLICHER STAHLUNTERNEHMEN DER GEMEINSCHAFT IN DER KRISE UND BEZWECKT EINE GERECHTE VERTEILUNG DER AUS UNVERMEIDLICHEN WIRTSCHAFTLICHEN GEGEBENHEITEN RESULTIERENDEN OPFER.

18 IN DIESEM ZUSAMMENHANG IST DARAUF HINZUWEISEN , DASS ARTIKEL 58 EGKS-VERTRAG DIE EINFÜHRUNG EINES SYSTEMS VON ERZEUGUNGSQUOTEN NUR DANN VOR SIEHT , WENN DAS VORLIEGEN EINER OFFENSICHTLICHEN KRISE FESTGESTELLT WIRD UND WENN DIESE KRISE SO SCHWER IST , DASS IHR NICHT MIT DEN IN ARTIKEL 57 VORGE- SEHENEN MASSNAHMEN BEGEGNET WERDEN KANN. DAS QUOTENSYSTEM KANN MIT ANDEREN WORTEN NUR EINGEFÜHRT WERDEN , WENN EIN GANZER WIRTSCHAFTSSEKTOR VON EINER SO SCHWEREN KRISE ERFASST IST , DASS DIE EXISTENZ ALLER UNTERNEHMEN IN DER GEMEINSCHAFT BEDROHT IST. IM VORLIEGENDEN FALL STEHT FEST , DASS DER TIEFGREIFENDE EINBRUCH BEI DER NACHFRAGE SOWIE DER PREISVERFALL EINE ÄUSSERST ERNSTE KRISE HERVORGERUFEN HABEN , VON DER SÄMTLICHE STAHLUNTERNEHMEN IN DER GEMEINSCHAFT BETROFFEN SIND.

19 DAS QUOTENSYSTEM HAT DEN ZWECK , DIESER LAGE DURCH EINE ABGESTIMMTE VERRINGERUNG DES ANGEBOTS ZU BEGEGNEN , UM AUF DIESE WEISE DAS GLEICHGEWICHT ZWISCHEN ANGEBOT UND NACHFRAGE WIEDERHERZUSTELLEN UND DEN PREISRÜCKGANG ZU BREMSEN. DIESE VERRINGERUNG IST MIT SCHWEREN BELASTUNGEN VERBUNDEN , DIE GERECHT AUF ALLE UNTERNEHMEN DES SEKTORS VERTEILT WERDEN MÜSSEN ; DIESEN UNTERNEHMEN WIRD EINE GEMEINSCHAFTLICHE SOLIDARISCHE ANSTRENGUNG ABVERLANGT , DAMIT DER GESAMTE BETROFFENE SEKTOR DIE KRISE ÜBERWINDEN UND ÜBERLEBEN KANN. ANGESICHTS DIESER ZIELRICHTUNG DES QUOTENSYSTEMS KÖNNEN GESICHTSPUNKTE DER SICHERUNG VON BESTAND UND RENTABILITÄT EINES EINZELNEN UNTERNEHMENS NICHT ANGEFÜHRT WERDEN , WO ES UM DIE DURCHSETZUNG DIESES SYSTEMS GEHT.

20 IM ÜBRIGEN WÜRDE DAS QUOTENSYSTEM GANZ AUSGESCHALTET , WENN JEDES UNTERNEHMEN SICH UNTER BERUFUNG AUF EINEN NOTSTAND WEGEN ERNSTER WIRTSCHAFT- LICHER SCHWIERIGKEITEN DEN BESCHRÄNKUNGEN ENTZIEHEN UND NACH SEINEM GUTDÜNKEN DIE IHM ZUGETEILTEN ERZEUGUNGSQUOTEN ÜBERSCHREITEN KÖNNTE. DIE QUOTENERHÖHUNGEN ZUGUNSTEN DER SICH AUF EINEN NOTSTAND BERUFENDEN UNTERNEHMEN - ODER ABER DIE AUFGRUND DES NOTSTANDS SANKTIONSLOSEN QUOTENÜBERSCHREITUNGEN DIESER UNTERNEHMEN - HÄTTEN ZWANGSLÄUFIG EINE KÜRZUNG DER QUOTEN DER ANDEREN UNTERNEHMEN ZUR FOLGE , SO DASS MEHRERE VON IHNEN SICH IHRERSEITS IN NOTSTANDSLAGEN BEFÄNDEN UND QUOTENANHEBUNGEN BEANSPRUCHEN ODER SANKTIONSLOSE ÜBERSCHREITUNGEN VORNEHMEN KÖNNTEN. DIE DADURCH AUSGELÖSTE KETTENREAKTION WÜRDE ZUM ZUSAMMENBRUCH DES SYSTEMS FÜHREN UND SOMIT DIE PRAKTISCHE WIRKSAMKEIT VON ARTIKEL 58 EGKS-VERTRAG AUFS SPIEL SETZEN.

21 AUS DEM RECHTSGUTACHTEN VON PROFESSOR ESER GEHT HERVOR , DASS DIE RECHTSFIGUR DES NOTSTANDS SICH IM STRAFRECHT ENTWICKELT HAT UND DASS SIE AUCH EINGANG IN DAS WIRTSCHAFTSRECHT EINER BEGRENZTEN ZAHL VON MITGLIEDSTAATEN GE FUNDEN HAT. OHNE DIESE TATSACHE BESTREITEN ZU WOLLEN - DIE ALLERDINGS FÜR SICH ALLEIN NICHT DEN SCHLUSS ZULÄSST , DASS ES IM GEMEINSCHAFTSRECHT EINEN ALLGEMEINEN RECHTSGRUNDSATZ BEZUEGLICH DES NOTSTANDS GIBT - WEIST DER GERICHTSHOF NOCH EINMAL DARAUF HIN , DASS DAS RECHTSINSTITUT DES NOTSTANDS IM RAHMEN DES QUOTENSYSTEMS GEMÄSS ARTIKEL 58 EGKS-VERTRAG NICHT ANERKANNT WERDEN KANN.

22 EIN UNTERNEHMEN KANN SICH DESHALB NICHT UNTER BERUFUNG AUF EINEN NOTSTAND DEN DURCH DAS QUOTENSYSTEM VORGESEHENEN PRODUKTIONSBESCHRÄNKUNGEN UND DER ZAHLUNG DER IHM BEI ÜBERSCHREITUNG DER QUOTEN AUFERLEGTEN GELDBUSSEN ENTZIEHEN. DIE VON DER KLAEGERIN PRAKTIZIERTE PLANMÄSSIGE QUOTENÜBERSCHREITUNG HAT DIE FUNKTIONSFÄHIGKEIT DIESES SYSTEMS ERHEBLICH BEEINTRÄCHTIGT.

23 AUFGRUND DIESER ERWAEGUNGEN IST DIE EINZIGE RÜGE , MIT DER NOTSTAND GELTEND GEMACHT WORDEN IST , ZURÜCKZUWEISEN.

24 DIE KLAGE MUSS DESHALB ABGEWIESEN WERDEN.

Kostenentscheidung:

KOSTEN

25 NACH ARTIKEL 69 PAR 2 DER VERFAHRENSORDNUNG IST DIE UNTERLIEGENDE PARTEI AUF ANTRAG ZUR TRAGUNG DER KOSTEN ZU VERURTEILEN.

26 DA DIE KLAEGERIN MIT IHREM VORBRINGEN UNTERLEGEN IST , SIND IHR DIE KOSTEN AUFZUERLEGEN.

AUS DIESEN GRÜNDEN

Tenor:

HAT

DER GERICHTSHOF ( VIERTE KAMMER )

FÜR RECHT ERKANNT UND ENTSCHIEDEN :

1. DIE KLAGE WIRD ABGEWIESEN.

2. DIE KLAEGERIN HAT DIE KOSTEN ZU TRAGEN , EINSCHLIESSLICH DERJENIGEN DES VERFAHRENS WEGEN EINSTWEILIGER ANORDNUNG.

Ende der Entscheidung

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