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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 24.02.1988
Aktenzeichen: 264/86
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Verordnung Nr. 1196/76 des Rates zur Festlegung der Grundregeln für die Gewährung der Ausgleichsentschädigung an die Erzeuger von Thunfischen für die Konservenindustrie ist, was die Berücksichtigung der Entwicklung der erzeugten Mengen und des Einkommensniveaus der Erzeuger für die Festsetzung der Entschädigung und ihres Hoechstbetrags betrifft, als abschließend anzusehen. Die Kommission war somit nicht befugt, im Rahmen des Erlasses von Durchführungsbestimmungen zu der Regelung über die Gewährung der Entschädigung in Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2469/86 Regeln über eine zusätzliche Hoechstgrenze aufzustellen, die auf denselben Kriterien beruhen. Diese Bestimmung sowie die zu ihrer Durchführung erlassene Verordnung Nr. 2470/86 sind somit für nichtig zu erklären.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 24. FEBRUAR 1988. - FRANZOESISCHE REPUBLIK GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - AUSGLEICHSENTSCHAEDIGUNG FUER DIE ERZEUGER VON THUNFISCH FUER DIE KONSERVENINDUSTRIE. - RECHTSSACHE 264/86.

Entscheidungsgründe:

1 Die Französische Republik hat mit Klageschrift, die am 21. Oktober 1986 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 1 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 2469/86 der Kommission vom 31. Juli 1986 mit Durchführungsbestimmungen für die Gewährung der Ausgleichsentschädigung an die Erzeuger von Thunfisch für die Konservenindustrie ( ABl. L 211, S. 19 ) und der Verordnung Nr. 2470/86 der Kommission vom 31. Juli 1986 zur Festsetzung des Hoechstbetrags der Ausgleichsentschädigung für Thunfisch für die Konservenindustrie für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1986 ( ABl. L 211, S. 22 ).

2 Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, hinsichtlich der Verordnung Nr. 2469/86 werde mit der Klage nur die Rechtswidrigkeit des Artikels 2 Absatz 3 geltend gemacht. Die Argumente, die sie gegen die Gültigkeit dieser Verordnung angeführt hat und denen sich das Königreich Spanien als Streithelfer angeschlossen hat, betreffen tatsächlich nur diese Bestimmung.

3 Der Rechtsstreit bezieht sich auf die Ausgleichsentschädigung, die nach Artikel 17 der Verordnung Nr. 3796/81 des Rates vom 29. Dezember 1981 über die gemeinsame Marktorganisation für Fischereierzeugnisse ( ABl. L 379, S. 1, im folgenden : Grundverordnung ) erforderlichenfalls den Thunfischerzeugern der Gemeinschaft für bestimmte Thunfischarten, die für die Konservenindustrie bestimmt sind, gewährt werden kann.

4 In den Begründungserwägungen der Grundverordnung wird ausgeführt, daß eine Preissenkung bei der Einfuhr von Thunfisch, der für die Konservenindustrie bestimmt sei - für den die Sätze des Gemeinsamen Zolltarifs nach Artikel 20 vollständig ausgesetzt sind - das Einkommensniveau der Gemeinschaftserzeuger gefährden könne und daß deshalb die Möglichkeit vorgesehen werden sollte, diesen Erzeugern, "soweit erforderlich", Ausgleichsentschädigungen zu gewähren. In den Begründungserwägungen heisst es weiter, daß, da die Gemeinschaftserzeugung an Thunfisch nicht ausreiche, die nahrungsmittelverarbeitende Industrie, die diese Erzeugnisse verwende, weiterhin in den Genuß von Versorgungsbedingungen kommen sollte, die mit denen der Thunfischkonserven ausführenden Drittländer vergleichbar seien, wobei die Nachteile, die den Gemeinschaftserzeugern daraus erwachsen könnten, durch Gewährung der zu diesem Zweck vorgesehenen Entschädigung "ausgeglichen werden dürften ".

5 Nach Artikel 17 Absatz 5 der Grundverordnung legt der Rat "die Grundregeln" für die Gewährung der in Rede stehenden Entschädigung fest. Artikel 17 Absatz 6 bestimmt, daß die "Durchführungsbestimmungen" zu dieser Regelung von der Kommission nach dem Verwaltungsausschußverfahren festgelegt werden.

6 Die fraglichen Grundregeln wurden in der Verordnung Nr. 1196/76 des Rates vom 17. Mai 1976 zur Festlegung der Grundregeln für die Gewährung der Ausgleichsentschädigung an die Erzeuger von Thunfischen für die Konservenindustrie ( ABl. L 133, S. 1 ) festgelegt. Diese Verordnung war auf eine frühere Grundverordnung, die Verordnung Nr. 100/76, gestützt, deren Artikel 17 denselben Inhalt hatte wie Artikel 17 der derzeitigen Grundverordnung. Nach Artikel 7 der Verordnung Nr. 1196/76 erlässt die Kommission nach dem Verwaltungsausschußverfahren die "Durchführungsbestimmungen" zu der Verordnung und legt den Hoechstbetrag der Ausgleichsentschädigung fest. Die Durchführungsbestimmungen sind in der Verordnung Nr. 2469/86 der Kommission festgelegt worden, während die Verordnung Nr. 2470/86 aufgrund dieser Bestimmungen die Hoechstbeträge der Ausgleichsentschädigung für das erste Quartal 1986 festsetzt.

7 Die französische und die spanische Regierung werfen der Kommission vor, in Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2469/86 eine Hoechstgrenze für die Ausgleichsentschädigung eingeführt zu haben, die in der Verordnung Nr. 1196/76 des Rates nicht vorgesehen sei, und in der Verordnung Nr. 2470/86 den Hoechstbetrag der Entschädigung aufgrund dieser Begrenzung berechnet zu haben.

8 Wegen weiterer Einzelheiten der einschlägigen Gemeinschaftsverordnungen und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

9 Die französische Regierung stützt ihre Klage auf zwei Gründe : Die beiden Verordnungen der Kommission enthielten keine ausreichende Begründung, insbesondere da in ihren Begründungserwägungen nicht ausgeführt werde, weshalb die Kommission eine Hoechstgrenze für die Entschädigung festgelegt habe. Zudem sei die Kommission für die Einführung einer Hoechstgrenze für die Entschädigung nicht zuständig, da die vom Rat erlassene Regelung keinen Raum für die Festlegung einer solchen Hoechstgrenze lasse. Dieses letztere Vorbringen ist zuerst zu prüfen.

10 Die einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 1196/76 des Rates sehen folgendes vor : Nach Artikel 3 wird die Ausgleichsentschädigung gewährt, wenn zugleich der vierteljährliche Durchschnittspreis des Gemeinschaftsmarktes und der Einfuhrpreis für das fragliche Erzeugnis weniger als 90 % des gemeinschaftlichen Produktionspreises betragen, bei dem es sich um einen vom Rat aufgrund der Grundverordnung festgesetzten Preis handelt. Nach Artikel 4 wird die Ausgleichsentschädigung nur gewährt, wenn aus einer Prüfung hervorgeht, daß die auf dem Gemeinschaftsmarkt festgestellte Lage Folge des Preisniveaus auf dem Weltmarkt für Thunfisch ist und daß ein Preisrückgang auf dem Gemeinschaftsmarkt nicht von einer aussergewöhnlichen Zunahme der erzeugten Mengen hervorgerufen wird. Nach Artikel 5 schließlich beläuft sich die Entschädigung höchstens auf den Differenzbetrag zwischen dem gemeinschaftlichen Produktionspreis und dem vom Gemeinschaftserzeuger tatsächlich erzielten Preis; sie darf jedoch auf keinen Fall den Differenzbetrag zwischen dem gemeinschaftlichen Produktionspreis und dem vierteljährlichen Durchschnittspreis des Gemeinschaftsmarktes übersteigen.

11 Nach Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2469/86 der Kommission wird der Hoechstbetrag der Entschädigung auf einem Niveau festgelegt, das notwendig ist, um zu gewährleisten, daß der Preisrückgang auf dem Gemeinschaftsmarkt keine Bedrohung des Einkommens darstellt, das die Thunfischerzeuger aus der Vermarktung der erzeugten Mengen sowohl auf dem Markt der Gemeinschaft als auch auf demjenigen der Drittländer erzielen. Wie sich aus einer "technischen Note" ergibt, die die Kommission dem Verwaltungsausschuß übermittelt hat und die sich bei den Akten befindet, ermöglicht diese Einführung einer Hoechstgrenze der Kommission, bei der Festsetzung des Hoechstbetrags der Entschädigung aufgrund der Verordnung des Rates eine Korrektur vorzunehmen, um sicherzustellen, daß dieser Betrag nicht die tatsächliche Verringerung der Gesamteinkünfte der Gemeinschaftserzeuger überschreitet. Diese Korrektur wird aufgrund eines Vergleichs des Erzeugnisses mittlerer Preislage und der sowohl auf dem Gemeinschaftsmarkt als auch auf Drittmärkten im fraglichen Quartal verkauften Mengen mit dem gewogenen Mittel für das entsprechende Quartal der letzten drei Jahre vorgenommen.

12 Die französische und die spanische Regierung sind der Auffassung, daß die Verordnung des Rates sehr genaue Beschränkungen für die Berechnung des Hoechstbetrags der Ausgleichsentschädigung enthalte und keinen Raum für die Einführung einer neuen bedeutenden Begrenzung im Rahmen der von der Kommission erlassenen Durchführungsbestimmungen lasse. Darüber hinaus werde die von der Kommission festgesetzte Regel zur Ermittlung der Hoechstgrenze von der Entwicklung der Einkommen der Erzeuger unter Berücksichtigung der erzeugten Mengen abhängig gemacht, obwohl dieser Faktor schon in Artikel 4 der Ratsverordnung berücksichtigt worden sei.

13 Die Kommission ist der Meinung, die Unterscheidung zwischen den vom Rat aufzustellenden "Grundregeln" und den von der Kommission zu erlassenden "Durchführungsbestimmungen" könne nicht ohne Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Regelung getroffen werden. Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2469/86 entspreche jedoch dem Zweck der Ausgleichsentschädigung, wie er in den Begründungserwägungen der Grundverordnung definiert werde, und stehe auch nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1196/76 des Rates.

14 Zunächst ist festzustellen, daß die Vorschriften der Verordnungen Nrn. 3796/81 und 1196/76 des Rates, die die Kommission ermächtigen, nach dem Verwaltungsausschußverfahren Durchführungsbestimmungen zu der in Rede stehenden Entschädigungsregelung zu erlassen, Beispiele für derartige Durchführungsbestimmungen enthalten und daß diese Beispiele nicht die Festsetzung von Regeln über einen Hoechstbetrag der Entschädigung umfassen. So nennt Artikel 17 Absatz 6 der Grundverordnung namentlich die Festsetzung der Anpassungsköffizienten für die verschiedenen Arten, Grössen und Aufmachungsformen von Thunfischen sowie die Liste der repräsentativen Märkte und Häfen, die für die Feststellung der monatlichen Durchschnittsnotierungen berücksichtigt werden. Artikel 7 der Verordnung Nr. 1196/76 des Rates erwähnt beispielshalber die Berichtigungen des gewogenen Mittels der Monatsdurchschnittspreise.

15 Unter diesen Umständen beschränkt sich die Streitfrage darauf, ob der Umstand, daß der Rat in die "Grundregeln" für die Gewährung der Entschädigung genaue Einschränkungen hinsichtlich der Berechnung des Hoechstbetrags aufgenommen hat, der Festsetzung einer zusätzlichen Hoechstgrenze im Rahmen der von der Kommission erlassenen "Durchführungsbestimmungen" entgegensteht, wenn diese Hoechstgrenze vom Einkommensniveau der Thunfischerzeuger abhängt.

16 Dazu sind sowohl die Ziele der Ausgleichsentschädigung als auch die Bestimmungen, die die Voraussetzungen für ihre Gewährung regeln, zu prüfen.

17 Bezueglich der Ziele ist daran zu erinnern, daß die Ausgleichsentschädigung eingeführt wurde, um den finanziellen Nachteil auszugleichen, der sich aus einer Einkommenssenkung aufgrund der Öffnung des europäischen Marktes für tiefgekühlten Thunfisch aus Drittländern, der für die Konservenindustrie bestimmt ist, ergeben kann. Deshalb ist der Kommission darin Recht zu geben, daß die zuständigen Organe verpflichtet sind, bei der Berechnung des Hoechstbetrags der Entschädigung die Gefährdung des Einkommensniveaus der Erzeuger zu berücksichtigen, die von den Einfuhrströmen in die Gemeinschaft ausgeht.

18 Diese Feststellung bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, daß die Kommission berechtigt wäre, im Rahmen der Durchführungsbestimmungen eine Hoechstgrenze festzusetzen, die auf der Einkommenssituation der Erzeuger, ermittelt aufgrund der erzeugten Mengen und des Durchschnittspreises, beruht. Die Rügen der französischen und der spanischen Regierung gehen nämlich gerade dahin, daß alle auf das Einkommensniveau gestützten Faktoren schon in der Verordnung Nr. 1196/76, insbesondere in Artikel 4, berücksichtigt seien, so daß jede Einführung anderer, auf diesen Faktoren beruhender Begrenzungen ausgeschlossen sei.

19 Die Kommission trägt dazu vor, Artikel 4 betreffe nur den Sonderfall, daß ein Preisrückgang auf dem Gemeinschaftsmarkt von einer "aussergewöhnlichen Zunahme" der in der Gemeinschaft erzeugten Mengen hervorgerufen werde; in diesem Fall könne keine Entschädigung gewährt werden. Diese Vorschrift lasse die Möglichkeit offen, daß die Kommission den Hoechstbetrag der Entschädigung verändere, indem sie eine Zunahme der Gemeinschaftserzeugung berücksichtige, die zwar nicht aussergewöhnlich sei, aber gleichwohl den durch den Preisrückgang hervorgerufenen Einkommensverlust ausgleichen könne.

20 Dieses Vorbringen der Kommission ist zurückzuweisen. In den Begründungserwägungen der Ratsverordnung heisst es nämlich, daß die Ausgleichsentschädigung eingeführt worden sei, weil eine Preissenkung bei der Einfuhr das Einkommen der Gemeinschaftserzeuger gefährden könnte; die Verordnung nimmt jedoch für die Beurteilung dieser Gefährdung auf das Preisniveau Bezug. Nur im Fall einer aussergewöhnlichen Zunahme der in der Gemeinschaft erzeugten Mengen spielt die Entwicklung der Erzeugung und nicht die des Preisniveaus eine Rolle und dient dazu, jede Möglichkeit einer Gewährung der Entschädigung auszuschließen.

21 Daraus ergibt sich, daß die Verordnung Nr. 1196/76, was die Berücksichtigung der Entwicklung der erzeugten Mengen und des Einkommensniveaus betrifft, als abschließend anzusehen ist und daß die Kommission somit nicht befugt war, im Rahmen des Erlasses von Durchführungsbestimmungen zu der Regelung über die Gewährung der Entschädigung Regeln über die Hoechstgrenze aufzustellen, die auf denselben Kriterien beruhen.

22 Aus diesen Erwägungen folgt, daß der Klagegrund der Unzuständigkeit der Kommission durchgreift und daß Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2469/86 der Kommission für nichtig zu erklären ist, ohne daß der andere Klagegrund geprüft zu werden braucht.

23 Folglich ist die Verordnung Nr. 2470/86 der Kommission, die die Berechnung des Hoechstbetrags der Ausgleichsentschädigung regelt, wie sie sich aus der Anwendung dieser Bestimmung ergibt, insgesamt für nichtig zu erklären.

Kostenentscheidung:

Kosten

24 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da jedoch weder die französische Regierung noch die spanische Regierung die Verurteilung der Kommission zur Tragung der Kosten beantragt hat, hat jede Partei ihre eigenen Kosten zu tragen, obwohl die Kommission unterlegen ist.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2469/86 der Kommission vom 31. Juli 1986 mit Durchführungsbestimmungen für die Gewährung der Ausgleichsentschädigung an die Erzeuger von Thunfisch für die Konservenindustrie wird für nichtig erklärt.

2 ) Die Verordnung Nr. 2470/86 der Kommission vom 31. Juli 1986 zur Festsetzung des Hoechstbetrags der Ausgleichsentschädigung für Thunfisch für die Konservenindustrie für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1986 wird für nichtig erklärt.

3 ) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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